Eine Botschaft schicke ich vorweg: Ich möchte sportlich erfolgreiche Löwen. Als Kind der Bayernliga-Generation waren nach dem Aufstieg 1994 die ersten Fahrten nach Dortmund oder Schalke, die richtigen Derbies gegen die erste Mannschaft des Lokalrivalen und natürlich die internationalen Fahrten nach Varna, Wien oder Leeds (12 Pflichtspiele im Ausland gab es seit meiner Geburt, ich bin alle mitgefahren) die absoluten Highlights, von denen ich bis heute zehre(n muss).

Stellt man mir heute die – aktuell äußerst hypothetische – Frage, ob ich Sechzig im Sechzgerstadion in den Ligen 2-4 oder in einem neu errichteten Löwenstadion an einem anderen Ort in der 1. Bundesliga und im Europacup sehen möchte, dann wird mein geliebtes Grünwalderstadion leider nur zweiter Sieger. Glasgow statt Großaspach – wer möchte das nicht?

Aktuell täten Fans, Investoren & Blogger jedoch gut daran, erst einmal kleinere Brötchen zu backen: Zu präsent und frisch sind die Erinnerungen an Liga 4, die Realität ist Liga 3: Eine riesige Schuldenlast ist nah dran den Verein zu erdrücken, vor wenigen Wochen noch sind wir in Magdeburg & Mannheim auf dem Rasen spielerisch in alle Einzelheiten zerlegt worden (wohlgemerkt in Liga 3) – und es gibt aktuell Leute, die denken an bzw. besser gesagt träumen von Mailand & Manchester.

Das muss man sich mal wirklich auf der Zunge zergehen lassen.

Da wird die Informationsveranstaltung zum Umbau des Sechzgerstadions (Bericht hier) dazu benutzt, um wegen der nur geringfügig erhöhten Zuschauerzahl gegenüber dem jetzigen Status Stimmung zu machen, gleichzeitig aber (bewusst?) verschwiegen, dass durch die neuen Logen & Business-Seats für 1860 deutlich bessere Einnahme- und Vermarktungsquellen erschlossen werden, als derzeit. Wer möchte denn schon ein paar tausend Euro für einen Business-Seat hinlegen, damit er vor und nach dem Spiel ein paar Hundert Meter weit entfernt in der Löwen-Alm am Trainingsgelände bewirtet wird? Eben.

Den Anhängern des Sechzgerstadions wird ja immer vorgeworfen, Anhänger einer Ruine und verklärte Fußballromantiker zu  sein, dabei hört man von denen derzeit kaum negative Töne, was verwunderlich ist, denn: Vom romantischen Sechzgerstadion wird nach dem Umbau wenig übrig bleiben: die Ostkurve ist ja heute schon eine ganz andere als früher und wird erhöht, die Westkurve überdacht, auf der komplett neuen Haupttribüne werden vermutlich die untergebracht, die heute in der Stehhalle sind, was zum – für mich – schmerzhaftesten Punkt des Umbaus führt: Die Stehhalle wird die neue Haupttribüne werden, zerschnitten durch den VIP & Logen-Bereich. Mein angestammter Platz wird diesem Umbau definitiv zum Opfer fallen, wo und neben wem ich danach sitzen werde – natürlich keine Ahnung.

All diese Einschnitte akzeptiert der Löwenfan ohne große Klagen, weil es ihm nicht um Romantik geht, sondern darum einen möglichst erfolgreichen TSV 1860 München, idealerweise in Giesing zu sehen. Die Zuschauerkapazität?

Für größeres nicht ideal, auch wenn Paderborn – ein Städtchen mit nicht einmal 150 000 Einwohnern und einem 15 000- Mann-Stadion mal eben in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist und in Zeiten steigender TV- und Werbeeinnahmen es finanziell keine große Rolle spielt, ob in einem Stadion 10 000 Plätze mehr oder weniger sind. Die Differenz ist im heutigen Fußball-Business getrost als Peanuts zu betrachten.

Schaut man sich die Zuschauerzahlenentwicklung der letzten 10 Jahre an, dann stellt man fest, dass 18 000 fast jedes Jahr locker genügt hätten, auch in Liga 2. Zumindest wenn man den exorbitanten Anteil Gästefans abzieht, die nur einmal im Jahr nach München gefahren sind um die Allianzarena zu sehen – erinnern wir uns an die Spiele gegen Augsburg und Dresden: sollen wir unser Stadion an den Gästefans ausrichten?

https://www.transfermarkt.de/tsv-1860-munchen/besucherzahlenentwicklung/verein/72

Wer bei dem anvisierten Umbau – der den TSV 1860 so ganz nebenbei erwähnt keinen Cent kostet – den Verantwortlichen fehlende Weitsicht attestiert, der möge doch bitte einmal die derzeitigen, realistischen Alternativen aufzeigen. Wir reden immer noch vom TSV 1860, einem Verein der vor wenigen Wochen nicht einmal das Geld für das Wintertrainingslager hatte – in diesem ich mich jetzt gerade befinde und diese Zeilen tippe. Der Verein soll jetzt irgendwo selbst ein Stadion bauen? Das ist einfach nur lächerlich.

Viele spekulieren auf den Fall von 50+1, in der Hoffnung dass Investor Hasan Ismaik dann endlich schalten und walten kann wie er will und dann mit einem großen Investment die Löwen erst in ein eigenes Stadion und dann zurück nach Europa führen wird. Was sie dabei vergessen: Fällt 50+1, dann sind auch die anderen deutschen Vereine für (zum Teil deutlich finanzkräftigere) Investoren interessant. Wird es dann für 1860 leichter nach oben zu kommen, wenn noch ein paar Dutzend Scheichs und Oligarchen sich ein Spielzeug zulegen und hunderte Millionen in diese pumpen?

Vermutlich wird es deutlich schwerer. Unabhängig davon: wohin uns Größenwahn führt, haben wir erst beim Bau der Allianzarena und in der Horror-Saison 2016/17 gesehen.

Schade, dass damals niemand – auch kein Blogger – die Verantwortlichen zu mehr Weitsicht angemahnt hat.

Das ist die harte Realität, man könnte sie auch „Einsicht“ nennen, die leider vielen fehlt.

Zum Glück haben sie wenigstens die Verantwortlichen beim TSV 1860 und der große Teil der Löwenfans. Ganz ohne Romantik.