Der TSV 1860 München hat für die laufenden Saison über 10.200 Dauerkarten verkauft. Eine eigentlich unglaubliche Zahl, wenn man bedenkt, dass weiterhin völlig unklar ist, ob und wann wieder Fans ins Grünwalder Stadion dürfen. Nach dem emotionalen Auf und Ab der vergangenen Woche und der dann letztlich doch als Geisterspiel ausgetragenen Partie gegen Lübeck, stellen sich viele Löwenfans schon heute, Mitte Oktober die Frage, ob in diesem Kalenderjahr 2020 überhaupt noch ein Heimspiel auf Giesings Höhen mit Zuschauern stattfinden wird. Die Mehrheit der Dauerkarteninhaber stammt aus dem erweiterten Großraum München, doch es gibt auch Fans, die sich trotz großer Distanz ein Saisonabo geholt haben und somit für jedes besuchte Heimspiel richtig lang unterwegs sind. Einer davon ist Maximilan Hinzpeter aus Wien. Wir haben ihn zum Interview gebeten.

Sechzger.de: Servus Maximilian! Danke, dass Du Dir Zeit fĂĽr uns nimmst.

Maximilian: Sehr gerne. Ich bin gerade in Elternzeit, was bei zwei Kindern aber leider nicht heiĂźt, dass man unbegrenzt freie Zeit zur VerfĂĽgung hat. Aber vormittags, wenn beide Kinder in der Krippe sind und vor allem meine Frau in der Arbeit, habe ich ein paar freie Minuten.

Sechzger.de: Du lebst in Wien. Sind Deine Wurzeln eigentlich in München bzw. in Deutschland? Wie bist Du zum Löwen geworden? Und wie lange lebst Du schon als Fan im „Exil“?

Maximilian: Ich bin in München aufgewachsen und 2006 nach Wien gezogen, lebe mittlerweile also schon 14 Jahre hier. Ein Löwe war ich schon sehr früh. Mein Vater ist in seiner Jugend sehr viel umgezogen, hatte aber als 10-Jähriger den kicker-Starschnitt von Petar Radenković über seinem Bett hängen. Heute ist das kaum zu glauben, dass Kinder quer durch die Republik Sechzger-Fans waren und ihren Idolen nachgeeifert haben. Mein erstes Spiel war am 1. Juni 1986 in Ulm. Damals ging es um den Aufstieg in die 2. Liga, welchen die Löwen natürlich verpasst haben. Meine Eltern lebten damals in Ulm und mein Vater hat mich als nicht mal Einjährigen mitgenommen zum Spiel. Angeblich hat er keinen Eintritt gezahlt, sondern mich in der Kraxn über den Zaun geworfen und ist selber hinterhergeklettert.

Sechzger.de: Seit wie vielen Jahren bist Du Dauerkarteninhaber?

Maximilian: Ich war 2012 fĂĽr ein paar Monate fĂĽr ein Praktikum in MĂĽnchen und habe mir da natĂĽrlich eine Dauerkarte geholt. Allerdings bin ich kein groĂźer Freund von diesem seelenlosen Stadion an der Autobahn, weshalb ich mir in der Saison 2012/2013 eine Dauerkarte fĂĽr die Amateure geholt habe. Als dann die erste Mannschaft nach dem Zwangsabstieg wieder im GrĂĽnwalder Stadion gespielt hat, habe ich zum GlĂĽck eine Dauerkarte fĂĽr die erste Mannschaft bekommen.

Sechzger.de: Ăśber 400 km einfacher Weg liegen zwischen Wien und Giesing. Wieso hast Du Dich dennoch fĂĽr eine Dauerkarte entschieden?

Maximilian: Liebe kennt keine Entfernung! Und wenn ich mal nicht zu einem Heimspiel fahren kann, nimmt mein Bruder oder ein Freund die Karte. Sie ist also ständig in Verwendung.

Sechzger.de: Wie sieht bei Heimspielen ein typischer Tagesverlauf aus? Reist Du erst am Spieltag an oder schon am Abend davor? Und geht’s nach dem Spiel direkt zurück?

Maximilian: Das ist sehr unterschiedlich. Meistens wird ein Stadionbesuch mit einem Besuch bei meinen Eltern oder Schwiegereltern verbunden, die sich immer freuen, ihre Enkel zu sehen und dann auch gerne aufpassen. In der Regel treffen wir uns am Candidplatz oder im Giesinger Bräu und stimmen uns auf das Spiel ein. Nach dem Spiel geht es dann meistens zu den Kindern. Hin und wieder ist es aber schon vorgekommen, dass noch das ein oder andere Turbobier in Giesing genossen wurde. Diese Kombination aus Fußball und Stadtteil findet man in Deutschland kaum noch. Die immer gleichen Multifunktionsarenen werden an die Stadtränder in Industriegebiete gebaut. Damit werden die Menschen und der Fußball getrennt. Aus Fans werden Kunden, die mit Plastikkarten bezahlen. So gesehen war der Zwangsabstieg für Sechzig, v.a. für die Fans ein Segen. Sportlich und finanziell sieht das natürlich anders aus.

Sechzger.de: Wie viele Heimspiele siehst Du denn tatsächlich pro Saison?

Maximilian: Jedes Spiel schaffe ich leider nicht, da ich teilweise auch an den Wochenenden arbeiten muss. Wenn es sich aber ausgeht, versuche ich, so viele Spiele wie möglich zu besuchen – gerne auch auswärts. Auswärtsfahrten sind ja oft die wahren Highlights im Leben eines FuĂźballfans.

Sechzger.de: Du hast ja in Wien mehrere Erstligisten direkt vor Deiner Haustüre. Gehst Du auch in Österreich mal zum Fußball? Und für welchen Verein schlägt hier Dein Herz und warum?

Maximilian: Am Beginn meiner Zeit in Wien haben mich Freunde immer mal wieder zur Austria mitgenommen, da habe ich teilweise wilde Spiele erlebt, inkl. Derbys mit Platzsturm und Spielabbruch, aber der österreichische Fußball hat ein grauenhaftes Niveau und da fahre ich am Wochenende lieber zu den Löwen. Eine Zeit lang habe ich im Ernst-Happel-Stadion bei internationalen Spielen von Rapid und Länderspielen gearbeitet, so auch bei der EURO 2008 mit einem deutschen Finale. Da ist immer super Stimmung, obwohl das eine alte Schüssel mit Laufbahn ist, aber trotzdem ein Stadion mit Charme.

Sechzger.de: In einschlägigen Medien wird ja gerne behauptet, dass auswärtige Fans systematisch vom TSV 1860 ausgeschlossen werden. Wie siehst Du das?

Maximilian: Davon habe ich noch nie gehört und es selber auch noch nicht erlebt.

Sechzger.de: Bist Du auch Mitglied im e.V.? Und falls ja: Kommst Du auch zu den Mitgliederversammlungen des TSV 1860. Was ist ggf. Deine Motivation, auch fĂĽr solche Veranstaltungen die Reisestrapazen auf Dich zu nehmen?

Maximilian: Eine Mitgliederversammlung habe ich leider noch nie besucht, da die Termine fĂĽr mich immer zu kurzfristig bekanntgegeben werden. Mittlerweile bekomme ich drei Einladungen, da
meine beiden Kinder lebenslange Mitglieder sind. Vielleicht besuche ich in den nächsten Jahren mal mit ihnen eine Mitgliederversammlung.

Sechzger.de: Hand aufs Herz: Wie schwer fällt es Dir, die Spiele der Löwen aktuell nicht besuchen zu können? Bist Du schon „auf Entzug“ oder kannst Du Deine Wochenenden auch ohne die Löwen sinnvoll gestalten?

Maximilian: Das Grünwalder Stadion fehlt mir schon sehr. Das pulsierende Viertel, die Tegernseer Landstraße mit ihren Lokalen, vor denen die Menschentrauben stehen und der Grünspitz mit  seinen Würsteln. Das alles fehlt mir sehr. Vorm Fernseher zu sitzen und die Löwen zu schauen, ist halt leider nicht das Gleiche.

Sechzger.de: Wenn demnächst wieder (teilweise) Zuschauer zugelassen werden, wird ja recht kurzfristig entschieden, wer tatsächlich ins Stadion darf. Ein planerisches Problem für Dich?

Maximilian: Nicht wirklich. Wir haben ein super Rudel, bestehend aus meinem Bruder und ein paar Freunden. Da werden wir uns absprechen, welches Spiel wir anpeilen und dann werden die Kinder zu den GroĂźeltern gebracht.

Sechzger.de: Themawechsel: Was waren denn die drei Highlights in Deiner bisherigen Fankarriere? Gibt es da Ereignisse oder Spiele, die Du hervorheben kannst und möchtest?

Maximilian: Drei Highlights sind wahrscheinlich zu wenig, weil schon ein paar Klasse-Fahrten dabei waren. Vor allem die Sonderzüge nach Berlin und Bochum waren super. Auch das Pokalspiel in Mainz 2015 ist mir in großartiger verschwommener Erinnerung geblieben mit einem überragenden Siegtor von Rubin Okotie. In jüngerer Vergangenheit waren das aber natürlich die beiden Relegationsspiele gegen Saarbrücken, bei dem mein Bruder und ich ohne Karten nach Völklingen gefahren sind und natürlich das letzte Heimspiel vor dem Lockdown, das 4:3 gegen Chemnitz mit einem Last-Minute Siegtor. Es war das erste Spiel, zu dem ich meine Tochter mitgenommen habe.

Sechzger.de: Letzte Frage: Was ist Dein Wunsch für die Löwen, sei es nun kurz-, mittel- oder langfristig?

Maximilian: Mein größter Wunsch ist, dass das Grünwalder Stadion als Spielstätte ausgebaut wird und ein für alle Mal vom DFB für den Profifußball zugelassen wird. Langfristig wünsche ich mir eine finanzielle Stabilisierung ohne Gelder von außen. Da ist es mir dann egal in welcher Liga. Von der Tradition ist die 3. Liga ja durchaus attraktiv, leider treibt diese Liga auf lange Sicht die Vereine in den Ruin.

Sechzger.de: Super, dann danke nochmal fĂĽr das Interview und bis bald in Giesing!

Maximilian: Sehr gerne und bis hoffentlich bald im vollen GrĂĽnwalder Stadion.

Das Interview fĂĽhrte Christian Jung.
Titelbild: pixabay.com

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