Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels Viktoria Köln – TSV 1860 München. Mit einer defensiv kämpferischen Glanzleistung bezwang die aus diversen Gründen stark ersatzgeschwächte Gästeelf aus der bayerischen Landeshauptstadt die Hausherren mit 1:0. Besonderes Lob gebührt hierbei Torhüter Marco Hiller, der seine Sechzger in der ersten Halbzeit mit mehreren Glanzparaden im Rennen hielt, bevor die Löwen selbst in Führung gehen konnten.

Aber der Reihe nach: Der TSV 1860 München wurden von Trainer Köllner im 5-3-2 auf den Platz geschickt, der gegnerische FC Viktoria Köln trat im 4-4-2 mit Doppelsechs an. Ohne die aus Verletzungs- bzw. Quarantänegründen fehlenden Deichmann, Goden und Willsch stellte Michael Köllner bei den Giesingern Biankadi auf die Position des rechten Verteidigers. Staude ersetzte den gelbgesperrten Neudecker. Steinhart spielte, nachdem er in den letzten Spielen als Innenverteidiger aushalf, auf seiner angestammten Position als Linksverteidiger. Für den mit muskulären Problemen pausierenden Greilinger kam Tallig in die Startelf. Moll ersetzte Salger im Abwehrzentrum. Linsbichler spielte neben Bär für Lex im Sturm.

Viktoria Köln musste ebenfalls auf einige Stammkräfte verzichten. Mit Moritz Nicolas fehlte der Stammtorhüter; für ihn warf Olaf Jansen den 19jährigen Bördner in kalte Wasser, der seine Aufgabe im Großen und Ganzen zufriedenstellend erfüllte. Im Sturm spielte zunächst Handle – und nicht der von mir dort erwartete Palacios – für Jastremski neben Hong als hängende Spitze. Damit rückte Niklas May, der gegen den Waldhof noch auf der Bank Platz nehmen musste, auf die Position im linken Mittelfeld. Rossmann ersetzte Klefisch, damit rückte Lorch wie erwartet ins defensive Mittelfeld.

Taktisch spielte Köln wie erwartet bei eigenem Ballbesitz mit einer asymmetrisch gependelten Viererkette. So entstand zunächst ein 3-5-2, das sich in im letzten Drittel vor dem Tor der Sechzger zu einem 3-4-3 verschob.

Der TSV 1860 München verschob bei eigenem Ballbesitz ebenfalls auf 3-5-2, jedoch zunächst, um einiges defensiver als die Hausherren eingestellt und auf Konter lauernd, nicht mit den kompletten Flügel beackernden Außenverteidigern. Vor allem der als Rechtsverteidiger spielende Biankadi hielt sich in der ersten Halbzeit stark zurück. Auch im letzten Drittel vor dem kölschen Tor behielten die Löwen diese Formation weitestgehend bei.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz: TSV 1860 36% – Viktoria Köln 64%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 75% – Viktoria Köln 85%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 66% – Viktoria Köln 56%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 14/4 – Viktoria Köln 15/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 16,48 – Viktoria Köln 7,48

Was sagen uns diese Werte?

Weniger Ballbesitz, schlechtere Passgenauigkeit, weniger Schüsse als der Gegner und obendrein der zweitschlechteste Wert bei der PPDA in dieser Saison. Theoretisch würde wahrscheinlich jeder, der diese Werte liest und das Spiel nicht gesehen hat, sagen, der TSV 1860 München habe glücklich gewonnen. Ganz falsch ist das auch nicht, wenn man speziell die erste Halbzeit betrachtet, in welcher der Münchner Keeper Hiller seine Löwen mit drei Glanzparaden im Spiel hielt. Das Fazit “hinten hält Hiller und vorne hilft der liebe Gott” wäre nun aber auch nicht wirklich das Richtige, wenn man das Spiel als ganzes betrachtet.

Ballbesitz

Beginnen wir mit dem Ballbesitz. Tief stehende, abwartende Löwen überließen Köln nach Ballverlust das Feld. Sie standen defensiv kompakt und meistens auch konzentriert gegen die Hausherren. Enge Räume in der Hälfte des TSV 1860 München sorgten dafür, dass die Kölner immer wieder neu aufbauen mussten, weil sie kaum Mittel fanden, das Abwehrbollwerk der Sechzger zu durchdringen. Wenn die Gastgeber gefährlich wurden, entsprangen diese Situationen in den meisten Fällen Umschaltmomenten wie beim TSV 1860 auch. Im Positionsspiel fand die Viktoria wenig adäquate Mittel, um die Box der Löwen dauerhaft zu penetrieren.

Passgenauigkeit

Womit wir bei der Passgenauigkeit ankommen. 85% für die Hausherren stehen 75% für unsere Sechzger gegenüber. Die Passgenauigkeit hängt natürlich mit dem Ballbesitz zusammen. Schauen wir zunächst auf die Pässe die für Raumgewinn sorgen, also Pässe nach vorn, und setzen diese in Abhängigkeit von der Gesamtpassanzahl der beiden Mannschaften. Nur 33% der Pässe, die Köln spielte, waren Vorwärtspässe. Die Löwen haben hier ein um zehn Prozent besseres Ergebnis aufzuweisen. Auch wenn die Gesamtanzahl der Vorwärtspässe wegen des wenigeren Ballbesitzes niedriger liegt, so ist es doch als positiv zu werten, dass die Löwen mit 43% nach vorne gespielter Pässe sobald sie in Ballbesitz waren einen klaren Plan hatten, wie sie gegen Köln agieren wollen.

Bei den Rückpässen liegen die Werte in Abhängigkeit der jeweils gespielten Pässe nur um ein Prozent auseinander. Der absolute Wert der Rückpässe übersteigt bei den Kölnern den der Löwen jedoch um mehr als 138%. Das tut aber nicht wirklich etwas zur Sache, denn die Krux im Passspiel liegt diesmal bei der Anzahl der Querpässe. Hier haben die Löwen in Abhängigkeit von der jeweiligen Gesamtpasszahl gegenüber den Kölnern 9% weniger gespielt. Das heißt: Die Löwen spielten schneller und direkter wenn sie in Ballbesitz waren.

Der TSV 1860 München schaffte es immer wieder, das Positionsspiel der Viktoria so zu stören, dass diese keine Raumgewinn erzielen konnte und sich mit Rück- und Querpässen behelfen musste, um das Spielgerät in den eigenen Reihen zu halten.

PPDA und Schüsse

Dies führt uns nun direkt zur PPDA, also den Aktionen, die gegen den Ball gesetzt wurden. Da hat Köln eindeutig die Nase vorn, aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. 7,48 zugelassenen Pässen pro Defensivaktion gegenüber den Löwen, die mehr als 16 Pässe pro Defensivaktion zuließen vorn. Das defensive Stellungsspiel der Löwen war jedoch dermaßen gut, dass die Kölner im Verhältnis zum eigenen Ballbesitz im Vergleich der beiden Mannschaften kaum einen Weg fanden, um den Löwen gefährlich zu werden. Wäre es Köln gelungen, mit dem Ballbesitz von 64% ähnlich effektiv und gefährlich zu werden wie die Sechzger mit nur 36%, müsste bei Schüssen/aufs Tor die Statistik für Köln nicht 15/4 lauten sondern 27/7.

Das Spiel Viktoria Köln – TSV 1860

Defensive

Beide Halbzeiten waren in Puncto Ballbesitz bis auf zwei Prozentpunkte ähnlich, der große Unterschied der zwei Halbzeiten lag beim Gewinn der defensiven Zweikämpfe. Waren die Löwen und die Kölner hier in Halbzeit eins – bei den relativen Werten – noch fast gleich auf mit nur leichten Vorteilen für den TSV 1860, so hatten die Sechzger nach dem Pausentee, mit in Abhängigkeit der geführten Zweikämpfe fast 16% mehr gewonnenen Duellen Mann gegen Mann, und bei den absoluten Werten über 83% mehr gewonnener Duelle bei 42% mehr geführten defensiven Zweikämpfen, klar die Nase vorn.

Es war also in erster Linie die starke Defensivleistung des TSV 1860 München der Schlüssel zum Sieg. Allen voran hat Marco Hiller mit seinen Paraden in der ersten Hälfte natürlich die Löwen im Spiel gehalten. In der zweiten Hälfte musste Hiller nicht einmal bei einem Schuss rettend eingreifen.

Offensive

Aber mit einer starken Defensivleistung alleine gewinnt man kein Spiel. Bei der Effizienz im Spiel nach vorne macht dem TSV 1860 München seit der Umstellung auf die Dreierkette in der Innenverteidigung vor der Winterpause kaum eine Mannschaft etwas vor. Mit risikofreudigem Direktspiel, unter dem zwar die Passgenauigkeit etwas leidet, das aber den Gegner oft in Unterzahl und somit in Stresssituationen bringt, spielten sich die Sechzger gleich viele klare Torchancen heraus wie die beim Ballbesitz dominierenden Hausherren.

Effizienz war auch bei der Verwertung der Möglichkeiten gefragt. Und hier hätten die Löwen, wenn bei unseren Sechzgern nicht Marco Hiller im Tor gestanden hätte, vermutlich das Nachsehen gehabt. Die Löwen nötigten den Kölner Schlussmann zu nur einer Parade (Linsbichler, 72.), alle anderen Möglichkeiten außer die von Marcel Bär in der 39. Minute, konnte Bördner nahezu problemlos entschärfen.

Ein weiterer großer Vorteil für den TSV 1860 München war, dass sich die ebenfalls ersatzgeschwächte Viktoria-Mannschaft nach und nach weiter selbst schwächte. Das begann mit der Verletzung von Lorch, der nach elf Minuten verletzt vom Platz musste, und endete mit der möglicherweise überzogenen gelb-roten Karte für May in der 87. Minute.

Das Tor

In der 39. Minute schoss Bär das 1:0. Begonnen hatte dieser Angriff mit einem kurzen Abstoß von Hiller auf Moll. Dieser legte den Ball postwendend, um dem pressenden Hong zu entgehen, auf die linke Seite zu Steinhart. Der schickte nach Verarbeitung des Spielgeräts Tallig auf der linken Seite mittig zwischen Toraus- und Mittellinie auf die Reise. Tallig spielte sofort weiter zu Dressel, der den Ball in halblinker Position auf Höhe des Mittelkreises annahm und sich mit der Kugel am Fuß wenige Meter leicht diagonal in Richtung der Seitenauslinie bewegte. Kurz vor Erreichen der Mittelline passte Dressel steil auf Linsbichler, der dem scharfen Pass hinterherspurtete, das Leder jedoch nicht rechtzeitig vor Greger, der um die Gefahr zu bannen, dem Kölner Keeper Bördner den Ball zupasste, erreichte.

Bördner wiederum schlug den Ball, bevor der lange Österreicher in Diensten der Löwen ihn unter Druck setzen konnte, wieder in Richtung Mittellinie. Dieser Befreiungsschlag geriet aber ein wenig zu kurz. So konnte wieder Tallig in halblinker Position ungefähr 20 Meter in der Hälfte der Viktoria das Leder erobern und mit dem ersten Kontakt zu Bär spielen. Bär, der in halblinker Position wenige Meter vor dem Strafraum der Kölner das Spielgerät kurz zu Staude in die Mitte zurücklegte, bewegte sich nach seinem Ballkontakt sofort diagonal nach rechts in den Strafraum der Kölner. Der in diesem Spiel gut aufgelegte Staude sah Bärs Laufweg und spielte ihm einen Traumpass in die Box zu. Ohne lange zu fackeln versenkte Bär die Kugel am herausstürzenden Bördner vorbei etwa auf Höhe des Elfmeterpunkts aus halbrechter Position im Strafraum flach links im Tor der Viktoria.

Fazit FC Viktoria Köln – TSV 1860

In einem rassigen Kampfspiel zweier ersatzgeschwächter Teams hatten die Löwen das glücklichere Ende für sich. Es ist zwar ein alter Spruch, aber dennoch gilt er für dieses Spiel absolut: Das Glück gehört den Tüchtigen. Der Tüchtigste auf Löwenseite war an diesem Sonntag Nachmittag mit Sicherheit Marco Hiller. Ihn kann man gar nicht genug für seine tollen Paraden loben. Wie das Fachblatt Kicker aus dieser Leistung Hillers nur die Note 2 machen kann wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Dass er allerdings nicht in der Elf des Tages steht ist, nach Atubolus Leistung für Freiburg gegen Würzburg, nachvollziehbar. Der hatte sieben gehaltene Schüsse. Fünf davon Reflexparaden

Im Fazit der Taktiktafel vor der Partie hab ich gesagt, ich will Einsatz und Kampfeswille sehen, dann bin ich unabhängig vom Ergebnis zufrieden mit der Leistung. Nun habe ich Einsatz, Kampfeswillen und einen Sieg einer tollen Löwenelf gesehen. Mit Freitag und Morgalla kamen zusätzlich zwei junge Debütanten zu Kurzeinsätzen. Sechzgerherz, was willst Du mehr?

Der Sieg des TSV 1860 gegen Köln war

  • a) immens wichtig für das Selbstvertrauen der Spieler, die nicht immer in der Startelf stehen.
  • b) noch wichtiger für den Verein, um sich trotz der zwei ausgefallenen Spiele gegen das Projekt aus Perlach und unsere Freunde vom 1.FCK näher an die Spitzengruppe heranzupirschen, und bringt
  • c) hoffentlich auch den letzten Kritiker, der die Kaderbreite bemängelt, endlich dazu anzuerkennen, dass der TSV 1860 München einen konkurrenzfähigen Kader hat, der nach wie vor jeden Gegner schlagen kann. Das gilt unabhängig davon, ob sich der TSV 1860 München am heutigen Montag noch einmal mit Neuzugängen verstärken sollte oder auch nicht.

Datenquelle: Wyscout

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Aschlegel

Ja, Mensch, ich bin echt begeistert. Du bringst ja einen Mehrwert in die Analyse durch Deine ganzen Zahlen, das ist ja unglaublich. Und Du weißt die Zahlen auch sehr gut einzuordnen. Denn das ist ja fast noch wichtiger. Ich bin jetzt echt ein Fan von Dir und Deiner Taktik-Tafel.

Nur aus Interesse. wo hast Du die ganzen Zahlen her? Wenn das eine geheime Geschichte ist, die Du nicht verraten möchtest, ist das auch kein Problem. Täte der Begeisterung auf jeden Fall keinen Abbruch! 👍

Aschlegel

Ah, vergiss die letzte Frage. Da stehts ja groß und breit, woher Deine Quelle ist. Sorry … 🙂