Ein herzliches Grüß Gott zur letzten Taktiktafel vor einem Spiel des Jahres 2023. Der SV Waldhof Mannheim empfängt unseren TSV 1860 München im Carl-Benz-Stadion. Was kommt dort auf die Löwen zu?

Waldhof Mannheim – TSV 1860 ist ein Traditionsduell zum Jahresabschluss, das man nicht verlieren sollte. Das gilt allerdings für beide Teams. Pünktlich vor dem Duell mit unseren Löwen hat Mannheim eine Serie von zehn Spielen ohne Sieg am Samstag gegen Aue mit einem 3:0 beendet.

Rüdiger Rehm, Trainer des Waldhof setzt grundsätzlich auf ein 4-2-3-1. Mit einer Pressinglinie, die im Normalfall aus zwei Spielern besteht und drei dahinter agierenden Mittelfeldspielern, die den eröffnenden Vorwärtspass verhindern sollen, steht Mannheim beim Anlaufen im Normalfall mittig bis tief. Die Defensivlinie steht meist auf mittlerem Niveau.

Bei eigenem Ballbesitz im gegnerischen letzten Drittel verschiebt Mannheim ballfern asymmetrisch auf ein 4-1-2-3 mit teilweise weit vorgeschobenem Außenverteidiger auf der ballnahen Seite.

Gegen den Ball verteidigen die Mannheimer im eigenen letzten Drittel im 4-5-1 oder 4-4-1-1. Je nachdem wie die Staffelung der gegnerischen Mannschaft situationsbedingt aussieht.

Bevor wir einen genaueren Blick auf Mannheims Spielweise werfen, zunächst – wie immer – die statistischen Werte der bisherigen Saison des Waldhof.

Statistische Werte: SV Waldhof Mannheim

  • Ballbesitz 44%
  • Passgenauigkeit 77%
  • defensive Zweikampfquote 64%
  • Flankengenauigkeit 32%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 11,3

Wie spielt der Waldhof?

Bei Ballbesitz

Durch die häufig tief stehende Pressinglinie und die mittig aufgestellte Defensivlinie versucht Mannheim selbst eher über Umschaltspiel und schelle Vorstöße – dort wo der Gegner Räume anbietet – vorzustoßen.

Das bedeutet, dass Mannheim nach Ballgewinn, egal in welcher Zone, sofort den schnellen Weg nach vorne sucht. Dazu ist jedes Mittel recht. Man sieht sowohl stark vertikales Passspiel, als auch progressive Läufe über längere Strecken oder – allerdings sehr selten, meist bei Ballgewinn knapp hinter der Mittellinie – Kombinationsspiel durchs Zentrum, das dann meist über Bentley Baxter Bahn als Ballverteiler hinter der Spitze läuft.

Müssen die Mannheimer im Positionsspiel von hinten aufbauen, regiert der lange Ball. Das führt zu vielen Situationen in denen der Kampf um sogenannte zweite Bälle in den Fokus rückt. Um dabei erfolgreich zu sein, überlädt Mannheim die zweite Reihe zunächst mit dem Box to Box Spieler und einem Außenverteidiger. So stehen hinter der Sturmspitze fünf Spieler auf einer Linie die auf der Seite verdichten, wohin der lange Ball gespielt wurde. Meist war das, in den Spielen die ich zur Analyse gesehen habe, die linke oder halblinke Seite.

Aus dieser Verdichtung heraus schieben dann ein bBallnaher Flügelspieler (Verteidiger oder Mittelfeldspieler) nach vorne auf die Linie der Sturmspitze während der ballferne Mittelfeldaußenspieler asymmetrisch mit in die Box schiebt. Je nachdem, wie und wo die Mannheimer dann Platz finden, läuft die Kugel entweder auf den ballnahen Flügel oder ins Zentrum, wo der Zehner über den weiteren Verlauf der Attacke entscheidet.

Gegen den Ball

Gegen den Ball setzt der Waldhof alles darauf, dass durch die eher tief stehende Pressinglinie und die mittig positionierte Defensivlinie die Räume für den Gegner so eng werden, dass präzises Kombinationsspiel fast unmöglich wird. Mit diszipliniertem, druckvollem und vor allem konsequentem Agieren gegen den ballführenden Spieler oder den Passempfänger versucht Mannheim so eklig wie möglich für Ballgewinne in der Zone zwischen Mittellinie und letztem Drittel zu sorgen. Diese Ballgewinne sollen wie oben beschrieben dann möglichst zu schnellen Umschaltangriffen führen.

Dringt der Gegner trotz allem ins eigene letzte Drittel der Mannheimer ein, verteidigt der Waldhof mit zwei Ketten diszipliniert und konsequent. Vor allem im Zentrum ist ein Durchkommen für den Gegner oft schwer.

Auch nach Ballgewinnen im eigenen letzten Drittel, sofern ein Feldspieler den Ball erobert, ist die Devise der Waldhöfer, möglichst schnell umzuschalten um die, möglicherweise etwas entblößte, Restverteidigung des Gegners in Unterzahl zu erwischen.

Stärken und Schwächen des Systems 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden, sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner der gern über die Flügel angreift schwer zu kontrollieren, da die Wege um einen Spieler zu Doppeln relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich durch dessen Fehlen für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken zwingend erforderlich um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Wie kann man den Waldhof knacken?

Meine Idee für den TSV 1860 München gegen Waldhof Mannheim, so wie die Kurpfälzer sich, in den Spielen die ich gesehen habe, präsentiert haben, wäre es zu versuchen, sie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Damit meine ich, dass man Mannheim zu einem Spiel zwingt, das sie eigentlich nicht können. Positionsspiel uns der eigenen Abwehr heraus.

Dazu müssten gegen den Aufbau der Mannheimer sowohl die Pressinglinie, als auch die Defensivlinie, auf tiefem Niveau agieren. Nur der Mittelstürmer dürfte, und das ist mit viel läuferischem Aufwand verbunden, den/die auslösenden Spieler anlaufen. Der zweite Spieler in der Pressinglinie hätte die Aufgabe, das Passspiel auf einen der Flügel zu verhindern, während die zweite Reihe auf der gesamten Breite mannorientiert verteidigt.

Funktioniert das wie gedacht, wird Mannheim den langen Ball spielen müssen, der dann um jeden Preis Beute der Löwendefensive werden muss. Gelingt auch das, und schafft man es gleichzeitig dem Gegenpressing nach Balleroberung zu entgehen, muss der Ball sofort nach vorne auf den Zielspieler gespielt werden, der, wenn alles richtig läuft, dann hinter sich eine Dreierreihe eigener Mannschaftskameraden findet die entweder angespielt werden können oder bei der Eroberung des zweiten Balles helfen. Danach muss der Pass in die Tiefe auf die Spitze erfolgen um den mit Tempo einlaufenden Stürmer im Idealfall durch die Schnittstelle zu bedienen und so eine eins gegen eins Situation herzustellen.

Attraktiver Fußball ist natürlich etwas anderes. Aber ich denke in der momentanen Situation interessiert nur das was am Ende auf der Anzeigetafel steht.

Schlüsselspieler

Tor

Seit drei Spielen hat Lucien Hawryluk (#30) Jan-Christoph Bartels als Nummer eins abgelöst. Nachdem Hawryluk schon im Sommer nach einer Gehirnerschütterung von Bartels für mehr Sicherheit im Kasten bei Mannheim sorgte, als die eigentliche Nummer eins, und während der sechs Spiele nur zwei Niederlagen hinnehmen musste, war die Entscheidung Rehms nun ihm den Vorzug vor Bartels zu geben nur konsequent und vermutlich richtig. Hawryluk ist 23 Jahre alt, 1,92 m groß zeigt eine exzellente Strafraumbeherrschung, hat extrem gute Reflexe, und ist wenn man den Daten folgt, überragend in der Strafraumbeherrschung. Seine Eignung für 1-gegen-1-Situationen einzuschätzen fällt mir schwer, denn er hatte in dieser Saison noch keine solche Situation zu überstehen. Die Daten aus seiner Zeit in den U-Mannschaften des BVB geben da leider auch keine Hilfestellung. Über den Zeitraum von 2016 bis heute steht bei der Anzahl solcher Momente in der Statistik eine große Runde Null.

Abwehr

Marcel Seegert (#5) ist Kapitän und Abwehrchef der Mannheimer. Der extrem fair spielende Innenverteidiger gewinnt knapp drei Viertel seiner seiner Zweikämpfe gegen den Ball, ist überaus dominant in Luftduellen. Die Spieleröffnung teilt er sich mit seinem jeweiligen Nebenmann Karbstein oder Riedel.

Mittelfeld

Bentley Baxter Bahn (#7) ist in der Offensive der wichtigste Baustein der Kurpfälzer. Seine offensiven Qualitäten sowie seine Bissigkeit und unangenehme Spielweise gegen den Ball machen den 31jährigen Hamburger zum Herzstück des Mannheimer Spiels. Vorn verteilt der dribbelstarke Zehner des Waldhof klug die Bälle an seine Mitspieler und gegen den Ball lässt der erfahrene Drittligaprofi ebenfalls wenig anbrennen. Seine defensive Zweikampffrequenz und -quote sind für einen Spieler auf seiner Position beide sehr hoch. Seine Kreise einzugrenzen wird für den TSV 1860 im Spiel gegen Waldhof Mannheim oberste Priorität haben, sobald sich das Mannheimer Spiel ins offensive Zentrum bewegt.

Sturm

Seit vier Spielen setzt Rüdiger Rehm im Sturmzentrum auf den erst neunzehnjährigen Kennedy Okpala (#32). Der Mittelstürmer mit nigerianischen Wurzeln verfügt über eine unglaublich hohe Schussgenauigkeit von 57%, ist dribbelstark, hat für einen Spieler seiner Alters bereits ein sehr hohes Durchsetzungsvermögen bei Kopfballduellen und agiert extrem giftig und erfolgreich im Gegenpressing. In den vier Partien, in denen er nun in der Startelf stand, konnte er bereits zwei Treffer verbuchen.

Fazit

“Ohne Kampf kein Sieg” ist der Wahlspruch eines guten Freundes von mir, und das wird auch das Motto für den TSV 1860 München gegen den SV Waldhof Mannheim am Mittwoch Abend sein müssen.

Ich will mich hier nun nicht lange aufhalten. Welches taktische Mittel der Coach dem Team auch immer vorgibt, die oberste Devise für alle elf Akteure auf dem Feld muss sein, dass gekämpft wird bis zum Umfallen. Das bedeutet nicht, dass jeder versuchen sollte mehr zu tun als er kann oder als es seine Aufgabenstellung für die Position und Rolle auf dem Feld verlangt, aber in dieser Position und Rolle auf dem Feld muss jeder Spieler in der Mannschaft über 90 Minuten 100% Einsatz zeigen.

Ein Zehner beispielsweise muss Bälle verteilen und nicht Behelfs-Maradona und Messi in einer Person versuchen zu spielen, ein Stürmer gehört im letzten Drittel ins Zentrum und nicht auf den Flügel usw.. Ich denke ihr wisst was ich meine.

Ich hoffe auf einen Kurswechsel bei der Richtung, die unsere Löwen in der Tabelle in den letzten Woche eingeschlagen haben. Wenn nötig auch mit dreckigem, unattraktivem Fußball, der dann wieder den Wutlöwen die Röte ins Gesicht treibt. Mir egal wie. 100% Einsatz, genug Zielwasser im Bus mitnehmen und kämpfen bis zum Umfallen, dann holt der TSV 1860, so Gott will, einen Punkt bei Waldhof Mannheim.

So könnte Mannheim beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Siggi

Vielen Dank Bernd. Und ja, ich glaube wir wissen, was bzw. wen Du meinst. Du hast die beiden ja ziemlich genau beschrieben :-).