Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels MSV Duisburg – TSV 1860 München (2:2). Es scheiden sich die Geister in den Kommentarspalten der sozialen Medien. Gewonnener Punkt oder verlorene zwei Punkte? Es herrscht Uneinigkeit im Meinungsbild über das Spiel.

MSV Duisburg – TSV 1860, Zebras gegen Löwen, in der Natur “a gmahde Wiesn”, in der Wedau ein Fehlerfestival. So war das erste Empfinden nach dem Spiel. Mit einem Tag Abstand und aufgrund der größeren Anzahl an produzierten Fehlern – meiner Meinung nach – am Ende ein Punktgewinn für den TSV 1860 München.

Die Duisburger starteten wie erwartet mit der flachen Raute im 4-3-1-2. Dem stellten Jacobaccis Sechzger ein 4-2-3-1 entgegen. Marius Wörl durfte sich in der Rolle des Box-to-Box Spielers beweisen und bedankte sich mit einer Topleistung.
Beide Mannschaften wählten die Pressinglinien zunächst hoch, mit dem Unterschied, dass die Löwen versuchten beim Pressing Passwege zuzustellen und die Zebras auf direkte Balleroberung aus waren.

Während die Sechzger zeitweise auch die Defensivlinie sehr weit nach vorne schoben, hatten die von Thorsten Ziegner trainierten Duisburger einen etwas konservativeren Ansatz mit der Abwehrkette gewählt. Duisburg formierte sich hier am Beginn der Partie meist auf mittlerer Linie. Die Gastgeber hatten zu Beginn der Partie mit dem Plan der Löwen sichtlich Probleme, fingen sich aber schnell und fanden Lösungen, um die anfänglichen Probleme mit dem Giesinger Forechecking von Minute zu Minute besser in den Griff zu bekommen. So erlangte der MSV nach etwa einer Viertelstunde bis zur Halbzeitpause deutliche Oberhand im Spiel.

Im zweiten Durchgang gab es ein ähnliches Bild, nur konnten die Duisburger die Fehler der Löwen nun in Tore ummünzen. Beim einzigen von einem Sechzger erzielten Treffer (0:1, 61.Minute) ist nicht ein Duisburger Fehler sondern das tolle Zusammenspiel der Löwen ausschlaggebend.

Beide Teams legen im Offensivspiel das Hauptaugenmerk auf die Flügel die von beiden Teams offensiv wie defensiv gut bespielt wurden.

Vor der ausführlichen Analyse gibt es an dieser Stelle wie immer die wichtigsten statistischen Werte der Partie.

Die wichtigsten statistischen Werte des Spiels

  • Ballbesitz TSV 1860 51% – MSV Duisburg 49%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 80% – MSV Duisburg 81%
  • defensive Zweikampfquote TSV 1860 61% – MSV Duisburg 61%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 15/5 – MSV Duisburg 15/5
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 14,05 – MSV Duisburg 6,14

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Der Ballbesitz über die gesamte Spielzeit ist zwischen beiden Teams fast ausgeglichen. Beide Teams hatten Druckphasen, in denen der Gegner schwer den Fuß auf den Boden zu bekommen schien. Die Darstellung der Ballbesitzverteilung auf unserer Statistikseite sieht aus wie der Graph einer Funktion 4.Grades mit Maxima und Minima für beide Teams bei den Werten 55% und 45% auf der y-Achse.

Die 2%-Punkte, die der TSV hier vorn liegt, ergeben sich aus der druckvollen Schlussphase der Sechzger, die leider nicht mehr mit dem Siegtreffer belohnt wurde.

Passgenauigkeit

Die Löwen kratzen hier an den erstrebenswerten 80%. Der Wert ist gerundet und liegt nur 0,16% unter dieser wichtigen Grenze. Das ist vernachlässigbar und gleichzeitig ist das ein deutlicher Fortschritt. Denn das in vielen der letzten Spiele nervtötende “Hintenrumgeschiebe” gehört anscheinend nun der Vergangenheit an. Das war natürlich vornehmlich ein Verdienst der Mittelfeldspieler, die sich wieder mehr bewegten, freie Räume suchten und dort auch angespielt werden konnten.

Alle Passstatistiken, die für die Offensive ausschlaggebend sind, haben sich gegenüber dem, was in den Spielen vor der Verpflichtung des neuen Übungsleiters geboten wurde weiter verbessert. Weiter verbessert deshalb, weil ja schon gegen Köln hier eine leichte Steigerung zu verzeichnen war. Maurizio Jacobaccis Credo, dass es nur über das Kollektiv gehen kann und, dass jeder seinen läuferischen Beitrag leisten muss, um in die Erfolgsspur zu kommen, ist offensichtlich in den Köpfen der Spieler angekommen. Wenn das weiter gefestigt und verbessert werden kann, sehen wir einem erfolgreichen Frühjahr entgegen.

Vor allem die Steigerung der Passgenauigkeit bei Vorwärtspässen ist deutlich. Ja, es sind erst zwei Spiele, die unter dem neuen Coach absolviert wurden. Aber die Passgenauigkeit bei Vorwärtspässen hat sich in diesen Spielen im Schnitt um satte 9% verbessert gegenüber dem, was uns von der Mannschaft seit Ende der Winterpause geboten wurde.

Im Vergleich zum spielerischen Tiefpunkt gegen Verl, als die Löwen gerade einmal 51 Vorwärtspässe zum Mitspieler brachten, hat man am Samstag mehr Vorwärtspässe erfolgreich zum Mitspieler gebracht als gegen Verl überhaupt gespielt wurden. Deutlicher kann man die Progression nicht aufzeigen, welche die Mannschaft in dieser Kategorie gemacht hat.

Defensive Zweikampfquote

Dieser Wert ist immer ein zweischneidiges Schwert, denn eine gute Quote bedeutet nicht immer auch eine gute Defensivleistung. Diese Zahl muss man immer in Abhängigkeit vom gegnerischen Ballbesitz sehen.

Musste ich hier vergangene Woche noch harsche Kritik üben, ist bei der sogenannten Challenge Intensity ebenfalls ein großer Schritt nach vorne gelungen. Vergangene Woche führten die Sechzger einen defensiven Zweikampf pro Minute gegnerischen Ballbesitzes, was verrechnet mit der Quote ein Ballgewinn alle zwei Minuten bedeutete. Für gestern verzeichnen wir eine Steigerung von fast 100%. Im Kollektiv gesehen ist das sehr stark. Individuelle Fehler im Spiel, die dann für Tore entscheidend sind, mögen den ein oder anderen verleiten das anders zu sehen. Fakt ist, dass die Mannschaft als Ganzes auch hier besser und vor allem engagierter arbeitete als zuvor.

Den vom ehemaligen Coach noch aufs Abstellgleis verbannten Quirin Moll gebührt hier ein Sonderlob. Sein maximaler Einsatz mit durchschlagendem Erfolg im Spiel gegen den Ball sollten dem gebürtigen Dachauer weiter Auftrieb und Vertrauen in sein Können geben.

Schüsse/aufs Tor

Fünfzehn Schüsse, davon fünf so, dass sie den gegnerischen Torwart zu Aktionen zwangen. Das ergibt eine Schussgenauigkeit von 33,3%. Auch hier ist eine Steigerung zu erkennen. Allerdings mit einem großen Fragezeichen. Wer schießt denn eigentlich und wer nicht? Die Stürmer schießen offensichtlich nicht. Über die 90+4 Minuten verzeichnen wir von drei eingesetzten Stürmern neun Ballkontakte in der gegnerischen Box. Dem steht nur ein einziger Schuss gegenüber, der allerdings von Duisburg geblockt wurde.

Selbst hatten die Löwen nur einen der beiden Treffer erzielt. Für das zwischenzeitliche 2:0 musste ein Eigentor der Gastgeber sorgen.

Grundsätzlich ist die Schussbilanz also durchaus in Ordnung. Es gibt allerdings noch einiges Luft nach oben. Einerseits in Puncto dessen, wie oft man schießt und andererseits natürlich dabei Chancen für Stürmer zu kreieren. Aber eins nach dem anderen: sind wir mal zufrieden mit den bisher von Maurizio Jacobacci und der Mannschaft erreichten Verbesserungen.

PPDA

Unterschiedlicher kann das Pressingverhalten zweier Teams kaum sein. Beide Mannschaften hatten mit ihrer Herangehensweise allerdings ähnlichen Erfolg. Dass die Pressingintensität nie wirklich etwas über die Qualität desselben aussagt hatten wir ja schon öfter.

Nicht bei jedem Positionsangriff der Duisburger standen die Sechzger so hoch dagegen wie in den Anfangsminuten. Es gab Situationen, in denen sich die bei den Sechzgern fürs Pressing eingeteilten Spieler fast bis auf Höhe des Mittelkreises zurückfallen ließen und gleichzeitig die Defensivlinie derart hochschoben, dass für Duisburg kein Raum zum Spielen oder um auch nur irgendetwas mit dem Ball nach vorne anstellen zu können blieb.

Thorsten Ziegner ließ seine Zebras fast über die komplette Spielzeit aggressiv hoch anlaufen. Mitte der zweiten Halbzeit – also in der Phase, als die Tore für den TSV 1860 fielen – vernachlässigten die Meidericher dann das Pressing ein wenig und verhalfen dem TSV so zu einer dauerhaften Druckphase, die erst beendet werden konnte als der Duisburger Trainer nach dem Zwei-Tore-Rückstand drei neue Offensivspieler brachte und das System auf 4-3-3 änderte. Danach presste der MSV Duisburg noch aggressiver als in Halbzeit eins und unser TSV 1860 München kam abermals stark unter Druck.

Die Tore

Hier sind die Treffer und andere Highlights der Partie zu finden.

Nachdem es in den letzten Analysen immer um Gegentreffer ging, werde ich heute den 1:0 Führungstreffer genauer unter die Lupe nehmen.

Nach einem gefährlichen Angriff des MSV brachte Hiller den Ball schnell wieder ins Spiel und passte auf den linken Flügel zum durchstartenden Steinhart, der nach wenigen Metern mit dem Ball am Fuß ein gutes Auge für den von einem Duisburger Defensivspieler begleiteten Lakenmacher beweist. Der junge Stürmer legt mit nur einem Kontakt zum in der Mitte mit hoher Geschwindigkeit durchstartenden Vrenezi weiter, der die Kugel zehn Meter vor der Strafraumgrenze steil zum mitgelaufenen Boyamba durchsteckt. Senger, der zwar mit Boyamba mitläuft aber nicht eingreifen kann, hebt das Abseits auf, ist jedoch vom Torschützen eine Nuance zu weit entfernt, um seinen Schuss verhindern zu können.

Die Entscheidung Boyambas aufs lange Eck zu schießen war obendrein sehr weise. Denn selbst wenn Torhüter Müller diesen Schuss hätte abwehren können wäre das Tor vermutlich trotzdem gefallen, weil Vrenezi weiter mitläuft und somit wahrscheinlich dann hätte abstauben können. Ähnliches gilt übrigens für den Schuss von Lex in der 79.Minute, als sich der Kapitän allerdings leider fürs kurze Eck entschied und Müller zur Ecke klären konnte. Hier wäre Bär für den Abstauber bereit gestanden hätte Müller den Ball zur Mitte hin abwehren müssen.

Ein Sonderlob gebührt hier Fynn Lakenmacher, der Steinharts klugen und öffnenden Pass direkt und mustergültig zu Vrenezi weiterleitet und somit das Tempo in diesem Spielzug hochhält.

Das fiel auf

Die Mannschaftsdienlichkeit kehrt zurück. Laufbereitschft ist wieder vorhanden. Die Mannschaft bekommt Schritt für Schritt das Selbstvertrauen zurück und wollte auch nach dem Ausgleichstreffer der Hausherren die Partie nicht abhaken, sondern fightete bis zur letzten Szene.

Ausgerechnet in dieser letzten Szene wäre der Siegtreffer noch möglich gewesen. Unglücklicherweise entschied sich hier der eingewechselte Bär für einen Pass zum Mitspieler anstatt, dass er einfach mal abgezogen hätte. Hätte hätte Fahradkette…

Individuelle Fehler mehrerer Akteure und ein rabenschwarzer Tag von Belkahia bringen Duisburg insgesamt zu viele Chancen für die von den Zebras eigentlich gezeigte Leistung. Schwamm drüber. Auch das wird sich bessern.

Betrachtet man Belkahias gesamte Performance – und das fällt mit den Wyscout Zahlen im Rücken natürlich leichter, als wenn man sich an ein Spiel erinnert, in dem hauptsächlich negative Eindrücke herausstachen – hatte Belkahia die drittmeisten Aktionen aller Spieler des TSV 1860 im Spiel gegen den MSV Duisburg. Dabei erzielte er die höchste Erfolgsquote aller Akteure der Sechzger. 79% gelungene Aktionen stehen bei 61 Aktionen insgesamt für ihn zu Buche.

Maurizio Jacobacci sagte vor dem Spiel er ließe Bär auf der Bank, um ihn zu schützen. Nach der Halbzeitpause hätte er aus genau diesem Grund Belkahia in der Kabine lassen können. Dass der Spieler trotz grundsätzlich guter Leistung einige Aussetzer hatte und momentan nicht über die nötige Sicherheit verfügt, um in brenzligen Situationen richtige Entscheidungen zu treffen, ist leider nicht wegzudiskutieren. Ein möglicher Grund Belkahia auf dem Platz zu lassen ist seine Kopfballstärke, mit der er in einigen Standardsituationen für defensive Klarheit gesorgt hat. Ein einziges verlorenes Kopfballduell im Spiel ist durchaus ein Statement.

Fazit zum Spiel MSV Duisburg – TSV 1860

Ein Spiel auf dem man aufbauen kann. Sukzessive wird die Performance der Mannschaft besser, weil die Spieler wieder anfangen eine Mannschaft zu sein. Damit hat Maurizio Jacobacci klare Pluspunkte gesammelt.

Vor dem Spiel habe ich gesagt: “Das Ergebnis ist Nebensache” und das ist es meiner Meinung nach in unserer Situation auch weiterhin.

Wichtig ist:
a) dass man allen Akteuren anmerkt, dass sie dabei sind wieder ein Team zu werden
b) dass dieses Team auch wieder den Kampf annimmt und
c) Erfolgserlebnisse für jeden einzelnen. Seien es Tore; gelungene Offensivaktionen, die nicht im Anschluss zum Ballverlust führen oder Glanzparaden wie Hillers Großtat nach Flecksteins Kopfball in der 22. Minute.

Der TSV 1860 München kann nach dem Spiel gegen den MSV Duisburg mit Fug und Recht behaupten, dass er wieder auf dem Weg in die richtige Spur ist. Jetzt geht es darum das Positive zu konservieren und an den noch vorhandenen Baustellen weiter ähnlich erfolgreich zu arbeiten wie an den bis jetzt schon behobenen Problemen. Klappt das, stehen wir – wie weiter oben schon gesagt – vor einem erfolgreichen Frühjahr. Der Weg geht in die richtige Richtung.

Und um die Frage nach dem gewonnenen oder verlorenen Punkt vom Anfang zu beantworten: Für mich, aufgrund der klareren Chancen der Gastgeber, definitiv ein Punktgewinn für den TSV 1860. Wenn Duisburg zur Halbzeit mit zwei Toren geführt hätte, wäre das sicherlich nicht unverdient gewesen.

Datenquelle: Wyscout

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michA

erwähnt werden sollte im nachgang die ausgezeichnete leistung des schiedsrichterteams. souverän, sehr unauffällig aber alles im griff.

_Flin_

Schön, wenn sich die eigenen Beobachtungen und subjektiven Empfindungen mit den Zahlen decken.

Das Offensivspiel hat wirklich gut gefallen, da sind wir definitiv auf dem richtigen Weg. Auch wenn noch nicht so viele zwingende Chancen kreiert worden sind, ist zumindest das “ich renne mit dem Ball nach vorne und mache dann einen Hochrisiko-Pass oder schieße” deutlich weniger geworden.

Auch sonst scheint der neue Trainer der Mannschaft gut zu tun. Ab Dienstag kommen dann die Härtetests. Da wird sich die Mannschaft weiter verbessern müssen, damit wir in den letzten 2 Spielen der englischen Woche was holen.

KaiKiste1860

Danke Bernd für deine wie immer versierte Analyse. In der Spielzusammenfassung von BR24-Sport sieht man beim 1:2 die Abwehr der Sechzger, da im Spielaufbau, steht hoch in Höhe der Mittellinie, beim Rückpass auf Belkahia hatte er eigentlich die ganze Zeit der Welt den Ball zum Torwart zurück zu spielen, obwohl er von Hettwer durch frühes Pressing angelaufen wird. In der Zehntelsekunde trifft Belkahia mit dem Querpass die falsche Entscheidung, halt wohl doch ne Kopfsache. Und so auch in HZ1 beim Rückpass von Steinhart, Belkahia verlässt sich auf Hiller. Auch wenn beide Aktionen sehr unglücklich waren, aber Belkahia hatte Sechzig auch schon Punkte gerettet, wie durch Tore mit seiner Kopfballstärke. Vielleicht braucht er doch ne Pause im Spiel gegen Elversberg, die werden das Spiel auch geschaut haben…

Bernie

Wenn du Spieler auf dem Platz hast, die nach Teilerfolgen wie einer Führung zufrieden und erleichtert zurückschalten und die Spannung verlieren, bringt alles nix. Da ist keiner, der die Mannschaft selbst nach positiven Erlebnissen wach und gierig hält. Man hat sein Soll ja jetzt mit wirklich viel Anstrengung erfüllt-hoffentlich ist’s bald vorbei und die anderen werden bitte bitte nicht mehr lästig…

Trotzdem danke für gute taktische Analyse. Lässt mich das Spiel bisschen positiver einordnen. Bringt aber trotzdem leider nix…