Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Remis unseres TSV 1860 München im Vorort bei der SpVgg Unterhaching. “Am Ende eine gerechte Punkteteilung”, resümierte Coach Giannikis.
Mit 2:2 endete das Spiel SpVgg Unterhaching – TSV 1860 München am Sonntagabend. Beide Trainer wirkten am Ende nicht unzufrieden mit dem Ergebnis. Doch war für unsere Sechzger speziell in der zweiten Spielhälfte eindeutig mehr drin. Aber der Reihe nach.
Die Hachinger begannen wie erwartet im 4-4-2 mit Doppelsechs, verschoben nach vorn über eine Rautenformation mit beiden Mittelfeldaußen und dem Box to Box Spieler, sodass eine breite Kette in der Offensive in vorderster Front der Gastgeber zu finden war, die situativ bis zu fünf Spieler umfasste .
Unerwartet war jedoch die Herangehensweise im Pressing. Die Hachinger, die in den Spielen bisher diesbezüglich eher Understatement betrieben, drückten gegen den Ball derart auf den Aufbau der Sechzger, dass diese sichtlich überrascht wirkten. Mit diesem taktischen Kniff der Hachinger Coaches kauften die Gastgeber den Löwen schnell den Schneid ab und konnten das Spiel über weite Strecken der ersten Hälfte auch gestalterisch dominieren, was ebenfalls unerwartet war.
Das 0:1 der Löwen, die von Trainer Argirios Giannikis im 4-2-3-1 mit Patrick Hobsch als einziger Sturmspitze und Tunay Deniz mit dem offensiveren Part auf der Doppelsechs Rolle des zurückgezogenen Spielmachers aufs Feld geschickt wurden, aus dem Nichts, stellte den Spielverlauf bis dahin auf den Kopf.
Von der Spielanlage bot auch die zweite Halbzeit kein großartig anderes Bild, dennoch waren die Sechzger deutlich besser im Spiel als noch im ersten Durchgang, und machten vor allem die Schlussviertelstunde zu einem Offensivfeuerwerk, das leider nicht mit dem – meiner Meinung nach – verdienten Siegtreffer gekrönt werden konnte.
Sei’s drum. Bevor wir tiefer in die Analyse einsteigen, wie gewohnt die statistischen Werte des Spiels SpVgg Unterhaching – TSV 1860 München.
Statistische Werte SpVgg Unterhaching – TSV 1860
- Ballbesitz: SpVgg 53 % – TSV 47%
- Passgenauigkeit: SpVgg 72% – TSV 75%
- Defensive Zweikampfquote: SpVgg 64% – TSV 61%
- Schüsse/aufs Tor: SpVgg 14/3 – TSV 8/4
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): SpVgg 6,67 – TSV 18,5
Analyse der statistischen Werte
Ballbesitz (53%:47%)
Mit mehr Ballbesitz, aber nahezu komplett ideenlos und vor allem im Umschaltspiel sehr indisponiert agierend, waren die Löwen in dieser Kategorie in der ersten Halbzeit zwar insgesamt was diese Kategorie betrifft leicht dominant und wurden auch mit einem Treffer belohnt. Besser gespielt hat allerdings der Gastgeber.
Die SpVgg Unterhaching hat den träge agierenden TSV 1860 während dessen eigenem Aufbau derart unter Druck gesetzt, dass die Sechzger immer wieder laufende Angriffe noch vor der Mittellinie abbrachen, um einen Neuaufbau zu wagen. Die Hachinger zogen die Räume für die Sechzger so eng, dass diese nur selten ein Mittel fanden, nachhaltig in die gegnerische Hälfte einzudringen oder sich sogar dort festzusetzen.
Ganz anders die Hausherren: Drang Unterhaching in die Spielhälfte der Löwen ein, war fast immer zumindest periphere Gefahr vorhanden. Aus sechzehn Angriffen, die Haching in der ersten Hälfte bis ins letzte Drittel der Löwen durchbrachte, resultierten insgesamt neun Schüsse, davon vier nach Standardsituationen. Dazu später mehr.
Kurz zusammengefasst nutzte Haching den geringeren Ballbesitz in der ersten Hälfte für attraktiven, temporeichen aber ineffektiven Kombinationsfußball. Vor allem nach schnell gespielten Umschaltmomenten aus der eigenen Hälfte heraus gelang den Hausherren in der ersten Hälfte viel.
In der zweiten Spielhälfte war der insgesamt größere Ballbesitzanteil bei den Gastgebern. Abgesehen von der Pressingintensität drehen sich auch alle anderen statistischen Größen (zu denen wir später noch kommen) zu Gunsten der Löwen.
Dennoch gewinnt Haching diese zweite Halbzeit im Endeffekt ähnlich glücklich wie der TSV 1860 München die erste. Das Resultat beider Halbzeiten war das das von vielen als gerecht betrachtete Unentschieden.
Insgesamt wirkten die Hachinger über weite Strecken einfach konzentrierter und motivierter, was bestimmt auch zur Leistung beigetragen hat.
Passgenauigkeit (72%:75%)
Die Phrase “Rück- und Querpassfestival” seitens der Löwen hab ich auf der Heimfahrt aus dem Münchener Vorort in einer gut gefüllten S-Bahn des Öfteren gehört und auch ich hatte oft den Eindruck, dass der TSV 1860 im Spiel gegen die SpVgg Unterhaching in vielen Situationen lieber nach hinten als nach vorne gespielt hatte.
Ein Rück- und Querpassfestival hat im Allgemeinen eine hohe Quote bei der Passgenauigkeit. Das kann man nun bei beiden Teams nicht behaupten. Während die Löwen sich mit rund 75% noch gerade so eine durchschnittliche Passgenauigkeit erspielt haben, muss man bei den 72% Genauigkeit der Hachinger schon von unterdurchschnittlich sprechen.
Das Problem im Spiel gegen die Mannschaft aus dem Vorort waren nicht zu viele Rück- und Querpässe innerhalb der eigenen Defensivabteilung. Diese waren mengenmäßig auf einem – den Ballbesitz berücksichtigend – sogar leicht unterdurchschnittlichen Niveau im Liga internen Vergleich.
Kein Umschaltspiel
Die Rückpässe nach Ballgewinnen im Mittelfeld waren das Problem. Diese immer wieder spielen zu müssen, weil der ballführende Spieler entweder keine Anspielstation findet oder den Pass dorthin für zu riskant hält, haben den Sechzgern immer wieder die Möglichkeit genommen, selbst Dynamik zu erzeugen. Dass Haching sich eng und gut gegen den Ball sortiert, war zuvor klar. Im Positionsspiel durfte man von den Löwen von vorn herein nur wenig Attraktivität erwarten. Kein Spiel mit Hachinger Beteiligung, das ich diese Saison gesehen habe, kann aus objektivem Blickwinkel als extrem attraktiv oder unbedingt sehenswert bezeichnet werden.
Nun muss dann allerdings die Frage erlaubt sein: Warum funktionierte das Umschaltspiel nach Ballgewinn nicht?
Den ersten Blick immer nach vorn. Wer selbst Fußball gespielt hat, kennt diesen Spruch so oder in ähnlicher Form. Dass ein Profi den auch kennt und wenn möglich auch danach handelt, davon sollten wir ausgehen.
Was also schlussfolgern wir: Der ballerobernde Spieler findet a) oft keine unmittelbare Anspielstation, um dann b) gegen im Gegenpressing immer sofort giftige Hachinger dem Zwang zu unterliegen, nach hinten spielen zu müssen, um wenigstens den Ballbesitz zu behaupten.
Spielgeschwindigkeit
Gänzlich anders hier die Gastgeber: Mit deutlich weniger Präzision im Spiel nach vorne, aber mit bisher nicht gezeigtem Tempo und mit viel Mut zum Risiko, den Ball auch wieder zu verlieren, war das Spiel der Mannschaft aus dem Vorort auch durch die deshalb nötige Aggressivität beim Kampf um zweite Bälle höchst dynamisch. Der auf der Passfrequenz der Teams beruhende statistische Wert der jeweiligen Spielgeschwindigkeit ist für die erste Halbzeit bei Haching um 22% besser als bei unseren Sechzgern.
In der zweiten Spielabschnitt kehrt sich das dann ebenfalls komplett um. Die Sechzger legen hier zwar lediglich etwas über zehn Prozent zu, was aber durchaus eine deutliche Steigerung – sogar über den Saisondurchschnittswert in dieser statistischen Kategorie hinaus – darstellt. Haching baute, was das Matchtempo belangt (gespielte Pässe pro Minute eigenem Ballbesitzes) jedoch noch deutlicher ab. Um 37% fiel das Machtempo der Hachinger, somit spielten die Sechzger nun mit um 44% mehr Tempo als die SpVgg.
Diese Werte sind jeweils über die gesamte Halbzeit zu betrachten. Gemessen werden dabei nur Passkombinationen, die über mehr als drei Stationen laufen. Vor allem Rück- und Querpässe innerhalb der eigenen Defensivabteilung können hier einen großen Anteil haben, wenn das Matchtempo ins Bodenlose sinkt. Aber auch wenn eine Mannschaft es häufiger nicht zusammenbringt, drei Pässe in Folge ohne Fehler zu spielen, wirkt sich das negativ auf diesen statistischen Wert aus.
Defensive Zweikampfquote (64%:61%)
Für beide Teams sieht die Quote auf den ersten Blick in Ordnung aus. Wobei ich nichts dagegen hätte, wenn unsere Sechzger hier noch etwas effizienter werden würden. Mit 61% bewegen sich die Löwen ziemlich genau auf dem eigenen bisherigen Saisondurchschnittswert.
Quote ist allerdings nicht alles. Die Zweikampffrequenz der Löwen ist leider unterirdisch. Die Gesamtspielzeit betrug 101 Minuten. Davon war die Kugel 48 Minuten lang in Besitz der Sechzger und folglich 53 Minuten hatte Haching die Kugel. Pro Minute gegnerischen Ballbesitzes führten die Gastgeber 1,39 Zweikämpfe gegen den Ball am Boden, die Sechzger kamen hier nur auf einen Wert von 0,71. Das ist zu wenig aus Löwensicht. Die Spielvereinigung erreicht einen guten Durchschnittswert. Die Quote beider Teams wäre allerdings leicht besser, wenn die längeren Unterbrechungen aus der Gesamtspielzeit heraus gerechnet werden könnten.
Das ändert nichts an der Sache, dass der Abstand gleich bleibt und Sechzig hier viel zu harmlos war. Man muss keine Kloppertruppe werden, aber mehr Aggressivität bedeutet nicht unbedingt mehr Härte, sondern mehr defensives Engagement. Falls jemand einwenden möchte, dass ich die abgefangenen Pässe und gewonnen Kopfballduelle diesmal nicht berücksichtigt hätte – das habe ich. Diese Werte fallen jedoch in Summe nicht positiv ins Gewicht. Ein leichtes Plus von vier Prozent bei gewonnenen Luftduellen erhöht die Frequenz nicht und drückt auch die Balleroberungsquote nicht signifikant nach oben. Ebenso wenig wie die Anzahl der abgefangenen Pässe für die Sechzger. Denn auch hier hat Haching ein um 13% besseres Ergebnis aufzuwarten als unsere Löwen.
Schüsse/aufs Tor (14/3:8/4)
Haching mit mehr Schüssen aber deutlich geringerer Schussgenauigkeit. Die Löwen effizienter was die Torausbeute im Verhältnis zu eigenen Chancen betrifft.
Innerhalb der Box zeigt sich allerdings ein gänzlich anderes Bild. Sieben der vierzehn Schüsse kamen von außerhalb des Sechzehners. Weitere sechs Schüsse entsprangen Ecken oder Freistößen oder eben dem umstrittenen Elfmeter. Es bleibt eine herausgespielte Torchance in der Box auf Seiten der Hachinger übrig.
Die Sechzger schossen insgesamt lediglich achtmal, brachten vier dieser Schüsse aufs Tor, zwei hinein. Fünf der acht Schüsse erfolgten aus dem Strafraum der Hachinger in zentraler oder halbzentraler Position.
Keiner der Schüsse der Löwen war eine direkte Folge einer strafraumnahen Standardsituation. Das ist leider bei fünf solchen Möglichkeiten (drei Ecken, zwei Freistöße in Strafraumnähe) zu wenig. Ein bis zwei Abschlüsse aus Standards sollten nicht zuviel verlangt sein.
Dass man dann durch ein Eigentor einen Punkt verliert, schmerzt, denn trotz der bis ins letzte Drittel gut vorgetragenen Angriffe der Hachinger waren die Gastgeber aus dem Spiel heraus wenig gefährlich.
PPDA (6,67:18,5)
Die Zahlen sagen alles. Was da zu lesen ist, zeigt genau das, was von beiden Teams im Spiel gezeigt wurde. Kurze Phasen, die anders ausgesehen haben, kann man vernachlässigen.
Haching presste, Sechzig nicht. Mehr gibt es hierzu nicht zu sagen.
Außer vielleicht, dass auch das endlich nachhaltig anders werden muss. Wenn eine Mannschaft mit der individuellen Qualität wie unsere, sich zutraut, permanent bzw. den Großteil einer Partie über, den Gegner hoch anzulaufen, könnte extrem viel Stress erzeugt werden. Vor allem bei einer derart jungen und unerfahrenen Truppe wie den Hachingern. Die vorigen Gegner haben das auch deutlich bewiesen.
Leider liegt damit genau hier die verpasste Chance auf ein wirklich dominantes Spiel gegen die Vorortler. Mehr Biss im Forechecking wäre extrem wünschenswert gewesen.
Die Tore
Hier könnt ihr Euch die Tore und weitere Highlights noch einmal ansehen.
Leider fehlt mir aber die Zeit, heute genauer auf einen der Treffer einzugehen.
Ich hoffe, Ihr könnt mir das nachsehen.
Das fiel auf
Nicht Fisch, nicht Fleisch war diese Partie am Sonntag im Sportpark des Vororts.
Leider fehlte der Mannschaft des TSV 1860 München der nötige Biss, um sich gegen eine kämpferisch eingestellte Mannschaft der SpVgg Unterhaching so zu behaupten, dass man drei anstatt nur einem Punkt hätte mitnehmen können.
Fraglich bleibt auch, ob die Punkteteilung sich für Unterhaching mit dieser extremen Art der Verausgabung in einer englischen Woche nicht als „Pyrrhussieg“ herausstellt.
Apropos Verausgabung! Das, was die Gastgeber vielleicht zu viel an defensiver Energie auf dem Platz gelassen haben, haben die Sechzger vergessen, überhaupt mitzunehmen.
Wie weiter oben schon kritisiert, auch hier noch einmal der Apell, mit höherer Intensität gegen den Ball zu arbeiten.
Fazit
Als Erstes gilt es eines festzuhalten: Weiterhin sehen wir in gewissen Bereichen des Spiels Verbesserungen bei der Mannschaft. Die treten allerdings momentan vor allem dann zutage, wenn man diese Punkte im Spiel isoliert betrachtet.
Die größten Leistungsschwankungen sind unerklärlicher Weise exakt bei dem Teil des Spiels, der für jeden Spieler der das Löwentrikot anzieht, oberste Priorität haben sollte. Leidenschaftliches Kämpfen gegen den Ball – überall auf dem Platz und mit möglichst hoher Intensität.
Keiner erwartet von unseren Spielern, dass sie jedes Spiel gewinnen. Ich erwarte aber, übertrieben gesagt, dass jeder Spieler des TSV 1860 München es als persönliche Beleidigung empfindet, wenn ein Gegenspieler den Ball hat – egal ob von der SpVgg Unterhaching oder welchem Verein auch immer. Ich erwarte weiterhin, dass die Spieler dann alles daran setzen, den Ball möglichst schnell wieder in die eigenen Reihen zu bringen. Und diese Gier nach dem Ball fehlt mir zu oft.
Davon war auch am Sonntagabend über weite Strecken meist erst viel zu spät während der gegnerischen Angriffe etwas zu sehen.
Am Mittwoch wartet mit dem VfL Osnabrück die nächste schwere Aufgabe auf die Löwen. Da muss das zwingend wieder besser werden.
Datenquelle: Wyscout
Mir geht es tatsächlich nicht um eine Torwartdiskussion, aber dass niemand das 2. Tor genauer beleuchtet wundert mich dann schon.. war eh schon schlampig genug verteidigt, dann irrt der Vollath dann auch noch im Sechzehner umher.. wer weiß was gewesen wäre wenn er stehen geblieben wäre und damit auch mehr halt gehabt hätte und vernünftig hätte hechten können..
Ich stimme Dir in allem zu, Bernd, bis auf die Aussage, dass in der Schlussviertelstunde unsere Mannschaft ein Offensivfeuerwerk abgeliefert hätte. Das konnte ich nicht im Ansatz erkennen. Im Gegenteil: Ich habe mich maßlos darüber geärgert wie die saftige Nachspielzeit dahinplätscherte und ich keinen großen Willen erkennen konnte hier noch auf das dritte Tor zu gehen. Und die partielle Überlegenheit rührte einzig daher, dass Haching einige Leistungsträger verletzt auswechseln musste und danach etwas ins Trudeln geriet. Aber wir haben die Situation viel zu wenig ausgenutzt.