Ein herzliches Grüß Gott zur TAKTIKTAFEL Nachbetrachtung des Spiels TSV 1860 München gegen den SV Türkgücü München.

In einem rassigen, kampfbetonten und emotionalen Spiel, das mit benachteiligenden Schiedsrichterentscheidungen für den TSV 1860 München gespickt war, trafen zwei gleichwertige Mannschaften aufeinander. Sechzig spielte im bekannten 4-1-4-1, Türkgücü trat mit einem 4-1-3-2 an. Leichte Feldüberlegenheiten seitens Türkgücü machten die Löwen bis zur ominösen roten Karte gegen Dennis Dressel durch gutes Stellungsspiel und präzises Agieren beim Passspiel wett. Nach der roten Karte wurde durch Kampf und Einsatzwillen ein Punkt über die Zeit gerettet.

So lässt sich dieses Spiel in drei Teile aufteilen. Die erste Viertelstunde, ab Minute 16 bis zur roten Karte und nach der roten Karte.

Die erste Viertelstunde

Türkgücü übernahm das Kommando, der TSV 1860 ließ den Gegner kommen und war in dieser Phase optisch deutlich unterlegen. In der Staffelung der beiden Ketten mit Daniel Wein dazwischen gab es für die Spieler des SVTG wenig Räume, um gefährlich zu werden. Die meist durch das Zentrum vorgetragenen Angriffsbemühungen konnten von der kompakten Löwendefensive spätestens an der Grenze zum Strafraum unterbunden werden. Der einzigen Schüsse, die Türkgücü in dieser Zeit abfeuerte, kamen aus großer Entfernung und waren keine Gefahr für den Kasten von Hiller.

Das zeigt deutlich, wie gut vom TSV 1860 gegen den Ball gearbeitet wurde. Es kam also, wie so oft, zu vielen Rück- und Querpässen beim Gegner der Löwen, die in Summe die höhere Quote im Ballbesitz zu diesem Zeitpunkt recht deutlich erklären.

Türkgücü spielte bei Ballverlust mit teilweise extremem Pressing gegen den Ball, was vor allem in der ersten Viertelstunde nicht viele Offensivaktionen für die Löwen zuließ. Die wenigen Ausflüge der Sechzger in des Gegners Hälfte wurden bereits weit vor dem Sechzehner der Perlacher zum Erliegen gebracht. So konnte der TSV 1860 während der Eröffnungsphase nicht einen einzigen Positionsangriff oder Konter zu Ende spielen, Türkgücü hingegen hat mit immerhin acht ausgespielten Angriffen für diese kurze Zeit eine ziemlich gute Ausbeute eingefahren.

Die Statistiken der ersten Phase

  • Schüsse 0:2
  • Ballbesitz 35% : 65%
  • Passquote TSV 1860 76% Türkgücü 85%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro defensiv Aktion) TSV 1860 12; Türkgücü 4,5

Der Spielabschnitt bis zur roten Karte

Nach den ersten fünfzehn Minuten bekamen die Löwen das Spiel jedoch besser in den Griff. Der TSV 1860 bekam nun sowohl spielerisch als auch kämpferisch die Beine immer besser auf den Boden. Die Laufwege der Löwenspieler wurden besser. Pässe hinter die Pressinglinien der Türken kamen an, somit konnte der TSV 1860 mit dem Raum der sich dadurch ergab ab diesem Zeitpunkt mehr für die Offensive tun als der Gast. Die Muster blieben dennoch gleich. Türkgücü presste generell hoch und versuchte damit Druck auf die Löwen aufzubauen. Der TSV war etwas mehr auf Sicherheit bedacht und schob in nur wenigen Situationen die Pressinglinie an den gegnerischen Strafraum. Im Umschaltspiel setzten die Sechzger auf eine Mischung aus Konterfußball und Positionsangriffen. Die Türken trugen nur Positionsangriffe vor, Konterangriffe ließen die Löwen nach Ballverlust schlichtweg nicht zu. Das gegen den Ball auf Sicherheit bedachte Spiel des TSV war auch eine durchaus vernünftige Vorgehensweise, denn die schnellen und technisch höchst versierten Spieler der Gäste sind im Umschalt- und Konterspiel nur schwer zu bändigen.

Eine bravouröse Abwehrleistung in den eins gegen eins Situationen des TSV 1860 zeigt ebenfalls, wie gut die Hintermannschaft der Löwen auf die Taktik von Alexander Schmidts Team eingestellt war. Lediglich Sercan Sararer und Petar Sliskovic konnten hier kleine Vorteile gegenüber ihren Gegenspielern in weiß-blau verzeichnen, alle anderen Spieler des SVTG wurden von der Löwenabwehr kalt gestellt. So hatten die Löwen in dieser Zeit zwar immer noch ein leichtes Defizit in Puncto Ballbesitz, konnten aber mehr Angriffe als der Gegner bis ins letzte Drittel durchbringen. Zählt man Konterangriffe und Positionsattacken zusammen, haben die Löwen mit siebzehn ausgespielten Angriffen drei Attacken mehr zu Buche stehen als der Gegner.

Die Tore in dieser Phase

In der 22. Minute erobert Wein bei einem Konterversuch der Gäste den Ball von Erhardt, der vorher schon, vom sehr gut nach hinten mitarbeitendem Lex, gestört wurde. Halbrechts auf Höhe der Mittellinie nutzt er den freien Raum, der sich durch Erhardts Offensivausflug ergab, vorzüglich aus und spaziert mit dem Ball zentral in Richtung Sechzehner des Gegners. Aufmerksam wie man ihn kennt, erspäht er den auf der halblinken Seite einlaufenden Greilinger und bedient ihn mit einem Pass in den Strafraum. Abwehrspieler Sorge orientiert sich in Richtung Fünfmeterraum anstatt aggressiv auf den Ball zu gehen. Greilinger hat alle Zeit der Welt, kann sich den Ball zurechtzulegen und aus etwa zehn Metern ins lange Eck abzuschließen bevor der Verteidiger ihn stören kann.

Nur drei Minuten danach (25. Minute) konnte der SVTG den Spielstand durch einen sehr präzise ausgeführten und leider auch schlecht verteidigten Positionsangriff, bei dem Sliskovic gleich zweimal in Erscheinung tritt, egalisieren. Von Torwart Vollath ausgehend beginnt die Mannschaft von Schmidt einen Angriff über Sorge auf der rechten Seite. Sorge spielt einen Pass über vierzig Meter zu Sliskovic, der im rechten Halbfeld zwanzig Meter jenseits der Mittellinie mit dem Rücken zum Tor der Löwen stehend die Kugel zu Kirsch tropfen lässt. Dieser bedient sofort den auf der linken Angriffsseite des SVTG lauernden Sararer. Der Topscorer hat Raum und nutzt diesen, um einige Schritte in Richtung Sechzehner der Löwen zu machen. Willsch stellt sich ihm nicht entschieden genug entgegen, sodass er zwei Meter von der Strafraumecke entfernt mit dem rechten Fuß eine wunderbar aufs Tor gezirkelte Flanke schlagen kann. Sliskovic, der Salger entwischt war, verwandelt diese Flanke per Kopf aus zentraler Position im Fünfmeterraum. Hiller war zwar noch dran, konnte aber den aus der Nahdistanz druckvoll aufs Tor gebrachten Header des Kroaten nicht entschärfen.

Nach Wiederanpfiff in der 49. Minute war es dann Sascha Mölders, der seinerseits per Kopf nach einem wunderbaren Zuspiel von Steinhart einnetzte. Nach einem missglückten Befreiungsschlag von Sliskovic kommt Salger links zentral etwa neun Meter in der gegnerischen Hälfte an den Ball. Er spielt nach einigen Schritten den Ball diagonal auf den halblinks wartenden Steinhart, der nach schneller Verarbeitung des Leders eine wunderbare Flanke in den Strafraum bringt. Innenverteidiger Berzel unterschätzt die Flanke und übersieht den aus dem Hintergrund einlaufenden Mölders, sodass die Neun des TSV 1860 nahezu unbedrängt aus zehn Metern in zentraler Position in der Box den Ball neben den linken Pfosten ins Gehäuse köpfen kann.

Die Statistiken in dieser Phase

  • Schüsse 7:3
  • Ballbesitz 44% : 56%
  • Passquote 1860 80%, SVTG 84%
  • Zweikampfquote (offensiv+defensiv) 1860 62% SVTG 38%
  • PPDA 1860 14,09; SVTG 7,94

Die Phase nach der roten Karte

Die Geschichte der letzten halben Stunde ist schnell erzählt. Nach der roten Karte kam Sechzig durch Lex bei einem Konter noch einmal gefährlich vor das Tor der Perlacher. Leider ging sein Schuss links neben den Kasten von Vollath. Der SV Türkgücü München drückte nun mit voller Kraft in die Hälfte der Löwen und auf den Ausgleich beziehungsweise später den Siegtreffer, der dem SVTG jedoch verwehrt bleiben sollte. Die Sechzger lieferten eine bravouröse Abwehrschlacht mit gelegentlichen Entlastungsangriffen. In den letzten dreißig Minuten war der SV Türkgücü durch die Überzahl dermaßen überlegen, dass man vor der Abwehrleistung der jetzt mit beiden Ketten tiefstehenden Löwen nur den Hut ziehen kann. Türkgücü versuchte mit allen Mitteln immer wieder in den Strafraum einzudringen, was aber nur selten in gefährlicher Weise gelang. Den Mut, einen dritten Stürmer zu bringen, hatte Trainer Alexander Schmidt nicht. Welle um Welle prasselten die wütenden Angriffe der jetzt wie entfesselt spielenden Perlacher auf die Abwehrreihen der Sechzger ein. Abgesehen vom Ausgleichstreffer in der 70. Minute gab es aber für Marco Hiller im Tor der Löwen nur noch einen einzigen brenzligen Moment. Boere, der nach der Pause für Bouziane gekommen war, zog in der Nachspielzeit aus 15 Metern ab und Hiller konnte zur Ecke klären.

Das Ausgleichstor

Ein langer Ball von rechts des auf Höhe der Mittellinie befindlichen Berzel in den Strafraum erreichte Sararer, der sich aus Lex Bewachung davongeschlichen hatte und danach auch noch Moll enteilt war. Von der Grundlinie an der Grenze des Torraums spielte Sararer den Ball flach nach innen, wo Sliskovic einlief und traf.

Die Statistiken in dieser Phase

  • Schüsse 2:8
  • Ballbesitz 25% : 75%
  • Passquote 1860 67%, SVTG 87%
  • PPDA 1860 15,33; SVTG 4

Fazit

Für ein Fazit aus den statistischen Werten in Abhängigkeit vom Spielverlauf fehlt mir zum ersten Mal in dieser Saison der Ansatz. Grund dafür ist die Leistung oder vielmehr die Leistungsverfehlung des Schiedsrichters, die man hier nicht ausklammern kann. Daher ist jedes Fazit, dass sich auf den Werten in der Statistik zum Spiel begründet nur die halbe Wahrheit.

In einem Spiel das, wenn alles regulär verlaufen wäre, mit dem TSV 1860 München einen klaren und verdienten Sieger gesehen hätte, wurde der gegnerische Verein dermaßen bevorteilt, dass sich eine  Analyse wie diese eigentlich erübrigt. Ich frage mich: Was bringt einen Schiedsrichter dazu, offensichtlich ähnliche Szenen auf beiden Seiten so dermaßen unterschiedlich zu bewerten? Das beste Beispiel für unterschiedliches Maß in der Bewertung des Spiels war, als es bei verfrühter Ausführung eines Freistoßes für den TSV eine gelbe Karte für den Schützen gab (Moll, 15.Minute), beim Gegner später im Spielverlauf für das gleiche Vergehen jedoch nicht. Wer eine Antwort hat wieso man ein Spiel so verpfeift und damit den Wettbewerb 3. Liga verzerrt, meldet sich bitte in den Kommentaren.

Datenquelle: http://www.wyscout.com/

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