Ein Herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel beim FC Erzgebirge Aue. Die nun wieder von Pavel Dotchev trainierte Elf aus Sachsen ist im Aufwind. Was erwartet die Löwen bei den Schachtern?

FC Erzgebirge – TSV 1860: Das Aufeinandertreffen der beiden Arbeiterclubs könnte nicht unter unterschiedlicheren Vorzeichen für beide Vereine stehen. Die Löwen seit 21. Januar in acht Spielen ohne Sieg, Vorletzter der bisherigen Rückrundentabelle. Aue mit nur zwei Niederlagen und einem Unentschieden in den acht Rückspielen auf Platz fünf im Rückrundenclassement.

Pavel Dotchev begegnet uns als gegnerischer Trainer nun mit dem vierten Verein in Liga drei. In sieben Spielen gegen den TSV 1860 holten seine bisherigen Mannschaften – Hansa Rostock, MSV Duisburg und Viktoria Köln – dreizehn Punkte, seine Bilanz gegen Münchens große Liebe ist also, was die dritte Liga betrifft, positiv. Kann er diesen Trend mit Aue, das als Zweitligist in der Saison 2016/17 schon einmal mit Dotchev an der Linie gegen Sechzig spielte, gegen die Löwen bestätigen?

Dotchev und das 4-2-3-1 sind quasi eine untrennbare Symbiose. Von daher dürfen wir davon ausgehen, dass das auch am Samstag das System der Wahl beim Gegner der Sechzger sein wird.

Die Auer, personell für die dritte Liga hochkarätig besetzt, zu Beginn der Saison in der Liga noch nicht wirklich angekommen, haben sich nun gefangen und befinden sich im Aufwind.

Bevor ich näher auf Aue eingehe, wie immer die wichtigsten statistischen Werte des FCE.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz 50%
  • Passgenauigkeit 78%
  • defensive Zweikampfquote 63%
  • Flankengenauigkeit 30%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 9,7

Wie spielt Aue?

Gegen den Ball

Das Hauptaugenmerk des FC Erzgebirge liegt, seit Dotchev übernommen hat, klar auf einer stabilen Defensive. Aus dem 4-2-3-1 wird durch Abkippen der beiden äußeren Offensivspieler im Mittelfeld ein 4-4-1-1, bei dem zwei flache Viererketten vor der eigenen Box stehen.

Ein Durchstoßen dieser kompakten Formation im Positionsspiel, ist – durch die versetzte Staffelung und den oft auch gegen den Ball mithelfenden Zehner – äußerst schwer.

Das Pressing der Auer ist deutlich stärker auf Verteidigung im Raum ausgelegt, als auf direkten Ballgewinn. Die Position der Pressinglinie wählt Dotchev meist auf mittlerem bis hohen Niveau. Der Stürmer läuft direkt an während die beiden offensiven Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen Passwege zustellen und der Zehner das Abspiel ins Zentrum zu verhindern versucht.

Diese Positionierung im Forechecking soll den Gegner zu langen Bällen zwingen, die dann bestmöglich als Ballgewinn in der Defensivreihe der Auer landen sollen.

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz versuchen sich die Auer schnell, meist über drei Stationen, ans letzte Drittel des Gegners heranzuarbeiten. Im Aufbau verschieben die Auer das 4-2-3-1 sofort auf 2-3-2-3. Beide Außenverteidiger rücken also auf, die Außenpositionen im defensiven Mittelfeld, der Box-to-Box-Spieler und die Zehn kreuzen in die Halbpositionen, der ballferne Mittelfeldaußen rückt als zweite Spitze leicht versetzt hinter den Mittelstürmer und der ballnahe Mittelfeldaußen bleibt auf dem Flügel.

In den meisten Fällen werden die Angriffe der Auer über die rechte bzw. halbrechte Seite eingeleitet. Schaffen es die Schachter sich bis ins gegnerische letzte Drittel durchzukombinieren, wird meistens die Breite gesucht. Das heißt, der Ball läuft, ähnlich wie beim Handball, nur deutlich kürzer, um die Box herum. Sobald einer der Gegenspieler in dieser Phase eines Angriffs der Auer dann einen Fehler macht (meistens Stellungsfehler durch Herauslösen aus der Kette) geht ein Offensivspieler in diese Lücke hinein und wird auch sofort angespielt. Ob Flanke, Steilpass oder Diagonalpass hängt davon ab wo sich der Ball im Moment des Fehlers des Gegenspielers befindet.

Attraktiver Fußball sieht anders aus, aber die Ergebnisse der letzten Wochen zeigen die Effektivität dieses Matchplans.

Im Umschaltspiel geht es bei Aue meistens durchs Zentrum, vertikal schnell mit direktem Zug zum Tor.

Wie kann man Aue knacken?

Die tiefe Staffelung im Positionsspiel zu durchbrechen wird vermutlich ein Geduldsspiel werden. Tiefe Läufe auf den Außen- und Halbpositionen mit flachen Flanken in die kleine Box von der tiefen Halbposition oder hohe Zuspiele ins Strafraumzentrum von der Seitenlinie können ein gutes Mittel sein.

Sich in die Box hineinzukombinieren wird gegen das, was Aue momentan gegen den Ball zeigt, eher schwer.

Der wichtigste Faktor um gegen Aue erfolgreich zu sein, wird schnelles, präzises Umschaltspiel nach Ballgewinnen im Mittelfeld sein. Wenn die Löwen diese Momente, wenn sie sich bieten, gut ausspielen, wird es Torchancen geben.

Stärken und Schwächen des Systems

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigene Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel (Box-to-Box-Spieler) mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege um einen Spieler zu doppeln relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach Vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich durch dessen Fehlen für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler die mit aufrücken zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Schlüsselspieler

Abwehr

Martin Männel (#1) im Tor wurde gestern 35 Jahre alt und ist einer der erfahrensten Keeper der Liga. In der Hinrunde fehlte er dem FC Erzgebirge Aue noch verletzt, als sie gegen den TSV 1860 München antreten mussten. Er hat wahnsinnig gute Reflexe, dank seiner Erfahrung beherrscht er seine Box wie kaum ein zweiter Keeper in der Liga und sein Timing im eins gegen eins lässt auch nicht zu wünschen übrig. Männel hat in der Statistik verhinderter Tore pro neunzig Minuten den besten Wert aller Keeper der dritten Liga.

Korbinian Burger (#5) in der Innenverteidigung – von 2012 bis 2015 Spieler des TSV 1860 – ist der Spieler des FC Erzgebirge, dessen Gegenspieler vermutlich den schwersten Stand haben wird. Er räumt am Boden fast alles weg, was in seinen Bereich des Spielfelds kommt. Leichte Schwierigkeiten beim Timing sorgen allerdings dafür, dass er trotz stattlichen Größe von 1,89 m mehr Kopfballduelle verliert, als gewinnt. Hier finden wir möglicherweise eine Schwachstelle, die mit präzisen Flanken ausgenutzt werden kann. Im Spielaufbau agiert Burger umsichtig und präzise. Statistisch gesehen, kommen 8,6 von 10 Pässen Burgers beim Mitspieler an.

Mittelfeld

Marco Schikora (#21), der tiefe Sechser ist ein defensiver Mittelfeldspieler der eher die feine Klinge führt als den groben Knüppel auszupacken. Ballgewinne erzielt er eher über Stellungsspiel und abgefangene Pässe als im defensiven Zweikampf gegen den Mann. Das führt dazu, dass der äußerst passsichere Schikora viele Umschaltmomente für Aue einleiten kann.

Dimitrij Nazarov (#10) spielt wie seine Rückennummer vermuten lässt hinter der Spitze. Der Nationalspieler Aserbaidschans (45 Spiele 5 Tore) ist das Herz der Mannschaft von Pavel Dotchev. Ihn über 90 Minuten unter Kontrolle zu halten wird vermutlich nicht gelingen. Er ist dribbelstark, hat ein exzellentes Passspiel und Drang zum Tor. Für einen Spieler auf dieser Position ist er auch gegen den Ball relativ aggressiv unterwegs. Dies allerdings mit eher mäßigem Erfolg.
Obendrein ist er ein Schlitzohr, dem jedes Mittel recht ist, um zu Gewinnen. Eine klare Schwalbe gegen Essen beispielsweise, die wohl nur der Schiedsrichter der Partie als Foul wahrgenommen hatte, leitete den Sieg für Aue in diesem Spiel ein. Dieser Mann beherrscht also nicht nur die Kunst des Fußballspielens sondern auch die der optischen Täuschung recht gut. Mit acht Treffern und vier Vorlagen ist er Topscorer beim FCE.

Sturm

Seit Pavel Dotchev übernommen hat, ist Antonio Jonjic (#9) auf der Position des Mittelstürmers gesetzt. Im Hinspiel agierte er noch vom linken Flügel und bereitete den Treffer der Schachter vor. Seine Trefferquote ist durchaus ehrfurchterregend. In acht Spielen als Mittelstürmer seit Januar, hat er fünfmal eingenetzt. Mit einer Schussgenauigkeit von 50 Prozent ist die hohe Anzahl von Toren aber auch nicht weiter verwunderlich. Lediglich vier Spieler in der Liga haben einen besseren Wert, was diese statistische Größe betrifft.

Fazit

Ich wünsche mir natürlich einen Sieg des TSV 1860 München gegen den FC Erzgebirge Aue! Ob dieser gelingt, wird vor allem von konzentrierter, aggressiver, konsequenter und disziplinierter Defensivarbeit abhängen. Grundsätzlich ist Aue immer für ein Gegentor gut. Dieses wird der TSV 1860 München mit der offensiven Qualität, die langsam aber sicher wieder zurückkommt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schießen.

Um in Aue momentan zu bestehen, bedarf es aber vor allem einer guten Abwehrleistung möglichst ohne schwerwiegende Fehler.

Solange die Mannschaft auftritt wie ein Team, sie dabei kämpft bis zum Umfallen, und dem Gegner über die komplette Spielzeit hinweg mutig Paroli bietet, kann ich in der momentanen Situation mit jedem anderen Spielausgang leben.

Nichtsdestotrotz wäre es wünschenswert, dass die Sechzger mal wieder drei Punkte einfahren.

So könnte Aue beginnen

Datenquelle: Wyscout

5 3 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments