Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel beim DSC Arminia Bielefeld. Die Löwen erwartet ein Gegner, der sich nach Startschwierigkeiten in der Liga zwischenzeitlich im Aufwind befand, nun aber seit fünf Spielen nicht mehr gewinnen konnte.

Arminia Bielefeld – TSV 1860 München, es treffen zwei Mannschaften aufeinander, die sich ihre Tabellensituation kurz vor der Winterpause im Sommer sicherlich anders gewünscht hätten. Weniger Siege als Bielefeld haben nur die Teams auf den Abstiegsplätzen. Die Sechzger auf der anderen Seite gehören zu den Mannschaften mit den zweitmeisten Niederlagen. Das Plus an unentschiedenen Spielen sorgt also für die leicht bessere Tabellensituation seitens der Ostwestfalen. Mit einem Sieg zögen die Sechzger an Bielefeld vorbei.

Michél Kniat, Trainer der Bielefelder, schickte seine Mannschaft in allen Spielen, die ich gesehen habe, im 4-1-3-2 ins Rennen. Interessanterweise wird das System der Arminia in allen Portalen, die ich wegen meiner Verwunderung der Einordnung des Systems seitens Magenta konsultiert hatte, durch die Bank als 4-3-3 identifiziert. Die Verschiebung zu dieser Formation findet allerdings erst statt, wenn sich das Spielgeschehen ins letzte Drittel des Gegners bewegt. Gegen den Ball ist das System 4-1-3-2 klar erkennbar.

In diesem System agieren die Arminen gegen das Positionsspiel der Gegner im Pressing druckvoll, aber nicht allzu aggressiv Es werden in den pressingrelevanten Zonen viele Aktionen gesetzt, die auf indirekten Ballgewinn durch Abspielfehler abzielen. Die Pressinglinie steht meist auf relativ hohem Niveau.

Meistens an die Höhe der Pressinglinie angepasst, formiert sich die Defensivlinie so, dass dem Gegner im Mittelfeld nicht allzu viel Raum geboten wird.

Kommen wir vor der genauen Erläuterung der Spielweise der Arminen zunächst – wie immer – zu den bisherigen statistischen Werten.

Statistische Werte des DSC Arminia Bielefeld

  • Ballbesitz: 55%
  • Passgenauigkeit: 80%
  • Defensive Zweikampfquote: 62%
  • Flankengenauigkeit: 40% (Ligabestwert)
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 6,93 (Ligabestwert)

Wie spielt Bielefeld?

Bei Ballbesitz

Im Positionsspiel der Arminen fällt auf, dass beide Außenverteidiger sich im Aufbau sofort auf die Höhe des defensiven Mittelfeldspielers bewegen. Die Spieleröffnung erfolgt geduldig aus der Innenverteidigung heraus mit oft längeren Phasen tiefen Ballbesitzes bis eine Anspielstation gefunden wird. Diese finden die Ostwestfalen dann meist entweder zentral im defensiven Mittelfeld, wohin zur Unterstützung oft ein weiterer Mittelfeldspieler abkippt, oder über einen Diagonalpass auf der ballfernen Außenbahn.

Im weiteren Verlauf der Attacke versucht man im Idealfall, den Gegner durch das Überladen einer Seite in eine Verdichtung zu locken, aus der dann ein öffnender Pass auf den ballfernen Flügel erfolgt. Von dort spielen die Arminen, die auch die Mannschaft sind, welche die meisten Flanken schlägt, diese mit der höchsten Genauigkeit der Liga ins Zentrum. Bielefeld hat so bisher – zusammen mit Saarbrücken, das ebenfalls 30 Treffer verbuchen konnte – die drittmeisten Tore in der Liga erzielt.

Aufgrund der hohen Pressingintensität der Arminen dürfen wir allerdings auch viele schnelle Attacken, die sich im Umschaltspiel nach Ballgewinn im Mittelfeld ergeben, erwarten.

Gegen den Ball

Die Spielweise der Arminen gegen den Ball ist mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler und bei eigenen Attacken weit vorgeschobenen Außenverteidigern, anfällig gegen Umschaltspiel und Konterangriffe bei Ballverlusten im Mittelfeld oder im letzten Drittel.

Das Spiel gegen den Ball ist der Schwachpunkt der Arminia. Gelingt es im Gegenpressing nach Ballverlusten oder wenn sich der Gegner im Positionsspiel befindet nicht, das Spiel in die Pressingfallen zu locken, bekommt Michél Kniats Mannschaft Probleme.

Die aus zwei Spielern bestehende und oft hoch anlaufende Pressingreihe bleibt grundsätzlich zentral und versucht, den gegnerischen Innenverteidigern die Eröffnung so schwer wie möglich zu machen. Dahinter agiert eine Dreierkette, welche die Passwege ins Mittelfeld zustellt. Pässe auf Außenverteidiger werden zwar zugelassen, danach wird aber sofort aus dieser zweiten Reihe dort angelaufen. Der ballnahe Stürmer der Pressingreihe verlässt dann seine Position, um dort, wo durch den aufrückenden Außenspieler eine Lücke entstand, die Halbposition zuzustellen.

Das Pressing der Arminen ist also sehr variabel und von vielen Verschiebungen gekennzeichnet.

Dringt der Gegner ins letzte Drittel der Ostwestfalen ein, verteidigt Bielefeld konservativ mit zwei Viererketten vor der eigenen Box. Bei Bedarf, den es durchaus häufig gibt, kippt auch einer der beiden Stürmer mit in die Reihe vor der Viererkette ab.

Stärken und Schwächen des Systems 4-1-3-2

Stärken

Das System 4-1-3-2 gibt einer Mannschaft durch die fünf offensiv ausgerichteten Spieler die Möglichkeit, im Angriff extrem variantenreich zu agieren. Durch Aufrücken oder Abkippen einzelner Spieler sowie horizontale Verschiebungen in der Folge dieser Aktionen, ist es für den Gegner oft schwer, die Zuordnung in der Defensive aufrecht zu erhalten. Das führt, wenn es wie geplant funktioniert, zu vielen Torchancen für die in diesem System agierende Mannschaft. Am häufigsten sieht man dieses System spät in Spielen, wenn eine Mannschaft einen Rückstand aufholen muss. Als Startformation wird es allgemein eher selten aufgeboten.

Die doppelte Besetzung beider Flügel erschwert es dem Gegner, dort schnell und über progressives Passspiel zu agieren.

Schwächen

Durch die überladene Offensive gestaltet sich der Aufbau oft zäh, da in der Frühphase eines Angriffs oft keine Anspielstation gefunden wird. Die größte Schwäche befindet sich allerdings im defensiven Mittelfeld, wo man mit nur einem Spieler ein wenig unterbesetzt ist, sofern nicht einer der drei offensiven Mittelfeldspieler die Rolle des Box-to-Box Spielers übernimmt.

Ist das nicht der Fall, wird man im Zentrum anfällig bei schnellen Kontern in Umschaltmomenten oder wenn das Überspielen des Pressings so gelingt, dass die Pressingfallen gemieden werden können und die im 4-1-3-2 agierende Mannschaft den Kampf um zweite Bälle verliert.

Gegen den Ball ist diese Variante obendrein extrem laufintensiv; das kann in späten Phasen des Spiels zu konditionellen Problemen führen.

Wie kann man Bielefeld knacken?

Das A und O für den TSV 1860 München gegen die offensivstarke Arminia aus Bielefeld muss der Fokus auf stabile Defensivarbeit und eine kämpferische Einstellung dabei sein. Gibt man den Bielefeldern zu viel Raum, spielen sie mit einer Abwehr Katz und Maus – mit dem klar besseren Ende für die Katze.

Für den eigenen Torerfolg wird vor allem das Tempo der eigenen Angriffe ausschlaggebend sein. Lässt man sich beim Überbrücken des Mittelfelds zu viel Zeit, kann sich die eigentlich hinten recht offen stehende Arminia wieder hinter dem Ball formieren und agiert dann relativ stabil in der Abwehr.

Es gilt also, in Umschaltmomenten durch schnelles Kombinieren möglichst kein Gegenpressing zuzulassen. Gelingt es, sich aus dem Pressing im Positionsspiel freizuspielen, muss man selbst die Offensive zu überladen. Damit wird den Pressingfallen die Chance auf ein Zuschnappen genommen.

Schlüsselspieler

Tor

Jonas Kersken (#1) im Tor der Arminen ist ein solider Torhüter, der seine Stärken vor allem bei der Strafraumbeherrschung zeigt. Auch sonst hat er keine großen Schwächen aufzuweisen. Allerdings hat er eine etwas löchrige Abwehr vor sich. Würden seine Vorderleute es häufiger schaffen, gegnerische Schüsse zu blocken, sähe die Tabellensituation der Arminen besser aus. Der 1,90 m große Kersken hat am bisherigen Abschneiden der Ostwestfalen am wenigsten Schuld.

Abwehr

Die junge Innenverteidigung, in der Semi Belkahia (#5), der im Sommer vom TSV 1860 zu Arminia Bielefeld gewechselt war, der älteste Spieler ist, ist die wohl größte Baustelle der ansonsten soliden Arminia. Hier einen Schlüsselspieler auszumachen fällt mir etwas schwer. Maximilian Großer (#19) und Leon Schneider (#23) haben sich in den letzten Spielen hier in der Stammformation durchgesetzt. Schneider führt die Liga bei den gewonnenen Defensivzweikämpfen mit 83% Erfolgsquote an. Dem muss man jedoch entgegenhalten, dass das bei lediglich 3,5 geführten Zweikämpfen pro Spiel ein Muster ohne Wert sein kann.

Mittelfeld

Marius Wörl (#38), Leihspieler aus Hannover, dessen im Sommer ausgelaufener Vertrag vom TSV 1860 leider nicht verlängert werden konnte, zieht nun im defensiven Mittelfeld die Fäden bei Arminia Bielefeld. Er ist, nachdem er am Ende der Transferperiode im Sommer von Hannover nach Bielefeld verliehen wurde, schnell Stammspieler auf der Position des defensiven Mittelfeldspielers geworden, und dort nun nicht mehr weg zu denken. Über seine Qualitäten muss man wohl niemanden, der Sechzig verfolgt, aufklären. Letzte Saison gehörte er zu den besten Spielern der Mannschaft.

Kaito Mizuta (#25), mit auch erst 23 Jahren, ist ein weiterer junger Spieler der Arminen, der im Mittelfeld vor allem offensiv seine Qualitäten auf den Platz bringt und auch gerne aus dem offensiven Mittelfeldzentrum in die Spitze vorrückt. Sowohl als Vorbereiter als auch als Torschütze ist er jederzeit fähig, entscheidende Situationen vorzubereiten oder abzuschließen. Er ist dribbelstark, passsicher, mit einem guten Auge für sich entwickelnde Situationen, äußerst lauffreudig, gegen den Ball diszipliniert und sehr zweikampffreudig für einen Offensivspieler.

Sturm

Mittelstürmer und Kapitän Fabian Klos (#9) ist mit 36 Jahren der Oldie im jungen Team der Ostwestfalen. Er ist mit sechs Treffern Toptorschütze und hat auch vier Vorlagen auf der Habenseite. Erfahren, schlitzohrig, mit einer hohen Schussgenauigkeit, aber auch uneigennützig, wie es sich für einen Kapitän gehört, ist er in jeder Situation, in der er am Ball ist, eine große Gefahr für das gegnerische Tor, egal ob er sich als Vorbereiter eines Schusses oder als Schütze hervortut. Was er macht, hat Hand und Fuß. Das Verhältnis zwischen Torschüssen und Vorlagen pro Spiel ist bei ihm etwa 2:1. Zudem ist er für einen Stürmer nicht zuletzt aufgrund seiner großen Erfahrung sehr passsicher.

Fazit

Mit frischem Wind durch den überfälligen Wechsel auf der Trainerposition sollte es dem TSV 1860 München gegen eine in der Defensive immer etwas wackelige Arminia Bielefeld möglich sein zu punkten-  ob ein- oder dreifach werden wir sehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es den Sechzgern unter Frank Schmöller schon in Bielefeld gelingen wird, ein anderes Gesicht auf dem Platz zu zeigen als zuletzt. Worauf man sich gegen Bielefeld allerdings einrichten muss, ist, dass es durchaus sein kann, dass man, wenn Bielefeld sein Spiel gut aufs Geläuf bringt, auch einem Rückstand hinterherlaufen könnte. Nur bin ich jetzt wieder davon überzeugt, dass die Mannschaft dann in der Lage sein wird, sich dagegenzustemmen und im Fall der Fälle das Ruder herumzureißen, um aus Bielefeld etwas Zählbares mitzunehmen.

Über die richtige taktische Ausrichtung brauchen wir uns nun, denke ich, keine mehr Sorgen zu machen. Die Mannschaft hat mit Bielefeld einen Gegner vor der Brust, wo sie zeigen kann, dass sie auch offensiv im Stande ist, etwas zu leisten. Hinten aggressiv dem Gegner auf die Nerven gehen, stabil stehen, dann schnell, präzise umschalten und kontern sind die Zutaten für einen erfolgreichen Sonntagnachmittag auf der Alm.

Am wichtigsten wird es unabhängig vom Ergebnis sein, zu sehen, ob sich an der Grundeinstellung, wie man mit dem Löwen auf der Brust zu spielen hat, etwas geändert hat – und da bin ich sehr optimistisch!

So könnte Bielefeld beginnen

Datenquelle: Wyscout

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