Ein Herzliches Grüßgott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen den SC Verl.

Mit drei externen Neuzugängen und einem Spieler, der aus der U19 hochgezogen wurde, verstärkte bzw. ergänzte Verl ein schlagkräftiges Drittligateam während des Transferfensters auf vier Positionen, um keine Zweifel am Klassenerhalt in der Rückrunde aufkommen zu lassen. Was erwartet den TSV 1860 München am Sonntag ab 13 Uhr gegen den SC Verl?

Michél Kniat, der seit der vergangenen Rückrunde die sportlichen Geschicke des SC Verl leitet, setzt wie sein Vorgänger Capretti auf die offensiv ausgerichtete 4-3-3 Formation. Durch den jährlichen Aderlass an technisch hochbegabten Spielern muss sich Verl aber immer wieder dem Problem stellen die Spielphilosophie dem Spielermaterial geringfügig anzupassen.

Mit dem Verlust einiger wichtiger Spieler wurde das Spiel des SC Verl seit Sommer etwas zentrumslastiger als noch in den Saisons zuvor. Die Addition von Batista-Meier und Meijer im Winter könnte das über die Zeit ändern. Sobald beide Spieler die nötige Bindung ans Team finden, wird sich auch im Spielplan der Verler etwas ändern. Für das Spiel TSV 1860 – SC Verl am Sonntag können wir davon ausgehen, dass die Gäste technisch guten, kontrollierten Offensivfußball mit Schwerpunkt auf Ballbesitz und das Spiel in der Halbzentralen zeigen wollen.

Bevor wir näher darauf eingehen, gibt es hier zunächst die statistischen Werte der Verler.

Die wichtigsten statistische Werte des SC Verl

  • Ballbesitz 55% (zweitbester Wert der Liga)
  • Passgenauigkeit 80%
  • Defensive Zweikampfquote 63%
  • Flankengenauigkeit 34%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 6,78 (bester Wert der Liga)

Wie spielt der SC Verl?

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz spielt Verl wie gesagt nicht mehr so auf die Flügel fixiert wie noch in den vergangenen Spielzeiten. Verls Angriffe laufen im Positionsspiel aus dem 4-3-3 meist wie folgt ab: die Ostwestfalen halten den Ball gerne lang in den eigenen Reihen, um in dem Moment, wo sich die offensiven Spieler auf den Halbpositionen im Mittelfeld durch gegenseitiges Verschieben in der Horizontalen Freiräume geschaffen haben, zuzubeißen wie eine Kobra auf der Jagd.

In dem Moment, in dem Verl die Gelegenheit bekommt den freien Mann im Mittelfeld anzuspielen, setzt sich die Offensivmaschine des SC in Gang. Jeder Spieler, der seine Zuständigkeit nicht hauptsächlich in der Arbeit gegen den Ball hat, marschiert nach vorn und/oder verschiebt mit einem Mitspieler horizontal oder kreuzend. Diese Bewegungen von innen nach außen und umgekehrt sorgen für Platz im Zentrum, weil auch bei Raumverteidigung der jeweilige Gegenspieler seinen Kontrahenten nicht frei ziehen lassen kann.

“Findet” der Ball dann den Spieler im freien Raum – je nach Zone ist das der Box-to-Box Spieler oder der tiefe Sechser – erspielt Verl sich mit seinen Ãœberfällen ins gegnerische letzte Drittel überdurchschnittlich viele Torchancen. Die überdurchschnittlich hohe Quote an Fehlschüssen bisher (drittschlechteste Chancenverwertung) sollten die Neuzugänge Meijer und Bastista Meier mit der Zeit beheben.

Verl durchbricht also kurz gesagt mit Hilfe permanenter Positionswechsel in der Halbzentrale und auf den Außenpositionen an den Schnittstellen auf den Halbpositionen die gegnerische Abwehrformation und sorgt für brenzlige Situationen im gegnerischen Sechzehner.

Gegen den Ball

In der Defensive sind die Verler keine Kinder von Traurigkeit. Verl führt die zweitmeisten Zweikämpfe gegen den Ball und ist zusätzlich eine der Mannschaften, die über gutes Stellungsspiel überdurchschnittlich viele Bälle des Gegners abfängt.

Das Pressing des SC Verl ist dual ausgelegt und gleichzeitig auf direkten Ballgewinn sowie die Ausnutzung tiefer Pressingfallen ausgerichtet. Auf mittlerer bis hoher Linie ist es gut dazu geeignet um einen Gegner bereits tief in der eigenen Hälfte unter Druck zu setzen.

Die Spieler des SC Verl sind in Abhängigkeit vom gegnerischen Ballbesitz übrigens die Mannschaft, die am häufigsten Foul spielt und die meisten Zweikämpfe führt. Man darf sich also generell auf eine etwas härtete Gangart einstellen.

Stärken und Schwächen des 4-3-3 offensiv

Stärken

Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.

Schwächen

Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnutzen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld. Verl versucht dieses Manko mit offensiv aufrückenden Flügelverteidigern zu kompensieren.

Wie kann der TSV 1860 den SC Verl knacken?

Wie kann der TSV 1860 München den SC Verl knacken? Planvolles Überspielen der Pressinglinien gelingt den Gegnern des SC Verl meist nur über klugen Kombinationsfußball, der viel Laufarbeit auf den Außenpositionen und im Zentrum des Mittelfelds verlangt. Wer das nicht auf den Platz bringen kann, wird sein Heil im langen Holz suchen und an den Pressingfallen des SC Verl scheitern.

Der Kampf um den zweiten Ball nach langem Zuspiel ist nur überaus selten ein vom Gegner des SC Verl gewonnener.

Daraus folgt: wer bei Ballbesitz der eigenen Mannschaft gegen Verl ohne Ball nicht permanent läuft und freie Räume sucht, um angespielt zu werden, wird gegen Verl keinen Erfolg haben.

Gelingt es den Ball bis ins letzte Drittel der Verler zu behaupten, ist das Eindringen in die Box des SC Verl im Normalfall weniger das Problem, als sich dort gegen kompakt stehende Verler eine gute Schussposition zu erarbeiten.

Die hohe Anzahl an geblockten Schüssen bei gleichzeitig nur durchschnittlicher Anzahl an zugelassenen gegnerischen Schüssen sind ein Indikator dafür, wie konzentriert und akribisch die Verteidigung des SC Verl arbeitet.

Wenn die kommenden Gäste der Löwen den Ball haben, darf man den einschläfernden Stil der Verler beim Aufbau im Positionsspiel nicht unterschätzen. Wie weiter oben beschrieben timen die Verler genau den Moment der aus dem Spiel hintenherum plötzlich erfolgenden Attacken. In diesen Momenten muss man als Verteidiger hellwach sein, um dann den Gegenspieler nicht zu verlieren und Lücken reißen zu lassen.

Schlüsselspieler

Abwehr

Torhüter Niklas Thiede (#1) ist sehr stark bei der Strafraumbeherrschung und auch in Puncto Reflexe hat er kaum Schwächen. Thiede hält auch sogenannte Unhaltbare. Er ist meiner Meinung nach momentan einer der Top Torhüter der Liga.

Daniel Mikic (#4) ist der Anker der Verler Abwehrkette. Mikic ist ein knochenharter Innenverteidiger, der kaum einen Zweikampf gegen den Ball verliert und obendrein noch den Turbo im Gepäck hat. Laufduelle gegen ihn gewinnen nur die schnellsten Stürmer in der 3.Liga. Auch in der Spieleröffnung ist er ein wichtiger Teil der Verler. Fast jeder Positionsangriff wird zunächst über ihn eingeleitet. Sein Manko ist eine deutliche Unterlegenheit bei Luftduellen.

Mittelfeld

Der defensive Mittelfeldspieler Tom Baack (#5) ist offensiv wie defensiv ein wichtiger Baustein beim SC Verl. Seine statistischen Werte sind in den positionsrelevanten Kategorien, abgesehen von den gewonnenen Kopfballduellen, alle überdurchschnittlich. Defensive Zweikampfstärke gepaart mit hoher Passgenauigkeit und einer für diese Position eigentlich ungewöhnlich hohen Dribbelstärke machen Baack offensiv wie defensiv zu einer tragenden Figur.

Kapitän Maël Corboz (#27) ist der Mittelpunkt im Verler Angriffsspiel. Sein genaues Passspiel, die schnelle Auffassungsgabe für sich entwickelnde Spielsituationen, sein Tempo und seine technischen Fertigkeiten bei der Verarbeitung des Spielgräts sind im Spiel nach vorn Gold wert. Bei Dribblingversuchen kann er sich allerdings kaum durchsetzen.

Im Spiel gegen den Ball arbeitet er als vorbildlicher Kapitän fleißig nach hinten mit.

Sturm

Im Sturm hat sich bei Verl im Verlauf der Saison kein Spieler bisher als tatsächlicher Schlüsselspieler entpuppt. Ob dieses Vakuum nun einer der Neuzugänge Oliver Batista-Meier (#17) oder Stijn Mejer (#14) füllen kann, wird die Zeit zeigen. Mit dem aus Zwolle in den Niederlanden zum SC Verl verliehenen Meijer könnte das Puzzleteil zur erfolgreicheren Chancenverwertung gefunden worden sein. Mit erst zwei Spielen, die er beide nicht über die volle Distanz bestritt, ist es jedoch genau wie bei Batista-Meier (vier Spiele) noch zu früh, um hier abschließend eine Bewertung zu fällen.

Fazit

In der momentanen Verfassung der Mannschaft und nach der Korrektur der Saisonziele ist weniger das Ergebnis des Spiels TSV 1860 – SC Verl, als viel mehr das Auftreten der Mannschaft wichtig. Wobei meiner Meinung nach das Resultat sicherlich nicht negativ sein wird, wenn die Mannschaft sich zusammenrauft und endlich das Gesicht zeigt, das sie aufgrund der fußballerischen Qualität zeigen können müsste.

Eine Frage wird sein, ob die Spieler, die bisher einen leistungsunabhängigen Freibrief hatten, nun vor dem Spiel die Quittung für ihr mannschaftsschädliches Verhalten auf dem Platz bekommen oder ob es noch ein Spiel Bewährung für die Leistungs- und Mannschaftsdienlichkeitsverweigerer geben wird.

Die diversen unter der Woche von verschiedenen Seiten kolportierten Forderungen seitens der Mannschaft und Aussagen, die angeblich aus dem Mannschaftskreis stammen sollen, stimmen mich persönlich allerdings sehr pessimistisch, was das Spiel am Sonntag angeht.

Was für einen Charakter habe ich bitte als Spieler, wenn ich gegenüber Pressevertretern in der momentanen Situation, die an sich schon Motivation genug sein sollte, einen Motivator als Trainer fordere?

Was für eine Meinung habe ich von meinen Mitspielern, wenn ich die Aussage, dass die Saisonziele nach unten korrigiert werden, bereits vor dem Spiel als Alibi für meine Mitspieler bezeichne?

Wenn das stimmt, was da an Informationen umher geistert, frage ich mich schon: “Warum Bist Du, der so etwas sagt, Fußballprofi und nicht Beamter?” (Stichwort Dienst nach Vorschrift) Als Fußballprofi einen Trainer/Motivator zu fordern, damit er mich motiviert meinen Beruf vernünftig zu betreiben, halte ich für eine Bodenlosigkeit sondergleichen. Lieber Profi, Du hast einen Traumberuf! Wozu willst Du denn noch motiviert werden?

Reißts Eich zsamm und kämpfts um jeden Meter. Mehr gibt es nicht zu sagen.

So könnte der SC Verl gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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deare

Von welchem Spieler sind denn die Aussagen zum Trainer? Ich hab da nichts mitbekommen…

coeurdelion

der Faktencheck ist wie immer erstklassig und sehr aufschlussreich! 1a-Job vom Bernd wie gewohnt!
erschüttert hat mich der letzte Abschnitt…er trifft zu 1860% mitten ins Löwenherz

Aschlegel

Ich bin sogar am Überlegen, ob ich am Sonntag den Fernseher einschalte. Es ist für mich ein unerträglicher Gedanke, dass ein Fußballprofi nicht alles für den Verein gibt, den wir alle schon so lange im Herzen tragen. Noch so eine 2. Halbzeit wie gegen Meppen ertrage ich nicht. Da mache ich mir dann lieber einen Cappuccino und hole mir ein gutes Buch aus dem Regal.

Urloewe

Bitte Stadion statt Fernseher, wenn möglich!

Urloewe

P.S
wir zwei könnten bei Gelegenheit ja mal mitmachen bei so einem sechzger Talk.
Was hältst du davon?

Jan Schrader

Nur zu – gerne bei Christian oder mir melden 🙂

Aschlegel

Ja, machen wir gerne mal demnächst.

Aschlegel

Leider nicht möglich, da ich seit 1 1/2 Jahren in Thüringen lebe. Und das liegt nicht gerade im Münchner S-Bahn-Bereich. Ich bin zwar hin und wieder in München, aber da war entweder kein Heimspiel oder ich habe schlicht keine Karte mehr bekommen.

Aber was hinter Deinem Tipp steckt, kann ich nur unterschreiben. (Schlechte) Löwenspiele kann man viel leichter im Stadion ertragen, als hier alleine vor dem Fernseher.

Bernie

Sehr gute Analyse wie immer. Wenn das alles so stimmt, dann sind die Stärken der Verler aktuell genau die Schwächen der Löwen. Hoffen wir, dass uns die Löwenmannschaft zur Abwechslung wieder mal positiv überrascht.