Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse nach dem Spiel TSV 1860 München – Hallescher FC. 3-5-2 (5-3-2) gegen 5-3-2 (3-5-2) – je nach dem wer gerade in Ballbesitz war. So war die Systematik in diesem Spiel. Kleine Unterschiede in der Taktik hinsichtlich Symmetrie und Spielanlage brachten kaum Unterschiede hinsichtlich dessen, was aus taktischer und systematischer Sicht, von beiden Mannschaften geboten wurde.

Am Ende steht ein verdienter Sieg der Gäste, der aber erstens um ein Tor zu hoch ausgefallen ist, und zweitens – wenn man die Statistiken betrachtet – ein Unentschieden hätte sein müssen. Die Statistiken geben aber nicht Preis, wie sich die Mannschaften kämpferisch und läuferisch unterscheiden, von daher könnte ich mir diese Rubrik heute eigentlich schenken. Aber das mache ich natürlich nicht.

Die wichtigsten Statistiken des Spiels TSV 1860 – Hallescher FC

  • Ballbesitz TSV 1860 46% – HFC 54%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 76% – HFC 80%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 56% – HFC 47%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 8/3 – HFC 10/6
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 8,39 – HFC 6,58

Die Statistischen Werte analysiert

Ballbesitz

Der Ballbesitz sieht für den TSV 1860 gegenüber dem HFC relativ ausgeglichen aus. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Wenn man die beiden Spielhälften getrennt voneinander betrachtet, ergibt sich ein deutliches Bild. In der ersten Halbzeit hatten die Sechzger wenig bis gar nichts vom Spiel. Alle Werte, die wichtig sind, liegen unter dem was man von einer Mannschaft, die eine Reaktion auf das Spiel gegen die Projektmannschaft aus Perlach zeigen möchte, erwarten darf. Aber Bleiben wir beim Ballbesitz: Da gibt es einen fast zwanzigprozentigen Vorteil für die Gäste aus Halle.

Die Mannschaft vom Trainer Meyer hatte das Spiel sozusagen voll im Griff. Von sechsundvierzig Ballbesitzphasen verloren die Spieler des TSV 1860 München die Kugel dreißig mal vor dem letzten Drittel des Gegners und zwanzig mal in der eigenen Spielfeldhälfte und vier mal nach Fehlpässen aus dieser heraus.

Dass eine Mannschaft mehr Ballbesitz hat, bedeutet logischerweise nicht unbedingt, dass sie auch mehr Ballbesitzphasen hat. Die Phasen dauern nur länger. Das ist ein Problem, das man genauer betrachten muss. Pro Ballbesitzphase spielt Halle im Schnitt einen Pass mehr. Hochgerechnet auf die Ballbesitzphasen insgesamt in der ersten Hälfte haben die Löwen in der ersten Halbzeit 76 Pässe mehr zugelassen als die Hallenser. Bevor wir aber zur Passgenauigkeit kommen, noch ein Blick auf den Ballbesitz in der zweiten Hälfte der Partie.

In Durchgang zwei hatten die Sechzger insgesamt mehr Ballbesitz als der Gast aus Halle. Das war aber nur so weil sich die Hallenser nach dem 2:0 den Vorsprung ab der 62. Minute hauptsächlich auf verteidigen des Vorsprungs konzentrierten, und für die eigenen Offensive auf Umschaltspiel und Konter setzten. So waren die Ballbesitzphasen für die Gastmannschaft nun deutlich kürzer.

Passsicherheit 1860 und Hallescher FC im Vergleich

Hallescher FC

Die Passsicherheit der Gäste in der ersten Hälfte lag nahe an der Perfektion. Lediglich dreizehn Prozent der gespielten Pässe von Halle kamen nicht beim eigenen Mann an. Da muss man das defensive Stellungsspiel des TSV 1860, das vergangene Saison von mir des öfteren gelobt wurde, deutlich hinterfragen. Dass diese Feldüberlegenheit nicht schon in der ersten Halbzeit des Spiels zu Toren für die Gastgeber geführt hat, war nicht zuletzt der Verdienst der größtenteils fehlerfreien Abwehr der Löwen.

Fehler passieren im Fußball – das ist normal. Nur vier gegnerische Schüsse gegen einen im Ballbesitz dominant auftretenden Gegner zuzulassen, ist nicht übel. Nach wie vor ist die Defensive im letzten Drittel vor dem eigenen Tor nicht der Schwachpunkt, der verbessert werden muss. Die Arbeit gegen den Ball in den pressingrelevanten Zonen des Spielfeldes ist das, was nicht funktioniert. Da sind nicht allein die defensiven Zweikämpfe, sondern auch, wenn nicht sogar vor allem, die nicht abgefangenen Pässe, das große Problem mit dem man sich herumschlägt.

In der ersten Hälfte der Partie spielten die Hallenser munter “such’s Balli” mit den Löwen. Knapp ein Drittel der Pässe des Halleschen FC waren Vorwärtspässe. Die mit einer Präzision von fünfundsiebzig Prozent den Adressaten fanden. Knapp ein Drittel dieser Vorwärtspässe spielte Halle in der ersten Halbzeit ins letzte Drittel des TSV 1860 hinein. Man muss hier wirklich den Hut vor dieser guten Leistung ziehen. Aber auf der anderen Seite auch hinterfragen, wie es sein kann, dass die Spieler des TSV 1860 das zulassen. Acht abgefangene Pässe in den pressingrelevanten Zonen vor dem eigenen letzten Drittel in der ersten Hälfte des Spiels. Das ist ein bodenloser Wert.

TSV 1860

Das Passspiel der Sechzger während des ersten Durchgangs der Partie war nach Vorne hauptsächlich vom Zufall geprägt. Und zwar dergestalt, dass es oft rein zufällig war, dass Pässe, die oft riskant gespielt waren, überhaupt ankamen. Anstatt sich zu orientieren, und Ruhe ins eigene Spiel zu bringen, war die offensive des TSV im Passspiel hektisch und nervös. Der einzige Spieler aus der Kreativabteilung, der in Puncto Passspiel halbwegs Normalform erreichte, war Richard Neudecker. Neudecker fand meistens Lösungen, für die Probleme vor die ihn der Hallenser Defensivblock stellte. Greilinger war ebenfalls sichtlich bemüht etwas für die Offensive zu tun. Die Hilfe seiner Mannschaftskameraden für ihn hielt sich aber deutlich in Grenzen, so musste er ein ums andere mal das Leder anstatt nach vorne nach hinten Spielen.

Die Linkslastigkeit des Spiels beim TSV 1860 verhinderte dass Deichmann öfter in Szene hätte gesetzt werden können. Der ein oder andere Flankenwechsel hätte der Offensive des TSV möglicherweise gut getan. Warum das nicht versucht wurde, bleibt das Geheimnis der Mannschaft. Von allen gespielten Pässen des TSV 1860 München in Durchgang eins war Deichmann nur sechs mal der angespielte Akteur. Nur zwei dieser Pässe kamen an.

In der zweiten Halbzeit sieht die Gesamtbilanz des Passspiels beim TSV 1860 natürlich besser aus, aber nur weil Halle es zuließ und mit der komfortablen 2:0 Führung ab der 62. Minute die eigenen Defensivtugenden erst weiter hinten in der eigenen Spielfeldhälfte ausspielte. Dort ergibt sich in Halbzeit zwei ein ähnliches Bild, wie in Halbzeit eins. Mangelhaft bis ungenügend.

Defensivzweikämpfe

Die defensive Zweikampfquote der Löwen im Spiel TSV 1860 – Hallescher FC war dafür, wie wenige defensive Zweikämpfe geführt wurden, unter aller Kanone. Zwölf geführte defensive Zweikämpfe in der ersten Halbzeit in den pressingrelevanten Zonen, vierzehn im eigenen letzten Drittel. Erfolgsquote knapp unter vierundfünfzig Prozent. Wenn ein Gegner knapp sechzig Prozent Ballbesitz während der ersten fünfundvierzig Minuten + Nachspielzeit (1 Minute) hat, ist er knapp achtundzwanzig Minuten in Ballbesitz. Das heißt pro Minute Ballbesitz des Gegners haben die Sechzger 0,93 Zweikämpfe geführt. Von diesen 0,93 wurden 0,51 gewonnen. Also rund ein gewonnener Defensivzweikampf pro zwei Minuten Ballbesitz des Gegners. Das ist zu wenig!

Halle hingegen hat in den 18 Minuten, die der TSV 1860 München in Ballbesitz war dreiundzwanzig Defensivzweikämpfe geführt. Das sind 1,28 geführte Zweikämpfe pro Minute gegnerischem Ballbesitz für Halle. Die Erfolgsquote war zwar niedriger als beim TSV. In Abhängigkeit vom Ballbesitz wurden trotzdem mehr Zweikämpfe pro Minute gegnerischem Ballbesitzes gewonnen. Nämlich 0,66 pro Minute. Ergibt ein erfolgreicher Defensivzweikampf pro 1,5 Minuten gegnerischem Ballbesitzes.

Schüsse und PPDA

Über Schüsse und PPDA brauchen wir uns heute nicht detailliert unterhalten. Denn Schüsse und deren Genauigkeit waren nicht das entscheidende Kriterium. Und warum die PPDA besser aussieht, als das Spiel den Eindruck macht, ist leicht erklärt.

Das Offensivspiel der Hallenser war dermaßen präzise, dass die für den TSV 1860 pressingrelevanten Zonen schnell überbrückt wurden. Insgesamt gab es in der ersten Halbzeit neunzehn für diese Statistik zählende Aktionen gegen den Ball in den pressingrelevanten Zonen für den TSV 1860. Daraus kann jeder, der ein wenig rechnen kann, selbst Schlussfolgern wie schnell der HFC aus der eigenen Defensive in die eigene Angriffszone gelangte.

Auch diese Statistik verbessert sich nach der 62. Minute signifikant aus den gleichen, oben schon genannten Gründen.

Wieder ist bewiesen, Statistiken ohne Kontext sind Zahlen, die gut aussehen können und dennoch nicht die Wahrheit sagen müssen.

Das Spiel

Trainer Michel Köllner will, laut dem Interview auf Magenta ein besseres Spiel gesehen haben, als letzten Mittwoch. Da gebe ich ihm sogar Recht. Es gab vor allem bei der Penetration der Box aus Löwensicht bessere Momente als gegen den Projektverein aus der Trabantenstadt im Osten Münchens. Das war’s aber auch mit der Herrlichkeit in Puncto besseres Spiel.

Ein Tor aus einer Standardsituation, dies es nicht gebraucht hätte, nach einem Abwehrfehler beim Verteidigen dieser Ecke, der dir, wenn Du ihn in der Jugend machst, im nächsten Spiel einen Platz auf der Bank garantiert und ein unberechtigter Elfmeter führten zum 2:0-Sieg der Gäste aus Sachsen Anhalt.

Die Möglichkeiten die der TSV 1860 durchaus hatte, wurden leider kläglich vergeben oder vom überragenden Keeper Schreiber zunichte gemacht.

Wären im Spiel TSV 1860 – Hallescher FC alle großen Tormöglichkeiten zu Treffern umgemünzt worden, wäre das Spiel – man mag es kaum glauben – 5:5 ausgegangen. Den Treffern auf Löwenseite stand, abgesehen von allem was ich oben erwähnt habe, vor allem eines im Weg: Ungenauigkeit im Abschluss.

Die Tore

Wer’s wirklich nochmal sehen will klickt hier.

1:0

Ecke von links, Fehler beim Kopfball Lex, Schuss Shcherbakovski – Tor.

2:0

Unberechtigter Elfer, Eberwein schießt, Hiller ist fast dran – Tor

Fazit

Nach dem Spiel TSV 1860 – Hallescher FC, wie auch schon vergangenen Mittwoch, sollten einige Akteure hinterfragen, ob sie den Löwen wirklich auf der Brust haben wollen, oder ob sie sich nicht einen Verein suchen sollten, bei dem die Fans pomadiges Spiel schnell verzeihen. Die einzigen Spieler, die gestern sowohl konzentriert als auch mit dem Herzen dabei waren, sind meiner Meinung nach Hiller, Greilinger, Steinhart, Belkahia und Bär.

Einzelkritik

Ganz speziell schimpfen muss ich allerdings mit dem in Gedanken wohl schon in Hessen – oder wo auch immer – weilenden Herrn Dressel: Was denken Sie sich bitte? Als defensiver Mittelfeldspieler führen Sie drei Defensivzweikämpfe in 72 Minuten Einsatzzeit. Sie verlieren zwei von zwei Kopfballduellen und haben einen einzigen Pass des Gegners abgefangen. Die durchaus leidensfähigen Fans im Sechzgerstadion wollen Leistung und damit von einem Sechser Kampf sehen. Mit dieser Einstellung haben Sie bei den Löwen nichts verloren! Ihr gutes Passspiel in allen Ehren, aber auf Ihrer Position müssen sie anders agieren. Dem Verein, der Sie zu dem Fußballer gemacht hat, der sie heute sind, fallen Sie mit dieser Spielweise in den Rücken.

Schimpferei im Stadion

Im Stadion wurde gestern um mich herum viel über Merv Biankadi geschimpft. Auf der einen Seite verstehe ich diese Schimpferei. Was man aber Biankadi – im Gegensatz zu Dressel – nicht vorwerfen kann, ist pomadiges Spiel. Er hat unglückliche Aktionen in der momentanen Phase. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber im Gegensatz zu Dressel hat Merv alle seiner Defensivduelle am Boden gewonnen und Kopfballduelle auch nur in der gegnerischen Hälfte verloren. Der Kritikpunkt, den Merveille Biankadi sich jedoch gefallen lassen muss, ist eine gewisse Hektik und Ungenauigkeit bei den Vorwärtspässen und das ein oder andere mal etwas langsam in der Rückwärtsbewegung gewesen zu sein. Merv hat aber das Herz am rechten Fleck und den Willen kann man ihm, im Gegensatz zur Nummer Vierzehn der Löwen, nicht absprechen.

Perspektive

Was muss besser werden? – Die Einstellung der Spieler auf dem Platz zu ihrem Job. Ich hab es letzten Donnerstag schon geschrieben und ich schreibe es heute wieder: Wer keinen Bock hat, sich zu bewegen, der soll es vor dem Spiel dem Trainer sagen. Dann muss derjenige das vermutlich nicht. Ihr dürft Spiele verlieren, kein Problem – aber nicht so. Und schon gar nicht zweimal hintereinander. Ihr spielt hier nicht, um irgendein Operettenpublikum zu unterhalten. Auf Giesings Höhen will man sehen, dass Ihr um jeden Meter fightet. Dass Ihr jedem Ball, den Ihr verliert, hinterhergeht. Dass Ihr, wenn nötig einen Gegner auch mal so rasiert, dass er eine längere Behandlungspause braucht, um Euch Respekt zu verschaffen. Die Gegner müssen wissen: Im Sechzgerstadion gibt’s was auf die Hölzer. Und zwar ab der ersten Minute.

Datenquelle: Wyscout

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loewenmiche

Sehr gut analysiert und geschrieben. Würden die Spieler nur einen Teil der Energie nutzen, die bei mir in Form von Wut und Enttäuschung entsteht, würde es anders aussehen!
Wie gesagt, Ihr könnt verlieren, kein Problem – aber nicht so billig!
Entweder die Jungs wissen nicht, wer wann attackieren soll, die gegnerische Spielweise geht ihnen zu schnell oder sie sind nicht bereit alles zugeben!?
Die Körpersprache des ein oder anderen lässt letzteres vermuten…
Jetzt reissts Euch zamm und bringt die Saison mit Stolz und Anstand zu Ende.
ELIL

Sigi Clemens

Chapeau für diese Analyse. Das Spiel habe ich so auch empfunden. Es ist wohltuend, wenn hier nichts beschönigt wird. Herr Köllner, bitte lesen.😉

Alexander Schlegel

Jetzt habe ich den Dressel das letzte Mal noch verteidigt bzw. gemeint, dass man seine Arbeit am TV-Bildschirm schlecht beurteilen kann und jetzt bringst Du hier Zahlen zu seinem Auftritt, die einer Arbeitsverweigerung gleich kommen. So was ist unfassbar. Der hat als 6er in 72 Minuten drei (!) mickrige Defensivzweikämpfe geführt?!?! Diese Quote übertriff ein Wein in 5 Minuten. Da bleibt mir die Spucke weg. Ich muss da jetzt wirklich an mich halten um nicht beleidigend zu werden. Ich hoffe, wir müssen solche Alibi-Fußballer in Zukunft nicht mehr auf Giesings Höhen sehen.

Das war mir nicht klar. Das ist wirklich unglaublich. Ich hoffe, da passiert jetzt was. Das kann sich ein Michael Köllner eigentlich nicht gefallen lassen.

Joerg

Vielleicht ist der Dressel in Gedanken schon bei einem anderen Klub, solche Entwicklungen muß man aber mitbekommen

Alexander Schlegel

Ich bin in Gedanken auch gern mal woanders, deswegen mache ich meinen Job aber immer noch. Das ist für mich keine Ausrede.

Gut, Köllner hat ihn zumindest in der 72. Minute vom Platz genommen. Das ist schon ein Zeichen, dass er wahrscheinlich schon auch was gemerkt hat, denn er hat Dressel schon länger nicht mehr ausgewechselt (wenn ich mich richtig erinnere ..).