Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen die SV Elversberg. Der unangefochtene Tabellenführer kommt mit leicht stotterndem Motor nach Giesing. Aus den letzten drei Spielen ergatterte Elversberg genau wie die Löwen lediglich zwei Punkte.

Am 27.Spieltag kommt es zum Duell zwischen dem TSV 1860 München und der SV Elversberg. Diese Paarung findet, was die erste Mannschaft des TSV 1860 anbelangt, zum ersten Mal in Giesing statt. Horst Steffen, Trainer der SVE, setzt im Normalfall auf eine 4-4-2 Formation mit Doppelsechs. Allerdings hat er uns schon im Hinspiel mit einem 3-4-3 (3-4-2-1) überrascht. Ob das wieder so kommt werden wir sehen. Ich gehe trotzdem wie schon vor dem Hinspiel vom 4-4-2 aus.

Nach wie vor definiert sich das Spiel der Elversberger über die Ausnutzung der gesamten Breite des Spielfelds. Im Positionsspiel wird das Spielgerät von der Mannschaft der SVE während eines Angriffs oft über mehrere Stationen schnell von Flügel zu Flügel transportiert. Das führt dazu, dass die Abwehrspieler des Gegners aus ihren Positionen gezogen werden. Aufgrund des hohen Spieltempos, das die heutigen Gäste an den Tag legen, ergeben sich dann oft große Lücken in der Abwehrkette der verteidigenden Mannschaft, wenn Elversberg im letzten Drittel angekommen ist. Das führt unweigerlich zu Torgelegenheiten für die SVE.

Bevor wir die Spielweise der Elversberger genauer unter die Lupe nehmen werfen wir wie immer einen Blick auf die wichtigsten statistischen Werte des Tabellenführers. Und wer sich die TAKTIKTAFEL lieber anhören möchte, dem möchte ich Winningers Wirtshaus Weisheiten ans Herz legen!

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz 53%
  • Passgenauigkeit 82% (zweitbester Wert der Liga)
  • defensive Zweikampfquote 61%
  • Flankengenauigkeit 37%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 8,58

Wie spielt die SV Elversberg?

Bei Ballbesitz

Aus dem tief gestaffelten 4-4-2 lässt Horst Steffen bei Ballgewinn zunächst über einen Außenverteidiger asymmetrisch ein 3-5-2 herstellen. Meist geschieht das über den rechten Flügel. Der rechte Außenverteidiger orientiert sich sehr offensiv nach vorne und fungiert als Schienenspieler, der die komplette Länge der Außenbahn nutzt.

Mit dem weit vorgeschobenen Außenverteidiger verschiebt sich das System über besagtes 3-5-2 auf ein äußerst offensives 3-4-3 flach, wenn der Angriff weiter in gegnerisches Territorium vordringt.

Nachdem der Ball aus den sogenannten pressingrelevanten Zonen des Gegners in dessen Verteidigungszone gebracht wurde, kippt meistens der defensive Mittelfeldspieler mit in die Restverteidigung ab während gleichzeitig der zweite Außenverteidiger ins Mittelfeld aufrückt.

Die Mittelfeldaußenspieler rücken beide auf die Halbpositionen hinter der Spitze. Das ergibt in der vordersten Linie dann eine 2-3 Formation, bei der der ballferne Außenspieler in der Offensivreihe von seiner Flügelposition nach innen verschiebt.

Das führt beim Gegner oft zu Zuordnungsschwierigkeiten und in der Folge zu Torchancen für die SV Elversberg, die es immer wieder schafft auf engstem Raum Lücken für Pässe zum freien Mann in der Box des Gegners zu finden und auszunutzen. Die hohe Schussanzahl (zweitmeiste Schüsse im Ligavergleich), die höchste Schussgenauigkeit der Liga und die Tatsache, dass die Gegner es auch weiterhin kaum schaffen alle gegnerischen Spieler in der eigenen Box zuzustellen führt bisher dazu, dass die Elversberger auch die meisten Tore schießen. Darüber hinaus ist die Anzahl der statistisch erwarteten Tore (xG) bei Elbersberg so hoch wie bei keinem anderen Team.

Gegen den Ball

Gegen den Ball steht die SV Elversberg im eigenen letzten Drittel konsequent mit zwei Viererketten tief.

Das Pressingverhalten nach Ballverlust ist nicht allzu aggressiv. Es werden zwar durchaus Aktionen gegen den jeweils ballführenden Spieler gesetzt. Diese haben allerdings eher störende Funktion, um fehlerhafte Zuspiele zu provozieren, als dass sie auf direkten Ballgewinn ausgelegt wären.

In der Rückwärtsbewegung zieht sich einer der beiden Stürmer mit zurück in die zentrale offensive Mittelfeldposition zwischen zwei dann noch hoch stehenden Mittelfeldspielern, während der andere Stürmer anläuft. Es entsteht in der Rückwärtsbewegung aus dem 3-4-3 also zunächst ein im Raum verteidigendes 4-2-3-1. Sobald der Gegner die Pressinglinien überspielt hat, etabliert sich dann das tief stehende 4-4-2 mit Doppelsechs.

Wie kann man Elversberg knacken?

Offensive

Staffelung und Stellungsspiel gegen den Ball sind bei der SV Elversberg höchst effektiv. Die Statistiken der gewonnenen Zweikämpfe und der abgefangenen Pässe bei Elversberg sind beide auf hohem Niveau. Der Tabellenführer taucht hier zwar nicht auf den Spitzenplätzen auf, in Addition aller defensiven Werte befindet sich die SVE allerdings auf Platz eins der defensiv effektivsten Teams. In bisher 26 Spielen musste Elversberg erst 23 Gegentreffer hinnehmen. Nur Freiburg II hat hier eine bessere Bilanz.

Diese Erkenntnisse sagen uns, dass schnelles Kombinationsspiel über die gesamte Breite des Feldes der Hebel sein wird, um die Formation der SVE auseinanderzuziehen und die Türen zum Tor öffnet.

Die zweite Möglichkeit wie der TSV 1860 München die SV Elversberg in Bedrängnis bringen könnte, ist präzises sowie vertikales Spiel in Umschaltmomenten. Dadurch könnte die stark überladene Offensive, mit der Elversberg agiert, bei einem Ballgewinn der Löwen auf dem falschen Fuß erwischt werden und dem Geschehen hinterherlaufen müssen. Bisher vernachlässigt die SVE die Restverteidigung bei eigenem Ballbesitz jenseits der pressingrelevanten Zonen des Gegners.

Da die SV Elversberg über eine relativ kleingewachsene Innenverteidigung verfügt, kann man davon ausgehen, dass wenn die Angriffe bis ins letzte Drittel vorgetragen werden, hohe Flanken ebenfalls eine wichtige Waffe sein können. Selbst wenn die Abwehr der SV Elversberg diese Flanken verteidigen kann, werden die Spieler diese eher ungenau klären und somit entweder für verwertbare zweite Bälle oder Eckstöße für den TSV 1860 München sorgen.

Mit diesen Mitteln kann zu Fehlern führender Stress erzeugt werden. Diese Fehler können zu Treffern führen, wenn der offensive Druck aufrechterhalten werden kann und klare Chancen im Zentrum erspielt werden.

Grundvoraussetzung dafür ist nach wie vor, dass unsere Spieler da weitermachen, wo man am Samstag offensiv aufgehört hat. Mannschaftsdienlichkeit, hohes Laufpensum sowie Konzentration sind weiterhin gefragt.

Gegen den Ball

Das auf Breite angelegte, schnelle Spiel der Elversberger nach vorn im Zaum zu halten ist kein leichtes Unterfangen. Es verlangt wie auch der offensive Plan viel Laufarbeit, vor allem von den Spielern auf den offensiven Mittelfeldpositionen.

Dadurch, dass Elversberg die eigene Offensive brutal überlädt und so das eigene Spiel in die Breite und die Defensivformation des Gegners auseinander zieht, müssen die drei Spieler der offensiven Mittelfeldreihe des TSV 1860 bei Angriffen der Elversberger zur Absicherung konsequent hinter die sich dadurch ergebenden Schnittstellen abkippen. Geschieht das nicht, wird Elversberg die entstehenden Räume gnadenlos ausnutzen und mit der Defensive der Löwen ein fröhliches “suchs Balli” spielen, welches mit dem ein oder anderen Gegentor bestraft werden wird.

Erst dreimal haben es die Gegner der SVE in dieser Saison geschafft, dass hinten am Ende die Null steht. Elversberg selbst schießt im Schnitt pro Spiel 2,38 Tore. Das bedeutet für die Löwen, dass es ohne selbst mindestens zweimal zu treffen vermutlich keinen dreifachen Punktgewinn geben kann. Allerdings wäre es in meinen Augen vermessen in der momentanen Situation des TSV 1860 in diesem Spiel einen Sieg zu erwarten.

Stärken und Schwächen des 4-4-2 Doppelsechs

Stärken

Es wird zunächst eine starke, doppelte Abwehrkette aufgebaut. Dadurch wird es möglich den Gegner auf den Flügeln zu doppeln und trotzdem im Zentrum kompakt zu stehen. So zwingt man den Gegner oft Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Passwege können aufgrund der guten Staffelung in Tiefe und Breite leicht zugestellt werden. Das 4-4-2 Doppelsechs deshalb als defensives System zu bezeichnen, wäre zu einfach.

In der Offensive liegen die Stärken klar auf den Außenpositionen. Sowohl die Außenverteidiger, als auch die Mittelfeldaußenspieler können für großen Druck auf den Flügeln sorgen.

Von den beiden defensiven Mittelfeldspielern im Zentrum übernimmt einer den offensiven Part (Box-to-Box Spieler) und der andere bleibt auf seiner absichernden Position. So kann man die Lücke im Zentrum zu den Stürmern schließen.

Wenn das Zusammenspiel der Mannschaftsteile gegen den Ball so funktioniert wie es in diesem System gewollt ist, zwingt man den Gegner oft auf die Flügel. Dieser muss dann mit Flankenläufen und hohen Bällen agieren, um den Ball ins Zentrum und vor das Tor zu bringen.

Schwächen

Die große Schwäche in diesem System ist normalerweise die Lücke zwischen Mittelfeld und Sturm. Sowohl bei eigenem Ballbesitz aber auch nach einem Ballverlust ist es wichtig diesen Raum schnell zu schließen.

Es fehlt ein Kreativspieler im Zentrum. Deshalb ist das zentrale offensive Mittelfeld ein Schwachpunkt. Offensive Kreativität entwickelt sich im 4-4-2 mit Doppelsechs vornehmlich auf den Außenpositionen.

Durch das Fehlen des “Zehners” wird dem Box-to-Box Spieler eine hohe Laufleistung abverlangt, damit sowohl offensiv als auch defensiv die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen schnell geschlossen werden.

Schlüsselspieler

Abwehr

Torhüter Nicolas Kristof (#20) wirkt mit seinen 23 Jahren einerseits noch recht unerfahren, andererseits kann der Deutsch-Österreicher bereits auf 135 Ligaspiele im Erwachsenenbereich zurückblicken. Das ist nicht gerade wenig. Überragende Reflexe seinerseits haben der SVE schon des öfteren den Sieg gerettet. Auch bei der Strafraumbeherrschung und im eins gegen eins ist Kristof schon weiter als gleichaltrige Kollegen. Wird der ehemalige U16 Nationaltorhüter Österreichs bezwungen, ist bisher der Vorwurf allein seinen Vorderleuten zu machen. Kristof ist nicht nur vom Eindruck aus den von mir angesehenen Spielen, sondern auch statistisch belegt der beste Keeper der Liga.

Der Schlüsselspieler in der Innenverteidigung ist Ex-Bundesliga Profi Marcel Correia (#13). Er verliert kaum einen Zweikampf gegen den Ball, in der Spieleröffnung auf den kurzen Wegen spielt er sehr präzise Pässe. Trotz seiner eher durchschnittlichen Größe von nur 1,86 m ist Correia vor allem wegen seines sehr guten Timings ein Spieler, der bei Flanken in die eigene Box meist die Oberhand in Luftduellen behält.

Mittelfeld

Thore Jacobsen (#31), der tiefe Sechser, und Luca Dürholz (#11) als Box-to-Box Spieler bilden die Mittelfeldzentrale. Die beiden Mittelfeldspieler agieren gegen den Ball meist auf gleicher Höhe sobald die vordere Kette etabliert ist und halten das Zentrum sauber. Gegen den Ball ist Jacobsen ein Ballmagnet, der unwahrscheinlich viele Pässe abfängt. Im Spiel nach vorne ist Dürholz ein Unruheherd, der gnadenlos beackert werden muss.

Jacobsen als tiefer Sechser schaltet sich gern in die Offensive ein, wenn er eine gute Möglichkeit sieht. Dürholz auf der anderen Seite ist der Spieler mit den meisten Ballkontakten pro 90 Minuten. Der Aufbau nach der Eröffnung läuft meist über ihn. Mit seiner guten Fähigkeit sich entwickelnde Situationen vorherzusehen ist er ein überaus wichtiger Baustein im zentralen Mittelfeld der Saarländer.

Wenn Jacobsen den Weg nach vorne antritt, ist er einer der gefährlichsten defensiven Mittelfeldspieler der Liga. Bereits neun Scorerpunkte hat er auf dem Kerbholz.

Julian Rochelt (#8) eigentlich gelernter linker Außenstürmer, wird in der Systematik 4-4-2 auf der linken Mittelfeldseite aufgeboten. Seinem drang dennoch aufs Tor zu gehen kann und soll er aber durchaus weiterhin nachgehen. Das macht Rochelt mit Bravour. Zweiundzwanzig Scorerpunkte elf Tore und elf Vorlagen hat er schon zum Erfolg der SVE beigetragen. Die hohe Passgenauigkeit gepaart mit Dribbelstärke und seiner Schussgenauigkeit macht ihn zu einem der besten Offensivspieler der Liga.

Sturm

Luca Schnellbacher (#24) hat bereits zwölf Treffer und vier Assists auf dem Konto. Der “Hitzblitz”, der sich laut eigener Aussage zu oft zu leicht provozieren lässt, ist ein kompletter Stürmer ohne Schwächen. Auch gegen den Ball ist er sich nicht zu schade mitzuhelfen und geht auch problemlos weite Wege.

Nick Woltemade (#27) neben Schnellbacher ist mit sechs Treffern und neun Assists nicht minder gefährlich.

Fazit

Vor einem Spiel gegen einen derart souveränen Tabellenführer, der zwar seit drei Spielen nun auf einen Sieg wartet aber auch ein Punktepolster hat, dass wohl aufgrund dieses minimalen Durchhängers nicht für Panik sorgt, kann die Devise nur lauten: Wir haben nix zu verlieren, packen wir’s an.

Wenn die Leistung nach vorne vom Duisburg-Spiel konserviert, ähnliche Torchancen wie am Samstag überlegter genutzt werden und alle elf Mann konsequent auch mit nach hinten arbeiten, ist für unseren TSV 1860 gegen die SV Elversberg auf alle Fälle ein Punkt zu ergattern. Ob es zu mehr reichen kann, hängt vor allem vom Einsatzwillen und der Konzentration gegen den Ball ab.

Im Vorfeld sollten wir ohne jegliche Erwartungshaltung an dieses Spiel herangehen und hoffen, dass uns die Sechzger vielleicht einmal positiv überraschen.

So könnte die SV Elversberg gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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