Herzlich Willkommen zur Taktiktafel Analyse des 2:1 Auswärtssiegs unseres TSV 1860 beim FC Ingolstadt 04. In einem rassigen Fußballspiel, in dem beide Teams gute Phasen hatten, belohnten sich die Löwen für großen Kampf mit drei Punkten.
Die Partie FC Ingolstadt 04 – TSV 1860 München entschied der Gast verdient, aber nicht problemlos am Ende für sich. Ingolstadts Trainerin Sabrina Wittmann schickte ihre Mannschaft im 4-4-2 (4-1-3-2) aufs Feld. Der 19-jährige Plath gab dabei im System den Box to Box Spieler. Gegen den Ball kippte Plath ab, um neben Fröde das defensive Zentrum zu verstärken.
Löwendompteur Argirios Giannikis schickte sein Rudel im Gegensatz zum vergangenen Wochenende wieder mit Viererkette ins Match. Auf der Doppelsechs durfte diesmal neben Jacobsen Marlon Frey sein Können demonstrieren. Der vergangene Saison viel kritisierte Defensivspieler setzte ein Statement, das seinen Einsatz definitiv rechtfertigte. Das sehr flexibel agierende Löwenteam, laut Aussage des Trainers systematisch im 4-2-2-2 agierend, verschob die Grundordnung im letzten Drittel allerdings in beide Richtungen teilweise extrem, sodass man gegen den Ball im eigenen letzten Drittel eine konservative 4-4-2 bzw. 4-5-1 Formation gesehen hat.
Im gegnerischen letzten Drittel überluden die Sechzger die Offensive teilweise stark. Mit bis zu fünf Akteuren in der unmittelbaren Angriffslinie in den vordersten Reihe – ballfern meist asymmetrisch formiert – stressten die Löwen während ihrer offensiven Ballbesitzphasen die Ingolstädter Defensive.
Die Tatsache, dass Schubert als alleiniger zentraler Spieler anlief und dabei aus dem Rückraum immer wieder situativ und von den horizontalen Zonen, in denen sich der Ball befand, abhängig durch Wolfram, Philipp und Deniz unterstützt wurde, mag den Eindruck erweckt haben, dass die Sechzger im 4-2-3-1 angetreten wären.
Linien FCI
Zuerst ohne Zugriff und somit erst relativ spät den offensichtlich angesagten Matchplan verfolgend, stand Ingolstadt während der ersten Viertelstunde gegen den Ball auf beiden Linien tief.
Mit fortlaufender Spieldauer fanden die Ingolstädter wieder die nötigen Hebel, um sporadisch Druck aufs Aufbauspiel der Löwen auszuüben. Gute Raumaufteilung bei Ballbesitz seitens der Löwen half gegen die in der Rückwärtsbewegung träge und auch passiv wirkenden Schanzer. So kamen die Sechzger immer wieder zügig ins letzte Drittel hinein.
Mit zwei Stürmern, die situativ auf den Außenbahnen im Pressing unterstützt wurden, legten die Hausherren das Pressingverhalten konservativer aber kräfteraubender an. Die Linienwahl dabei und die Aktionsdichte normalisierten sich nach der ersten Viertelstunde auf hohem Niveau.
Linien TSV
Ähnlich war es bei den Löwen, nur mit gänzlich anderen Vorzeichen. Nach dem ersten nachhaltigen Ballgewinn tief in der eigenen Spielfeldhälfte waren seitens unserer Sechzger kaum Pressingaktionen nötig, da sich die Löwen zunächst minutenlang mit viel Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte festsetzten. Trotzdem schafften es die Gastgeber, auch in der von den Löwen dominierten ersten Viertelstunde ihre offensiven Nadelstiche zu setzen und ebenso viele Schüsse abzufeuern wie der TSV.
Die Löwen mit der frühen und bis zum Ende konservierten Führung im Rücken und vermutlich auch den Temperaturen geschuldet, dosierten ihre Aktionen im Pressing und wählten nur selten die Option, das Positionsspiel wirklich aggressiv und hoch anzulaufen. Anders verhielt sich das im Gegenpressing. Kaum ein Ball wurde nach einer missglückten Aktion verloren gegeben. Alle Spieler versuchten meist sofort, ihre Fehler wieder auszubügeln. Die Pressinglinie und die Defensivlinie der Löwen formierten sich auf mittlerem bis tiefem Niveau gegen die Positionsangriffe der Gastgeber.
Vor der genaueren Analyse zunächst, wie immer, die wichtigsten statistischen Werte der Partie.
Statistische Werte FC Ingolstadt – TSV 1860
- Ballbesitz: FCI 53% – TSV 47%
- Passgenauigkeit: FCI 80% – TSV 76%
- Defensive Zweikampfquote: FCI 62% – TSV 66%
- Schüsse/aufs Tor: FCI 16/7 – TSV 8/6
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): FCI 8,94 – TSV 14,84
Analyse der statistischen Werte
Ballbesitz (53%:47%)
Beim Ballbesitz waren die Gastgeber abgesehen von der ersten Viertelstunde der ersten Spielhälfte durchaus tonangebend, mit einem Maximum von 70% Ballbesitz in der Mitte der ersten Halbzeit. Die Ingolstädter wussten mit dem Plus an Ballbesitz über das gesamte Spiel hinweg gesehen auch durchaus etwas anzufangen. So spielte sich der FCI insgesamt dreimal häufiger als die Sechzger bis ins letzte Drittel des Gegners hinein.
Die Anzahl der mit Schüssen beendeten Positionsangriffe ist bei den Löwen allerdings höher gewesen als bei den Gastgebern. Ein interessanter statistischer Wert gemessen an der Schussverteilung beider Teams. Das sehen wir uns dann weiter unten genauer an.
Effektiver waren am Ende die Sechzger, mit der Ballbesitzverteilung hatte das allerdings nicht viel zu tun. Die Gründe waren definitiv andere.
Sehen wir mal, ob wir nach dem Betrachten der nächsten Statistik schlauer sind.
Passgenauigkeit FCI 80% – TSV 76%
Die gute Passgenauigkeit der Schanzer täuscht ein wenig über die Tatsache hinweg, dass Ingolstadt wenig Mittel fand, schnell nach vorn zu spielen. Die gute Tiefenstaffelung der Löwen im Positionsspiel gegen den Ball und der Einsatzwille der Spieler des TSV 1860, die ballführenden Gegenspieler schnell unter Druck zu setzen, zwangen Ingolstadt zu langen Passstafetten, bevor sie einen effektiven Angriff auslösen konnten.
Etwas anders gestaltete sich das bei den Löwen, die oft schnell den Weg in die Offensive fanden und zügig mit Ball bis ins letzte Drittel der Gastgeber vorrückten.
Genau das drückt sich dann am Ende in der Passgenauigkeitsstatistik aus. Vorsichtige und kontrollierte Ingolstädter spielen mit viel Ballbesitz und hoher Passgenauigkeit kaum produktiver ins letzte Drittel als die Sechzger, die zwar insgesamt drei Angriffe weniger als die Gastgeber über die 90 Minuten hinweg verzeichnen; das ist aber denke ich vernachlässigbar.
Dass das direkter spielende Team immer ein wenig mehr Risiko geht und darum auch nicht so genau spielen kann. spiegelt sich am Ende in den Statistiken wieder.
Weder die Ingolstädter noch unsere Löwen haben hier Grund, sich über die eigene Performance großartig zu beschweren.
Auch die Passgenauigkeit entschied dieses Spiel am Ende nicht.
Defensive Zweikampfquote FCI 62% – TSV 66%
An der defensiven Zweikampfquote allein kann man selten die Leistung gegen den Ball ablesen, aber sie gibt einen Hinweis. Zusammen mit den Indikatoren Zweikampfintensität, also wie viele defensive Zweikämpfe man pro Minute gegnerischem Ballbesitzes führt, und dem, was die Statistiken über Kopfball und Stellungsspiel verraten, kann man hier einen guten Eindruck gewinnen, wer gegen den Ball im Spiel fleißiger und effektiver war.
Vergleichen wir die beiden Teams hier, hat unser TSV 1860 München gegenüber dem FC Ingolstadt deutlich die Nase vorn. In allen defensiven Statistiken liegt der Vorteil auf Seiten der Sechzger – und genau das hat dieses Spiel entschieden.
Die Spieler der Löwen waren gegen den Ball einfach heißer darauf, die Duelle für sich zu entscheiden. Das beste Beispiel dafür war zweimal Julian Guttau, der tief in der gegnerischen Hälfte die Grätsche gegen seinen Kontrahenten auspackte.
Schüsse/aufs Tor FCI 16/7 – TSV 8/6
Mehr Schüsse insgesamt und mehr Schüsse auf den gegnerischen Kasten seitens des FCI und trotzdem sind die Löwen verdient Sieger? Passt das zusammen? Etwas glücklich mag der Sieg möglicherweise gewesen sein, aber trotzdem war er verdient.
Die Sechzger haben nur einen ihrer Schüsse nicht so auf den Kasten gebracht, dass der gegnerische Keeper keine Arbeit gehabt hätte. Das ergibt mit 75% einen neuen Bestwert bei der Schussgenauigkeit in einem Spiel seit es die sechzger.de Taktiktafel gibt.
Zäumt man dieses Pferd von hinten auf, könnte man auch sagen, Sechzig hat nur einmal daneben geschossen, Ingolstadt hingegen neunmal.
Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass René Vollath im Tor der Löwen in einigen Situationen das Unvermögen des Schützen half. Wenn der Keeper aber vom Schützen angeschossen wird, hat er eben auch irgendwas richtig gemacht, denn das Glück hilft bekanntlich den Tüchtigen. Man muss allerdings beiden Torhütern eine sehr gute Leistung attestieren.
Chancenplus durch Standards
Nun kommen wir noch zu den oben angesprochenen mit Schüssen abgeschlossenen Angriffen, da die Statistik hier etwas verwirrend sein kann. Der TSV 1860 München hat insgesamt drei Positionsangriffe weniger als Ingolstadt zu Buche stehen, aber einmal häufiger einen Angriff mit einem Schuss abgeschlossen als der FCI. Wie passt zusammen?
Zunächst werden bei dieser Statistik ruhende Bälle, aus denen ein Schuss wird, nicht aufgeführt. Mit sechs Schüssen aus vierzehn strafraumnahen Standards und einem Elfmeter bleiben weitere neun Schüsse übrig, die sich auf die fünf angesprochenen Positionsangriffe verteilen. Es haben die Ingolstädter also bei mindestens einem Angriff mehr als einmal versucht, aufs Gehäuse der Löwen zu schießen.
Keine der beiden Mannschaften hat es verdient, für die Anzahl der Chancen aus dem Spiel heraus kritisiert zu werden. Dass bei den Gastgebern viele Torschussversuche aus Standards entstehen, ist ebenfalls nicht überraschend, auch diesmal hat mit einem Elfer ein Standard ein Tor für den FCI gebracht. Vier Spiele, vier Standardtore für den FCI.
PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) FCI 8,94 – TSV 14,84
Ich hab weiter oben bei der Positionierung schon ein wenig über das Pressingverhalten der Teams geschrieben. Bis auf die etwas sehr wilde Anfangsviertelstunde diesbezüglich, als beide Teams aus unterschiedlichen Gründen Werte weit über 30 erreichten, war es während der restlichen Partie alles in allem das Anlaufverhalten sowie die Linienwahl, die einerseits erwartet war und andererseits dem Spielverlauf nach weder in die eine noch in die andere Richtung kritikwürdig ist.
Nach dem frühen Führungstreffer der Löwen ist die passivere Herangehensweise der Sechzger ebenso logisch wie die aktivere beim FCI.
Allerdings ist es auch so – und ich wiederhole mich an dieser Stelle -dass man immer wieder darauf hinweisen muss, dass eine in der PPDA Statistik gewertete Aktion nie gleichzeitig eine erfolgreiche Aktion ist. Dieser Wert zeigt uns nur die Aktivität einer Mannschaft in den pressingrelevanten Räumen gegen den Ball, nie den Erfolg der Aktivitäten.
Ziehen wir heran, wer häufiger in diesen Zonen den Ballbesitz erobern konnte, sehen wir wieder den TSV 1860 klar im Vorteil. Mit 38:20 Balleroberungen in den pressingrelevanten Zonen sehen wir, dass der indirekt proportional zu lesende PPDA Wert und erfolgreiche Balleroberung in den dafür relevanten Zonen nicht zwingend miteinander zu tun haben.
Die Tore
Hier könnt ihr die Tore und weitere Highlights der Partie noch einmal Revue passieren lassen. Der entscheidende Treffer in dieser Partie war das 2:0 durch Julian Guttau nach einem sehenswerten Umschaltmoment. Dieser Treffer war nicht ganz unumstritten, da die Ingolstädter ein Foul von Tunay Deniz an einem der Schanzer gehen haben wollten. Ich tu mir schwer, da ein Foul und Absicht zu erkennen, warten wir also auf Rafatis wöchentliche Analyse.
Einen Angriff der Ingolstädter wehrte Verlaat per Kopf zentral in die Mitte vor die Box ab. Deniz kam dort an den Ball und wurde sofort von Keidel, der den Zweikampf dann verlor und zu Boden ging, als hätte ihn der Blitz getroffen. Der Schiedsrichter, der in beide Richtungen seltsame Entscheidungen getroffen hatte, ließ das Spiel weiterlaufen. Nun lief Frey aus dem Hintergrund an Deniz vorbei, nahm die Kugel mit und leitete einen schnellen Gegenangriff ein.
Zunächst passte Frey das Leder nach vorn zu Guttau, der Frey mit einem Diagonalpass in den linken Halbraum sofort wieder auf die Reise Richtung gegnerische Hälfte schickte.
Frey überquerte mit dem Ball am Fuß und nur von einem Gegenspieler begleitet zügig die Mittellinie, nahm das Tempo kurz raus und spielte dann wiederum auf den mittlerweile nachgerückten Guttau, der postwendend den auf der linken Seite durchstartenden Wolfram in Szene setzte.
Wolfram hatte viel Platz und viel Zeit, lief fast bis zur Grundlinie, bevor er den Weg nach innen suchte, um mit einen Pass den aus dem Hintergrund halblinks auf Pfostenhöhe in den Strafraum einlaufenden Guttau zu bedienen, der nur noch einschieben musste.
Nach dem vermeintlichen Foul lief die gesamte Abwehr des FCI dem Geschehen nur noch hinterher. Funk im Tor des FC Ingolstadt war hier, wie auch beim 1:0 für den TSV 1860, machtlos.
Das fiel auf
Großer Kampfeswille bei allen Sechzgern auf dem Platz. Dafür ein großes Lob und auch Dank an die Mannschaft. Genau so will, denke ich, jeder Fan die Löwen sehen. Aggressiv, giftig und in manchen Situationen kompromisslos.
René Vollath hat sich vermutlich zumindest etwas Respekt bei den Kritikern erspielen können. Ich sehe seine Leistung sehr positiv, auch wenn da zwei, drei glückliche Saves dabei waren. „Wia is wurscht, hauptsach dass.“ (Zitat: Oma Winninger)
Marlon Frey, auch wenn viele ihn immer und immer wieder kritisieren, war die Garantie für die Stabilität in der Defensive. Dabei sind gar nicht so sehr seine aktiven Defensivaktionen im Fokus, sondern eher seine Fähigkeit, durch Präsenz und und gutes Stellungsspiel Räume unbespielbar für den Gegner zu machen.
Fazit
Die Steine fielen gebirgeweise von den Löwenherzen, als Schiedsrichter Felix Bickel die Partie zwischen dem FC Ingolstadt 04 und dem TSV 1860 München am Samstag abpfiff.
Warum fielen sie? Weil endlich eine Mannschaft auf dem Platz stand, in der jeder für den anderen bereit war, einen extra Meter zu laufen.
Ich kann hier viel über Statistiken und Werte und taktische Kniffe fabulieren, am Samstag hatte das alles natürlich einen Anteil am Sieg, aber den größten Anteil an diesem wichtigen Erfolg hatte der Teamgeist.
Ich hoffe, dass die Mannschaft es schafft, das durch die Länderspielpause zu konservieren und wir gegen Dresden eine ähnliche Leidenschaft, Laufbereitschaft, Kampfeswille und Mut auf dem Platz sehen.
Datenquelle: Wyscout
Überraschend war für mich die gute Leistung von Frey und Deniz. Als ich die beiden in der Startaufstellung gesehen hab, war ich erstmal enttäuscht. Was beide dann gezeigt haben, hatte ich nicht erwartet. Hoffentlich können sie das über einen längeren Zeitraum konservieren.
Die Hereinnahmen von Frey und Deniz waren klasse. Das hat für Balance gesorgt.
Als bekennender Kritiker von Frey und auch von Vollath muss man ihnen beiden ein gutes Spiel attestieren. Vorallem Frey hat mich diesmal überrascht und wohl sein bestes Spiel im Löwendress gemacht. Vollath vorallem bei hohen Bällen mit sehr guter Präsenz, aber ich denke das war auch ein Grund warum man ihn geholt hat. Beim Elfer sieht er aber wiederrum nicht so gut aus. Da bleibe ich bei der Meinung, dass der Wechsel nicht nötig war und wieder Unruhe reingebracht hat, vorallem, wenn man die ganze Zeit wiederholt, dass es beide super Torhüter sind. Im Zweifel bzw. bei Unentschieden bleibt man dann mMn beim bisherigen Stammpersonal aus dem eigenen Nachwuchs. Trotzdem eine überfällige Leistungssteigerung der ganzen Mannschaft! So muss es weitergehen, aber unser Sturm darf noch ein bisschen gefährlicher werden. Dort sehe ich aktuell unser größtes Problem.
wie immer treffend analysiert; sinnbildlich für den Kamfgeist und Willen war für mich die Körpersprache von Wolfram…der war für mich am Samstag der emotional leader…nicht wegen seines Torbeteiligungen, sondern wegen der unbändigen Energie die er zeigte;
und interessant die für mich beste und auch am schönsten heraus- und verspielte Chance des Spiels wird eigentlich nirgends kommentiert….die Hereingabe von Reich (?) auf Deniz, der komplett frei vermutlich seine beiden Beine verwechselt hat 😉
Das war der Reich, und das hat er sehr gut gemacht, da hast Recht. Das ist der nächste Spieler aus dem Nachwuchs, der uns vermutlich nicht lange erhalten bleibt. Nicht nur wegen dieser Szene. Aber bei ihm ist schon abzusehen, dass er auch zumindest die 2. Liga probieren kann.