Über das – allerdings zugegebenermaßen wenig spektakuläre – Geschehen auf dem grünen Rasen beim Auswärtsspiel der Löwen in Halle am vergangenen Freitag wurde nach der Partie und am Wochenende weit weniger diskutiert, als über die Ereignisse im Gästeblock. Wieder einmal waren unglaubliche – mindestens – 1.000 Löwenfans ihrem sie derzeit konstant enttäuschenden Team hinterhergefahren und hatten akkustisch die Partie klar für sich entschieden. 90 Minuten lang lauter Dauersupport aus der Gästekurve im Chemie-Leuna-Stadion! Auch das einheimische Publikum war durchaus beeindruckt vom Auftritt von Münchens großer Liebe – zumindest auf den Rängen.

Konflikt zwischen Fans und Anthony Power

Neben der Unterstützung für die Mannschaft in weiß und blau stand der Gästeblock diesmal ganz im Zeichen des Protests gegen Anthony Power. Die organisierte Fanszene und der Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH liegen schon eine Weile im verbalen Clinch. Während die Fans mit einem großen Banner (“POWER MUSS WEG”) und konkrete situative Kritik äußernden Spruchbändern agieren, nutzt Power seinen Instagram-Kanal, um jeweils zurück zu schlagen (Über die Wirkung auf die Außendarstellung des TSV 1860 durch die besagten Instagram-Posts hatten wir vor rund zwei Wochen schon einmal hingewiesen). In Halle sollte nun die ganze Kurve ihren Protest gegen Power zum Ausdruck bringen.

Schon im Vorfeld wurde von der organisierten Fanszene informell der Wunsch geäußert, Fanclubs und Gruppen sollten diesmal auf ein Aufhängen ihrer Zaunfahnen verzichten, um der Forderung “Power muss weg” die entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen. Jene Fans, die diesen Wunsch vorab nicht mitbekommen hatten und ihr Material noch vor Eintreffen der aktiven Szene bereits aufgehängt hatten, wurden vor Ort freundlich gebeten, sich doch dem Protest anzuschließen. Und siehe da: Um 18.60 Uhr, als das Spiel angepfiffen wurde, hing im Gästeblock keine entsprechenden Banner mehr. Außerdem waren diesmal nur Schwenkfahnen mit den durchgestrichenen Konterfeis von Hasan Ismaik und Anthony Power im Einsatz – kein anderes Material. Der Gästeblock hatte eine klare Botschaft, die auch akustisch untermauert wurde.

Protest gegen Power – diktatorisch durchgesetzt?

In einem Löwenblog, dessen Betreiber – nach Kenntnis von sechzger.de – schon seit Jahren kein Spiel des TSV 1860 mehr aus dem Gästeblock verfolgt hat, konnte man in der Folge in mehreren (redaktionellen) Beiträgen davon lesen, dass in Halle “unbeteiligte Fanclubs ihre Fahnen nicht aufhängen durften”. Im Kommentarbereich wurde dann – wie üblich – auch schnell reflexartig auf die “bösen Ultras” geschimpft, die hier ja schon lange eine Dikatur errichtet hätten und den vielen “normalen” Löwenfans ihre Entfaltungsmöglichkeiten in der Kurve raubten.

Wie es wirklich war

Und wie war es wirklich in Halle? Der Verfasser dieser Zeilen stand selbst in Gästeblock und wurde Zeuge von zwei Gesprächen, in denen Vertreter der Fanszene den Besitzern von hängenden Fanclubfahnen ruhig und freundlich erklärten, was der Plan für das heutige Kurvenbild sei und sie baten, ihre Fahnen dieses eine Mal wieder abzuhängen. Gesagt – getan. Ohne großes Aufhebens. Konflikte rund um dieses Thema, eine eklatant abweichende Meinung zahlreicher Anwesender im Block 11 waren weder zu beobachten, noch irgendwie zu spüren. Im Gegenteil: Speziell die Sprechchöre gegen Anthony Power vor und nach dem Spiel waren laut und die Mitmachquote ähnlich hoch, wie beim obligatorischen “Auf geht’s Löwen, kämpfen und siegen.”

Fankultur anno 2023

Dass Fankurven im Jahr 2023 davon leben, das organisierte Fanszenen sich für die Stimmung verantwortlich fühlen und dieser Verantwortung auch gerecht werden, mag den – vielleicht etwas älteren – Nostalgiker, der aus einer Zeit kommt, in der Fußballsupport sich quasi von selbst, meist in Abhängigkeit des Geschehens auf dem Spielfeld entwickelte, irritieren oder sogar stören. Auf der anderen Seite erfreut sich gerade der Löwenfan doch sehr an der Tatsache, dass 1860 wenigstens in einer Kategorie immer noch zur Spitze hierzulande gehört: Nämlich mit seiner leidenschaftlichen Fankurve. Die immer wiederkehrende Unterstellung – wie jetzt beim Spiel in Halle – die Ultras würden eine Art Diktatur errichten und keine anderen Positionen dulden, ist bösartig und wird den Tatsachen in den Fankurven nicht gerecht. Es ist dringend nötig immer wieder darauf hinzuweisen!

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lustiger_hans

Naja, auch die Unorganisierten und die Fanclubs sehen ja prinzipiell, was los ist. Beim letzten Heimspiel kamen sowohl Scheichlied also auch “Power muss weg”-Rufe gefühlt aus allen Ecken, die Ultras sind nur drauf eingestiegen. Da gibt es schon einen breiten Konsens….

Kraiburger

Hat ja wirklich lange gedauert, bis die Trolle aus einem grundsätzlich positiven Artikel eine negative Pyrodiskussion gemacht haben!

Danke!

Tommy

Da stimme ich Dir zu, wobei das Thema Pyro im Sechzger-talk schon auch angesprochen wurde. Hier gibt es meines Erachtens nur eine Lösung, Pyro muss erlaubt und reglementiert werden. Anmeldung und kontrolliertes Abbrennen in dafür vorgesehenen Bereichen, und Pyro muss im Block bleiben (was in Halle nicht der Fall war).

Zum Artikel selbst, ich finde es gut dass das Thema Ultras angesprochen wird. Ich würde mich zu den Nostalgikern zählen, die meiner Meinung nach mit den Ultras aber etwas ganz wesentliches gemeinsam haben: Man ist gegen den modernen Fußball, man möchte keine Veränderungen. Nun ist es aber nunmal so dass sich die Uhren weiter drehen und die Kommerzialisierung lässt sich nicht aufhalten, ob wir es wollen oder nicht. Es ist ja ehrenwert dagegen anzukämpfen, aber durchgestrichene Konterfeis beispielsweise sind erstens respektlos und zweitens ist es nicht zielführend sondern kontraproduktiv. Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass die andere Seite auch keinen Respekt hat, und so geht es dann immer weiter. Mich persönlich langweilt das Ganze mittlerweile, ich gehe zum Spiel um meine Löwen zu sehen und zu unterstützen, nicht um “politische” Statements los zu werden. Und ich möchte mich dafür auch nicht vereinnahmen lassen.

Kraiburger

Servus,

da bin ich nicht weit von dir weg. Würde aber ergänzen, dass die Ismaik-Fahne nun lange nicht geschwenkt wurde und sie wohl lediglich aufgrund der Aktualität deutlicher präsentiert, sowie von einer Power-Fahne garniert wurde. Diese Präsentation ist ja kein Tagesgeschäft, sondern meiner Meinung nach klarer Ausdruck gegen die HAM-Erpressungsversuche. Das sollte sich wohl zum kommenden Spiel wieder erledigt haben!

Badsche

Gerne!
Auf wiederkehrendes Fehlverhalten, dass 60 schadet, muss genauso hingewiesen werden.

Klingone

Hör mal das Giesinger Bergfest, vielleicht geht Dir dann mal ein Licht auf. Beim Autor dieses Artikels, habe ich da aber noch mehr Zweifel als bei Dir!

brainwashed

Ich erinnere, Ian Ayre ist davon gelaufen, weil er in solchen Strukturen nicht arbeiten kann.

Ein Beispiel für einen der richtig fuhr auf der Autobahn, damals wie heute umgeben von lauter Geisterfahrern.

20 Jahre mit links ,-)

Wir schaffern das.

Steffen Lobmeier

Ian Ayre überhaupt zu erwähnen, macht wenig Sinn. Der war ja schneller weg als er da war und hat keinerlei Eindruck hinterlassen. Beim ersten Gegenwind hat er die Segel gestrichen und sich den Problemen nicht gestellt.

Kraiburger

Richtig ist, dass er gesagt hat dass er bei solchen Strukturen nicht arbeiten kann. Er sagte das ohne die Schuldzuweisung, die der BRainwash oben unterschwellig suggeriert.

Dass man in den gegebenen Strukturen als Geschäftsführer wenig Einflussbereich hat, haben die letzten Wochen ja eindrücklich gezeigt. Ian Ayre wurde damit nachträglich bestätigt.

andreas de Biasio

es tut mir ja wirklich leid, aber aus meiner Sicht ist das ein absoluter Schwachsinn zu glauben, dass man Hasan Ismaik oder HAM in irgendeiner Form finanziell schaden kann. der einzige dem geschadet wird ist unser tsv 1860 München und zwar im erheblichen Maße. das werden jetzt wieder einige nicht gerne lesen. das weiss ich.

Kraiburger

Ich würds nicht so sehen.

Jetzt mal ohne Gewähr für die Zahlen, ohne genau ins Detail zu gehen und ohne diese Berechnung gutheißen zu wollen:

Man nehme an (wie von Griss-Seite kolpotiert): Sechzig erwirtschaftet weniger als man ausgibt. Sprich: Trotz den TV-Geldern, Spielertransfers, Zuschauereinnahmen, Sponsorengeldern und Zuschüssen fehlen am Ende der Saison 10 Mark.

Zahlungsfähigkeit, Fortführungsprognose, Cash-Flow mal aussen vor gelassen: Man nehme an (wie von Griss-Seite kolpotiert): Ismaik ist so ein großzügiger Gönner und Freund, er schaut sich an wieviel Geld am Ende der Saison fehlt und ist so nett: er zahlt die 10 Mark.

Sechzig hat damit einen “ausgeglichenen Haushalt” und der Gönner die Sicherheit, dass sein Investement nicht Insolvenz anmeldet und er es verliert. Das macht er paar Jahre: Immer wieder schaut er an, wieviel Mark am Ende des Jahres fehlen und die gleicht er aus. Immer vorsichtig darauf bedacht, dass er gerade soviel Einfluß wie möglich walten lässt, um die Differenz so gering wie möglich zu halten. zB indem er den billigsten Trainer nimmt und nicht einen, der seine Qualifikationen schon unter Beweis gestellt hat. (Das wäre eine Möglichkeit, dich ich als Investor z.B. ausschöpfen würde). Für Sechzig aber ist es zum Leben zu wenig, und zum Sterben zu viel. Mei: Man würde gerne mehr machen, kriegt aber nicht viele Möglichkeiten. Für alle Chancen noch mehr Geld einzunehmen, wie (sang ma mal … ) Kapitalerhöhung, zusätzliche Partner, Stadionverhandlungen mit der Stadt, Fanartikelverkäufe etc. bräuchte man wieder die Zustimmung vom “Investor”.

Mei, nehm ma mal an, des is so.

Dann wärs schon sauber blöd, wenn plötzlich die Ultras auftauchen und ordentlich Geldstrafe fabrizieren. Sodass am Ende des Tages nicht mehr 10 Mark fehlen die der “Investor” ausgleichen muss, sondern 10 Mark plus die Geldstrafe für Pyro. Und der Investor merkt, dass er das nicht beeinflussen kann.

Dass da der Verein einen Schaden nimmt? Sehe ich nicht so. Das Schlimmste, was passieren würde wäre, dass der “Investor” die 10 Mark nicht mehr zahlt, Sechzig eine Insolvenz hinlegt und schön nach dem gelebten “Türk-Gücü-Modell” eine Liga ohne KgaA und Hasan eine Liga drunter weiter spielt. Einen Schaden für den Verein erkenne ich da nicht!

Ist aber alles hypothetisch, da auf den kolpotierten Zahlen der Grisse-Seite aufgebaut 😉

Last edited 1 Jahr zuvor by Kraiburger
andreas de Biasio

der Einsatz von Pyro war wieder einmal viel zu viel finde ich.

United Sixties

Alles zu seiner Zeit. Wir sangen früher halt ständig „57, 58, 59:..60 „oder „Einmal Löwe, Immer Löwe hey hey „ Das die organisierte Fanscene mit ihren Choreos und Spruchbändern oder Banner vereinspolitisch auch mal wichtige Statements setzt ist gut, demokratisch und wichtig. Freie Meinungsäußerung gepaart mit Support für das Team, wenn es den verdient hat. Über Auslassungen beim Hetzerblogger oder krasse gegenteilige Meinungen kann man hinwegsehen oder muss man dazu aushalten. Wichtig ist und bleibt: WIR SIND DER VEREIN und lassen uns diesen weder von Mitgesellschaftern oder deren Statthalter kaputt machen. Es reicht allerdings, wenn sie unseren Klub immer wieder auch öffentlich blamieren. Dann darf das Präsidium als unsere gewählten Vertreter auch Stellung beziehen und Kante zeigen. Denn..die nächsten Wahlen kommen bestimmt!

Badsche

Alles schön und gut. Nur warum muss man dem Club, den man liebt, mit Pyro absichtlich schaden?

Last edited 1 Jahr zuvor by Badsche
Core

In unserem Fall schadet man nur Ismaik. Am Ende der Saison wird sein Darlehen höher.. 🤷🏻‍♂️

Posicelli

Blödsinn, es geht auch um die öffentliche Wahrnehmung.
Und die kommt bei der Mehrheit der Zuschauer nicht gut an, aber das ist den Pyromanen vollkommen egal.

Tommy

Bin nicht gegen Pyro, aber diese Argumentation ist doch Quatsch. Als ob den die paar Kröten jucken. Im worst case führt es zum Spielabbruch und dann hat man der Mannschaft/Verein einen Bärendienst erwiesen.

Bruck Löwe

Da müsste schon deutlich mehr passieren bis ein Spielabbruch kommt.Kann mich an ein Ama-Derby erinnnern,als sogar aufVitus Eicher(oder wars Hiller) Böller und mindestens eine Rakete aus der West flogen.Das war damals ein “Auswärtsspiel” für uns.Da wurde auch nicht abgebrochen.

Find allerdings sowas geht eindeutig zuweit