Giesinger Gedanken: Liebesentzug für Fußballvereine

Während den Geisterspielen hatte man das Gefühl, viele Fans lechzen förmlich nach Fußball. Jetzt, wo Stadionbesuche wieder möglich sind, bleiben viele Plätze leer. Beim TSV 1860 interessiert sich gerade einmal rund die Hälfte der Dauerkarteninhaber für einen Stadionbesuch. Woran liegt´s? Darüber haben wir uns auf der Fahrt nach Braunschweig Gedanken gemacht und debattiert.

Überall auffällig – die aktive Szene fehlt

Natürlich am auffälligsten ist das Fehlen der aktiven Szene. Keine Zaunfahnen, keine Schwenkfahnen, keine Vorsänger, keine Trommeln. So sieht es in nahezu allen Fußballstadien der Republik aus. Die Begründungen sind fast überall ähnlich, wenn auch nicht komplett gleich. Bei den Münchner Löwen blieb man vage: „Wir können und wollen unsere Fankultur unter den aktuellen Bedingungen nicht ausleben“. Natürlich. Getrennte Rudel die eigentlich noch dazu sitzen sollten, kombiniert mit einem Vorsänger, Schwenkfahnen etc – das funktioniert nicht. Soweit verständlich.

Um so mehr, weil man ja trotzdem fordert, dass jeder Löwenfan der im Stadion ist, die Mannschaft trotzdem lautstark unterstützen möge. Was im übrigen meiner Meinung nach ganz gut klappt. Wenn man bedenkt, dass in einem Stadion dass ich noch mit über 30 000 erlebt habe jetzt gerade einmal 4000 Löwenfans drinnen sind, dann ist die Stimmung dafür ganz ordentlich. Wenn auch natürlich etwas fehlt.

Fast noch auffälliger – die Stadien bleiben leer

Was ich jedoch noch bemerkenswerter finde: Die Stadien bleiben leer. Sei es bei den roten Teufeln am Betzenberg, wo sich nur wenige tausend um eines von 20 000 möglichen Tickets bemühen. Oder aber bei unseren Löwen: Etwas über 11 000 verkaufte Dauerkarten, bislang durften rund 4000 zu den Spielen rein. Überschlagen ermöglicht das den Löwenfans mit Dauerkarte den Besuch von jedem dritten Spiel.

Nicht einmal die Hälfte der Dauerkarteninhaber beim TSV 1860 will ins Stadion

Die bisherigen Spiele haben jedoch gezeigt, dass nicht einmal die Hälfte der Dauerkarteninhaber ins Stadion möchte. Nicht umsonst wurde bereits beim zweiten Spiel nach einer kurzen Verkaufsphase für die, die noch nicht im ersten Spiel waren das Stadion für alle Löwenfans freigegeben. Die Begründungen die man in den sozialen Netzwerken dazu liest, sind vermutlich nicht repräsentativ. Bemerkenswert sind sie allemale:

Da wird das umständliche Prozedere mit dem Corona-Test bemängelt. Was ziemlicher Schwachsinn ist, weil das beim TSV 1860 mit den Stewards rund um´s Stadion reibungslos und perfekt funktioniert. Die nächsten bemängeln die Masken. Ob sie nicht mitbekommen haben, dass diese am Platz abgenommen werden dürfen? Wieder andere und gar nicht so wenige bemängeln das Alkoholverbot.

Ganz ehrlich, seit dem Michael Köllner Trainer ist sind unsere Spiele doch durchaus nüchtern zu ertragen. Was bedeutet denn schon eigentlich nüchtern? Die Kneipen rund ums Stadion verkaufen ja ohnehin normales Bier. Wer damit nicht klar kommt, dass er zwei Stunden lang keinen Alkohol trinken kann, sollte ohnehin überdenken ob er nicht Hilfe benötigt. “Einmal Löwe – immer Löwe & Ich fahr mit dir auch bis ans Ende dieser Welt” – aber nur wenn ich mich dabei besaufen kann?

Wenn jemand sagt, dass ihm das alles unter den jetzigen Bedingungen keinen Spaß macht, dann kann ich das zu 100% nachvollziehen. Macht es mir auch nicht. Aber die Liebe zu den Löwen zieht mich ins Stadion. Warum sollte ich meinen Verein mit Liebesentzug bestrafen? Dafür hat und hätte er mir schon so manchen Grund gegeben. Nicht umsonst sind tausende auch in den letzten Jahrzehnten weggebrochen.

Aber für den derzeitigen Schlamassel – dafür können die Löwen mal ausnahmsweise gar nichts. Im Gegenteil – die Verantwortlichen arbeiten wie die Verrückten, um so vielen Löwenfans wie irgendwie möglich den Stadionbesuch möglich zu machen. Aber viele wollen so nicht. Was natürlich ihr gutes Recht ist.

Die Gedanken, die ich mir eher mache gehen in die Richtung, wie man aus diesem ganzen Schlamassel wieder herauskommt.

Lösung 2G-Modell? Ich bin klar dagegen

Die Stimmen, die in vielen Bereichen der Gesellschaft ein 2G-Modell fordern werden lauter. Ich persönlich lehne das ab, obwohl ich geimpft bin. Einen Zutritt ins Stadion nur für geimpfte kann und will ich mir nicht vorstellen. Da wäre die Impfpflicht durch die Hintertür, von der immer gesagt wurde dass sie nicht kommt. Beim 1. FC Köln ist es aber z.B. schon Realität. So schnell kann´s gehen.

Für mich ist die Sache klar: Wer geimpft sein möchte, der ist geimpft. Wer nicht geimpft sein möchte, der möchte nicht und das ist sein gutes Recht. Was spricht also dagegen, die Stadien wieder ganz normal zu öffnen? Eigentlich nichts. Kommen wird es vermutlich nicht, in Söder-Land gleich zweimal nicht. Man darf gespannt sein, was sich die Verantwortlichen beim TSV 1860 München für Gedanken machen.

Dass der jetzige Zustand auf Dauer nicht akzeptabel ist, ist offensichtlich und zeigen ja auch rund 2/3 der Fans durch ihre Abwesenheit. Es bleibt spannend.

0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
7 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Stepanek

Heute war ja wieder mal die Möglichkeit sich um Karten zu bemühen. Leider waren wir alle aus unserer Gruppe gesperrt, obwohl zwei beim letzten Spiel gar nicht dabei waren.

Das Ergebnis ist, dass noch eine Vielzahl von Karten verfügbar wäre, aber wohl keine Interessenten mehr, oder nur noch “Gesperrte”. Beim letzten Heimspiel wurde ja gar keine Sperre aktiviert, jetzt gegen Meppen wieder, obwohl ca. 50 % mehr Fans zugelassen wurden. Langsam erscheint die Nachfrage (unter den aktuellen Bedingungen) geringer als das Angebot zu sein, also bräuchte man keine Sperren mehr.

Ich gehe mal davon aus, dass am Dienstag, spätestens Mittwoch, wieder alle freigegeben werden und wieder ein neuer “Run” auf die Karten losgeht.

Xanderl

Wer warten will, bis es wieder wird wie vor Corona, wird nie mehr ins Stadion gehen. Denn es wird nicht mehr so wie vorher. Nichts wird wieder wie vorher, dafür ist die Erfahrung Corona zu extrem. Aber ich bin froh über jedes bisschen öffentliches Leben, das möglich ist.
Mir macht es Spaß wieder ins Stadion zu gehen. Natürlich ist es nicht wie früher, aber trotzdem ziehe ich die aktuelle Situation im Stadion dem Genuss von Magentasport vor. Ob es dann wieder irgendwann mit früher vergleichbar wird, wird man sehen. Das wird es aber ganz sicher nicht, wenn alle daheim vor der Glotze hängen und darauf warten.

United Sixties

Mit Liebesentzug bestrafen?
Sehe ich etwas differenzierter, denn es ist jedem treuen Fan und Vereinsmitglied als braver Jahreskartenkäufer der KGaA durchaus überlassen, ob er dieses kommerzielle Spiel weiter mitspielt . Warum hat man denn z.B. nicht ein Zeichen versucht zu setzen mit reduzierter Jahreskartenpreisen während der komplizierten Pandemieauflagen( die hauptsächlich die Politik zu verantworten hat)? Wieso sollen immer nur die Fans in die größtmögliche Vorleistung gehen ?
Treue und Stadionfieber hin oder her… es sollte schnell Alles wieder in normalere Bahnen gelangen und dann wird das Sechzger und andere Stadien auch wieder proppenvoller .
Für mich gehören dazu auch Ergebnisse hinsichtlich Hallenbau e.V. und Stadionmodernisierung Stadtratsbeschluss am 15.9. ..ohne weitere Verzögerungen !
für eine gute Löwenzukunft für alle treuen Mitglieder und Fans. ELIL

michl60

Es hatte doch jeder die Möglichkeit, Kopf oder Herz zu nehmen, mit Kopf hattest du doch die ermäßigten Dauerkarten. Was hat allerdings der Hallenbau mit dem Stadionbesuch zu tun?

Anonym

Ich bin jedes mal bei der Rudelbildung gescheitert. So ist es bestimmt Vielen gegangen.

michl60

Also ich bin kein einziges Mal gescheitert 🤨🤔 Was hat nicht geklappt?

michl60

Man darf nicht vergessen, es ist Ferien- und Urlaubszeit. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass viele Fanclubs die Busse nicht vollbringen und dann gar nicht fahren und somit auch viele, die gehen würden dann nicht kommen, weil die Anfahrt zu beschwerlich ist. Mir ist es Recht, dann kann ich jedes Spiel besuchen. Ich bin übrigens für 2G, wenn dann auch endlich wieder Stehplätze genehmigt werden