Der Bundestag hat auf die Corona-Krise reagiert und das Vereinsrecht geändert – demnach wären für Versammlungen von Vereinen, die in 2020 stattfinden sollen eine Online- oder Briefwahl möglich (das Löwenmagazin berichtete). Viele stellen sich jetzt die Frage, ob das auch bei 1860 kommt:

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Jahreszahl: 2020. Die Regelung gilt ausdrücklich nur für dieses Jahr – und selbst in diesem Jahr sind die Hürden für 1860 hoch: Mindestens die Hälfte der Mitglieder müsste bei Beschlüssen ihre Stimme abgegeben haben  -das wären bei 1860 mehr als 8500. Illusorisch in Zeiten, in denen viele Kommunalwahlen gerade mal Wahlbeteiligungen von um die 50% haben. Bei 1860 haben – wie bei vielen anderen Fußballvereinen auch – sehr viele Mitglieder nur eine Mitgliedschaft, um überhaupt an Eintrittskarten zu kommen.

An dieser Stelle bitten wir das Fehlen des 5. Teiles über die “Allesfahrer von 1860” zu entschuldigen – der folgt heute Abend um 18:60 Uhr.

Es gibt ja vereinzelte Stimmen, die Online- oder Briefwahl grundsätzlich für 1860 fordern. Hierfür bräuchte es eine Satzungsänderung, diese wäre von der Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen zu beschließen. Entsprechende Anträge wurden in der Vergangenheit von der Mitgliederversammlung abgeschmettert – aus gutem Grunde:

1. Der oftmals angeführte Vergleich, dass bei politischen Wahlen eine Briefwahl möglich wäre ist bei einem Verein wenig zielführend: In einem Verein ist man freiwillig Mitglied geworden, durch die Mitgliedschaft in diesem hat man das Recht, am Vereinsleben aktiv oder auch passiv teilzunehmen. Die große Mehrheit der Mitglieder des TSV 1860 hat eine passive Mitgliedschaft – die einzige Möglichkeit das Vereinsleben mitzugestalten ist in diesem Fall die Mitgliederversammlung.

Wer durch Abgabe seiner Stimme bestimmt, wer für die nächsten Jahre ein Amt beim TSV 1860 zu bekleiden hat, der sollte sich davor wenigstens anhören, was die jeweiligen Kandidaten zu sagen haben – oder auch die Möglichkeit haben, sie selber zu befragen. Oder eigene Anträge zu stellen. Diese bei Rückfragen zu erklären.

Dass dies bei der Wahl in einer Großstadt oder zum Bundestag bei einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern nicht praktikabel ist, dürfte jedem einleuchten. Bei einem Verein geht das und wird seit vielen Jahren so praktiziert – und das ist gut so.

Theoretisch wäre es natürlich denkbar, dies auch online abzuhalten. Hierfür müsste allerdings jedem Mitglied über Stunden eine stabile Internet-Verbindung haben. Es bräuchte gigantische Server-Kapazitäten. Online-Moderatoren. Was geschieht mit der Stimme von einem Mitglied, der einen Leitungsabbruch hat, einen Stromausfall oder im Datentechnischen Nirvana lebt – Deutschland steht hier ja hinten an? Was wäre gewonnen? Das tausende Löwen an einem ganzen Sonntag vor dem PC sitzen, anstatt gemeinsam in einer Halle? Wer so etwas ernsthaft fordert, der kann vermutlich nur ein Ziel haben – und das erläutern wir unter Punkt 2:

2. Dass eine Online- oder Briefwahl der Einflußnahme von außerhalb Tür- und Tor öffnen würde, bedarf keiner großen Erklärung in Zeiten, in denen ein Investor hunderttausende Facebook-Likes kauft. Hunderte Mitglieder aus einem fernen Land, die mit ihrer Online-Stimme bestimmen, wer zukünftig bei 1860 das sagen hat? Nicht unvorstellbar in Zeiten, in denen selbst Live-Mitgliederversammlungen von Investoren mit ihren Angestellten „gekapert“ werden:

https://www.focus.de/sport/fussball/traditionsklub-im-wuergegriff-verein-wurde-heute-beerdigt-mitgliederversammlung-bei-tebe-berlin-geraet-zur-farce_id_10257803.html

Hier geht es jetzt nicht nur um die aktuell am Ruder sitzenden Personen, sondern eine Satzung soll ja auf viele Jahre ausgelegt sein. Für Investoren gibt es ja auch deutlich abschreckendere Beispiele als Hasan Ismaik – diese haben wir z.B. hier beleuchtet.

Die Mitgliederversammlung bei 1860 wird auch in Zukunft „live“ stattfinden – und das ist gut so: Uns ist kein Verein bekannt, der eine Online- oder Briefwahl durchführt – aus den bereits genannten Gründen mehr als verständlich.

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