Im Online-Löwenkosmos kann man seine durchdachten Kommentare unter dem Nickname Kassenwart finden. Auch unter unseren Beiträgen. Wir freuen uns, heute zum ersten – und hoffentlich nicht zum letzten – Mal die Betrachtungen des Kassenwarts zu einem aktuellen Thema hier als Gastbeitrag zu veröffentlichen. Es geht um nicht weniger, als eine Million Euro.

Aussagen zum Stadion im LÖWEN-TV Talk

Im Interview mit LÖWEN-TV gewährte Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer Einblick in Budgets, Erlös und Kostenpositionen unserer Löwen. Mit Interesse habe ich die Aussagen zum Stadion verfolgt:

…wenn man sich anschaut, was auf der Ertragsseite (mit dem Stadion, Anm.d.Verf.) erwirtschaftet wird und was auf der Aufwandsseite dagegen steht, dann ist das in einem gewissen Unverhältnis. Das heißt im Ergebnis, wenn man Aufwand und Ertrag ins Verhältnis bringt und sich das Ergebnis anschaut, dann sind wir ungefähr eine Million hinter dem Durchschnitt in der Liga.”

Eine interessante Aussage. Warum sind wir im Vergleich zu durchschnittlichen Drittligisten hier mit rund einer Million Euro im Nachteil? MNP kann uns hier wohl nicht alles offen legen, denn bei Verträgen wird oftmals Vertraulichkeit ausbedungen. Dennoch will ich hier einmal drei mögliche Beispiele benennen, worin die eine Million an Nachteil begründet liegen könnte.

1. Namensrechte der Sportstätten

Allein aus den Namensrechten generieren Vertreter der 3. Liga zwischen 200.000 und 1,05 Millionen Euro. Ligakrösus dürfte auch aktuell der MSV Duisburg mit seiner Schau-ins-Land-Arena sein. An einem Ort, der als nicht unbedingt als besonders kaufkraftstark gilt.
(Quelle: Arena-Namensrechte im Profisport | SPONSORs, Stand 2019)

Hier schlummert also einiges an Potential für die Löwen. Bei Sportstätten ist der Eigentümer gleichzeitig Inhaber des Namensrechts. Im Falle des Stadions an der Grünwalder Straße steht der Stadt München grundsätzlich das Recht zur Vermarktung des Namens zu. Aufgrund der Untrennbarkeit von Namen und Namensträger ist die Vermarktung des Namensrechts nur durch vertragliche Vereinbarung möglich. Dabei gestattet der eigentliche Namensträger dem Vertragspartner in seine Namensrechte einzugreifen. Rechtlich sind solche Verträge als schuldrechtliche Gestattungsverträge (sogenannte Lizenzverträge) einzustufen.

Erschwerend für die Namensvergabe ist in unserem Falle die Situation, dass diverse Mieter – in der Vergangenheit bis zu drei verschiedene Vereine – das Stadion parallel nutzen. Daher kann 1860 sich in diesem Fall nicht – wie sonst üblich – die Verfügungsbefugnis über das Eigentum zu Vermarktungszwecken Einräumen lassen. Sonst wäre es dem Klub möglich, auch ohne Namensinhaberschaft Lizenzverträge über den Stadionnamen zu schließen. Durchaus könnte allerdings die Stadt als Betreiber einen Namenssponsor suchen. Die möglichen Erlöse dürften sich – auch durch die Mehrfachnutzung – mindestens auf dem Niveau, wie in Duisburg bewegen. Hier verzichtet die Stadt München also freiwillig auf eine Millioneneinnahme – zu Lasten Ihrer Mieter! Es ist sicherlich nicht zu hoch gegriffen, wenn im Gegenzug der TSV 1860 um rund 500.000 Euro im Mietpreis entlastet werden könnte. Eine Motivation von Seiten der Stadt ist aber womöglich nicht vorhanden, da es aus Ihrer Sicht gleichgültig ist, ob der Mieter oder ein Sponsor für die Summe aufkommt.

2. Stadionwerbung – nachteiliger Langfristvertrag mit Ströer zu Lasten der Mieter

In Zeiten geringer Frequentierung mit zweiten und Jugendmannschaften und geringem Zuschauerinteresse hat die Stadt München offensichtlich einen langfristigen Vertrag mit der Firma Stroer abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich beim Grünwalder Stadion um eine reines Amateursport-Spielstätte. Details zum Vertrag sind im Netz nicht auffindbar. Lediglich bei der Provision besteht Klarheit: 50% der Werbeerlöse im Stadion sind an Ströer abzuliefern. Branchenüblich wäre eher ein Viertel. Auch hier könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Stadt leichtfertig mit den Interessen ihrer Mieter umgeht. Die Nachteile dieser extrem hohen Provision gehen wieder einmal nicht zu Lasten des Stadtkämmerers, sondern der anmietenden Vereine.

Um welche Summen handelt es sich? Auch hier sind eigentlich keine Zahlen verfügbar. Die “dritte Kraft” in München hat allerdings auf ihrer Homepage die Buchungspreise von 2020 veröffentlich. Je nach Buchungsintensität sprechen wir hier von rund € 400.000, was Türkgücü für Bandenwerbung im Stadion verlangte. (Quelle: Türkgücü München Preise Bandenwerbung 2020/2021, Stand 2020). Bei den Löwen, welche über deutlich höhere Werbekraft verfügen, dürfte es sich eher um 600.000 Euro Erlöse handeln. Hier gehen dann durch den überhöhten Provisionssatz von 50% – im Vergleich zu branchenüblichen 25% – mindestens 150.000 Euro als verdeckte Stadionkosten an Ströer.

3. 1860 – in Giesing dahoam zahlen wir das MVG-Gesamtnetz

Es ist bekannt, dass die Löwen über eine große Fanbase in ganz Deutschland verfügen. Aber gerade an Spielen unter der Woche kommt doch der „Löwenanteil” der Besucher sicherlich eher aus dem Stadtgebiet. Dennoch muss der TSV 1860 – als verdeckte Nebenkosten des Mietvertrages für das Sechzgerstadion – den MVV für alle Zuschauer bezahlen. Egal, ob jemand zu Fuß kommt (wie ich) oder bereits ein ÖPNV-Abonnement besitzt. Das MVV-Kombiticket ist immer enthalten. Und diese “Zwangsabgabe”, welche die Löwen entrichten müssen, dürfte bei ausverkauftem Stadion bei über 35.000 Euro liegen (man hört von 2,50 Euro pro Zuschauer).

Bei 19 ausverkauften Spielen summiert sich dies dann auf über 700.000 Euro. Eine Wahl wurde dem TSV 1860 nicht gelassen, dies war eine Bedingung der Stadt im Mietvertrag. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Als Anwohner begrüße ich absolut die Anreise aller Fans mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur gehört dieser ÖPNV – tatarata! – dem Stadionbetreiber. Mir erscheint also durchaus vertretbar, dass sich künftig die MVG-Kosten aus den 9,5% Ticketabgabe (Stadionmiete) speisen, beauftragt durch die Stadt. Denn ohne Stadionanmietung hätte die MVG auch nicht die entsprechende Verkehrsmittelauslastung – würde aber dennoch die Strecken betreiben müssen. Gewinner eines Spiels im Grünwalder ist also in erster Linie die MVG.

Lösungsansätze

In dem Zusammenhang könnte man auch kurzfristig zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und die Punkte 1 + 3 elegant verknüpfen: Das MVG-Stadion an der Grünwalder Straße wäre für alle Beteiligten ohne Gesichtsverlust eine optimale Lösung. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit und die Klimadebatte könnte die Stadt München sowohl ein Zeichen für lokales Engagement als auch für Umweltschutz setzen. Der Namensgeber drückt Lokalverbundenheit sowie Neutralität im Hinblick auf sämtliche potentiellen Mieter des Stadions aus und wäre mit dieser minimalen Namensanpassung („MVG-” statt „Städtisches”) auch den Anhänger des wichtigsten Mieters leicht zu vermitteln.

Rechnen wir die die drei beispielhaften Positionen zusammen (500.000 + 150.000 + 700.000), kommen wir – im Vergleich zu anderen Drittligisten – auf einen Nachteil  von 1,35 Millionen Euro. Herrn Pfeiffers Aussage über die Benachteiligung ist also auch in der von ihm kolportierten Größenordnung absolut plausibel.

Blick in die Oberpfalz

Natürlich muss man sich als Verein ein Stadion leisten können. Aber auch als Stadt. Nur knapp 130 km von Giesing entfernt, erleben wir genau das Gegenteil zu den beschriebenen Münchner Verhältnissen. Seit der SSV Jahn Regensburg im örtlichen Neubau spielt, bezahlt der Verein jährlich eine halbe Million Euro je Saison als Pacht (hinzu kommen 15.000 Euro je Spieltag in der 2. Bundesliga, somit insgesamt 755.000 Euro im Jahr). Der Jahn zahlt also für die gesamte Stadionnutzung weniger, als wir womöglich allein für den MVV. Und das in Liga 2, für ein modernes Stadion. Aber die Stadt Regensburg versteht den Jahn als Werbung und Aushängeschild.

Eine Frage des Willens?

Die Stadt Regensburg selbst fährt – isoliert betrachtet – alljährlich einen Verlust zwischen 1,8 und 3,4 Millionen Euro mit ihrem „Regiebetrieb” für das Jahnstadion ein. Dieses Defizit ist nichts Unerwartetes. Tatsächlich war von Anfang an klar, dass eine neues Fußballstadion ein Zuschussgeschäft sein würde. Als der Stadtrat 2011 mit breiter Mehrheit den Grundsatzbeschluss zum Neubau fasste, war von einer wichtigen Infrastrukturmaßnahme für die Region die Rede. Und davon, dass sich eine Stadt wie Regensburg so etwas leisten müsse – ähnlich wie ein Theater oder städtische Frei- und Hallenbäder. Fragt sich, ob die Stadt München sich auch so eine Kultureinrichtung wie ein modernisiertes Grünwalder Stadion leisten können muss. Zum Vergleich: Der neue Gasteig kostet mit „2.572 überdachten Sitzplätzen” in der Philharmonie rund 450 Mio. Euro. Offensichtlich ist man also für Kultur in München offen.

Türkgücü als Beispiel

Damit wir uns richtig verstehen: Das Stadion gehört der Stadt. Mit dem (kurzen) Aufstieg von Türkgücü haben wir gesehen, dass eine Metropole wie München dem Fussballsport als Kulturgut auch eine Perspektive bieten sollte und über ein eigenes, funktionsfähiges und geeignetes Fussballstadion verfügen muss. Es gibt eben nicht nur den TSV 1860 und die „Seitenstraßler”. Als Großstadt kann man sich nicht der Verantwortung für die weiteren Sportvereine entziehen. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer Verein vor der gleichen Herausforderung steht, wie das Perlacher Projekt und wir vielleicht einmal einer Frauenfußballmannschaft die Bundesligateilnahme verweigern müssten. Stadien baut man nicht innerhalb von 6 Wochen Sommerpause.

Unabhängig von den Modernisierungsmaßnahmen wird der TSV 1860 bereits jetzt im Vergleich zu anderen Vereinen und deren Kommunen benachteiligt – ligaunabhängig. Bevor die Stadt über Mieterhöhungen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Grünwalder Stadions spricht, sollte zunächst eine Mietanpassung inklusive verdeckter Kosten an übliche Gegebenheiten erfolgen. Und zwar nach unten. Deutlich.

Das MVG-Stadion an der Grünwalder Straße wäre der einfachste Weg dazu.

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Kassenwart

Nach einem Bericht der Abendzeitung sind die Vorschläge jetzt ja tatsächlich auf der politischen Agenda. Halbierung der MVG-Zwangsabgabe wäre ja schon mal ein erster Schritt.

Im übrigen wäre mir das “SWM Station an der Grünwalder Straße” (Muttergesellschaft der MVG) noch lieber. Auch an den städtischen Schwimmhallen prangt ja das Logo der Stadtwerke. Und einen wirtschaftlichen Mehrwert hätten die Stadtwerke auch, denn Ihre Bereiche Strom, Wärme, Kommunikation (M-NET) und ÖPN (MVG) werben ja um Kunden am freien Markt. Macht also für alle Seiten Sinn.

Darock

Ich weiss das es bei einer Rückkehr ins GWS Voraussetzung war das wir eine Zwangsabgabe an die MVG leisten müssen. Aber für mein Rechtsempfinden ist das aller unterste Schublade, es ist Aufgabe des MVG zu kontrollieren ob seine Fahrgäste mit gültigem Ticket fahren. Die Geschäftsführung muss hier auch konsequent handeln und die Verantwortung hierzu auf die Verkehrsbetriebe abwälzen.

Max H.

Dass man mit dem GWS deutlich mehr (fußballunabhängigen) Umsatz generieren könnte, ist unstrittig. Vor etwa zwanzig Jahren gab es Kontakt zu Green City hinsichtlich eines Konzepts zur Nutzung der Dächer von Haupttribüne und Gegengerade als Installationsort für Solarpanels zur Stromgewinnung. Schon damals kam dabei ein sechsstelliger Betrag heraus. Das war zwar nur eine grobe Schätzung, da wir natürlich nicht wirklich im Namen der Stadt verhandeln konnten, aber da gäbe es schon noch Potential. speziell wenn man bedenkt, dass zukünftig noch deutlich mehr Dachfläche zur Verfügung stehen wird.

Kerschensteiner

Vor 20 Jahren war die Einspeisevergütung eine weit höhere. Die stark gesunkene Einspeisevergütung für Photovoltaik macht nur noch Eigenverbrauch rentabel.

Max H.

Äpfel und Birnen. Die Einspeisevergütung ist eine Subvention für private Haushalte, sie regelt den Garantiebetrag, den der jeweilige Netzbetreiber bezahlen muss, wenn privat generierter Strom ins Netz eingeleitet wird. Ein kommerzieller Betreiber wie bspw. die SWM kann erzeugten Strom ganz normal auf dem Markt verkaufen.

Fred

Die Namensrechte könnte die Stadt übrigens nicht nur am GWS verkaufen. Auch alle anderen städtischen Sportanlagen könnten beispielsweise den Namen eine Münchner Autobauers tragen. Nur mal so. Hier wird Geld ohne Ende verschenkt!

Alex64

Sehr interessante Ausführungen. Sollte man an die Löwen und die Stadt München weiterleiten.

Friedl

Interessante Gedanken zum Stadion. Allerdings ist zu bedenken, dass zum Punkt 2 „Stadionwerbung“ die Firma Stroer nur für dauerhafte, festinstallierte Werbung ihren Anteil erhält; z.B. Hackerwerbung an der Gegentribühne. Für die „Laufbande“ die für jedes Spiel auf- und abgebaut werden muss, erhält Stroer kein Geld. Auch an Werbebannern usw. die immer wieder auf- und abgebaut werden müssen, entfallen keine Gebühren an Stroer.

Kassenwart

Danke für die Info. Bisher habe ich keine Details über den Vertrag mit Stroer gefunden. Kannst Du mit die Quelle nennen? (gerne als PN an sechzer.de)

Friedl

Ich hatte vor ca. 2 Jahren Berechnungen zum Stadion veröffentlicht und diesen Sachverhalt nicht gewusst. Mir wurde von jemanden, der dies nachvollziehbar wissen musste, dieser Sachverhalt mitgeteilt. Was bei den Stadioneinnahmen für mich auch nicht klar nachvollziehbar ist, sind die Plätze für die Sponsorenleistungspakete. Jeder Sponsor erhält Eintrittskarten zu den Spielen. Ich gehe davon aus, dass der Gegenwert nicht in die Einnahmen aus verkauften Eintrittskarten einfließt, sondern im Rahmen der Sponsorengelder enthalten sein wird. Hier kommen meines Erachtens pro Spieltag auch einige Tausend Euro zusammen, speziell wenn man auch die VIP Karten auf der Haupttribüne mit berücksichtigt.

Kassenwart

Mir kam es im Artikel darauf an aufzuzeigen, dass dieser Unterschiedsbetrag von einer Million im Drittligavergleich sich relativ schnell aufaddieren kann. Löwen und Stadionverträge – zwei Welten prasseln offensichtlich zusammen.

Und im Vergleich zum Jahn aus Regensburg ist der Unterschied eher 2 Mio. und mehr bei Stadion-Nettoerlösen. Das ist dann schon kaum mehr Wettbewerbsgleichheit. Muss die Weltstadt mit Herz auch nicht gewährleisten.

Wenn wir es einfach hätten haben wollen, wären wir ja zu den Roten gegangen.

Fred

Stroer vermarktet doch seit gefühlt 100 Jahren alle städtischen Sportanlagen (früher als Deutsche Städtereklame) ohne was dafür zu tun. Ein Ärgernis vor dem Herrn. Ich vermute dass das GWS in diesem Zug auch Teil des Vertrages ist.