Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München gegen den BVB II im Dortmunder Westfalenstadion. Seit Beginn der Saison wird die U23 der Borussia vom 38-jährigen Christian Preußer, der zuvor Cheftrainer bei Fortuna Düsseldorf war, trainiert. 3-5-2 und dessen Varianten, sowie 4-2-3-1 (bisher 2x) waren die Systeme, die in den bisherigen Spielen von Preußer, dessen Lieblingssystem eigentlich das 3-4-3 ist,  eingesetzt wurden.

BVB II – TSV 1860 München heißt es also am morgigen Samstag in der ehemaligen Hansestadt an Ruhr und Emscher. Was können wir von der teuersten Elf der dritten Liga (Marktwert 13,1 Mio €) im Spiel erwarten?

Wie eingangs bereits erwähnt, lässt Trainer Preußer seine U23 hauptsächlich in einem System, das mit einer Dreier-Innenverteidigung agiert, auflaufen. Ob das auch morgen so sein wird, ist nach der Degradierung des ehemaligen Nationalspielers Nico Schulz in die zweite Mannschaft der Borussia für mich nicht unbedingt in Stein gemeißelt. Im schriftlichen Gespräch mit dem Trainer der Borussia wollte sich dieser auf Nachfrage zu dieser Personalie nicht äußern.

Bisher hat Preußer die kleinen Borussen jedoch systematisch nicht an die Ausrichtung des Gegners angepasst. Die kleinen Borussen spielen auch nicht, wie das anderswo oft bei zweiten Mannschaften ist, das System der ersten Mannschaft, die bisher immer mit Viererkette auf den Platz kam.

Setzt Preußer Schulz ein, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es dennoch zu einer Systemänderung auf Viererkette kommen kann.

Für die heutige Taktiktafel werde ich nun trotzdem das System mit der Dreierkette in den Fokus rücken. Vor allem deshalb, weil Dortmund hier bei den defensiven Verschiebungen taktisch sehr interessant agiert.

Bevor ich das darlege, folgen aber wie immer die wichtigsten statistischen Werte des Gegners.

Die wichtigsten statistischen Werte des BVB II

  • Ballbesitz: 56% (drittbester Wert der Liga)
  • Passgenauigkeit: 83% (Topwert der Liga)
  • Defensive Zweikampfquote: 61%
  • Flankengenauigkeit: 25%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,11

Wie spielt der BVB II?

Bei Ballbesitz

Wenn die Borussia selbst den Ball hat, spielt Dortmund ein sicheres schnelles Kombinationsspiel. Über die gesamte Breite des Platzes tragen die Borussen ihre Angriffe sehr erfolgreich bis ins letzte Drittel des Gegners vor, haben allerdings dort dann oft wenig Ideen, um Lösungen zu finden, in die gegnerische Box oder zum Abschluss zu kommen.

Die Dortmunder verschieben die beiden Flügelspieler und den zentralen offensiven Mittelfeldmann im gegnerischen letzten Drittel nach vorne. Dabei rückt der ballferne Außenspieler auf die Halbposition und der offensive Mittelfeldspieler in eine Position zentral hinter die Spitzen zu einer 1-4 Formation mit drei echten und einer hängenden Spitze. Die asymmetrische flache Vier in der vordersten Reihe macht es den Gegnern im Spiel Mann gegen Mann oft leicht, die eigene Box zu verteidigen, da es an Anspielstationen im kurzen Rückraum fehlt.

Gegen den Ball

Im Spiel gegen den Ball verschieben die Dortmunder aus dem Mittelfeld nicht zwangsläufig zu einer Fünferkette in der letzten Reihe, wie es meistens bei Systemen mit einer Dreierinnenverteidigung üblich ist. Situationsbedingt kippt ein Spieler aus dem Mittelfeld in die Abwehrreihe ab. Es verschiebt also asymmetrisch der linke oder der rechte Außenspieler aus dem Mittelfeld nach hinten. Aber – und das ist sehr interessant – bisweilen kippte der tiefe Sechser in die Dreierkette ab.

Warum ist das interessant? Dieser defensive Mittelfeldspieler lässt sich zwischen den zentralen Innenverteidiger und den ballfernen äußeren Innenverteidiger fallen. Dadurch entsteht eine Viererkette in der letzten Reihe. Die beiden ballnahen Innenverteidiger verschieben horizontal auf die starke Seite des Gegners. Somit ist dort, wo sich der Ball befindet, weil der Mittelfeldaußenspieler auf seiner Position bleibt, im Gegensatz zu den meisten anderen taktischen Verschiebungen bei Dreierketten, im Fall BVB II eine Dopplung des ballführenden Gegenspielers möglich.

Das Abkippen des tiefen Sechsers hat allerdings den Nachteil, dass der gegenüberliegende Flügel in der letzten Reihe bei einem Flankenwechsel möglicherweise schwach besetzt ist. Das kann dann zu gefährlichen Situationen führen. Wenn der Sechser in der Box to Box Rolle, der Mittelfeldaußenspieler auf dieser Seite und der Ballferne äußere Innenverteidiger nicht aufpassen, ist die Box der Borussen auf dieser Seite dann offen wie ein Scheunentor und schnelle Spieler der gegnerischen Mannschaft können für viel Gefahr im Strafraum sorgen, wenn aus dem Zentrum gut nachgerückt wird.

Was sind die größten Probleme der Borussia?

Offensive

Der Abschluss und das Vorbereiten desselben sind die größten Probleme der Dortmunder U23. Die meisten – der im Vergleich mit anderen Teams ohnehin wenigen – Schüsse setzt Dortmund, weil die Gegner ihre Box aufgrund des Spielstils der Dortmunder Offensive gut verteidigen können, von außerhalb des Strafraums ab. Aus diesem Grund geht gerade mal nur etwas mehr als jeder vierte Schuss so auf den Kasten des Gegners, dass der gegnerische Torhüter Arbeit bekommt.

Das liegt mitunter daran, dass die Dortmunder es nicht hinbekommen, im Strafraum in Schussposition zu kommen. Jugendliche Ungeduld bei den U23 Spielern führt dann, trotz oft klarer technischer und spielerischer Überlegenheit bis ins letzte Drittel, zu überhasteten Schüssen von außerhalb der Box, die meist entweder ungefährlich auf den Kasten kommen  oder drüber bzw. vorbei gehen.

Resultat des Ganzen: Dortmund hat den zweitniedrigsten xG Wert der dritten Liga.

Defensive

In der Defensive haben die kleinen Borussen starke Probleme im Stellungsspiel. Das muss durch mehr Laufarbeit kompensiert werden. In der Folge laufen die Abwehrspieler dann den Gegnern oft hinterher und haben dann häufig nur noch die Möglichkeit, entweder ein Foulspiel zu begehen oder den Gegenspieler ziehen zu lassen.

Wie kann der TSV 1860 den BVB II knacken?

Es geht für den TSV 1860 München im Spiel gegen den BVB II ganz klar darum, dem Gegner das eigene variable Spiel aufzudrücken und überhaupt keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, wer die Hosen anhat. Auch wenn der Marktwert des kommenden Gegners etwa doppelt so hoch angesetzt ist wie der des TSV 1860 München, sind wir auf fast allen Positionen besser und vor allem erfahrener besetzt als die U23 der Borussia.

Gegen den Ball muss man den Jungspunden der Borussia genauso auf die Nerven gehen, wie es – abgesehen von Essen und Oldenburg – bisher fast alle Gegner der Dortmunder gezeigt haben. Konsequentes Pressing im Raum der ersten Reihe auf Linie eins oder zwei, mit Fokus auf Ballgewinn im Mittelfeld. Sollte Dortmund dennoch ins letzte Drittel vorstoßen, muss man die Offensivspieler konsequent zustellen und darf keine Räume in der eigenen Box zulassen.

Stärken und Schwächen des Systems

Stärken

Das System ermöglicht bei Ballbesitz eine gute Staffelung in der Breite und Tiefe. Dadurch kann eine für Passkombinationen gute Raumaufteilung entstehen.

Zwei Stürmer in der Spitze bringen starke Präsenz im Zentrum des gegnerischen Abwehrdrittels. Durch ein kompaktes Mittelfeldzentrum lässt man dem Gegner gegen den Ball wenig Raum.

Schwächen

Es ergeben sich bei Ballverlust teilweise weite Abstände, die der Gegner bei schnellem Spiel gut ausnutzen kann.

Die für die Flügelspieler langen Laufwege können in einem dynamischen Spiel mit viel Ballbesitzwechsel zu verfrühtem Kraftverlust der Außenspieler und damit zum Erlahmen des Drucks führen, der über die Flügel aufgebaut werden soll.

Die Flügel sind nur einfach besetzt. Deshalb können entweder Defensive oder Offensive dort schwächeln.

Gegen Systeme, in denen mit zwei oder mehr Stürmern agiert wird, kann es bei Kontern des Gegners oder zügigen Positionsangriffen leicht zu einer Unterzahl in der Hintermannschaft kommen.

Schlüsselspieler

Abwehr

Im Tor wird mit Luca Unbehaun (#38) zum ersten mal gegen den TSV 1860 München die nominelle Nummer 1 des BVB II stehen. Unbehaun ist unbestritten eines der größten Torwarttalente im deutschen Fußball. Da junge Spieler aber generell gewissen Schwankungen in der Form unterliegen, hat er in dieser Saison noch nicht an die Leistungen der vergangenen Spielzeit anknüpfen können.

Der 21-Jährige mit einem Marktwert von einer Million Euro ist, wenn er Normalform erreicht, eine Bank im Tor. Gute Reflexe, sichere Strafraumbeherrschung und kaum selbstverschuldete Gegentreffer zeichnen ihn aus. Eins-gegen-Eins-Situationen konnte er diese Saison noch keine für sich entscheiden. Er wird seinen Weg gehen und früher oder später als Nummer 1 einer Mannschaft der 1. Bundesliga auftauchen. Die angesprochenen Leistungsschwankungen, die er noch hat, sind in einem Alter von 21 Jahren normal. Grundsätzlich ist er ein sicherer Rückhalt für seine Mannschaft und zudem ein guter Fußballer, der auch mit dem Ball umgehen kann.

Innenverteidiger Niklas Dams (#30) ist einer der Spieler, die älter sind als 23 Jahre. Mit seiner Erfahrung gibt er der Abwehrreihe im Normalfall große Stabilität. Er ist bei Zweikämpfen gegen den Ball stark und kann diese meistens lösen, ohne die Grätsche auspacken zu müssen. Er organisiert als zentraler Innenverteidiger die Defensivreihe und auch die Spieleröffnung im Positionsspiel obliegt meist ihm. Beim letzten Spiel des BVB II war er jedoch nicht im Kader. Warum das so war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich gehe davon aus, dass er, falls er einsatzbereit ist, spielen wird.

Fragliche Personalie

Ob Nico Schulz, dessen eigentliche Rückennummer (#14) in der 2. Mannschaft der Borussen schon vergeben ist, am Samstag aufläuft oder auf der Bank sitzt, weiß ich nicht. Er würde in jedem Fall einem anderen Schlüsselspieler aufgrund der Altersregelung einen Platz wegnehmen. Es müsste also entweder Dams, Pfanne oder Eberwein weichen, sollte Schulz eingesetzt werden.

Wird er von Preußer berücksichtigt, ist der Linksverteidiger und zwölffache deutsche Nationalspieler sicherlich eine der Schlüsselfiguren. Schnell wie er ist, kann er auf der Außenbahn möglicherweise das Flankenproblem von der linken Seite beheben.

Mittelfeld

Franz Pfanne (#23), Kapitän und defensiver Mittelfeldspieler, wurde vor zwei Wochen in der Innenverteidigung eingesetzt. Ich gehe allerdings davon aus, dass er am Samstag wieder seine Stammposition als Sechser einnehmen wird. Wie Dams ist auch er älter als 23 Jahre und seine Mitspieler profitieren stark von seiner Erfahrung. Er ist gegen den Ball sehr zweikampfstark und hat ein äußerst präzises Passspiel. Bei fast jedem Angriff im Positionsspiel hat er Ballkontakte. Er fällt meist die Entscheidung, über welche Zone der laufende Angriff vorgetragen wird.

Michael Eberwein (#14) pendelt zwischen offensivem Mittelfeld und Sturm. Der Neuzugang des BVB kam im Sommer aus Halle. Er ist der dritte Spieler, der die Altersgrenze von 23 Jahren zum Stichtag reißt. Er ist passsicher, dribbelstark, hat einen guten Abschluss und einen guten Instinkt, wann der richtige Moment ist, um abzuziehen. Unser Statistikportal führt ihn als besten offensiven Mittelfeldspieler der Liga. Damit ist, denke ich, zu Eberwein alles gesagt.

Sturm

Im Sturm sehe ich bei der U23 des BVB noch keinen Spieler, der sich das Prädikat “Schlüsselspieler” verdient hätte. Mit Justin Njinmah (#11), Leihspieler von Werder Bremen, und dem mit drei Millionen Euro Marktwert teuersten Spieler der U23, Jayden Braaf (#34), der ablösefrei von Manchester City nach Dortmund wechselte, hat man dennoch zwei Spieler in der Spitze, die, wenn sie es schaffen sich gegen ihre Gegenspieler durchzusetzen, gefährlich werden können.

Fazit vor BVB II – TSV 1860

Mit dem Fazit möchte ich mich heute nicht zu lange aufhalten. Der TSV 1860 München hat wieder einmal etwas gutzumachen: die Niederlage im Totopokal gegen den FV Illertissen.

Wie ich die Mannschaft von Michael Köllner einschätze, wird sie auch genau das tun. Die Sechzger werden konzentriert und einsatzfreudig zu Werke gehen und, wenn alles in den zu erwartenden Parametern abläuft, mit drei Punkten zurück nach Giesing fahren.

Der Matchplan, den der Trainer ausgibt, wird der Spielweise der Dortmunder gegen den Ball zufolge vermutlich ein wenig angepasst werden. Möglicherweise sehen wir deshalb in der Offensive weniger horizontale Verschiebungen, als wir es gewohnt sind. Es wird durch die Art der defensiven Verschiebungen, die Preußer mit seiner Mannschaft einstudiert, wichtig sein, dass auf den Flügeln oder den Halbpositionen im Mittelfeld auf jeder Seite ein inverser Spieler Platz findet, um die weiter oben angesprochenen Lücken ausnutzen zu können.

Wie immer darf man aber auch diese Mannschaft nicht unterschätzen. Mit dem degradierten Schulz im Kader hat der BVB II durchaus das Potential, den TSV 1860 zu ärgern, wenn sich der Schlendrian wieder einschleichen sollte.

So könnte die U23 des BVB beginnen

Ohne Schulz

Mit Schulz

Datenquelle: Wyscout

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