Unsere Eindrücke der Spielbesuche bei Rayo Vallecano und Real Madrid konntet Ihr schon im ersten Teil des Reiseberichts lesen. Lustigerweise sollten wir im weiteren Verlauf unserer Reise Auswärtspartien beider Mannschaften sehen, die wir am ersten Wochenende zu Hause sahen. Konkret sahen wir Real Madrid beim FC Getafe und Rayo Vallecano bei Atletico Madrid.

Die Weltstars im Vorort

Ich war noch nie in Getafe, einem Vorort im Süden von Madrid. Wie wir anlässlich unseres Spielbesuchs feststellen durften, hatte ich damit auch nicht viel verpasst. Getafe ist ein reiner Wohnort mit zahlreichen für Spanien sehr untypischen Reihenhäusern. Architektonisch fühlte ich mich an eine englische Suburb erinnert. Bei unserem viertelstündigen Spaziergang von der S-Bahn Station zum Stadion war vom Besuch von Real Madrid wenig bis gar nicht zu merken. Kaum Fußballfans in der S-Bahn, keine Menschenmassen auf den Gehwegen, keine der typischen Verkaufsstände auf dem Weg zum Stadion.

Erstaunlich wenig los vor dem Stadion für ein Spiel von Real Madrid

Dass hier der Rekordsieger der Champions League mit seinem Milliardenensemble antreten würde, war wirklich erst auf dem Vorplatz des Stadions zu spüren. Das Stadion in Getafe ist ein moderner Zweckbau (an drei Seiten unüberdacht), der sich für den Besucher als recht angenehm darstellt. Er ist überall ausreichend Platz, die Zugänge sind überdurchschnittlich breit und das Personal sehr zuvorkommend und freundlich. Ausnahme ist ein Ordner, der uns einen Rundgang durch dass Stadion verbieten und uns bei freundlicher Nachfrage nach dem Warum des Stadions verweisen will.

Das Coliseum von Getafe ist ein kleines, recht angenehmes Stadion

“Kindervorstellung” von Real Madrid

Wir haben Tickets direkt hinter dem Tor bekommen und der Gästesektor für die Madridistas ist gleich rechts neben uns.

Unsere Perspektive auf das Spiel

Das Publikum am heutigen Abend erinnert sehr stark an eine Kindervorstellung im Circus Krone. Es sind haufenweise Familien mit Kindern im Grundschulalter im Stadion, die das Starensemble von Real Madrid mal hautnah sehen wollen. Offenbar ist es einfacher, Tickets für Real Madrid in Getafe zu bekommen als im Bernabeu (ging mir selbst auch so). Als die Königlichen zum Aufwärmen aufs Feld kommen, erhallen tausende glockenhelle Kinderstimmen, so dass einige Fledermäuse, die im weiten Rund ihre Nester zu haben scheinen, nervös die Flucht ergreifen. Natürlich dürfen auch Dutzende von Pappschildern nicht fehlen, auf denen die Kinder die Weltstars zur Abgabe ihrer Trikots auffordern.

Dutzende Kinder mit Pappschildern

Das Publikum ist bis auf den wirklichen Heimsektor von Getafe bunt gemischt zwischen Madridistas und Fans des einheimischen FC Getafe, die ihr Team ungeahnt lautstark unterstützen.

Die Ultras FC Getafe stehen direkt hinter dem Tor

Ausgeglichenes Spiel

Beim Einlauf der Mannschaften wird über die LED-Flutlichtmasten eine große Lightshow veranstaltet, die ich in der Form noch nie gesehen hatte. Einzelne Leuchten gehen dabei an und aus, sodass eine Art Disco-Feeling entsteht.

Die Lightshow zum Einlauf der Mannschaften

Im krassen Gegensatz dazu steht dann eine direkt darauf folgende Schweigeminute für den verstorbenen Papst, die nach ca. 20 Sekunden durch einen nervös-lauten Pfiff des Schiris jäh abgebrochen wird.

Schweigeminute für den verstorbenen Papst

Real Madrid ging mit einer B-Elf relativ lustlos zu Werke und konnte bei so manch heikler Situation durch die individuelle Klasse seiner Spieler die Oberhand behalten. So sorgte Arda Güler in der 21. Minute durch eine feine Einzelaktion für den einzigen Treffer des Abends. In der Schlussphase war Getafe zwei Mal ganz nah dran am Ausgleich, aber Thibaut Courtois zeigte seine ganze Klasse und sicherte den Königlichen die drei Punkte. Getafe hat einen kleinen Kern an Ultras, die das ganze Spiel über Stimmung machten. Da Madrid ziemlich nachlässig spielte, griff der Support mehrfach kurz auch auf das ganze Stadion über, wenn Getafe gute Offensivszenen hatte.

Aus dem Auswärtsblock von Real Madrid kam quasi nichts. Es scheint dort nicht mal irgendeine Art von Auswärtsszene zu geben, die eine S-Bahn Fahrt von 30 Minuten für ein Auswärtsspiel auf sich nimmt. Am lautesten wurde es, als sich die namhaften Ersatzspieler (darunter Modric, Bellingham, Camavinga und Rodrygo) zum Aufwärmen begaben und glockenheller, ekstatischer Jubel tausender Kinderstimmen zu vernehmen war. Direkt nach dem Abpfiff musste wir zur S-Bahn sprinten, da es durch den Anpfiff um 21:30h noch genau eine S-Bahn zurück nach Madrid gab. Ich hatte mit vollen Gehwegen gerechnet, aber die waren noch leerer als beim Hinweg. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir noch schauen können, ob das ein oder andere Kind durch ein Trikot glücklich gemacht wurde.

Erster Besuch im neuen Stadion von Atletico Madrid

Zum Abschluss unserer Reise stand der heiß ersehnte Besuch von Atletico Madrid an. Als ich 97/98 in Madrid studierte, war Atletico mein absoluter Lieblingsclub. Die Stimmung im einzigartigen Stadion Vicente Calderon (unter dessen Tribüne sogar eine Autobahn durchführte) war damals bahnbrechend. Seit 2017 ist Atletico nun im Stadion Metropolitano ganz im Osten Madrids beheimatet, das aktuell noch den Beinamen “Riyadh Air” trägt. Das Stadion ist ziemlich auf der in Madrid nicht ganz so grünen Wiese gebaut, aber mit einer U-Bahn perfekt zu erreichen, obwohl es etwas außerhalb liegt. Das 70.000-Mann-Stadion ist von Außen nicht grad ein architektonisches Meisterwerk.

Von Außen eher schmucklos: Das Estadio Riyadh Air Metropolitano

Im Gegensatz zum Vortag in Getafe brummt es rund um das Stadion trotz den Spiels unter der Woche. Beim Neubau wurde wohl extra drauf geachtet, eine Art zentralen Weg vor dem Stadion anzulegen, an dem einerseits die Stände der fliegenden Händler Platz finden und andererseits offizielle Bars und Fanshops von Atletico liegen.

Die aufgebauten Stände vor dem Stadion zur linken
Die offiziellen Shops und Bars zur rechten

Wir haben die zweitbilligsten Karten und sitzen hoch oben Höhe Strafraum, aber der Blick ist wirklich gut.

Endlich guter Support

Im Calderon gab es zwei Atletico Fankurven. Die der eher rechtsgerichteten Frente Atletico (die mittlerweile verboten ist) und den Fondo Sur, auf dem die restlichen Supporter Stimmung machten. Im Metropolitano gibt es nur noch einen Fansektor, der kurz vor dem Spiel relativ voll besetzt ist und ähnlich wie bei uns das ganze Spiel über Stimmung macht.

Der Fanblock der Atletico Fans direkt hinter dem Tor

Früher im Calderon griff die Stimmung der beiden Fanblöcken quasi bei jeder halbwegs vielsprechenden Spielszene auf das ganze Stadion über und nicht selten war das ganze Calderon über Minuten gestanden und trieb sein Team emotional nach vorne. Die Heißblütigkeit ist tatsächlich heute ziemlich verloren gegangen, aber wir erleben das einzige Spiel unserer Reise, bei dem konstant supportet wird und die restlichen Zuschauer das ein oder andere Mal komplett mitgehen. Das erste Mal an diesem Abend sogar gleich nach dem ersten Spielzug. Denn mit dem ersten Angriff stellt Sörloth auf 1:0.

Torjubel nach dem frühen 1:0 für Atletico

Atletico komplett überlegen

Rayo hat nur ein paar hundert Fans dabei, obwohl die Fans aus Vallecas das Stadion auch bequem mit der U-Bahn erreichen hätten können. Die Rayo Fans, die mäßigen Auswärtssupport liefern, müssen mit ansehen, wie Atletico ihr Team dominiert und sie selbst kaum einen strukturierten Angriff auf den Rasen bekommen.

Der Auswärtsblock mit erstaunlich wenigen Rayo-Fans

Allerdings vergisst Atletico die Überlegenheit in Tore umzumünzen und so dauerte es bis zur 45. Minute, in der Gallagher auf 2:0 für die Gastgeber stellte. Kurz nach der Pause rettete Oblak gegen Rayos Isi. Danach plätscherte das Spiel so vor sich hin, bis in der 60. Minute Griezmann eingewechselt wurde. Darüber freute ich mich sehr, weil er einer meiner Lieblingsspieler ist. Und er brachte tatsächlich frischen Wind in die Partie. Auch das Stadion reagierte spürbar auf seine Einwechslung, er scheint einer der Publikumslieblinge der Rojiblancos zu sein. In der 77. setzte er mit einem gefühlvollen Pass in die Tiefe Alvarez ein, der zum 3:0 vollstreckte. Danach war die Messe endgültig gelesen. Atletico gewann das Spiel ohne weitere nennenswerte Aktionen 3:0.

Kein gemeinsamer Jubel von Mannschaft und Fans

Nach dem Spiel rechneten wir noch mit einer Ehrenrunde oder irgendeiner Form von Kommunikation zwischen Spielern und Fans, aber (wie bei anderen Spielen auch) verzog sich die Mannschaft unter kurzen Winken direkt in die Kabine. Fazit: Die beste Stimmung der Reise gab’s bei Atletico, aber gegenüber der Athmoshäre im Calderon ist schon Einiges verloren gegangen. Trotzdem ein wahnsinnig schöner Abend, in dem ich endlich mit meinem Sohn gemeinsam ein Spieler meiner zweiten großen Liebe Atletico Madrid im Stadion anschauen durfte.

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