Nachdem man einen größeren Rückschlag gegen einen direkten Konkurrenten zuvor auswärts in Aachen noch verhindern konnte, setzte es am vergangenen Samstag eine Niederlage auf Giesings Höhen. Der Gegner aus Rostock ist an uns vorbeigezogen und die Aufstiegsplätze sind mittlerweile 8 Punkte entfernt. Nicht wenige Löwenfans, mich eingeschlossen, waren nach dem Spiel stinksauer. Schon wieder Elfmeter gegen uns, schon wieder falsch! Da bleibt nichts anderes über als die Vergangenheit abzuhaken und nach vorne zu schauen. Dort erblickt man einen weiteren gefallenen Riesen. Auf uns wartet: der Rot-Weiss Essen e.V.

Aktuelles – die Ausgangssituation

Nach der erfolgreichen vergangenen Saison hatte man in Essen auf ein weiteres Wachstum der Mannschaft und eine Weiterentwicklung des etablierten, gefälligen Spiels gehofft. Diese Hoffnungen konnten nicht erfüllt werden und nach einigen Transfers sowie taktischen Experimenten hat es Trainer Dabrowski wieder einmal nicht geschafft, in der Sommerpause eine funktionierende Mannschaft zu formen, wie unser Talkgast Philipp aus Essen in der letzten Ausgabe berichtete.

So findet man sich kurz vor der Winterpause auf dem 17. Tabellenplatz und damit in akuter Abstiegsgefahr wieder. Fünf Punkte sind es auf den TSV 1860 im hinteren Mittelfeld. Die aktuelle Bilanz lautet 4-4-8. Den letzten Sieg konnte man ausgerechnet gegen Ligaprimus Cottbus erringen, die man mit 4:0 aus der Hafenstraße schoss. Eine Woche zuvor bekam RWE aber von Rostock genau so viele Tore eingeschenkt. Wie bei den Löwen sind es bei den Essenern die fehlende Konstanz und die fehlenden Punkte gegen schwächer eingeschätzte Teams, die die nicht zufriedenstellende momentane Situation bedingen.

Kader & Transfers

Vor der Saison wurden im Ruhrgebiet einige Spieler ausgetauscht, besonders die letztjährigen Stützen hatten Begehrlichkeiten geweckt. So stehen 15 Zugänge 14 Abgängen gegenüber.

Untypisch für die dritte Liga konnte bei einem “internen” Wechsel gutes Geld verdient werden. Mittelfeldabräumer Vinko Sapina war Dynamo Dresden 250 000€ wert. Mit Felix Götze (26, IV) nach Paderborn, Cedric Harenbrock (26, OM) nach Rostock und Isaiah Young (26, RA) nach Bielefeld wurden auch Schlüsselspieler aus allen anderen Mannschaftsbereichen abgeworben. Mit Sascha Voelcke (22, LV) zog es zudem einen weiteren wichtigen jungen Spieler zur Konkurrenz nach Mannheim. Die anderen Abgänge gingen entweder in niedrigere Ligen oder in die Vereinslosigkeit.

Um diesen Aderlass auszugleichen wurde aber auch Qualität verpflichtet. Für Routine sorgen Ahmet Arslan (30, OM), der aus Magdeburg kam, und Michael Schultz (31, IV), den man vom Ligakonkurrenten aus Köln loseiste. Ersterer ist auch schon Top-Scorer der Rot-Weißen. Auf dem rechten Flügel zog es Robbie D’Haese (20) von Oostende und Joseph Boyamba (28) aus Elversberg an die Hafenstraße. Auf Leihbasis bediente man sich in der zweiten Bundesliga. Der letztes Jahr in Halle aufspielende Julian Eitschberger (20, RV)  wurde von Hertha BSC ausgeliehen, Manuel Wintzheimer (25, MS) kam aus Nürnberg. Zudem konnte man zwei Spieler aus der U19 in den Profikader hochziehen.

Vom verbliebenen Stammkader ist besonders Torhüter Jakob Golz (26) hervorzuheben, der seit vielen Jahren den Kasten in Essen sauber hält und aktuell mit einer kicker Durchschnittsnote von 2,97 aufwarten kann. Dauerbrenner in der Abwehr ist Innenverteidiger José-Enrique Rios Alonso, im Mittelfeld ist auf Torben Müsel (25) Verlass. Auch Routinier Thomas Eisfeld (30) schnürt noch immer für RWE die Schuhe. Im Sturm hat Leonardo Vonic (21) bis jetzt die meisten Tore (4) erzielt.

Ablösefrei war auch der neue Vorstandvorsitzende Marc-Nicolai Pfeiffer.

Löwenpower: Joseph Boyamba

Vereinsgeschichte

Als Gründungsdatum von Rot-Weiss Essen wird der 1. Februar 1907 angegeben. Damals firmierte man aber noch unter dem Namen “SC Vogelheim”, einem Fusionsverein aus dem “SC Preussen” und “Deutsche Eiche”. Zu einer Fußballabteilung kam es im Jahr 1910 durch eine Fusion mit dem “Turnerbund Bergeborbeck”. Vogelheim und Bergeborbeck sind die Stadtteile Essens, die der RWE seine Heimat nennt. Drei Jahre später trennte man sich wieder vom Turnerbund und gründete sich 1918 neu als “Spiel- und Sportverein Emscher-Vogelheim”. Seit der Fusion nahm man an Verbandsspielen teil und änderte nach dem ersten Weltkrieg seinen Namen in “Spiel und Sport 1912”. Die Geburtsstunde von “Rot-Weiss Essen” war dann eine erneute Fusion mit dem Turnerbund im Jahre 1923. Im Zuge dieser Bündelung der Kräfte im Essener Norden wurde der neue Name auserkoren.

Die Anfangszeit

Nach ersten Erfolgen und großem Zuschauerinteresse baute man unter der Ägide von Präsident Georg Melches im Jahre 1939 das erste Stadion an der Hafenstraße für rund 27 000 Zuschauende. Das gesamte Vereinsgelände wurde dann im zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Mit großem ehrenamtlichem Engagement wurde die Anlage wiederhergestellt:

„Männer aller Berufe standen einträchtig nebeneinander und schufteten Abend für Abend. Wenn auch die Hauptarbeit von Handarbeitern, meist Bergleuten, geleistet wurde, so war es doch rührend anzusehen, wie Leute, die nie mit Schaufel oder Spaten gearbeitet hatten, sich abmühten, es den anderen gleichzutun.“

Der erste große Erfolg der Vereinsgeschichte war dann der Pokalsieg 1953. Zwei Jahre später setzte man noch einen drauf und konnte die deutsche Meisterschaft erringen. Angetrieben durch diese Erfolge investierte Essen auch in Steine und errichtete 1956 die erste Flutlichtanlage Deutschlands! Trotz alledem wurde der RWE bei der Gründung der Bundesliga nicht berücksichtigt, da man 1961 aus der Oberliga abgestiegen war und den Wiederaufstieg nicht bewerkstelligen konnte. Folglich trat der Verein nun in der Regionalliga West an. 1963 starb mit Georg Melches die prägendste Figur in der Geschichte des RWE, weshalb auch das Stadion zu seinen Ehren umbenannt wurde.

Im Jahre 1966 gelang dann endlich der lang ersehnte Aufstieg ins neu formierte Oberhaus. Man musste aber postwendend wieder den Weg in die Regionalliga antreten. Es folgten einige “Fahrstuhljahre” mit Wiederaufstieg 1969, Abstieg 71, Aufstieg 73 und erneutem Abstieg 1977. Zur damaligen Zeit schnürten spätere Topstars wie Horst Hrubesch, Frank Mill, Willi Lippens und Manfred Burgsmüller die Schuhe für die Rot-Weißen.

Der Beginn der Abwärtsspirale

Nach einigen soliden Spielzeiten in der zweiten Liga musste man 1984 auch aus dem Unterhaus absteigen. Zwei Jahre später gelang die Rückkehr, der Abwärtstrend war aber gestartet. Abermals hielt man sich für einige Jahre, stieg dann 1991 aufgrund eines Lizenzentzugs wieder ab und konnte im darauffolgenden Jahr zumindest die deutsche Amateurmeisterschaft für sich entscheiden. Getragen von diesem Erfolg war man 1993 in der Liga erfolgreich und kehrte in den Profibetrieb zurück. Im Zuge des Zulassungsverfahrens zur 2. Bundesliga waren aber gefälschte Dokumente eingereicht worden, sodass während der Saison 93/94 die Lizenz abermals entzogen wurde. Trotz dieses großen Problems reüssierte man im DFB-Pokal und zog ins Finale gegen Werder Bremen ein.

1996 hatte RWE dann wieder Stabilität gewonnen und kehrte in die 2. Bundesliga zurück, mit über 8 000 Zuschauern im Schnitt war Essen in der Regionalliga der Zuschauermagnet schlechthin. In der folgenden Spielzeit gab es zwar keine großen wirtschaftlichen Probleme, sportlich war man der Aufgabe aber nicht gewachsen und stieg sofort wieder ab. 1997/98 wurde man dann durchgereicht und fand sich am Ende der Saison in der Oberliga wieder.

Folgend stieg man direkt wieder auf und kehrte 2004 sogar in die 2. Bundesliga zurück. Wieder einmal wurde RWE zur Fahrstuhltruppe, stieg 2005 direkt wieder ab, 2006 erneut auf und 2007 abermals ab. Zum 100. Geburtstag hatte man sich freudigere Zeiten gewünscht. Essen verpasste dann auch die Qualifikation für die neue 3. Liga, doch es kam noch schlimmer. 2010 war der Verein insolvent und in der 5. Spielklasse angelangt. Die Auflösung konnte aber abgewendet und die direkte Rückkehr in die Regionalliga fixiert werden.

Neues Stadion, neues Glück

2012 wurde das neue Stadion noch in den letzten Bauphasen bezogen und der Blick in eine hoffentlich rosigere Zukunft gerichtet. Dort stabilisierte RWE sich in Liga 4 und die Segel waren in Richtung Profifußball gesetzt. 2019/20 sah es unter neuer Führung lange gut aus, der coronabedingte Abbruch machte Essen aber einen Strich durch die Rechnung. Trotz des Einzugs ins DFB-Pokal-Viertelfinale verpasste man den Aufstieg in 2021 erneut knapp.

In der folgenden Saison konnte das lang ersehnte Ziel dann aber erreicht werden. In dem Jahr, in dem die Fans den Stadionnamen zurückgekauft und damit ihrer zweiten Heimat wieder den Namen “Stadion an der Hafenstraße” gegeben hatten, konnte nach 14 Jahren der Aufstieg und die lang ersehnte Rückkehr auf die Bundesebene gefeiert werden!

Verein

Rot-Weiss Essen vereint ca. 12 900 Fans in einem reinen Fußballverein, der neben den Profis noch eine zweite Mannschaft auf niedrigem Amateurlevel und eine “Team III” genannte dritte Mannschaft mit Spielern aus schwierigen sozialen Verhältnissen stellt. Frauenfußball gibt es keinen, was aber ausnahmsweise löblich ist, da man so der etablierten SGS Essen (Bundesliga) nicht ihr Revier streitig macht. Der Profibetrieb ist nicht in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert.

Fanszene

Wer ist der Schreck vom Niederrhein?

Die Fanszene des RWE ist schon seit den 70er Jahren in ganz Deutschland bekannt, sowohl wegen der Stimmung als auch besonders wegen ihrer Rauflust. Zu diesem Thema hat Philipp Köster im Magazin 11Freunde einen schönen historischen Artikel verfasst – dieser ist leider nur mit Abo o.Ä. lesbar. Heute hat auch in Essen die Ultrabewegung Einzug gehalten und dominiert auf der neuen West.

Die maßgeblichen Ultragruppen sind die “Vandalz Ultras”, “Rude Fans”, “Junge Essener” und die “Freaks Ultras”. Letztere geben das recht lesenswerte Fanzine “Freakshow” heraus. Weiters gibt es die “Wrecking Crew”, die “Stauder Kommilitonen” und “Northside”. Die Gruppierung “Kategorie Essen” musste sich im September auflösen, nachdem ihnen ihre Zaunfahne abhanden gekommen war.

Als Dachverband gibt es die “Westtribüne Essen”, der wie bei vielen anderen Clubs eine Vorfeldorganisation darstellt, durch welche in diesem Fall ausschließlich Choreographien finanziert werden. Auch werden einige karitative Aktionen durchgeführt, so z.B. aktuell eine Bechersammelaktion der Vandalz für die “Essener Elterninitiative”. Der durch den Rostocker Angriff in Stadt und Land bekannte Sonderzug wurde zusammen mit der Fan- und Förderabteilung der RWE organisiert, die die Interessen der “passiven Fußballer” bündelt und den Fans eine eigene Stimme im Hauptverein gibt.

Freundschaften auf Ultraebene gibt es nach Dortmund und zum Verein vom Verteilerkreis in Wien, außerdem sind die “Vandalz” mit der “Revolte 0221” vom FC Köln verbandelt. Seit 1994 besteht eine Fanfreundschaft zu Werder Bremen, welche aber nicht (mehr) auf Ultraebene getragen wird. Feindschaften existieren besonders zum FC Schalke 04, Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg.

Das bekannte Fan-Original “Glockenhorst” ist leider in diesem Jahr von uns gegangen. Mehr zu einem bewegten Leben lest ihr hier.

Stadion

Das “Stadion an der Hafenstraße” ist eines der Stadien, welche noch immer ihren traditionsreichen Originalnamen tragen und nicht von irgendeiner Sponsorenkreationen entstellt werden. Die 2012 eröffnete Fußballarena wurde sehr nahe am alten “Georg-Melches-Stadion” errichtet und erinnert optisch auch sehr an den Vorgänger, besonders die vier separaten Tribünen mit offenen Ecken. Zur Vorgeschichte schreibt RWE:

“Rot-Weiss Essen in Person von Vereinsmacher Georg Melches fand 1920 seinen ersten festen Standort an der „Vogelheimer Straße 97“ – der heutigen „Hafenstraße 97a“ an den Stadtgrenzen Bergeborbecks zu Vogelheims! Die 1939 von Sportanlage zu Spielstätte umgebaute rot-weisse Heimat wurde im zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört. So beschloss man den Bau des alten „Stadions an der Hafenstraße“ – nach Melches Tod „Georg-Melches-Stadion“. In der Verbandszeitung des Westdeutschen-Fußballverbands (WDFV) wurde die nach 50er-Jahre-Standard hochmoderne Anlage mit dem „Highbury“ von Arsenal London verglichen: Essener konnten stolz auf eine Multifunktions-Haupttribüne und das erste Flutlicht im Ruhrgebiet sein! Im Außenbereich errichtete man zudem Tennisplätze und eine Gartenanlage.”

Das neue Stadion fasst 19 962 Zuschauende, davon 6 670 in der Westkurve. Neben den Drittliga-Partien des RWE finden hier auch die Bundesligapartien der Frauen der SGS Essen sowie Konzertveranstaltungen statt. Beim Bau soll es zu einigen finanziellen Ungereimtheiten gekommen und Gelder aus anderen Töpfen zweckentfremdet worden sein, da sich die Baukosten zum Ende hin mehr als verdoppelt hatten. So standen schlussendlich 64 Mio. statt der ursprünglich angepeilten 31 Mio. € zu Buche. Aktuell wird ein Ausbau auf ca. 27 000 Plätze durch Schließung der Ecken angepeilt. Nicht nur bei den Bauvorhaben, sondern auch beim Unterhalt der Arena unterstützt die Stadt Essen als Besitzerin des Stadions den Verein tatkräftig.

Ausgeschenkt wird Stauder Bier, die Currywurst soll laut unserem Talkgast nicht zu empfehlen sein, die Frikadelle wiederum wurde von anderer Seite empfohlen.

Trivia – Unnützes Wissen

  • Das “Weiss” im Vereinsnamen entsprach noch nie der Rechtschreibung, ist aber tatsächlich die offizielle Schreibweise in Satzung, Vereinsregister, etc..
  • Das UNESCO-Weltkulturerbe “Zeche Zollverein” in Essen ist unbedingt einen Besuch wert. Auch dieser Italiener um die Ecke hat das letzte Mal gefallen.
  • Die neue Westtribüne in Essen liegt eigentlich im Osten, der Traditionsname wurde vom alten Stadion übernommen.
  • Neben der gewohnt rot-weißen Spielkleidung wären laut Satzung in Notfällen auch noch neutrale (schwarze/graue) oder in den Stadtfarben Blau und Gelb gehaltene Trikots erlaubt.
  • Das bekannte “Oh RWE-Lied“, welches im Stadion gesungen wird basiert auf dem Schlager “Adiole” von Siw Malmquist.

Der 17. Spieltag im Überblick

Freitag 19:00 Uhr SC Verl1. FC Saarbrücken
Samstag 14:00 Uhr FC Ingolstadt 04 – FC Erzgebirge Aue
14:00 Uhr FC Hansa Rostock – SV Sandhausen
14:00 Uhr BV Borussia Dortmund II – SV Wehen Wiesbaden
14:00 Uhr SpVgg Unterhaching – Hannover 96 II
14:00 Uhr SV Waldhof Mannheim – FC Energie Cottbus
16:30 Uhr Aachener TSV Alemannia – VfB Stuttgart II 
Sonntag 13:30 Uhr Rot-Weiss Essen – TSV 1860 München
16:30 Uhr SG Dynamo Dresden – DSC Arminia Bielefeld
19:30 Uhr FC Viktoria Köln 1904 – VfL Osnabrück

 

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PhilippRWE

2 kleine Korrekturen:

  1. war das Rostockspiel eine Woche vor dem Heimspiel gegen Cottbus, also die ideale Antwort auf den schwachen Auftritt zuvor, und nicht zwei Wochen danach.
  2. Wird dieser ominöse Philipp genauso geschrieben wie ich und soll meines Wissens nach ein echt cooler Typ sein 😛

Grüße 🙂

Jan Schrader

Haha 😀 beides korrigiert und Grüße zurück!