Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels SV Waldhof Mannheim – TSV 1860 München. Den von Patrick Glöckner im 4-2-3-1 System ins Spiel geschickten Mannheimern stellte Michel Köllner das Flexible 4-1-4-1 System entgegen. Ohne vier Stammspieler konnte der TSV 1860 die Flexibilität, die dieses System eigentlich für das Spiel bietet, nicht so umsetzen, dass es ertragreich gewesen wäre.

Mannheim, in der Defensive sehr kompakt und auch mit der notwendigen Härte agierend, verschob gegen den TSV 1860 das 4-2-3-1 bei Ballbesitz so, dass Boyamba aus der Zentrale hinter Martinovic nach vorne schob und so meist als Halbstürmer agierte. Der ballferne Mittelfeldaußen ging dann auf die Halbposition. So hatte Mannheim die vorderste Linie bei Ballbesitz oft mit vier Spielern besetzt.

Über den rechten Flügel versuchten die Mannheimer den Sechzgern hauptsächlich über Tempo beizukommen. Mit Ekincier und Costly hatte man dafür eindeutig das richtige Personal auf dem Platz. Auch nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Ekincier noch in der ersten Halbzeit, wurde diese Herangehensweise auf dem rechten Mannheimer Flügel nicht geändert.

Über die linke Seite, wo Schnatterer regiert, war der Plan des SV Waldhof, dass der Außenspieler mit dem Ball von außen nach innen zieht oder man sich im Kurzpassspiel ins Zentrum durchkombiniert, um dann in die Box einzudringen.

Mit tiefen Läufen über die rechte Seite und Kombinationsspiel diagonal Richtung Box am Boden von der linken Seite – so versuchte Mannheim zum Erfolg zu kommen. Direkt durchs Zentrum gehende 10er-Position eher die Ausnahme.

Der in der Defensive ebenfalls recht solide stehende TSV 1860 München eröffnete bei Ballbesitz meist über das Zentrum, wo Tallig die Fäden ziehen sollte. Je nach Situation auf dem Spielfeld sollte er das Leder dann dorthin verteilen, wo ein Erfolg aufgrund der sich bietenden Räume am Vielversprechendsten erschien. Meist gelang das dann über Flügelspiel. Positionsangriffe durch die Zentrale konnten kaum bis zum Ende ausgespielt werden.

Interessant war, dass Greilinger als Linksfuß auf der rechten Seite und Goden als Rechtsfuß auf der linken zu finden war. Beide wurden damit als sogenannte Inverse Außenspieler eingesetzt. Der Plan hinter diesem taktischen Kniff ist, dass diagonale Läufe für den Verteidiger schwerer zu unterbinden sind und dass der Spieler, der mit dem falschen starken Fuß auf dem Flügel spielt, es bei Diagonalpässen von der Halbposition wieder nach außen leichter, hat den Ball an den Mann zu bringen.

So versuchten die Löwen auf der linken Seite mit Goden und Steinhart im Zusammenspiel über Tempo Raumgewinne zu machen. Gewisse Ungenauigkeiten im letzten Drittel bei Pässen und eine aktiv verteidigende Defensivabteilung der Gegner verhinderten jedoch den Erfolg von dieser Seite über tiefe Läufe. Bei diagonalen Läufen war bei Angriffen über links meist ein defensiver Mittelfeldspieler der Mannheimer die Endstation für den TSV 1860.

Besser liefen die Angriffe der Löwen auf der rechten Seite, die, wenn sie früh diagonal ins Zentrum getragen wurden, meist über den dann von Greilinger oder Deichmann eingesetzten Neudecker liefen. Aufgrund der starken Konzentration an Spielern dort war aber auch dann kaum die Chance, da zentral in der Box Anspielstationen zu finden, geschweige denn den Ball zum Abschluss dorthin zu bringen.

Auf der rechten Seite liefen auch die Bemühungen der Löwen bei tiefen Läufen über Greilinger und Deichmann eindeutig besser. Wenn die Spieler des TSV 1860 München die Mannheimer rechts attackierten, konnten sie oft nur durch Fouls gestoppt werden. Die Freistöße – teilweise aus aussichtsreichen Positionen – brachten aber leider nichts ein.

Angriffe, die durchs Zentrum liefen, waren für die defensivstarken Mannheimer mit ihrer Kompaktheit in diesem Bereich leichte Beute.

Die wichtigsten statistischen Werte des Spiels

  • Ballbesitz: TSV 1860 56% – Waldhof Mannheim 44%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 71% – Waldhof Mannheim 71%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 73% – Waldhof Mannheim 69%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 9/3 – Waldhof Mannheim 10/5
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 10 – Waldhof Mannheim 6,95

Analyse der statistischen Werte

3:0 verloren und trotzdem in fast allen statistischen Werten besser als der SV Waldhof – das war dann eine unverdiente Niederlage für den TSV 1860 München, oder? Nimmt man die beiden Elfmeter für den SV Waldhof aus der Rechnung, dann ja. Das muss hier man so deutlich sagen. Beide Teams waren absolut ebenbürtig. Warum, werde ich im folgenden erläutern.

Ballbesitz und Passspiel

Der TSV 1860 München hatte 12% mehr Spielanteile als der SV Waldhof Mannheim. Und ganz nach dem üblichen Credo der Löwen wurde das mit wenig Rückpässen im eigenen Defensivverbund erreicht. Bei den Querpässen der Defensivspieler untereinander sieht das Ganze zwar etwas anders aus, aber immer noch nicht in dem Maße, dass man sagen müsste, Sechzig hätte nicht gewusst, was man mit dem Ball anfangen kann. Nur 19% aller gespielten Pässe des TSV 1860 München waren defensiver Natur. Das ist eine sehr geringe Anzahl, vor allem wenn man so viele Spielanteile hat. Nach dem frühen Gegentor blieb den Löwen auch nichts anderes übrig, als das Heil in der Attacke zu suchen. Die stabile Mannheimer Defensive hatte da allerdings was dagegen.

Defensive Zweikämpfe

Womit wir bei den defensiven Zweikämpfen wären. Sechzig hat hier nicht nur absolut die Nase vorne. Die Löwen führten knapp 41% mehr defensive Zweikämpfe und gewannen 73%. Die Mannschaft des TSV 1860 München gewann im Spiel gegen den SV Waldhof mehr Defensivzweikämpfe als die Waldhöfer überhaupt geführt hatten. Das klingt seltsam, ist aber eine Tatsache.

Warum war des Spiel dennoch so ausgeglichen? Das liegt am etwas besseren Stellungsspiel der Waldhöfer. War der TSV 1860 bei den Zweikämpfen haushoch überlegen, so waren es die Gastgeber aus Mannheim bei den abgefangenen Pässen. Zwanzig abgefangene gegnerische Pässe mehr hat der SV Waldhof im Vergleich. Bevor sich einer fragt, ob das dann zur ausgeglichenen Passgenauigkeit der beiden Teams passt, hier schon die Antwort: Ja, tut es. Denn mit einer Mehrzahl an ins Aus (Seitenaus /Toraus) gespielten Bällen des SV Waldhof gleichen sich die abgefangenen Bälle wieder an. Diese Bälle führten dann zu Einwürfen, Ecken und Abstößen.

Schüsse

Auch die Mannheimer hielten sich nicht mit sinnlosem Geplänkel in der eigenen Spielfeldhälfte auf. Bei Ballbesitz ging es meist schnell und direkt nach vorn. Beide Mannschaften brachten es so auf nahezu gleich viele zu Ende gespielte Positionsangriffe. Bei den Schüssen nach Positionsangriffen haben allerdings die Mannheimer die Nase vorne. Rechnen wir – wie oben schon gesagt – die Elfmeter aus dem Spiel heraus kommt der SV Waldhof insgesamt auf sechs Schüsse. Ein Schuss entsprang einer Ecke. Zwei Elfmeter und den Nachschuss müssen wir hier ebenfalls von den zehn Schüssen der Hausherren abziehen.

Die Sechzger kommen in diesem Vergleich auf nur vier Schüsse aus dem Spiel heraus. Die anderen fünf Versuche, das Tor zu treffen, entsprangen Standardsituationen. Dass von den Versuchen unserer Löwen keiner hineinging, hängt stark mit den Positionen ab, aus denen gefeuert wurde. Nur ein Schuss, der durch die Abwehr hindurchging, wurde aus zentraler Position im Strafraum abgegeben. Dieser von Marcel Bär abgegebene Versuch verfehlte den Kasten aber in 76. Minute leider links oberhalb des Tores. Sein Schuss in der 54. Minute aus spitzem Winkel hatte da mehr Potential. Leider konnte dieser von Königsmann pariert werden.

PPDA

Bei der PPDA sehen wir, dass Mannheim in den pressingrelevanten Zonen im Schnitt drei Pässe weniger zuließ als der TSV 1860. Das bedeutet nicht, dass der TSV 1860 ein schlechteres Pressing gespielt hätte. Sechzig konnte die Zone zwischen Pressingzone und Verteidigungszone nur um einiges schneller – also mit weniger Pässen – überbrücken. Deshalb hat Mannheim dort im Schnitt weniger Aktionen gegen den Ball als der TSV.

Alles in allem wäre aufgrund der Statistiken ein Unentschieden, wie vor dem Spiel von Löwencoach Michael Köllner gewünscht, gerecht gewesen.

Das Spiel

Bereits nach drei Minute waren die Hausherren in Führung gegangen. Der Handelfmeter war zwar aufgrund seiner Entstehung nach einer Flut von Kopfbällen, bei der es die Abwehr des TSV 1860 München nicht schaffte, das Leder nachhaltig aus dem eigenen Strafraum zu bugsieren, unglücklich, aber sicherlich vertretbar. Danach gab es Phasen, in denen sich beide Teams zwischen den jeweiligen Strafräumen neutralisierten. Sowohl bei den Strafraumszenen, als auch bei den Ballkontakten im Strafraum und bei den dort abgegebenen Schüssen, liegen die Teams so nah beieinander, dass man die Partie absolut als auf Augenhöhe geführt benennen muss.

Abgesehen von den Schüssen, die zu den Toren führten, also den Elfmetern bzw. Costlys Nachschuss, sowie Sohms Schuss, bei dem er vor seinem Treffer Hiller anschoss, gab es genau einen Schuss für den SV Waldhof, der von der Abwehr des TSV 1860 München nicht geblockt werden konnte. Das war Verlaats Versuch in der 82. Minute – der ging allerdings über Hillers Kasten.

Auf der anderen Seite sah es ähnlich aus. Auch die Mannheimer hatten, abgesehen von den Schüssen von Marcel Bär in der 54., als Königsmann glänzend parierte, und 76. Minute, den Bär übers Gebälk setzte, keine Probleme.

Aufgrund des frühen Rückstands was das Spiel zumindest bis zur 66. Minute spannend. Unterm Strich muss man jedoch sagen, war zumindest einer der Elfmeter berechtigt. Und deshalb geht die Niederlage wohl auch in Ordnung.

Die jungen Einwechselspieler Knöferl, Mannhardt und Cocic haben so wenigstens gegen einen starken Gegner die Chance gehabt, Erfahrungspunkte zu sammeln. Speziell Knöferl hat nach seiner Einwechslung immer wieder für brenzlige Momente gesorgt und die Mannheimer Defensive vor Aufgaben gestellt, die nur mit einem Foulspiel zu lösen waren.

Noch ein kurzes Wort zum Schiedsrichter und der Härte im Spiel: Bis zur 86. Minute hatte man das Gefühl, der 31-jährige Student mit 21 Spielen Bundesligaerfahrung und 47 Zweitligapartien auf dem Buckel, hätte die gelbe Karte zuhause vergessen. Bei so einer laxen Spielleitung muss man den Gegner möglicherweise als Gastmannschaft auch mal härter Foulen. Spieler wie Verlaat, Seegert, Höger und Russo hatten keine Probleme damit, gegen unsere Spieler richtig hinzulangen und keiner der vier sah für die teilweise sehr harten Fouls den gelben Karton.

Die Tore

Die Tore könnt ihr Euch hier in der Magenta Sport Zusammenfassung noch einmal ansehen.

Ein unnachahmlicher Sololauf von Pascal Sohm, der vor dem Tor dann zwei Schüsse abgeben konnte, sorgte für das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wichtige dritte Tor für den SV Waldhof. Dass Sohm bei seinem Sololauf nicht mehr richtig angegangen wird, hing sicherlich unter anderem damit zusammen, dass sich kein Abwehrspieler einerseits in der 95. Minute noch eine Karte einfangen will, und andererseits Pascal Sohm diesen Treffer unbedingt wollte. Das Tor war weder spielentscheidend noch wird es im weiteren Verlauf der Saison eine große Rolle spielen. Darum erspare ich mir hier die genaue Analyse.

Fazit

Man kann der Mannschaft des TSV 1860 München in dieser Formation ohne vier Stammspieler nicht vorwerfen, dass sie nicht alles versucht hätte, um das Ding gegen Waldhof Mannheim zu drehen.

Die Niederlage ist eine bittere Kröte, die wir da am Sonntag schlucken mussten. Mit zwei Wochen, die nun bis zum nächsten Drittligaspiel vor uns liegen, ist aber keine Panik angesagt. Kapitän Lex wird gegen Saarbrücken wieder auf dem Platz stehen und auch die drei anderen am Sonntag schmerzlich vermissten Akteure sollten gegen Saarbrücken wieder einsatzbereit sein.

Die Elfmeterentscheidung vor dem 2:0 für den SV Waldhof Mannheim muss man aber durchaus hinterfragen. Wenn das ein korrekter Pfiff war, gehört die Regel geändert. Und zwar dahingehend, dass eine Absicht erkennbar sein muss.

Das Glück, das der SV Waldhof Mannheim immer wieder mit Elfmeterentscheidungen hat, ist durchaus als seltsam zu bezeichnen. Vergangene Woche gegen Verl konnte der SV Waldhof sich durch langes Palaver mit dem Schiedsrichter aus einem Handelfmeter gegen sich heraus quatschen. Etwas Ähnliches geschah in der Saison 19/20 im Grünwalder Stadion, als sich Mannheim nach minutenlanger Diskussion ebenfalls aus einem bereits gepfiffenen Elfer heraus laberte. Was ist da los, DFB? Ich will hier keinen Betrug unterstellen, aber das hat schon alles ein leichtes Geschmäckle.

Naja, sei’s drum. Am Samstag, den 04.04., werden die Karten gegen den 1. FC Saarbrücken neu gemischt. Bis dahin gilt es die Konzentration hochzuhalten und das Totopokalhalbfinale gegen Aubstadt erfolgreich zu gestalten.

Daten: Wyscout

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Kassenwart

Vielen Dank für die Nachbereitung und den statistischen Daten, Bernd. Die Werte zeigen ja, dass wir spielerisch durchaus auf Augenhöhe waren, nur nicht so abgebrüht und leider mit körperlichen Nachteilen. Und dafür möchte ich gerne etwas Statistik ergänzen:

Mit durchschnittlich 25,1 Jahren dürfte es die jüngste Löwen-Mannschaft in der 3. Liga gewesen sein (womöglich sogar im 60-Profifussball). Nimmt man die Einwechselungen dazu war das Durchschnittsalter sogar nur 23,6 Jahre. Das zeigt, das Team könnte vom Alter her so noch einige Jahre zusammen spielen.

Insgesamt standen 8 (in Worten ACHT) Spieler aus dem Nachwuchsleistungszentrum der Löwen auf dem Platz: Hiller, Steinhart, Morgalla, Neudecker, Greilinger, Cocic, Mannhardt und Knöferl. Ich glaube kaum, dass bei einer ersten Löwen-Mannschaft jemals mehr Spieler aus dem NLZ in einem Spiel eingesetzt wurden. Und selbst im Profifussball dürfte das bei Traditionsvereinen ein Wert sein, welcher kaum von einem weiteren Team erreicht wurde (höchsten am letzten Spieltag mal bei einer Begegnung um die goldene Annanas).

Das ist auch ein Signal an die Jugend und eine Anerkennung der Leistungen des NLZ!

Stefan Kranzberg

Wobei 25,1 Jahre im Schnitt jetzt per se nicht sooooo jung ist, find ich.

Kassenwart

Naja, dritte Liga ist ja tendenziell älter als z.B. 2. Liga. (Ausnahme 2. Mannschaften)