Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Auswärtsspiels unseres TSV 1860 beim SC Verl in Lotte.

In einem über die neunzig Minuten ausgeglichenen Spiel mit zwei glücklichen Toren, trennten sich der TSV 1860 und der SC Verl leistungsgerecht mit 1:1. Während der ersten Halbzeit hatten die Löwen ein wenig Oberwasser. Nach dem Pausentee waren die Gastgeber etwas deutlicher im Vorteil. Guerino Capretti, Trainer des SC Verl, ließ seine Mannschaft wie immer im 4-3-3 auflaufen. Michael Köllner setzte erstmals auch auf dieses System, wobei es mehr ein 4-3-1-2 war. Dabei spielte einer der drei Stürmer, die viel rotierten, als hängende Spitze oder Schattenstürmer, der aus dem Mittelfeld heraus operiert und ein weiterer über den Flügel.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz: TSV 1860 52%, SC Verl 48%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860, 77% SC Verl 79%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 57%, SC Verl 69%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 12/2 SC Verl 17/3
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 8,07, SC Verl 6,97

Fokus auf die defensive Zweikampfquote

Die defensive Zweikampfquote bei den Löwen sieht unterdurchschnittlich aus. Schauen wir uns das doch einmal genauer an.

Während der ersten Halbzeit hatten die Sechzger eine defensive Zweikampfquote von nur 53%. Führten aber in Summe 40% mehr Zweikämpfe als der Gegner und gewannen deshalb 33% mehr als die Verler.

In der zweiten Halbzeit lag die defensive Zweikampfquote beim TSV 1860 München auf guten 62%. Wie schon in der ersten Halbzeit führten sie aber in Halbzeit zwei mehr Zweikämpfe als Verl. Hier sieht man allerdings nun den ausschlaggebenden Unterschied des weiter unten beschriebenen aggressiveren Spiels gegen den Ball der Ostwestfalen nach der Pause. Verl führte weniger Zweikämpfe, gewann aber gleichzeitig mehr.

Das gleicht allerdings das gute defensive Stellungsspiel der Sechzger wieder ein wenig aus. Die Löwen konnten um 33% mehr Pässe abfangen als der Gegner.

Fokus auf die Schüsse

Mit einem Schussverhältnis von 12/2 bei den Löwen zu 17/3 beim SC Verl ist eines glasklar: Die Löwen müssen sich definitiv mehr Torschusschancen herausspielen und die herausgespielten Chancen auch mit mehr Genauigkeit abschließen.

Die 1. Halbzeit

Nach einer etwa fünfminütigen Druckphase der Hausherren zu Beginn des Spiels, bekamen die Sechzger die Partie in den Griff und spielten sehr gefälligen Fußball. Sowohl mit als auch gegen den Ball waren die Spieler des TSV 1860 München klar die tonangebende Mannschaft in Halbzeit eins.

Variables schnelles Kombinationsspiel über die gesamte Spielfeldbreite mit zu Ende gespielten Angriffen über beide Flügel und auch durchs Zentrum zeichneten die Löwen in der Offensive aus. Immer wieder war es Stefan Lex, der gute Akzente setzen konnte, wenn er angespielt wurde. Auch gegen den Ball war es eine bärenstarke Partie des Erdingers. Mit sechs abgefangenen Pässen und weiteren wichtigen Balleroberungen in Zweikämpfen oder im Duell um einen freien Ball sowie seinem Stellungsspiel in der Pressingformation.

Leider benötigte der TSV 1860 München, um wirklich effektiv zu sein, die tatkräftige Unterstützung der Verler.

Was positiv auffiel, war die übers gesamte Spiel hinweg – aber speziell in Halbzeit eins – hohe Flankengenauigkeit. Jeder zweite von außen in die Box gespielte Ball kam im ersten Spielabschnitt beim Empfänger an. In den meisten Fällen konnte aber leider der Adressat nichts Vernünftiges mit dem Leder anfangen.

Verl setzte bei Ballgewinn ebenfalls auf schnelles Spiel nach vorne, war aber vor dem Pausentee harmlos. Abgesehen von einem aus aussichtsreicher Position abgesetzten Kopfball des 2,02 m großen Ezekwem in der 20. Minute, der aber das Gehäuse verfehlte, hatte Verl keine wirklich gefährlichen Momente.

Zu stabil stand die Defensive der Löwen in der ersten Hälfte. Und wenn ein Verteidiger Gefahr lief, Probleme zu bekommen, waren diesmal Kollegen zur Stelle, um ihn zu unterstützen. So viele Doppelungen gegen den Ball habe ich in den neun Spielen zuvor zusammen nicht gesehen. Das war gegen den Ball eine starke kompakte Mannschaftsleistung.

Die 2. Halbzeit

Die Halbzeitansprache von Trainer Capretti auf seine Verler hatte offensichtlich die gewünschte Wirkung erzielt. Von Anfang an, buchstäblich mit der ersten Aktion, drückte nun Verl auf den Ausgleich. Die Spieler des TSV 1860 München hingegen hatten den Faden verloren.

Zumindest was die Offensive angeht, war der TSV 1860 München nicht mehr überlegen. Die Arbeit gegen den Ball funktionierte weiterhin meist sehr gut. Bis auf je einen Schuss von Steinwender, Ochojski und Petkov bekam Hiller im Tor der Sechzger kaum Arbeit. Ochojskis Sonntagsschuss war leider drin.

Woran aber lag es, dass die Löwen ihre Angriffe nicht mehr durchbekamen und in der zweiten Halbzeit nur vier Schüsse abfeuern konnten? Lag es an den Löwen? Teilweise sicherlich. In manchen Momenten wäre es klar die bessere Entscheidung gewesen, einen Pass zu spielen, anstatt sich auf ein eins gegen eins Duell mit dem jeweiligen Gegenspieler einzulassen. Verl schraubte seine defensive Zweikampfquote in der zweiten Halbzeit um 16,5% nach oben auf einen Wert von 76,5% für den zweiten Spielabschnitt. In der eigenen Spielfeldhälfte verloren die Verler in der zweiten Halbzeit nur ganze vier direkte defensive Duelle mit ihren Gegenspielern am Boden und drei in der Luft.

Diese Steigerung in der Defensive und die damit verbundenen Ballgewinne – zusammen mit dem typischen schnellen Spiel des SC Verl – stellte die Löwen zumindest bis ins eigene Abwehrdrittel des Spielfelds vor gewisse Probleme. Die eigene Box verteidigten die Löwen aber dennoch sehr gut. Wenn Verl im Strafraum der Sechzger Ballkontakte hatte, dann nicht zentral vor dem Tor.

Die Tore

Das 0:1

Den Führungstreffer für die Löwen markierte Merveille Biankadi in der 22. Minute. Bei einem Angriff der Löwen über die rechte Seite landet der Ball von Bär ins Zentrum gespielt zunächst bei Daniel Wein etwa zwanzig Meter vor dem Tor. Wein bedient Lex halblinks in der Box mit einen Pass. Dieser versucht eine Flanke, die aber zu lang gerät und bei einem Verler Verteidiger am Fünfereck auf der rechten Seite landet. Geistesgegenwärtig läuft Biankadi dorthin und kann den unsicher verarbeiteten Ball erobern.

Er spielt dann von der Grundlinie zu Neudecker, der in halbrechter Position in der Box etwa acht Meter vor der Torauslinie in Ballbesitz kommt. Mit einer Drehung entkommt er seinem Gegenspieler Petkov und schießt sofort. Diesen Schuss blockt jedoch Corboz so, dass der Ball wieder auf der linke Seite des Strafraums landet. Putaro, der an den Ball kommt, geht mit der Kugel am Fuß von Lex verfolgt nach außen. Einen Moment zu lange überlegte er, wohin der Ball nun am besten gespielt wird.

Das war die Chance, die Lex nutzte, sich das Leder erneut zu holen. Lex zog daraufhin mit dem Ball horizontal nach innen. Als er die Strafraumkante auf der linken Seite erreicht, spielt er einen Steilpass auf den hinterlaufenden Steinhart, der sofort in die Box passt. Dort kam der Verler Corboz grätschend an die Kugel und spielt sie zur großen Freude von Merveille Biankadi in den Fünfmeterraum. Biankadi nahm dieses Geschenk dankend zum 1:0 aus Löwensicht an.

Das 1:1

Einen von Rabihic getretenen Eckball von klärte Lex per Kopf auf die halbrechte Seite der Verler. Ochojski trifft den Ball nachdem er einmal aufspringt 30 m vor dem Tor volley und der Ball senkt sich hinter Hiller in die Maschen.

Fazit

In einem durchaus rassigen Spiel, in dem der TSV 1860 München klare Vorteile in der ersten Halbzeit nicht zu mehr als einem Tor ummünzen konnte, trennen sich die Kontrahenten schlussendlich leistungsgerecht mit 1:1 – wie schon in der Vorsaison.

Die Umstellung auf das 4-3-3 bzw. 4-3-1-2, die Trainer Michael Köllner mit der Herausnahme von Kapitän Mölders anstieß, trug spielerisch und auch im Spiel gegen den Ball bei der Pressingintensität durchaus Früchte.

Was ein wenig verloren ging, war die Genauigkeit beim Zuspiel auf die eigenen Mitspieler. Das kann man aber nicht der Systemumstellung zuschreiben. Diese Anspielfehler sind kleine individuelle Schwächen, an denen im Training gearbeitet werden muss.

Die Anspiele in die Box müssen ebenfalls noch weiter optimiert werden. Es fiel aber auf, dass die Spieler des TSV 1860 München öfter als in den Spielen zuvor versuchten, die kleine Box mit Flachpässen zu erreichen.

Die Schussgenauigkeit muss ebenfalls – wie weiter oben angemerkt – unbedingt verbessert werden. Dieses Manko zieht sich aber nicht durch die Saison wie ein roter Faden. Nehmen wir die Spiele gegen Verl, Wiesbaden und das Perlacher Projekt aus der Wertung, sind es die Leistungen der gegnerischen Torhüter und nicht die Schussgenauigkeit, die das Problem für den TSV 1860 München darstellen.

Ich hoffe, dass das nicht das letzte Mal war, dass die Sechzger in diesem System aufgelaufen sind.

Wenn Ochojski dieses Tor nicht macht, können die Verler, so wie die Löwen über die gesamte Spielzeit verteidigt haben, vermutlich noch zwei Stunden spielen und kommen zu keinem Treffer.

Es hat leider der entscheidende Punch gefehlt, um nach Führung ein zweites Tor gegen die Hausherren nachzulegen.

Kommenden Samstag geht es in Giesing gegen Überraschungsaufsteiger Viktoria Berlin wieder um drei wichtige Punkte.

Datenquelle: Wyscout

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3 Comments
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Alex64

Wie immer eine Topp-Analyse!

Zell

Oben heißt es bei: Fokus auf die Schüsse
Die Löwen müssen sich >definitiv

Müsste es nicht offensiv lauten?

Zell

Text schon ok, ich war beim Lesen zu oberflächlich: Bitte diese Kommentare löschen