Herzlich Willkommen zur TAKTIKTAFEL – Nachbetrachtung des Auswärtsspiels dahoam gegen die zweite Mannschaft des Nachbarn aus der Seitenstraße.

Der mehr als überfällige Sieg gegen die rote Millionentruppe war absolut verdient, aber auch aufgrund einiger Nachlässigkeiten der Löwen in der zweiten Halbzeit ein wenig glücklich.

Taktische Ausrichtung

Die Heimmannschaft wurde in der Startaufstellung durch drei Profis der ersten Mannschaft (Richards, Dantas, Zirkzee) unterstützt. Sie begann – je nachdem, ob mit oder gegen den Ball gespielt wurde – wie erwartet im 5-3-2 respektive 3-5-2. Unsere Löwen liefen wie immer im flexiblen 4-1-4-1 auf. Salger ersetzte den gelbgesperrten Dennis Erdmann in der Abwehrkette und Tallig übernahm zu Beginn des Spiels erneut die Rolle des Box-to-Box-Mittelfeldspielers, die normalerweise Dennis Dressel inne hat. Dieser nahm, wie auch Daniel Wein, zu Beginn des Spiels auf der Bank Platz.

Grob kann man das Spiel in drei Phasen unterteilen. Die Anfangsphase bis zur Roten Karte, die Phase bis zur Auswechslung von Belkahia in der 74. Minute und eine Schlussphase, in der die Gastgeber trotz Unterzahl überlegen schienen. Ein besonderes Augenmerk werde ich heute auf defensive Zweikämpfe legen.

Die Anfangsphase

Von der ersten Minute an waren die Löwen das spielbestimmende Team und legten ein irres Tempo vor, das die gegnerische Mannschaft wohl sehr überraschte. Über zwanzig Ballkontakte hatten die Löwen pro Minute Ballbesitz. Das bedeutet im Schnitt alle drei Sekunden ein Pass der Sechzger. Die Roten waren in dieser Phase nicht konsequent genug im Pressing und zudem im Mittelfeld wegen des hohen Spieltempos der Löwen oft viel zu weit weg vom Mann. Das ist stark dem System 5-3-2 geschuldet, bei dem gegen den Ball nur drei Mittelfeldspieler aufgeboten werden. Bei hohem Spieltempo können so nicht alle Räume gedeckt werden. Es entstehen bei einem 5-3-2, wenn nicht gepresst wird, zwangsläufig entweder in der Breite oder in der Tiefe Räume im Mittelfeld für den Gegner. Diese wurden vom TSV 1860 München grandios ausgenutzt. Bei acht ausgespielten Angriffen kamen die Löwen in dieser Phase zu fünf Abschlüssen, drei davon gingen aufs Tor.

Die Harlachinger hingegen konnten in der knappen halben Stunde dieser Phase nur vier ihrer Angriffe ausspielen. Sie brachten aber außer einem Kopfball (Kern) nach einem Freistoß (Stiller) von der rechten Seite, den Marco Hiller grandios hielt, keinen einzigen Schuss aufs Tor der Löwen zustande. Der einzige Schuss der Roten aus dem Spiel heraus ging nicht aufs Tor. Auch kann der Nachbar nur einen Ballkontakt aus dem Spiel heraus im Strafraum der Löwen in dieser Phase des Spiels vorweisen. Dieser Ballkontakt in der 25. Minute von Zirkzee beendete dessen Auftritt im Sechzgerstadion an diesem Tag mit der Roten Karte. Nichtsdestotrotz und auch wenn es beim Zusehen vielleicht anders erschien, hatte der Gegner während dieser Phase mehr Ballbesitz (56.5%), und gewann 90% seiner Defensivzweikämpfe. Das sieht – wenn man nur auf diese Zahlen schaut – eher schlecht für unsere Löwen aus. Bei genauerem Betrachten wird aber klar: wer bei 44 Vorwärtspässen 21 Rückpässe und 75 Querpässe spielt, darf gerne mehr Ballbesitz haben. Auch eine defensive Zweikampfquote von 90% sieht nicht mehr ganz so gut aus, wenn man merkt, daß der Gegner überhaupt nur zehn defensive Zweikämpfe in dieser Phase geführt hat. Die Löwen führten während dieser Phase 27 Defensivduelle und gingen 13 Mal als Sieger daraus hervor. 12 dieser 27 Duelle fanden in der gegnerischen Hälfte statt.

Die statistischen Zahlen der Anfangsphase

  • Ballbesitz: 56,5% :  43,5% zugunsten der Gastgeber
  • Passquote: TSV 1860 86%, Gegner 86%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 48%, Gegner 90%
  • Schüsse 5:2 (davon aufs Tor 3:1) aus Sicht der Löwen
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 10,9  –  Gegner 15,4

25. – 74. Minute

Nach dem Platzverweis für Zirkzee gelang es den Löwen, das Spiel nun komplett unter Kontrolle zu bringen. Grandiose Spielzüge, mehr Ballbesitz, permanenter Druck auf die Box des Gegners und ein schönes Eigentor der Roten nach einem Freistoß von Neudecker waren die Folge dieser Spielkontrolle. 1860 konnte seine numerische Überlegenheit wunderbar ausnutzen. Leider entsprangen der Überzahl auf dem Feld in dieser Phase nicht mehr zählbare Erfolge. Eine Angriffswelle nach der anderen rollte auf den roten Strafraum zu. Beide Mannschaften änderten nichts an ihrer Spielweise. Beim TSV ist dieses Verhalten selbsterklärend, aber warum es die Mannschaft von Holger Seitz auch nach dem Platzverweis nicht schaffte, die defensiven Zweikämpfe anzunehmen und zu führen, was ja Voraussetzung für ein erfolgreiches Spiel wäre, verstehe ich nicht wirklich.

Hier muss man sich wieder die genauen Zahlen vor Augen halten: Der Nachbar ging in dieser Phase insgesamt 38 defensive Duelle ein und gewann davon 21. 32 dieser defensiven Zweikämpfe fanden in der eigenen Spielfeldhälfte statt. Wiederum 14 von diesen 32 gewannen die Spieler der Sechzger. Die defensive Zweikampfbilanz der Löwen sieht auf den ersten Blick schlechter aus. Nur die Hälfte aller defensiven Zweikämpfe konnte der TSV 1860 zwischen der 25. und 75. Minute für sich entscheiden. 52 defensive Zweikämpfe wurden geführt, 26 (also 50%) wurden gewonnen. In der eigenen Hälfte jedoch verloren die Sechzger nur acht mal einen defensiven Zweikampf während in dieser Phase dort 14 gewonnene Defensivduelle zu Buche stehen.

In der Spielfeldhälfte der Roten wurden von den Löwen im Zuge des Pressings, das Michael Köllner spielen lässt, 30 defensive Zweikämpfe von den Löwen geführt. Davon gewann man zwar nur 12, aber schon allein die Tatsache, dass man dadurch den Gegner in seiner Spielfeldhälfte so dermaßen unter Druck setzen kann, dass Fehler die Folge sind, die Sechzig dann wieder in Ballbesitz bringen, rechtfertigt auch jeden verlorenen Zweikampf. Daran sieht man wieder, dass eine Statistik ohne Kontext wenig wert ist! Die PPDA von 7,2 beim TSV und 54,2 bei der Zweitvertretung aus der Säbener Straße spricht hier Bände. Mit der Hereinnahme von Scott und Dajaku auf Seiten der Harlachinger in der 69. Minute bekam der Gegner dann etwas mehr Schwung, der sich aber erst in der nächsten Phase wirklich entfalten konnte.

Die Zahlen in der Zeit von Minute 25 bis 74

  • Ballbesitz 54% : 46% zugunsten des TSV 1860
  • Passquote: TSV 1860 80%, Gegner 79%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 50%, Gegner 55%
  • Schüsse 6:4 (davon aufs Tor: 2:1) aus Sicht der Löwen
  • PPDA TSV 1860 7,2  –  Gegner 54,2

Die Schlussphase

Nach der Auswechslung von Belkahia, der für Wein auf Seiten der Löwen den Platz verließ, gab Sechzig das Heft des Handelns aus der Hand. Beide Teams schienen wie ausgewechselt. Möglicherweise hat das hohe Tempo, das die Löwen zuvor an den Tag gelegt hatten, auch seinen Tribut gefordert. Die Roten machten nun auf und Sechzig verteidigte den knappen Tore Vorsprung mit Müh und Not. Die totale Dominanz, die der Gegner jetzt aufbaute, ließ wahrscheinlich nicht nur mich in dieser Phase stark am Sieg zweifeln. Ballbesitz und Ballkontrolle waren für den TSV in dieser Phase quasi nicht mehr vorhanden. Ganze zwei Angriffe konnten die Löwen bis zum Spielende noch bis ins letzte Drittel bringen. Mehr ließ der Gegner, der jetzt nach dem Motto “Angriff ist die beste Verteidigung” spielte, nicht zu.

Bis zum alle erlösenden 2:0 durch Biankadi musste man Angst haben, dieses Spiel möglicherweise doch nicht zu gewinnen. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Marco Hiller, der den Sieg während der Schlussviertelstunde mit zwei Reflexparaden gegen Kern und Feldhahn, sowie einem gewonnenen Luftduell mit Feldhahn im Strafraum festhielt, dürfen wir diesen Sieg feiern. Dass Biankadi dann noch auf 2:0 stellte, war natürlich hochverdient, denn es hätten für die Löwen schon viel früher weitere Tore fallen müssen.

An den defensiven Zweikämpfen sieht man erneut sehr gut, was nun die Änderung ins Spiel brachte. Nur noch vier Defensivduelle führten die Sechzger in der gegnerischen Hälfte. Ohne Druck auf die Spieleröffnung einer spielstarken Mannschaft kann man also auch in Überzahl ganz schlecht aussehen. Der Gegner musste seinerseits auch kaum mehr versuchen, den Ball am Mann zu erobern. Denn die Passquote bei Vorwärtspässen der Löwen sank auf unter 50%. Nur noch Quer- und Rückpässe wurden präzise an den Mann gebracht.

Das zweite Tor

Nach einem Einwurf von der rechten Seite versucht erst Neudecker den Ball per Kopf in Richtung rechtes Strafraumeck über die Abwehrkette zu befördern, der Ball kommt jedoch zu Richards, der seinerseits per Kopf klärt. Diesen Kopfball schlägt der Eigentorschütze aus Halbzeit eins (Kern) unmotiviert und unkontrolliert auf die linke Spielfeldseite, wo Steinhart and den Ball kommt, der sofort versucht, nach vorn in die Spitze zu spielen. Wieder kommt Richards dem in die Quere. Er kann den Ball aber auch nur unkontrolliert wegschlagen. So gelangt das Leder schließlich zu Moll, der Biankadi überlegt und präzise anspielt. Biankadi ist genau im richtigen Moment in der Schnittstelle der hoch verteidigenden Abwehrkette der Gastgeber gestartet, bekommt den Ball und geht mit Gegenspieler Stanisic im Schlepptau diagonal in den Strafraum. Der Verteidiger kann nicht entscheidend stören und so versenkt der Neuzugang in weiß-blau das Spielgerät mit dem linken Fuß ins lange Eck.

Die Zahlen der Schlussphase

  • Ballbesitz 22% : 78% zugunsten der Gastgeber
  • Passquote: TSV 1860 62%, Gegner 77%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 54%, Gegner 65%
  • Schüsse 2:5 (davon aufs Tor 1:2) aus Sicht der Löwen
  • PPDA: TSV 1860 9  –  Gegner 5,1

Fazit

Hochverdient, aber angesichts der starken Schlussphase des Gegners dann doch ein bisschen glücklich hat der TSV 1860 München das sogenannte Derby gegen die Zweitvertretung von der Säbener Straße gewonnen. Der Einstand von Neuzugang Merveille Biankadi ist geglückt. Ebenso der Auftakt nach der kurzen Winterpause. Der erste Sieg gegen Rot II in Liga 3 ist perfekt. Die Kaderbreite ist kein Problem, sie war auch nie wirklich eines. Dieses Märchen wurde nur in die Welt gesetzt, um Unruhe zu säen. Wer einen Wein und einen Dressel zu Spielbeginn auf der Bank lassen kann und Lex und Erdmann verletzungs- bzw. sperrenbedingt nicht im Kader hat und trotzdem den in der Anfangsformation mit drei Spielern aus der ersten Mannschaft verstärkten Vorjahresmeister 2:0 schlägt, ist auch in der Spitze breit genug aufgestellt. Das neue Jahr hat gut angefangen. Bitte im Heimspiel gegen Ingolstadt genauso weitermachen!

Datenquelle: http://www.wyscout.com/

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