Das verkaufte Standbein

Der Verkauf der Fanartikel-GmbH hat der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA finanziell und imagetechnisch erheblich geschadet.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Peter Schaefer

Profifußballfirmen haben heutzutage verschiedene Einkommensquellen.  Diese können grob in zwei Kategorien aufgeteilt werden, nämlich in laufende und nicht-laufende Einkommensquellen.

Die nicht-laufenden Einkommensquellen stellen die Verkäufe von Firmenanteilen an Dritte dar – meist Unternehmen oder Investoren –, welche sich ihr Stück vom Kuchen je nach wirtschaftlicher Situation, Ligazugehörigkeit und Bekanntheit der Fußballfirma gerne einiges kosten lassen.

Die laufenden Einkommensquellen bestehen in der Regel aus Fernsehgeldern, Ticketing-Einnahmen, Sponsoring, Vermarktung und dem Verkauf von Fanartikeln. Gerade in Liga 3 haben Einnahmen aus Ticketing und Fanartikeln im Verhältnis zu den Fernsehgeldern einen deutlich höheren Stellenwert.

Der Verkauf des Fanshops

Der TSV München von 1860 GmbH und Co KGaA fehlt eine dieser laufenden Einkommensquellen, was sich insbesondere in Liga 3 auch schmerzlich bemerkbar macht:

Um (finanzielle) Auflagen der DFL erfüllen zu können und da eine anderweitige Finanzierung nicht erzielt werden konnte, wurde im Januar 2012 die TSV München von 1860 Fan Artikel der Fußball-Lizenzspielerabteilung GmbH von der TSV München von 1860 GmbH und Co KGaA für ca. 1 Million Euro an Hasan Ismaik verkauft, dessen Firma bereits 60% der Anteile  an letztgenannter KGaA hält. Die Fanartikel-Gesellschaft wurde umbenannt in die „TSV 1860 Merchandising GmbH“.

Als ein Vertrag, der „Rahmenbedingungen für Investitionen in der Zukunft“ geschaffen hatte, wurde dieser Deal publiziert, der ehemalige Präsident Dieter Schneider versicherte, dass aus den Verhandlungen keiner als Gewinner oder Verlierer hervorgegangen sei: „Es gibt nur einen Sieger und das sind die Löwen.“ Recht sollte er mit dieser Aussage nicht behalten.

Die rechtliche Lage – und was das mit den Einnahmen zu tun hat

Während die Fanartikel GmbH vor dem Verkauf ihre Überschüsse auf die KGaA übertrug, welche diese verwenden konnte, um die Erlöse bspw. in den Kader zu stecken, stellt sie nun eine eigenständige Gesellschaft dar, die rein rechtlich mit dem TSV 1860 (KGaA & e.V.) nichts mehr zu tun hat – fast.

Fast deshalb, weil mit dem Verkauf des Fanshops keine Marken übergangen sind.

Kurzer Markenexkurs – welche Marken gibt es bei 1860?

Die Marke als gewerbliches Schutzrecht gibt es in verschiedenen Konstellationen. Bei den Löwen beschäftigen wir uns mit Wortmarken bzw. Wort-Bild-Marken. Eine Wortmarke schützt rein das Wort, also den Namen der Marke. Eine Wort-Bild-Marke schützt eine grafische Darstellung einer Marke, in welcher ein Wort oder Zeichenfolgen enthalten sind. Das bekannte 1860-Logo mit dem Löwen und den 4 Zahlen „1860“ stellt eine solche Wort-Bild-Marke dar.

Ein Auszug über die 1860-relevanten Marken:

Marke                                       Markenart                  Inhaber

1860 München                          Wortmarke                 e.V.

1860 München                          Wortmarke                 KGaA

1860                                          Wortmarke                 KGaA

„1860 Logo: Löwe + 1860“        Wort-Bildmarke         KGaA (5 Versionen)

„1860 Logo: Löwe + 1860“        Wort-Bildmarke         e.V. (1 Version)

Einmal Löwe – immer Löwe      Wortmarke                 KGaA

Münchens große Liebe              Wortmarke                 Stefan Schneider

Die TSV 1860 Merchandising GmbH ist nicht Inhaberin einer zu 1860 zugehörigen Marke. Um jedoch Fanartikel mit dem 1860-Löwen vertreiben zu dürfen und keine Markenverletzung zu begehen, benötigt sie die Erlaubnis der Markeninhaberin, in diesem Fall der TSV München von 1860 GmbH & Co KGaA oder hinsichtlich des Spruches „Münchens große Liebe“ des Stadionsprechers Stefan Schneider.

Was bedeutet „Lizenzvertrag“?

Eine solche Erlaubnis zur Nutzung einer Marke nennt man „Lizenz“. Die Regelungen über die Nutzung einer Marke werden also in einem Lizenzvertrag festgelegt. Hier werden die Marken, um die es geht, aufgelistet, die eingeräumten Nutzungsrechte beschrieben sowie deren Umfang festgelegt und auch Lizenzgebühren, Reporting- und Buchführungspflichten, Buchprüfungsrechte sowie Haftungsregelungen etc. vereinbart.

Zwischen der TSV 1860 Merchandising GmbH und der TSV München von 1860 GmbH und Co KGaA existiert, wenn überhaupt („Unter anderem ist ein Vertrag, auf den sich die Merchandising GmbH beruft, nämlich entweder nie zustande gekommen oder nicht mehr auffindbar“, SZ vom 03.05.2020), ein Vertragsverhältnis, das in Form und Inhalt die Markeninhaberin in zwei Punkten stark benachteiligt:

Der erste Fehler besteht in der Ermittlung der Lizenzgebühren: Hier wird aus dem Gewinn der TSV 1860 Merchandising GmbH, soweit er 120.000,- Euro übersteigt, die Hälfte an die KGaA ausbezahlt.

In Zahlen: Für das Geschäftsjahr 2017 erhielt die KGaA 108.387,29 Euro aus dem gesamten Fanartikelgeschäft, 2018 nur 16.973,50 Euro und 2019 immerhin 56.522 Euro (Quelle: Northdata, TSV 1860 Merchandising GmbH – Bilanzen).

Bei Lizenzvereinbarungen darf man jedoch nie am Gewinn des Unternehmens ansetzen: wird ein Unternehmen schlecht geführt oder werden die Ausgaben, die das Unternehmen hat, bewusst oder unbewusst in die Höhe geschraubt, mindert dies automatisch den Gewinn und folglich auch die Einnahmen der Lizenzgeberin (= KGaA).

Oder kurz gesagt: „Parkt“ der Lizenznehmer (= Fanshop) beispielsweise teures Personal in der GmbH, geschieht dies faktisch auch auf Kosten der Markeninhaberin.

Somit wäre für die Zukunft darauf zu achten, dass die Beteiligung der KGaA am Gesamtumsatz mit Fanartikeln in Prozent bemessen wird oder, falls am Gewinnmodell festgehalten wird, sich auch die KGaA eine sogenannte „Mindestlizenzgebühr“ pro Jahr in Höhe einer festgelegten Summe einräumen lässt, welche unabhängig vom Gewinn des Fanshops zu bezahlen ist. Dies führt uns aber direkt zu Fehler Nummer zwei: die Vertragslaufzeit und faktisch kaum vorhandenen Kündigungsmöglichkeiten.

Das Vertragsverhältnis zwischen der KGaA und dem Fanshop ist auf 20 Jahre ausgelegt, mit frühester Möglichkeit, das Vertragsverhältnis nach 10 Jahren zu beenden. 2012 wurde der Vertrag geschlossen, sodass diese 10 Jahre 2021 eigentlich ablaufen würden. Jedoch ist ein ist eine Vertragsbeendigung nur möglich, wenn sich die TSV 1860 Merchandising GmbH „grobe Verfehlungen“ oder ähnliche Vergehen (die genaue Bezeichnung ist dem Verfasser nicht bekannt) leistet und aufgrund derer die KGaA den Vertrag beenden möchte. Für einen Juristen ist eine solche Regelung in jedem Falle höchst bedenklich.

Kosten und Imageschäden

Die Rechtsstreitigkeiten, die die TSV 1860 Merchandising GmbH gegen Fanorganisationen oder auch einzelne Löwenfans führt, schädigen die Marke „1860“ in zweierlei Hinsicht:

Wem die komplizierten Strukturen zwischen e.V., Geschäftsführungs-GmbH, KGaA, HAM Ltd. und der TSV 1860 Merchandising GmbH nicht bekannt sind, dem zeichnet sich das Bild, dass „1860“ seine eigenen Fans verklagt. Dass die TSV 1860 Merchandising-GmbH, wie bereits beschrieben, eine vollkommen eigenständige Gesellschaft und nur – wenn überhaupt -Markenlizenznehmerin ist, ist den wenigsten, die sich nicht vertieft mit der Materie auseinandersetzen, bekannt.

Durch die unbedachten und rechtlich völlig haltlosen Abmahnungen einzelner Fans, welche Fanutensilien mit 1860-Bezug privat auf Online-Auktionsplattformen angeboten hatten, was bundesweit für Aufsehen sorgte, wurde die Marke „1860“ durch ihre Lizenznehmerin schwer beschädigt.

Ein besonderer Fokus liegt auf dem sich derzeit in der Berufung befindlichen Rechtsstreit der TSV 1860 Merchandising GmbH gegen die Faninitiative „LÖWEN-FANS GEGEN RECHTS“.

Ausgangspunkt für den Streit in erster Instanz waren die von den „LÖWEN-FANS GEGEN RECHTS“ vertriebenen T-Shirts und Aufkleber mit dem durchgestrichenen Konterfei von Hasan Ismaik, geziert mit dem Spruch „Verdammt ich lieb‘ dich, ich lieb‘ dich nicht“ sowie eine der Wort-Bild-Marke von 1860 ähnlichen Löwenabbildung. Zudem ging die TSV 1860 Merchandising GmbH gegen das Logo der LÖWEN-FANS GEGEN RECHTS“ vor. Die Initiative führt seit 25 Jahren ein Logo, welches die Wort-Bild-Marke von 1860 sowie eine Faust, die ein Hakenkreuz zertrümmert, darstellt:

Richtigerweise wurden diese Aussagen sowie die Logoverwendungen vom entscheidenden Landgericht als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen. Primär scheiterte die Klage vor allem an der Aktivlegitimation (Erklärung hierzu weiter unten) der TSV 1860 Merchandising GmbH.

Dass ein solches Vorgehen gegen eine Fanvereinigung, die sich dem Kampf gegen Rassismus, Faschismus und sonstiges nationalsozialistisches Gedankengut verschrieben hat, dies schon viele Jahre praktiziert und hierfür schon mehrfach ausgezeichnet wurde (unter anderem mit dem „Münchner Bürgerpreis für Demokratie – gegen Vergessen“), erneut einen erheblichen Imageschaden für die Marke „1860“ darstellt, muss wohl kaum näher beleuchtet werden.

Jedoch wird dieser Rechtsstreit auch finanziell zum Teil womöglich auf Kosten der KGaA ausgetragen:

Ein Rechtsstreit dieser Größenordnung kostet die unterliegende Partei mindestens ca. 20.000,- Euro. Rechnen die beteiligten Anwälte nach Stunden ab, dürfte der Endbetrag noch höher anzusetzen sein. Hinzu kommen Fahrtkosten, Hotelkosten, etc.

All dies sind Kosten, die erneut den Gewinn der TSV 1860 Merchandising GmbH schmälern und somit auch von der Beteiligung der KGaA abgezogen werden können.

Große Chancen auf Erfolg dürfen sich die Anwälte der TSV 1860 Merchandising GmbH nicht ausrechnen: Im Juni, kurz vor der mündlichen Verhandlung, erhielten die Parteien den richterlichen Hinweis, dass die Berufung wohl keine Aussicht auf Erfolg habe. Grund hierfür war erneut die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin, der TSV 1860 Merchandising GmbH: Aktivlegitimation bedeutet, Rechtsansprüche geltend machen zu können. Im Markenrecht kann dies nur der jeweilige Markeninhaber oder ein von diesem hierzu wirksam bevollmächtigter Dritter (wie z.B. Lizenznehmer). Zwar wurde von der TSV München von 1860 GmbH und Co KGaA ein auf Michael Scharold lautendes Dokument unterzeichnet, aus welchem die TSV 1860 Merchandising GmbH entsprechende Rechte meint herleiten zu können, jedoch dürfte das vorgelegte Dokument einer inhaltlichen Kontrolle dem richterlichen Hinweis zufolge nicht standhalten.

Nach Eingang des eben genannten richterlichen Hinweises stellte die TSV 1860 Merchandising GmbH Antrag auf Terminverschiebung mit der Begründung, dass Anthony Power (Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH), dessen persönliches Erscheinen bei der Verhandlung angeordnet worden war, bis Ende August terminlich nicht in der Lage sei, an der Verhandlung teilzunehmen. Was ihn über 2 Monate nicht in die Lage versetzen sollte, an einem Tag persönlich in Nürnberg beim Oberlandesgericht zu erscheinen, ist nicht näher bekannt.

Dass die Berufung kurz vor der mündlichen Verhandlung Mitte September doch noch zurückgenommen wird, ist nicht gänzlich unwahrscheinlich.

Zusammengefasst:

Der Verkauf des Fanshops war einer der größten Fehler in der jüngeren Geschichte des TSV 1860. Nicht nur, weil die vertraglichen Regelungen für die KGaA ein finanzielles Desaster darstellen, sondern auch, weil die TSV 1860 Merchandising GmbH der Marke und dem gesamten Umfeld des TSV 1860 einen erheblichen Imageschaden zugefügt hat.

Es gilt daher, das Vertragsverhältnis zwischen der TSV München von 1860 GmbH & Co KGaA und der TSV 1860 Merchandising GmbH neu zu verhandeln bzw. den Vertrag / gewisse Klauseln auf deren rechtliche Haltbarkeit zu überprüfen.

Sollte dies nicht gelingen, bleibt als Möglichkeit zur Mittelgenerierung aus Fanartikeln nur die Anmeldung einer neuen Marke mit 1860-Bezug, jedoch ohne Verwechslungsgefahr zu bestehenden Marken der KGaA. Diese neue Marke könnte der Verein oder die KGaA anmelden, hieraus eine neue Fanshop-Gesellschaft ausgründen und die Reinerlöse zu 100% dem Mannschaftsetat oder der Löwenjugend/ dem dieBayerische –NLZ zur Verfügung stellen. In jedem Fall bieten beide Möglichkeiten genügend Raum für neuen Zündstoff.

Peter Schaefer ist Rechtsanwalt in einer Kanzlei in München. Seine anwaltlichen Schwerpunkte sind u.a. Markenrecht, Urheberrecht, Lizenzrecht und Vertragsrecht.

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Sechzgerflore

Die Markenrechte an “Münchens großer Liebe” hat Stefan Schneider inzwischen unentgeltlich an die KGaA übertragen.

Stefan Kranzberg

Korrekt. Der Artikel stammt aus dem August 2020; damals war das noch nicht fixiert.