Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel TSV 1860 München – SSV Ulm 1846. Was müssen die Löwen von den Gästen aus der Donaustadt erwarten?

TSV 1860 – SSV Ulm, das Hinspiel war ein absoluter Offenbarungseid was Spielkultur und Einsatzwille betrifft. Dank der – durch die vernünftigen Personalentscheidungen mittels 50+1 durch die Entscheidungsträger im e.V. – während der Winterpause erfolgten Neubesetzung auf der Trainerbank, brauchen wir, denke ich, vor einem Rückfall keine Angst haben, was diese Kriterien betrifft. Trotzdem wird es kein Spaziergang werden, wenn die Löwen auf die Spatzen treffen.

Thomas Wörle, Trainer des SSV Ulm 1846, wird seine Spatzen gegen die Löwen des TSV 1860 vermutlich im 3-4-3 aufs Feld schicken.

Im Pressing spielt Ulm variabel. Es fällt nach wie vor auf, dass dann eher hoher Druck auf den gegnerischen Spielaufbau ausgeübt wird, wenn es noch Unentschieden steht oder der Gegner einen Torevorsprung hat. Bei eigener Führung lässt der Druck auf den Spielaufbau des Gegners nach.

In der Defensivlinie steht Ulm dem angepasst im Pressing hoch bis sehr hoch, bei zurückgezogenerer Pressinglinie dementsprechend tiefer. Allerdings ist die Formation der Linien abhängig vom System des Gegners beim Aufbau im Positionsspiel.

Bevor wir uns der Spielweise des SSV Ulm widmen, die statistischen Werte des kommenden Gegners.

Statistische Werte des SSV Ulm 1846

  • Ballbesitz: 50%
  • Passgenauigkeit: 78%
  • Defensive Zweikampfquote: 62%
  • Flankengenauigkeit: 36%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,5

Spielweise der Spatzen

Bei Ballbesitz

Ulm spielt mittlerweile weniger über die Flügel als noch zu Beginn der Saison. Im Positionsspiel befreit man sich variabel – sofern vorhanden – aus dem Pressing des Gegners und versucht früh nach Überqueren der Mittellinie bereits in die Halbzentrale oder die Zentrale zu kommen.

Horizontale Verschiebungen von der ballfernen Seite ausnutzend, soll im weiteren Verlauf eines Angriffs die gesamte Breite den Spielfelds beansprucht werden, um ins letzte Drittel einzudringen. Im Idealfall läuft der Ball also innerhalb der Viererreihe im Mittelfeld nach Eindringen in des Gegners Hälfte und vor Erreichen des letzten Drittels diagonal nach vorne über mindestens drei verschiedene Spieler.

Die Varianten sind hier allerdings vielfältig und oft sehr kreativ. Man sieht Ballstafetten über die komplette Breite ebenso wie Aktionen, die entweder nur bis auf die innere Halbposition oder das Zentrum und dann wieder zurück auf die andere Seite gehen.

Schafft es der Gegner, dieses variable diagonale Spiel zu unterbinden und die Ulmer auf den Flügeln zu halten, ist das Vordringen der Spatzen ins letzte Drittel zwar einerseits trotzdem schwer zu verhindern, andererseits sinkt die Chancenqualität der Ulmer bei Angriffen von außen stark ab.

Wenn der Gegner nicht aggressiv gegen den Aufbau der Spatzen presst, sehen wir ein direkteres Muster, mit vertikalen Versuchen schnell durch die Mitte ins Zentrum vor oder in den gegnerischen Strafraum zu kommen. Allerdings gilt auch hier das Gleiche wie bei der Variante gegen hohes Pressing. Wenn also der Gegner sich dort gegen den Ball anpasst und somit gut gestaffelt positioniert, Ulm entweder leicht auf die Flügel zu verdrängen ist oder die Spatzen sich zentral verzetteln und man Umschaltsituationen kreieren kann.

Im letzten Drittel des Gegners formiert sich Ulm meist in einer ballfern horizontal in Richtung des ballnahen Flügels verschobenen asymmetrischen 3-4 Formation, wenn über den Flügel gespielt wird. Kommen die Spatzen durch die Mitte, sehen wir mit den beiden ins Sturmzentrum einrückenden Flügelstürmern und dem dann etwas zurückhängend spielenden Mittelstürmer eine 4-1-2 Formation im letzten Drittel.

Gegen den Ball

Wie oben beschrieben, hängt das Pressingverhalten der Ulmer stark vom Spielstand ab. Offensiv als auch defensiv ist das Spiel der Spatzen vor allem für die Spieler auf den Außenpositionen im Mittelfeld sehr laufintensiv. Es ist also nicht unüblich, dass Ulm gegen den Ball im Pressing durchaus mal etwas vom Gas geht.

Das 3-4-3 so wie Ulm es gegen den Ball spielt, sieht vor, dass der ballnahe Mittelfeldaußenspieler weiter abkippt als der ballferne. Ein leicht asymmetrisches 5-3-2, das optisch manchmal wirkt wie ein 4-4-1-1, ist im letzten Drittel das, womit der SSV den Gegner am Kreieren von Chancen hindern möchte.

Steht bei Ulm die Pressinglinie tief und gleichzeitig die Defensivlinie hoch, wird auf Bälle in tiefe Pressingfallen spekuliert, was oft in hartem Kampf um den zweiten Ball endet.

Stärken und Schwächen des Systems 3-4-3

Stärken

Das 3-4-3 bietet mit seiner exzellenten Tiefenstaffelung im Zusammenspiel mit taktischer Disziplin im Positionsspiel sehr variantenreiche Spielzüge im Aufbau. Gerade für spielstarke Teams ist dieses System daher eine wahnsinnig effektive Waffe. Angriffspressing und Gegenpressing können mit der Überzahl an Offensivspielern gut umgesetzt werden. Diese Überzahl verhilft der Mannschaft im 3-4-3 auch im letzten Drittel zu hoher Variabilität.

Schwächen

Die Dreierabwehrkette muss situativ immer wieder aus dem Mittelfeld heraus verstärkt werden, wenn der Gegner sich aus dem Pressing befreien kann. Das 3-4-3 stellt hohe Anforderungen an die individuelle Stärke der Spieler sowohl mit als auch gegen den Ball. Wenn die Spieler ihre Rollen im taktischen Konzept nicht einhalten, kann das Spiel im 3-4-3 leicht zum Debakel werden. Außerdem ist es sehr konteranfällig.

Wie kann man Ulm knacken?

Bei Ballbesitz

Ulm spielt gegen den Ball mit äußerst intelligenten Verschiebungen, die Umschaltsituationen stets schnell ermöglichen. Daraus folgt, dass die Löwen hohe Laufbereitschaft und positionelle Variabilität im Mittelfeld zeigen müssen, um Ulmer Spieler aus den Positionen zu zerren. So muss es gelingen, Räume zu schaffen, in die man dann aus der Tiefe mit progressiven Pässen oder mit dynamischen Läufen eindringt. Flexibilität und Antizipation des ballführenden Spielers für Laufwege werden offensiv im Mittelfeld und im letzten Drittel entscheidend sein.

Gegen den Ball

Ulm muss man mit Galligkeit die Spielfreude nehmen. Die Spatzen werden natürlich grundsätzlich als gefährlicher Gegner einstuft, aber es wird deutlich, dass beim SSV häufig Fahrigkeit und Ungeduld in der Offensive einsetzt, wenn mit gesunder Härte agiert wird und im Stellungsspiel des Gegners der Hintermann sofort übernehmen kann.

Im eigenen letzten Drittel gilt es vor allem zentral gegen die mögliche 4-1-2 Formation, die deshalb sehr gefährlich wird, weil sie klare Zuordnungen verlangt und Raumdeckung hier tödlich sein kann, richtig zu antizipieren und die Stürmer beim Kreuzen im richtigen Moment zu übergeben.

Läufen über die Flügel des SSV kann man den Zahn über Dopplungen von der Sechserposition und Abkippen vom Mittelfeldflügel ziehen. Kommen die Ulmer durch, muss man natürlich auf die Flanken der Spatzen aufpassen. Gefährlicher wird es allerdings, wenn die Außenspieler über die Halbpositionen an der Schnittstelle zum letzten Drittel nach innen ziehen. Hier wird wieder das gute Stellungsspiel der Sechser und deren Zweikampfverhalten wichtig sein, um Gefahr von der Box fernzuhalten.

Die Schussgenauigkeit der Spatzen ist die drittbeste der Liga. Deshalb ist es absolut wichtig, möglichst wenige Schusssituationen entstehen zu lassen. Ulm schafft es, auch aus Chancen geringer Qualität häufig Tore zu erzielen. Deshalb sollten die Spieler des TSV 1860 München im Spiel gegen den SSV Ulm 1846 möglichst versuchen, Ballkontakte des Gegners in zentralen Bereichen des Strafraums zu unterbinden und dort immer nah am Mann stehen.

Schlüsselspieler

Tor

Christian Ortag (#39), Torhüter des SSV, ist ein Keeper, der mit einer Größe von 1,97 m klar den Luftraum seines Strafraums beherrscht. Trotz seiner Größe ist er ein beweglicher und reflexstarker Schlussmann. Im Eins gegen Eins gibt er bisher in der Liga keine allzu gute Figur ab, in der Regionalliga waren seine Werte hier noch deutlich besser. Alles in allem ist Ortag ein solider Schlussmann mit etwas Luft nach oben was die Performance angeht.

Abwehr

Johannes Reichert (#5) ist der Kapitän und Chef in der Defensive in der Zentrale der Dreierkette. Im Stellungsspiel ist seine Fähigkeit, Situationen zu antizipieren, hoch und sorgt für viele Ballgewinne. Er ist durchschnittlich zweikampfstark im Vergleich mit Kollegen auf der gleichen Position. Auch was gewonnene Kopfballduelle im Vergleich mit anderen Spielern auf seiner Position anbelangt, ist er nicht ganz oben anzusiedeln. Für den eröffnenden Pass im Positionsspiel sind seine Kollegen links und rechts von ihm verantwortlich.

Mittelfeld

Mit Philipp Maier (#26) hat Ulm einen der defensiv stärksten Sechser der Liga auf dem Feld. Allerdings sind im 3-4-3 der Ulmer auch seine offensiven Qualitäten wichtig. Maier ist einer der zehn besten Zwei-Wege-Sechser der Liga. Als Bindeglied zwischen Abwehr und Offensive und als zentrale Lebensversicherung vor der Abwehr des SSV spielt er beim Aufsteiger eine klasse Saison

Max Brandt (#23) agiert in der offensiveren Rolle der beiden zentralen Mittelfeldspieler. Von ihm kommen bei Angriffen die meisten Ideen, zudem ist er extrem passsicherer, sehr dribbelstark und hat einen starken Drang nach vorne. Auch gegen den Ball macht er eine – für einen Spieler, der eher die feine Klinge führt – gute Figur.

Sturm

Die bisher größte Gefahr geht von Léo Scienza (#22) aus. Der Linksaußen ist nicht auf seiner Position festgenagelt. Oft weicht er ins Zentrum aus und spielt im Halbraum vor dem abkippenden Mittelstürmer. Gute Technik, gutes Passspiel und hohe Schussgenauigkeit bringen sieben Tore und acht Vorlagen auf sein Konto. Allerdings ist sein Pendant auf der gegenüberliegenden Seite, Dennis Chessa (#9), nicht weniger gefährlich. Mit neun Treffern und vier Vorlagen braucht er sich ebensowenig verstecken.

Fazit

Zuhause sind für den TSV 1860 München immer drei Punkte möglich, auch gegen den SSV Ulm 1846. Wer diese Punkte allerdings als gegeben ansieht, befindet sich auf dem Holzweg. Man muss Ulm über 90 Minuten konzentriert und voller Einsatzbreitschaft gegenübertreten, sonst kommt man unter die Räder.

Die richtige Taktik wird die Mannschaft des TSV 1860 München auch diesmal vom Trainer mit auf den Weg bekommen. Da brauchen wir uns, seit Argirios Giannikis das Ruder auf der sportlichen Kommandobrücke übernommen hat, keine Gedanken mehr zu machen. Auch dass die Mannschaft das Konzept umsetzen wird, ist zu erwarten. Erfolg oder Misserfolg hängen von der Konzentrationsfähigkeit des Teams ab. Schaffen es die Löwen, konzentrierter zu agieren als der Gegner, sind drei Punkte und somit die Revanche für die Niederlage im Hinspiel möglich.

Für beide Vereine gilt es, die niederlagenlose Serie am Leben zu halten. Ich bin sehr gespannt auf dieses Spiel und darauf, ob wir vielleicht wieder einen Favoriten ärgern können.

So könnte Ulm beginnen

Datenquelle: Wyscout

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