Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unseres TSV 1860 München gegen die U23 des SC Freiburg. Die sehr junge Mannschaft der Freiburger muss einen riesigen Umbruch verkraften. Was dürfen wir am Samstag vom Nachwuchs des SCF erwarten?

TSV 1860 München – SC Freiburg II, gegen die zweite Mannschaft der Breisgauer sieht die Bilanz für die Sechzger sehr positiv aus. Drei von vier Pflichtspielen konnten bisher gewonnen werden, nur einmal verloren die Löwen.

Fünfzehn Abgängen bei Freiburgs Nachwuchself stehen einundzwanzig Neuzugänge gegenüber. Am schwersten dürfte der Abgang von Keeper Noah Atubolu zur ersten Mannschaft der Breisgauer wiegen, aber auch Vincent Vermeijs, Tore werden beim SCF II bisher schmerzlich vermisst.

Das alles ist jedoch Vergangenheit. Was zählt ist das Hier und Jetzt. Und da kommt der SCF II diese Saison nur sehr schwer in Tritt. Mit nur zwei Siegen, und zwei Unentschieden in den bisherigen Spielen stottert der Motor der Südbadener vor allem was die Offensive betrifft sehr stark.

Thomas Stamm, Trainer des SC Freiburg II, setzt nach wie vor auf Systeme die gegen den Ball mit Viererkette agieren, das wird sich vermutlich auch gegen den TSV 1860 am Samstag nicht ändern. Von der Systematik her oft unterschiedlich aufgestellt ist der offensive Plan allerdings immer, so wie man das von Freiburg generell kennt, technisch hochwertiger Fußball mit Kombinationsspiel im Mittelfeld und hohem Druck auf die gegnerische Box nach Eindringen ins letzte Drittel.

Bisher kamen die Freiburger in ihren zehn Spielen mit fünf verschiedenen Systemen auf den Platz am häufigsten im 4-3-3. Ein Versuch gegen Ingolstadt mit Dreierkette zu agieren ging gehörig schief. Nach vier Gegentoren in diesem Spiel kehrte Stamm wieder auf die Viererkette zurück.

Der SC Freiburg kommt zudem sehr ausgeruht zum TSV 1860 nach München. Vergangenes Wochenende hatte der SCF II wegen der Abstellung von Mika Baur zum Jugend-Nationalteam spielfrei.

Ein herber Schlag ist der Ausfall des Keepers Niklas Sauter wegen einer Knieverletzung die er sich in den Schlussminuten gegen Lübeck zuzog.

Statistische Werte des SCF II

  • Ballbesitz 57% (Platz 3)
  • Passgenauigkeit 82%
  • defensive Zweikampfquote 65%
  • Flankengenauigkeit 33%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 9,66

Wie spielt Freiburg II?

Mit welchem System wir am Samstag rechnen müssen ist aufgrund der Variabilität der Breisgauer schwer vorherzusagen. Nachdem allerdings beide Siege des SCF im 4-1-4-1 erkämpft wurden, kann ich mir vorstellen, dass Thomas Stamm auch gegen Sechzig dieses System wählt.

Durch die komfortablen Möglichkeiten, aus diesem System heraus, je nach Spielsituation angepasst sowohl nach vorne als auch nach hinten unterschiedlich verschieben zu können, ist der SC Freiburg II, dessen Offensive ähnlich schwächelt wie die des TSV 1860 München, damit vermutlich, vor allem was das Spiel nach vorne betrifft am schwersten auszurechnen.

Bei Ballbesitz

Hat Freiburg den Ball im Positionsspiel, so verschiebt die Viererkette meist über die linke Seite asymmetrisch nach vorn, je nach Situation zeigt Freiburg auch dann und wann die sogenannte dynamische Dreierkette bei der beide Außenverteidiger ins Mittelfeld verschieben und dafür der tiefe Sechser in die Abwehrkette abkippt.

Beim Freiburger Nachwuchs setzt man klar auf Kombinationsspiel. Den Ball laufen lassen, kurze Kombinationen im Zentrum, wenn überhaupt, dann erst spät auf die Flügel wechseln, bzw. falls über Außen eröffnet wird, möglichst früh wieder zurück in die Halbräume oder das Zentrum und von dort aus Druck auf die Box ausüben ist das Credo der Freiburger U23.

Dass Freiburg obwohl sie den dritthöchsten Ballbesitz der Liga verzeichnen bisher die viertwenigsten Flanken schlägt ist Beleg dafür, dass das Spiel im Zentrum deutlich bevorzugt wird.

Generell ist für die Freiburger vor allem das Spiel im letzten Drittel vor dem gegnerischen Tor problematisch. Oft ungenau, fahrig, mit verzweifelten Einzelaktionen durchsetzt die selten zu Ballkontakten in der Box führen, hat Freiburg hier ein starkes Manko zu verzeichnen.

Zuspiele in die Box haben die Freiburger im Schnitt diese Saison ähnlich viele wie ihre Gegner. Der Erfolg dieser Zuspiele liegt allerdings um 21 Prozent unter dem der Gegner. Das führt bisher dazu, dass Freiburg die Mannschaft mit den im Schnitt wenigsten Schüssen pro Spiel ist. Erschwerend kommt hinzu, dass knapp die Hälfte dieser Schüsse von außerhalb der Box abgesetzt werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Freiburg bis ins letzte Drittel des Gegners hinein grundsätzlich ein gutes Spiel zeigt, aber dort dann Ideen und Durchschlagskraft sowie Passgenauigkeit zu wünschen übrig lassen.

Gegen den Ball

Ist der Gegner in Ballbesitz, zieht sich Freiburg schnell und diszipliniert zurück. Hohes Pressing wird im Normalfall nur dann eingesetzt wenn der SCF II in Rückstand gerät.

Die Pressing-Linie setzen die Breisgauer bisher meist mittig in der gegnerischen Spielfeldhälfte, die Defensivlinie wird dieser angepasst auf mittlerem bis leicht hohem Niveau aufgestellt um im Mittelfeld nicht zu viel Platz zu lassen.

Schafft es der Gegner sich nach Überspielen der Pressinglinie bis ins letzte Drittel der Freiburger durchzukämpfen, erwartet ihn dort eine 4-5 Formation vor der Freiburger Box.

Aufgrund der durch die Jugend der Freiburger Elf fehlenden Erfahrung und Abgeklärtheit sehen wir nach erfolgreichen Abwehrmanövern anstatt ruhigem Aufbau, knapp 30% häufiger als bei deren bisherigen Gegnern, sogenannte Befreiungsschläge.

Grundsätzlich sind die jungen Breisgauer gegen den Ball allerdings weder zimperlich noch zurückhaltend. Man könnte aufgrund des hohen Ballbesitzes der Nachwuchstruppe ja grundsätzlich vermuten, dass a) wenig Zweikämpfe geführt würden, und b) auch die abgefangenen Pässe deutlich niedrigere Zahlen aufweisen als die der Gegner im Schnitt. Dem ist allerdings absolut nicht so. Bei den Zweikämpfen gegen den Ball kommt Freiburg im Schnitt auf die gleiche Anzahl wie ihre Gegner und bei den abgefangenen Pässen stehen nur um knapp dreizehn Prozent weniger auf dem Konto als bei deren bisherigen Kontrahenten. Das entspricht exakt dem Wert den Freiburg seinen Gegnern gegenüber beim Ballbesitz im Schnitt im Vorteil ist.

Wie kann man Freiburg knacken?

Bei Ballbesitz

Wichtig wird es sein vor allem im Zentrum präsent zu sein. Die eigenen Flanken deckt Freiburg durch die permanente ballnahe Doppelbesetzung dort gut ab. Ballfern rücken die Freiburger Mittelfeldaußen gern auf die Halbposition ein um auch das Zentrum eng und schwer bespielbar zu machen.

Schnelle Kombinationen mit hoher Präzision vor allem im letzten Drittel und bei der Penetration der Box, Doppelpassspiel, das Mitaufrücken mindestens eines defensiven Mittelfeldakteurs und eines defensiven Außenspielers wird nötig sein um die, für gelungene Kombinationen, ausschlaggebende Überzahl herzustellen, wird essentiell sein.

Gegen den Ball

Genau wie in der Offensive ist gegen den SC Freiburg für den TSV 1860 München auch für die Defensive eine starke Zentrale wichtig. Freiburg kommt im letzten Drittel gern über die Halbpositionen oder durch die Mitte.

Die defensivtaktische Herangehensweise der letzten Spiele sollte somit auch gegen Freiburg fruchten.

Stärken und Schwächen des 4-1-4-1

Stärken

Die Stärken des 4-1-4-1-Systems sind sowohl gegen den Ball als auch in der Offensive Mannigfaltig.

Gegen den Ball

Mit zwei Viererketten gegen den Ball zu spielen, macht die Räume für den Gegner meist sehr eng. Dadurch entsteht ein eng gestricktes Netzwerk in dem sich die Spieler gegen den Ball gegenseitig breit absichern können. Die zwei Viererketten ermöglichen gute Orientierung für Spieler, vor allem während Spielsituationen in denen gemeinschaftliches Handeln vonnöten ist. Beim Verschieben zum Beispiel machen sich diese guten Orientierungsmöglichkeiten positiv bemerkbar.

Eine weitere Stärke ist die fast perfekte Raumaufteilung, welche gegen den Ball die meisten Spielfeldbereiche abgedeckt. Speziell die kompakte Verbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld führt oft zu Vorteilen gegen den Ball und somit zur häufigen Eroberung zweiter Bälle, um danach mit gleich mehreren Anspielmöglichkeiten einen schlecht ausrechenbaren Gegenangriff zu starten.

Weil das System auch in der Breite kompakt gegen den Ball ist, hat man überall auf dem Feld rasch Zugriff auf den ballführenden Gegenspieler. Im 4-1-4-1 wird andauernd die moderne Maxime verfolgt, dass der ballnächste Spieler permanent Druck gegen den Ball ausübt. Hohes Pressing regiert diese Formation im Normalfall.

Eine spezielle Rolle im 4-1-4-1 nimmt der defensive Mittelfeldspieler ein. Er muss durch sein Stellungsspiel a) Pässe des Gegners zwischen den Ketten ins letzte Drittel verhindern, oder abfangen und b) dafür sorgen, dass die Viererkette möglichst lange auf einer Linie verteidigen kann. Falls es nötig wird, dass ein Innenverteidiger herausrückt, muss er in die Abwehrkette abkippen.  Wenn der Gegner über außen kommt kann der Sechser obendrein, indem er in die Kette abkippt, den Außenverteidiger absichern.

Bei Ballbesitz

In der Offensive beruht die Stärke des Systems 4-1-4-1 wie weiter oben schon beschrieben in der Flexibilität durch Verschiebungen in der zweiten Kette. Dass man “on the fly” auf verschiedene Offensivsysteme verschieben kann ist ein großer Vorteil dieser Grundaufstellung. Wenn man technisch versierte, schnelle, torgefährliche, intelligente Mittelfeldspieler, oder Stürmer die als falsche Neun, hängende Spitze, Schattenstürmer oder Raumdeuter ins Mittelfeld abkippen können hat, gibt es vermutlich kein System, das sich so schwer ausrechenbar zeigt wie dieses.

Schwächen

Bei Ballbesitz

Vor allem der Solostürmer kann eine Schwäche sein, wenn die Mittelfeldspieler sowohl außen als auch im Zentrum, ihre offensiven Aufgaben nicht gut genug ausführen. Daher kann es vorkommen, dass der solitäre Stürmer zu sehr isoliert wird und ohne Bindung zum Spiel agiert. Wer sich mit Taktik nicht auskennt (was keine Schande ist) wird dann beim Stürmer die Schuld suchen. Dass es aber an einer Fehlinterpretation der Position seiner Mitspieler liegt wird oft nicht erkannt.

Wenn jedoch ein bis zwei Mittelfeldspieler, situativ immer wieder nach vorne schieben und selbst Torgefahr ausstrahlen, hat man auch mit nur einem Stürmer im System ausreichend Manpower im der vordersten Linie.

Gegen den Ball

Wenn der Sechser gegen den Ball nicht immer voll konzentriert zu Werke geht, oder auch bei Kontergegenstößen nach Standards, oder wenn das Pressing schlampig ausgeführt wird, sind auch in der defensive Schwachstellen vorhanden die ein Gegner aufdecken und ausnutzen kann.

Da das Spiel im 4-1-4-1 sehr von den Offensivqualitäten und der Ballsicherheit der Flügelverteidiger abhängt, besteht logischerweise, falls einer dieser Spieler im Vorwärtsgang den Ball verliert, immer die Gefahr, dass sich, wenn der Sechser dann verschieben muss, im Zentrum vor der Viererkette Lücken im Raum ergeben, die vom Gegner erfolgreich ausgenutzt werden könnten.

Schlüsselspieler

Tor

Vermutlich wird der 22-jährige Sebastian Hornung (#44) für den verletzten Stammkeeper Sauter im Tor stehen. Da ich zu ihm keinerlei aktuelles Videomaterial zur Verfügung habe, kann ich seine Stärken und Schwächen leider nur anhand den bei seinem vorigen Verein VFB Stuttgart II aufgeführten statistischen Werten einschätzen. Mit 1,82 Metern Körpergröße ist Hornung wahrlich kein Riese im Tor. Es stehen allerdings rein statistisch gesehen gute Werte für ihn bei den für die Strafraumbeherrschung wichtigen Kriterien. Auch seine Reflexe scheinen ein gutes Niveau zu haben. Eher schlecht sieht es dagegen bei den Werten im Eins-gegen-Eins aus. Grundsätzlich kassiert er zwar mehr Tore als er sollte. Die Diskrepanz zwischen dem xCG Wert und den tatsächlich kassierten Toren pro Spiel ist jedoch so gering, dass das vernachlässigbar ist.

Abwehr

Der vom FC Schaffhausen zu den Breisgauern gewechselte Serge Müller (13) glänzt mit einer Zweikampfquote von 75%. Obendrein ist er ein sehr schneller und auch kopfballstarker Verteidiger. Für die Eröffnung ist allerdings meistens sein Nebenmann Bichsel, zuständig.

Mittelfeld

Julian Stark (#11), ist der wohl wichtigste Spieler der Freiburger im Mittelfeld. Der Allrounder in der Zentrale hat sowohl offensive als auch defensive Qualitäten. Er ist durchaus dribbelstark aber nicht unbedingt der schnellste Spieler auf seiner Position. Allerdings zeigen seine bisherigen Leistungen sein gutes Auge für sich entwickelnde Spielsituationen. Sein gutes Timing und die hohe Präzision bei Pässen in der Offensive sind für einen Spieler seines Alters sensationell. Er ist allerdings kein Spieler der häufig in der direkten Vorbereitung eines Abschlusses glänzt. Er lenkt das Spiel nach vorne aus dem Zentrum.

Sturm

Maximilian Breunig (#29) zählt auch zum erweiterten Kader der Bundesligamannschaft. Er hat mit je zwei Treffern in fünf Spielen die beste Quote. Mit sehr schussgenau agierende  Breunig ist der gefährlichste Mann beim SCF. Aber auch Rechtsaußen Ryan Johansson (28) verschafft bei 67% Schussgenauigkeit den gegnerischen Torhütern viel Arbeit.

Fazit

Statistisch gesehen, sollte es für den TSV 1860 München gegen den SC Freiburg II mit einem selbst erzielten Treffer zu mindestens einem Punkt reichen.

Nichtsdestotrotz erwarte ich gegen die momentan noch schwächelnden Freiburger, trotz deren Achtungserfolg auswärts gegen Lübeck vor zwei Wochen, in einem Heimspiel einen Sieg.

Ich hoffe auf eine, auch in der Offensive, mutig auftretende Mannschaft. Zentral darf man diesmal keine Lücken nach vorne reißen lassen. Wenn man konsequent aber dosiert aus der Defensive mit nach vorne schiebt und gegen den Ball stets konzentriert spielt und bis zum Umfallen kämpft, beißt, kratzt bleiben die drei Punkte in Giesing.

Was ich nicht sehen möchte sind wieder große Abstände zwischen den Sechsern und der Offensive im Mittelfeld. Diese haben ja in den letzten Spielen immer wieder dafür gesorgt, dass die Löwen bei Ballbesitz im letzten Drittel des Gegners unterbesetzt und somit leicht zu verteidigen waren.

Gegen Freiburg muss man überall auf dem Platz mit Dominanz und Vehemenz zeigen, wer der Herr im Haus ist.

So könnte Freiburg beginnen

Datenquelle: Wyscout

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KaiKiste1860

Servus Bernd, in gewohnter Manier mal wieder eine solide Beschreibung. Freiburg II wird morgen eine Wundertüte werden, letzte Woche frei und mit zwei Spielern zurück, die zuletzt in der Bundesligaelf standen. Die spielen in der Regel im 4-1-4-1, nach Deiner Ansicht bei der Wunschaufstellung der Sechzger.de-Redakteure, siehst 1860 in der gleichen Anfangsformation, dabei tanzt Du aber aus der Reihe. Ich hatte mich in einem Kommentar Deiner Wunschformation angeschlossen gehabt. In der Abwehr hätte ich nur Kwadwo gegen Lang getauscht. Ja, Zwarts braucht da mehr Unterstützung, deshalb die offensivere Viererkette. Gegen den Ball muss diese aber auch funktionieren.