Vor zwei Tagen unterschrieb Fynn Lakenmacher vom TSV Havelse sein Arbeitspapier beim TSV München von 1860. Was der junge Stürmer kann und ein Beispiel wie man Spieler von unterschiedlich starken Teams vergleichen kann, lest Ihr in diesem Artikel.

Fynn Lakenmacher wird von unserem Datenlieferanten nur acht Plätze hinter Marcel Bär, dem in der der besten Stürmer führenden Löwen, gelistet. Mancher wird sich fragen: “Platz 9? Wie kann das sein? Der Junge hat es doch nur auf fünf Tore und eine Vorlage gebracht…?”

Viele der Statistiken, die die Qualität eines Spielers als Ganzes berücksichtigen, sind in Abhängigkeit vom Ballbesitz zu sehen. Das bedeutet z.B, dass ein Stürmer bei einem Verein mit wenig eigenem Ballbesitz wie z.B. Havelse, die Letzter in dieser Kategorie sind, in den 90 Minuten Spielzeit oft statistisch viel weniger Aktionen hat und natürlich auch weniger Aktionen erfolgreich bestreitet. Deshalb werden vergleichende Statistiken immer in Abhängigkeit vom Ballbesitz gemessen.

Wie vergleicht man Einzelspieler guter und schlechter Teams anhand von Statistiken miteinander?

Havelse ist über die Saison hinweg mit 41,3 % Ballbesitz Letzter mit 23,5 Prozentpunkten hinter dem Primus Magdeburg. 3570 Minuten Spielzeit (inklusive Nachspielzeiten) hatte der TSV Havelse in dieser Saison, davon war Havelse aber nur rund 1474 Minuten lang selbst in Ballbesitz. Verglichen mit ihren Gegnern, die 2096 Minuten lang das Leder kontrollierten, sind das 622 Minuten weniger Ballbesitz. Das bedeutet: Lakenmachers Mannschaft hatte im Schnitt pro Spiel 37:12 Min. lang den Ball.

Vergleichen wir nun Lakenmachers Ballkontakte im gegnerischen Strafraum mit denen von Topscorer Atik vom Ballbesitzprimus Magdeburg. Atik hatte in einer Mannschaft mit 58:20 Min Ballbesitz pro Spiel, 167 Ballkontakte in 35 Spielen im gegnerischen Strafraum diese Saison. Lakenmacher hingegen kam auf 107 Ballkontakte in 36 Spielen. Hätten Lakenmacher und Atik beim selben Verein gespielt: Auf wie viele Ballkontakte in der gegnerischen Box wäre dann jeder der beiden gekommen?

Wir teilen also zuerst die 107 Ballkontakte durch die Minuten durchschnittlichen Ballbesitz des TSV Havelse. 107:37=2,89. Dann teilen wir Atiks 167 Ballkontakte durch die Minuten durchschnittlichen Ballbesitz von Magdeburg. 167:58=2,88. Multiplizieren wir das jeweils mit 45 haben wir bei beiden Spielern ein Ergebnis das gerundet die gleiche Zahl ergibt. 129,6 für Atik bzw. 130,05 für Lakenmacher sind bei beiden rund 130 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Okay, Lakenmacher hat, um diese Zahl zu erreichen, ein Spiel mehr gebraucht, aber darum ist er ja auch statistisch gesehen nicht der Topstürmer der Liga, sondern lediglich in den Top Ten vertreten.

Das gleiche Spiel können wir nun mit vielen statistischen Werten machen und kämen zu dem Ergebnis, dass Lakenmacher ein extrem guter Spieler in einer extrem limitierten Mannschaft war.

Stärken und Schwächen

Kommen wir nun zu Lakenmachers Stärken. Er ist schnell, ein guter Strafraumspieler, kopfballstark, hat eine hohe Zielgenauigkeit bei seinen Schüssen und eine hohe Passgenauigkeit. Dazu kommt eine für einen Spieler seiner Statur sehr gute Quote bei Dribblings, und offensichtlich eine sehr hohe Spielintelligenz.

Unter anderem diese Spielintelligenz macht die Verpflichtung von Lakenmacher so wertvoll. In einigen Spielen der abgelaufenen Saison konnte man sehen, dass seine Mitspieler den Ideen, die Lakenmacher hatte, nicht folgen konnten. Lakenmacher lief sich oft in aussichtsreiche Position frei. Die Mitspieler aber konnten diesen Aktionen Lakenmachers schon im Ansatz nicht folgen. So spielten seine Mannschaftskameraden den Ball oft woanders hin. Lakenmacher verbrauchte oft Energie mit Läufen in freie Räume, um dann enttäuscht Ballverluste seiner Kollegen in diesen Situationen mitanzusehen.

Natürlich hat ein so junger Spieler nicht nur Stärken, seine Defizite im Spiel sind aber tatsächlich vernachlässigbar. Bei den 1 gegen 1 Duellen gesamt – also mit und gegen den Ball – sind seine Zahlen unter dem Durchschnitt. Bei den sogenannten possesion adjusted interceptions (Abgefangene Pässe in Abhängigkeit vom Ballbesitz) sind seine Zahlen ebenfalls unterdurchschnittlich.

Oft war Lakenmacher in der Offensive auf sich allein gestellt und hatte es mit mehreren Gegenspielern gleichzeitig zu tun. In solchen Fällen muss die Bilanz im 1 gegen 1 logischerweise in der Statistik schlecht aussehen. Wie sich das bei einem besseren Team entwickelt, wenn er dann nach dem Anspiel mehrere Passoptionen hat, werden wir kommende Saison beobachten.

Selbes gilt bei den abgefangen Pässen. Wenn er im Pressing nicht mehr den Alleinunterhalter geben muss, sondern adäquate Unterstützung durch Mitspieler erhält, wird sich dieser Wert nach oben korrigieren. Auch die noch schlechte Tor- und Schussquote werden sich für Fynn Lakenmacher in einer Top Mannschaft, wie der TSV 1860 München eine sein wird, signifikant erhöhen.

Fazit

Wir freuen uns also auf einen jungen Spieler mit guten Anlagen. Unter Michael Köllners Anleitung werden sich diese noch weiter verbessern. Ein Stürmer wie Fynn Lakenmacher, der durch seine Größe auch bei hohen Flanken selbst großgewachsene Abwehrspieler im Luftduell übertrumpfen kann, war eines der Puzzleteile, die dem TSV 1860 München vergangene Saison leider gefehlt haben.

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LinkeKlebe

Danke für den Beitrag.
Was hier fehlt, ist, dass Fynn Lakenmacher ausgebildeter IV ist, und aufgrund seiner Robustheit, Dynamik & Offensivfähigkeiten, durchaus auch für die Position des RAV in Frage kommt, und somit der Vergleich zu allen aufgeführten Stürmer hinkt.

Stefan Kranzberg

Servus! Das hatten wir bei der Verkündigung des Transfers bereits erwähnt:

https://sechzger.de/von-havelse-nach-muenchen-fynn-lakenmacher-kommt-zum-tsv-1860/

Roman Agostino

Klasse Beitrag! Eine solch ausführliche Interpretation der Rohdaten in Relation zu relevantem Kontext findet man in der 3. Liga leider noch viel zu selten. Großes Lob an Bernd Winninger an dieser Stelle!
Ein Zusammenspiel aus Bär und Lakenmacher kann ich mir sehr gut vorstellen, da beide eine enorme Spielintelligenz vorweisen und ein gutes Timing für ihre Läufe haben. Wenn die beiden besser miteinander harmonieren, als es bei Mölders und Bär der Fall war, könnten sie der gegnerischen Verteidigung durch kluges Schaffen von Räumen füreinander ernsthafte Probleme bereiten, die quasi unmöglich in den Griff zu bekommen sind.
Mit Kobylanski und hoffentlich auch Neudecker unmittelbar dahinter, dürften die beiden auch mit ausreichend brauchbaren Schnittstellenpässen versorgt werden.

Aschlegel

Liest sich sehr spannend. Lakenmacher könnte vielleicht dann das einlösen, was wir uns am Anfang von Linsbichler versprochen haben und leider nicht eintraf. Bin gespannt.