Am 04.02. beginnen die Olympischen Winterspiele in Peking. Mit dabei: Linus Straßer vom TSV 1860, der im Slalom in den Kampf um eine Medaille eingreifen möchte. Im Interview äußert sich Ski-Löwe Straßer nicht nur zum vermeintlichen Saison-Höhepunkt, sondern auch zur Entwicklung des Skisports in Deutschland im Allgemeinen. Zudem schafft er ein weit verbreitetes Gerücht ein für allemal aus der Welt…

Linus Straßer im Interview mit sechzger.de

Sechzger.de:
Servus Linus! Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zur Qualifikation für die Olympischen Spiele. Der 3. Platz beim Slalom in Adelboden am vergangenen Sonntag hat Dir ja nun endgültig die Tür nach Peking geöffnet. Vielen Dank auch, dass Du Dir während der Saison Zeit für dieses Interview nimmst. Wo treibst Du Dich denn jetzt gerade rum?

Linus Straßer:
Vielen Dank für die Glückwünsche und für die Sechzger-Fans nehme ich mir doch immer gerne Zeit. Aktuell bin ich mit der Mannschaft beim Training im Ötztal (Österreich), wo wir uns auf den Slalom am Sonntag in Wengen vorbereiten.

Sechzger.de:
Wie ist das Leben im Skizirkus unter den gegebenen Corona-Maßnahmen?

Linus Straßer:
Wir befinden uns in einer Blase und sind als Sportler ziemlich abgeschottet. Training und Wettkampf findet recht isoliert von der Außenwelt statt.  In Hotels sind wir für uns, der Stab an Betreuern ist auf das Nötigste reduziert und bei den Wettkämpfen bewegen wir uns nur in dem vorgegebenen Sektor. Fans, Sponsoren, Medien sind da beispielsweise auf Abstand oder ganz außen vor. Die vielen Fans auf der Tribüne, wie jetzt in Adelboden, bekommen wir natürlich mit, aber ein Bad in der Menge gibt es für uns Sportler aktuell natürlich nicht.

Hoffnungen und Bedenken hinsichtlich Olympia

Sechzger.de:
DSV Alpinchef Wolfgang Maier kritisierte die vorgesehene Praxis hinsichtlich der Corona-Tests vor und während der Olympischen Spiele.

Zitat: “Die setzen CT-Werte von 40 an, und Du bist denen komplett ausgeliefert, weil Du nicht weißt, was sie testen und wie sie es testen und ob es tatsächlich Deine Tests sind. Das sind Themen, die muss man kritisch diskutieren dürfen.”

Wie siehst Du als Athlet das? Oder blendest Du das Thema für Dich komplett aus und konzentrierst Dich (so weit wie möglich) auf das Sportliche?

Linus Straßer:
Nein, ein solches Thema blenden wir Sportler natürlich nicht aus. Das können wir auch gar nicht, da es enormen Einfluss auf unseren Alltag hat. Wir testen und schützen uns wo es nur geht, dennoch können wir nicht ausschließen, dass selbst geimpfte, geboosterte oder genesene Personen wieder Corona bekommen. Und dann soll der CT-Wert das alleinige und alles entscheidende Zulassungskriterium sein. Je höher der CT-Wert, umso niedriger ist anscheinend die Virenlast und Ansteckungsgefahr. Mag sein, aber in dem Zusammenhang wird meines Erachtens die komplette Patientengeschichte nicht berücksichtigt, sondern einfach eine Entscheidung anhand des Testergebnisses getroffen.

Sechzger.de:
Welche Chancen rechnest Du Dir für die Olympischen Spiele in Peking aus?

Linus Straßer:
Ich freue mich, dass ich sportlich gut ins neue Jahr gestartet bin und mit dem dritten Platz in Adelboden zumindest die Qualifikation für die Olympischen Spiele sicher habe. Was uns in Peking erwartet, kann ich nicht abschätzen. Deswegen habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht, was Erwartungen oder Chancen betrifft.

“Ich bin sicher kein Einzelkämpfer.”

Sechzger.de:
Wieso hast Du denn den Riesenslalom aufgegeben?

Linus Straßer:
Der Slalom ist die Disziplin, die ich am längsten mache und am besten kann. Deswegen investiere ich in den Slalom auch den Großteil meiner Trainingsarbeit, um da zur Weltspitze zu gehören. Aber es stimmt nicht, dass ich Riesenslalom komplett aufgegeben habe. Mein Plan ist es, dass ich in Zukunft auch wieder mehr Riesenslalom trainiere.

Sechzger.de:
Siehst Du Dich nach den Rücktritten von Neureuther und Dopfer als Einzelkämpfer im Slalom? Oder als „großer Bruder“, der junge Leute wie Himmelsbach  oder bisher nicht so erfolgreiche wie Rauchfuss und Tremmel heranführt?

Linus Straßer:
Ich bin sicherlich kein Einzelkämpfer. Im Gegenteil, ich bin Teil des Teams und es macht Spaß, mit den jüngeren Athleten zu trainieren und ihnen von meinen Erfahrungen etwas weiterzugeben. Ich war doch auch lange Jahre in solch einer Situation und habe vom Wissen und Tipps der Älteren profitiert.

Straßer: “Wir sind auf einem guten Weg”

Sechzger.de:
Wie siehst Du die Jugendförderung des DSV im Vergleich mit Nationen wie Österreich oder der Schweiz?

Linus Straßer:
Ich denke, dass der DSV im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht, stimmige Konzepte für den Nachwuchs auf den Weg zu bringen. Das ist aber immer schwieriger und wird zu einem strukturellen und regionalen Problem. Österreich und die Schweiz sind absolute Ski-Nationen und der Sport genießt dort einen höheren Stellenwert. Auch die Lage und das Klima haben immer mehr Einfluss auf die Ausbildung. In Deutschland gibt es immer weniger Pistenkilometer und die Winter werden immer milder. Das bedeutet für die Skiclubs, einen immer größeren Aufwand zu betreiben, um vernünftig trainieren zu können.

Sechzger.de:
Aktuell sind ja beim DSV eher die Speed Fahrer erfolgreich. Was müsste getan werden, dass auch die Techniker wieder nach vorne kommen?

Linus Straßer:
Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Ich bin das beste Beispiel dafür, seinen Weg beharrlich zu gehen, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen und falls nötig, entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Meine Erfolge können helfen, dass auch die jüngeren Fahrer an sich glauben, weiter gut trainieren und sich Stück für Stück verbessern.

Höhepunkte: Siege in Stockholm und Zagreb

Sechzger.de:
Bist Du froh, dass die technischen Disziplinen im Weltcup nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher wieder wirklich spannend sind?

Linus Straßer:
So würde ich das nicht betrachten. Ich bin froh, dass ich gegen Marcel fahren durfte, denn solche Ausnahmeathleten, die eine oder gleich mehrere Disziplinen dominieren, wie beispielsweise Marcel oder auch Ingemar Stenmark und Alberto Tomba, gab es beim Skifahren immer. Und gerade diese Sportler haben einen großen Anteil daran, dass unsere Sportart die jeweils nächste Ebene erreichen konnte, was Bekanntheit, Vermarktung, Material oder aber auch sportliches Können betrifft.

Sechzger.de:
Was würdest Du denn als bisherigen Höhepunkt Deiner Karriere bezeichnen? Den Sieg in Zagreb? Das Team-Bronze bei der WM 2021? Oder doch ein anderes Rennen?

Linus Straßer:
Gerade in einer Individualsportart werden Siege am höchsten bewertet. Dafür trainieren wir jeden Tag, es geht immer darum, der Schnellste zu sein. Daher würde ich meinen Sieg beim City-Event in Stockholm von 2017 und meinen Sieg beim Weltcup-Slalom letztes Jahr in Zagreb als die bisherigen Karriere-Höhepunkte bezeichnen.

Wunsch nach Heimrennen auf dem Olympiaberg

Sechzger.de:
Würdest Du Dir mal wieder ein Heimrennen auf dem Olympiaberg in München wünschen? Oder bist Du auf der Piste ohnehin so aufs Rennen fokussiert, dass Du das Drumherum gar nicht mitbekommst?

Linus Straßer:
Ich glaube, 2013 war das letzte Rennen auf dem Olympiaberg in München. Ich war zwar nicht als Sportler dabei, aber ich kann mich noch an den damaligen Sieg von Felix erinnern. Die Stimmung war sensationell und natürlich würde ich das selber auch gerne mal als gebürtiger Münchner erleben.

Sechzger.de:
Wie ist Dein Verhältnis zum Verein bzw. zur Skiabteilung des TSV 1860?

Linus Straßer:
Während der Saison habe ich keine Zeit, mich aktiv am Vereinsleben zu beteiligen, da ich immer irgendwo in der Welt unterwegs bin. Aber durch meine Eltern bekomme ich natürlich noch sehr viel mit, was gerade im Verein und insbesondere bei den Ski-Löwen so passiert.

“Ich bin durch und durch ein Löwe.”

Sechzger.de:
Es wird ja immer wieder behauptet, dass Du nur bei den Löwen bist, weil der FC Bayern keine Skiabteilung hat. Also, Hosen runter: Blau oder Rot? Oder was ganz anderes? Oder ist Dir Fußball prinzipiell egal?

Linus Straßer:
Ja, das lese ich auch immer wieder in den Kommentaren und Blogs unter Interviews von mir. Vielleicht liegt das daran, dass meine Freundin für die Basketballer des FC Bayern arbeitet und ich keine Probleme bzw. Berührungsängste mit dem FC Bayern habe. Ich bin ein Münchner Kindl, mit der Kultur der Stadt aufgewachsen und meine Familie war immer beim TSV 1860 aktiv und engagiert. Daher bin auch ich durch und durch ein Löwe. Bei jedem Rennen, ob national oder international starte ich offiziell als DSV-Athlet für den TSV 1860. So habe ich auch im letzten Jahr nach meinem Weltcupsieg in Zagreb ein von der ganzen Profi-Mannschaft signiertes Löwen-Trikot mit meinem Namen und der Rückennummer 1 bekommen. Das hat bei mir daheim einen absoluten Ehrenplatz.

Sechzger.de:
Hast Du schon mal ein Heimspiel der Löwen im Grünwalder Stadion besucht? Wenn ja: Wie waren Deine Eindrücke? Wenn nein: Planst Du nach Ende der Weltcup-Saison mal einen Stadionbesuch?

Linus Straßer:
Natürlich habe ich schon viele Spiele der Löwen im Grünwalder Stadion besucht und die Stimmung war immer sensationell. Es gibt wenige Vereine in Deutschland, bei denen die Identifikation der Fans mit der Mannschaft so intensiv ist wie bei den Löwen. Das Motto: „Einmal Löwe, immer Löwe” hat absolut seine Berechtigung.

Sechzger.de:
Linus, vielen Dank für das Interview! Wir drücken Dir für den weiteren Weltcup und natürlich besonders für Peking die Daumen.

Linus Straßer:
Vielen Dank!

Titelbild: Linus Straßer privat

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andreas de Biasio

viel sportlichen Erfolg! ein sehr sympatisches Interview, Respekt!