Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel des TSV 1860 München gegen den FC Viktoria Köln. Mit bisher einem Sieg und einer Niederlage sind die Kölner besser in die Liga gestartet als als unsere Löwen. Was dürfen wir am Sonntag im Sechzgerstadion von den Gästen aus der Domstadt erwarten?
TSV 1860 München – FC Viktoria Köln, findet in der dritten Liga zum bereits 13. Mal statt. Bisher ist die Bilanz ausgeglichen. Sehen wir uns also an, was im dritten Saisonspiel auf die Sechzger zukommt.
Was als erstes ins Auge fiel, war, dass Olaf Janßen wieder mit Viererkette spielen lässt. Im Gegensatz zur Endphase der letzten Saison spielt die Viktoria nun im 4-2-3-1 anstatt 4-4-2 mit Doppelsechs.
Obwohl die PPDA der Kölner etwas anderes vermuten lässt, steht die Viktoria im Pressing auf hoher bis mittlerer Linie mit einer Dreierformation in der vordersten Linie. Mit eher passivem Anlaufverhalten, dafür gut die kurzen Passwege abdeckend, übt die Pressingreihe lediglich situativ stärkeren Druck auf den ballführenden Spieler aus.
Die Defensivlinie steht in Erwartung eines Positionsangriffs meist mittig. Bei hohem Pressingdruck gegen den Ball seitens der Viktoria schieben auch die Abwehrspieler bis an die Mittellinie vor.
Im Offensivspiel der Kölner erkennt man bisher trotz der Systemumstellung Abläufe, die für die taktische Marschrichtung Janßens typisch sind, und die die Löwen vergangene Spielzeit gegen Köln gut im Griff hatten.
Sofern sich Trainerfuchs Janßen in den vergangenen zwei Wochen für die Löwen nicht etwas komplett Neues ausgedacht hat, kommen taktisch in der Offensive also durchaus bekannte Muster auf uns zu.
Zunächst aber – wie üblich – die statistischen Werte des Gegners bisher.
Statistische Werte des FC Viktoria Köln
- Ballbesitz: 47%
- Passgenauigkeit: 80%
- Defensive Zweikampfquote: 61%
- Flankengenauigkeit: 36,7%
- PPDA (zugelassene Pässe Pro Defensivaktion): 11,37
Wie spielt die Viktoria?
Bei Ballbesitz
Bei der bisher dominanteren Variante der Vierschiebungen nach vorne aus dem 4-2-3-1 setzt Köln auf den rechtsgependelten Außenverteidiger. Um einiges seltener, aber auch in erwähnenswerter Häufigkeit, zeigte die Viktoria auch die dynamische Dreierkette, bei der beide Außenverteidiger ins Mittelfeld vorschieben und der tiefe Sechser in die Kette abkippt.
Nach dem Eindringen ins letzte Drittel sehen wir in den offensiven Linien eine enge, ballfern asymmetrische 4-3 Formation.
Beim Aufbau im Positionsspiel verhält sich Viktoria Köln in allen drei Varianten allerdings relativ ähnlich, wenn man die Passwege und besetzten Zonen betrachtet. Aus der Abwehr heraus läuft das Spiel zunächst meist in den defensiven Achterraum.
Den größten Druck erzeugen die Kölner, wenn sie es schaffen, vertikal in dieser Zone weiter zuspielen. Mit schnellen vertikalem Spiel, dass durch das kluge Einkreuzen von außen oder aus der anderen Halbzentrale ermöglicht wird, versucht Köln so mit vertikalem Kombinationsspiel und Tempo im Zentrum die Box der Gegner zu bespielen.
In der Box findet bei Köln dann sowohl Licht als auch Schatten statt. Eine unfassbar hohe Schussgenauigkeit (68%) trifft auf eher ungünstig gewählte Schusspositionen.
Klappt der Weg vertikal durchs Zentrum nicht, geben die Kölner trotzdem eher dem spielerischen Ansatz in die Box zu kommen, den Vorzug. Trotz einer hohen Genauigkeit kommen die Hereingaben von außen größtenteils ungefährlich, also schwer verwertbar, in den gegnerischen Sechzehner.
Gegen den Ball
Mit einer zwar hoch agierenden, aber nicht sonderlich aktiven Pressinglinie versperrt Viktoria ihrem Gegner die Passwege ins Mittelfeld und versucht so, den Gegner zu langem Spiel zu zwingen. Daraus folgend sollen Zweikämpfe um zweite Bälle entstehen, die im besten Fall das schnelle Umschaltspiel der Kölner einleiten.
Schafft es der Gegner, die Pressinglinie spielerisch zu bezwingen, formiert sich schnell und diszipliniert eine zentral leicht versetzte 4-5-1 Formation, die den eigenen Sechzehner mannorientiert, konservativ und wenig zimperlich verteidigt. 31 Fouls beging die Viktoria in den ersten beiden Spielen.
Stärken und Schwächen des 4-2-3-1
Die Stärken
Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.
Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.
Die Schwächen
Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln, relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.
Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorne ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich dadurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.
Wie kann man Köln knacken?
Bei Ballbesitz
Aktives, dynamisches, temporeiches Spiel in allen Mannschaftsteilen ist der Schlüssel zum Erfolg gegen die Viktoria. Schafft man es nicht, im Positionsspiel tempo- und variantenreich zu agieren, wird das Spiel gegen die Viktoria für die Löwen eine zähe Angelegenheit. Mit dem konservativen Ansatz in der Deckungsarbeit gibt Köln seinen Gegnern bei statischem Spiel wenig Angriffsfläche, die man nutzen kann.
Gegen den Ball
Gelingt es – wie schon in der vergangenen Saison im Rückspiel – das Kölner Spiel auf deren Flügel zu drängen und dort zu halten, kann das die halbe Miete sein. Ein zweiter Punkt – genauso wichtig wie der erste – ist, dass der TSV 1860 München es endlich auch schaffen muss, über den Pressingdruck früh Dominanz im Spiel zu erlangen. Eine hohe Linienposition vorne wie hinten kann da von Anfang an gute Dienste leisten. Das birgt natürlich immer auch ein gewisses Risiko, für mich wäre das der richtige Ansatz.
Schlüsselspieler
Tor
Im Tor der Domstädter steht deren neue #1 Dudu. Der von Bremen zur Viktoria gewechselte Keeper, eigentlich Eduardo dos Santos Haesler, ist brasilianischer Abstammung und kommt gebürtig aus Duisburg. Freunden des deutschen Kinos der 70er Jahre fällt da nun möglicherweise ein gelber Wunderkäfer mit Duisburger Nummernschild (DU-DU 926) ein.
Viel trainiert, wenig gespielt – so kann man die bisherige Karriere des 25-Jährigen zusammenfassen. Seit er vor der Saison 18/19 die Jugendmannschaft des MSV Duisburg verließ, hatte Dudu insgesamt lediglich 55 Pflichtspieleinsätze. Seine Leistungen in den ersten beiden Spielen in Liga 3 sind jedoch vielleicht ein Indiz dafür, dass Köln ein etwas in die Jahre gekommenes Talent ausgegraben hat. Wobei 25 für einen Torwart durchaus noch recht jung ist. Eine weitere oder genauere Einschätzung kann ich leider in diesem Fall nicht treffen, dafür hat Dudu in den letzten Jahren einfach zu wenig gespielt und ich somit zu wenig Bildmaterial und Daten zur Verfügung.
Abwehr
Ex-Löwe und Kapitän der Kölner Christoph Greger (#15) spielt kompromisslos, aber selten unfair den Eisenfuß im Abwehrzentrum der Viktoria. Verlorene Defensivzweikämpfe sind für Greger quasi ein Fremdwort. Vergangene Spielzeit knackte er nahezu die 80%-Quote bei den gewonnenen Defensivduellen. Auch bei Kopfballduellen behält Greger meistens die Oberhand gegenüber seinen Gegnern. Im Aufbau teilt er sich die Spieleröffnung mit seinem Nebenmann Dietz.
Mittelfeld
Florian Engelhart (#16) agiert als offensiverer der beiden Sechser wie ein zurückgezogener Spielmacher. Er hat die meisten Ballkontakte bei der Viktoria, steuert die Attacken der Kölner in deren Anfangsphase ruhig und überlegt. Er spielt unspektakulär und hat ein gutes Auge für sich entwickelnde Spielsituationen. Auch gegen den Ball trägt er, wenn nötig, seinen Teil bei. Im defensiven Zweikampf agiert er dabei äußerst erfolgreich, sein Kopfball- und Stellungsspiel ist ausbaufähig.
Ob der neue zentral-offensive Mittelfeldspieler von Viktoria Köln, vorige Saison noch in 28 Spielen (0 Tore, 1 Vorlage) für unseren TSV 1860 München im Einsatz, Albion Vrenezi (#10) als Schlüsselspieler genannt werden kann und ob er einen Unterschied machen kann, wird vor allem von ihm selbst abhängen. Seine Spielweise hat sich, verglichen mit den letzten beiden Saisons, in den ersten beiden Saisonspielen 24/25 nicht geändert.
Sturm
Im Sturm hat sich bei den Kölnern einiges getan. Die Neuzugänge Said El Mala (#22), er kam zusammen mit seinem älteren Bruder Malek (#42) nach ihrem Wechsel zum 1.FC Köln sofort wieder auf Leihbais zurück zur Viktoria, und Lex-Tyger Lobinger (#9) aus Kaiserslautern konnten sich beide schon in die Torschützenlisten eintragen. Ebenso hat der dritte Neuzugang, Ex-Löwe Serhat-Semih Güler (#30), schon einmal getroffen.
Trotz des Fallrückzieher-Traumtores mit “Tor des Jahres”-Potential von Lobinger gegen Mannheim und des unbestreitbar riesengroßen Talents des 17-jähigen El Mala sehe ich im Sturm bei der Viktoria noch keinen Spieler als Schlüsselspieler.
Fazit
Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft unseres TSV 1860 München die Viktoria aus Köln am Sonntag schlagen kann. Damit das passiert, muss sich allerdings im Vergleich zu den letzten Spielen vor allem im Mittelfeld etwas bei den für die Offensive zuständigen Spieler ändern.
Die statische Herangehensweise im Positionsspiel bei Teilen der Offensive und die durch Hektik verursachten Ungenauigkeiten im Umschaltspiel müssen verschwinden. Speziell bei der Vorbereitung zur Strafraumpenetration muss mehr Bewegung ins Zentrum vor der Box, damit beim Gegner in der Abwehr die Zuordnung gestört oder bestenfalls zerstört wird.
Solche Muster waren in den ersten beiden Spielen noch Mangelware.
Gelingt das, bin ich mir sicher, dass die Löwen stark genug sind, um drei Punkte in Giesing zu behalten.