Herzlich willkommen zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München bei Borussia Dortmund II. Die momentan auf benachbarten Tabellenplätzen beheimateten Teams kämpfen mit Licht und Schatten. Worauf müssen wir uns für Samstag einstellen?

Borussia Dortmund II – TSV 1860 München, das klänge nach einem großen Duell wäre da die II hinter dem Vereinsnamen nicht. Seis drum, am Samstag geht es im alt-ehrwürdigen Stadion Rote Erde um drei Punkte. Dortmund, trainiert von Jan Zimmermann, ging einmal seltener als Sieger vom Platz als die Sechzger, die einmal häufiger verloren und im Gegensatz zu den Dortmundern noch kein Unentschieden vorzuweisen haben. Wie spielen die Nachwuchskicker der Borussia?

Systematisch meist im 4-3-3, das Dortmund durchaus offensiv interpretiert, sind die Jungborussen im Spielaufbau meist im Kombinationsmodus, der lange Ball wird eher geschmäht, aber durchaus aus pragmatischen Gründen genutzt, wenn Not am Mann ist.

Im Pressing verhält sich Dortmund angriffslustig und agil. Mit hoher bis sehr hoher Linienwahl, aber dosierten direkten Attacken. Da schauen wir gleich noch ein wenig genauer drauf, zunächst wie gewohnt die bisherigen statistischen Werte der Nachwuchsborussen.

Statistische Werte des BVB II

  • Ballbesitz: 49%
  • Passgenauigkeit: 81%
  • Defensive Zweikampfquote: 64%
  • Flankengenauigkeit: 36%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 10,25

Wie spielt Dortmund?

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz setzt Dortmund II im Positionsspiel vor allem auf Kombinationsfußball und kurze Wege. Nur vier Mannschaften spielten bisher weniger lange Bälle im Aufbau als die jungen Borussen, darunter die beiden anderen Nachwuchsteams. Systematisch natürlich komplett anders aufgestellt kann man dennoch bei der Spielweise durchaus Parallelen bezüglich dem, was die Löwen erwartet, ziehen. Im Vergleich mit den beiden anderen Nachwuchsteams wirkt Dortmund beim Abschluss etwas reifer als Hannover und vom Spieltempo her ähnlich wie Stuttgart. Mit Verschiebungen, die meist über einen der Flügel ablaufen und aus dem 4-3-3 im letzten Drittel des Gegners eine Offensivlinie aus bis zu vier Spielern bilden, die ballfern leicht asymmetrisch einrücken, versuchen die Dortmunder vornehmlich über Halbzentrale und Zentrale – im Idealfall spielerisch – in den gegnerischen Strafraum eindringen, um dort Gefahr zu erzeugen.

Räume nutzen

Spezielle Muster im Aufbau findet man, abgesehen von offensiven Verdichtungen auf den Flügeln und in dem dazugehörigen Halbraum auf der gleichen Seite, nicht. Diese werden eingesetzt, wenn sich Dortmund auf den Flügel gedrängt sieht und nicht die gesamte Breite des Platzes bespielen kann. Im Kombinationsspiel kann das dann dort natürlich helfen, wenn die Präzision und Bewegungsintensität der Spieler innerhalb der Verdichtung hoch genug ist. Wichtig ist, bei solchen Situationen nie den Überblick auf die gegenüberliegende Seite zu verlieren. Ein Spieler der Dortmunder wird in solchen Phasen immer den anderen Flügel besetzen und auf den Flankenwechsel spekulieren.

Generell spielt Dortmund einfach dort, wo der Gegner Räume lässt und diese Räume kann der BVB dann im Normalfall gut nutzen und bespielen. Gerne natürlich eher im Zentrum oder auf der Halbposition, nach dem Überschreiten der Mittellinie wird spätestens begonnen, den Weg in die Zentrale oder Halbzentrale zu suchen, von wo aus die Strafraumpenetration im Idealfall ausgelöst werden soll.

Die Schusshäufigkeit der Dortmunder rangiert wie die der Hannoveraner und Bielefelder auch über dem Durchschnitt, die Genauigkeit der Schüsse des BVB II liegt allerdings deutlich über dem, was Bielefeld oder Hannover bisher aufs Tor gebracht haben. Ein Nachlassen seitens des TSV 1860 bei den Defensivbemühungen im Vergleich zu den letzten beiden Spielen wird also vermutlich von Dortmund II bestraft werden.

In Umschaltmomenten können und werden die Dortmunder all ihre Talente ausspielen: Schnelligkeit, technisches Können, Schuss und Passgenauigkeit. Wenn die Sechzger da nicht hellwach sind, gibt es viel Arbeit für den Keeper.

Gegen den Ball

Wie oben erwähnt vor allem zu Hause hoch pressend und aktiv und agil gegen das Positionsspiel des Gegners agierend, versuchen die Dortmunder nicht immer unbedingt den hohen Ballgewinn zu forcieren. Auch der lange Ball versickert gern in den tiefen Pressingfallen der Borussenbubis.

Überspielt der Gegner die Pressinglinie und kommt bis ins letzte Drittel der Dortmunder durch, steht die Defensive der kleinen Borussen noch nicht zu 100% sattelfest. Dortmunds Defensive lässt sich häufiger als viele andere Mannschaften in unnötige Zweikämpfe drängen, weil das Stellungsspiel nicht gepasst hat und sich dadurch öfter Räume für den Gegner öffnen, in denen sofort direkt attackiert werden muss, um Gefahr zu vereiteln. Grundsätzlich entsteht bei den Borussen gegen den Ball im eigenen letzten Drittel, je nach Situation, entweder ein vorne leicht asymmetrisches 4-4-1-1 oder ein 4-5-1 – das jedoch ohne Asymmetrie.

Nach Ballverlusten sind die Borussen im Gegenpressing ebenfalls extrem aktiv. Die erwähnten offensiven Verdichtungen in Ballnähe auf den Flügeln, die die Borussen gerne nutzen, sind wie gesagt grundsätzlich fördernd für Kombinationsspiel, leisten nach einem Ballverlust auch im Gegenpressing einen guten Dienst, da die Abstände zum Gegenspieler meist nicht groß sind und so eine vorteilhafte Defensivposition schnell erreicht werden kann.

Wie kann man Dortmund knacken?

Ähnlich wie auch in den anderen beiden Spielen diese Woche, wird viel von Einsatz und Leidenschaft auf dem Platz abhängen. Über den Kampf ins Spiel finden und dem Gegner den Spaß am Spiel nehmen. Ich weiß, das klingt nach der ältesten Spielplanphrase der Fußballgeschichte, aber nur weil sie alt ist und somit mittlerweile eine Binsenweisheit, ist sie deswegen weniger richtig?

Man muss, um diesen Plan umzusetzen, nicht unbedingt auf aggressives hohes Pressing setzen, obwohl das der Mannschaft als Kollektiv natürlich erleichtern könnte, in den Kampf hineinzufinden. Wichtig ist, dass man ab der Zone, in der die direkten Attacken auf den ballführenden Spieler einsetzen sollen, konsequent und nah am Gegner verteidigt.

Kann man den Spielfluss der Borussen immer wieder unterbrechen, werden früher oder später Umschaltmomente entstehen, die entscheidend sein können.

Im eigenen Positionsspiel müssen die Löwen sich ähnlich wie gegen Hannover etwas einfallen lassen, mit dem man dem Pressing des Gegners entgehen kann. Die im Schnitt höher wirkende PPDA bildet – aufgrund eines bösen Ausreißers bei diesem Wert gegen Bielefeld – nicht das ab, was Dortmund eigentlich zeigt. Dieses Spiel hebt den Schnitt der PPDA Statistik der Borussen um rund zwei Punkte.

Stärken und Schwächen des 4-3-3

Schlüsselspieler

Tor

Marcel Lotka (#35), der 23-Jährige mit einem Marktwert von 1,3 Mio. € (hinter Toptalent Seimen vom VfB Stuttgart der zweitteuerste Keeper der Liga) ist ein kompletter Torwart, der immer besser wird und nach dieser Saison vermutlich in höheren Gefilden des Profifußballs seine Meriten verdienen wird. Ohne nennenswerte Schwächen im Spiel ist er sicherer Rückhalt bei den Borussen. Aber kein Keeper ist unüberwindbar, wenn vor ihm Löcher entstehen.

Abwehr

Ähnlich wie bei Hannover unter der Woche bin ich in Puncto Schlüsselspieler in der Defensive etwas überfragt. Die englische Woche ließ eine genauere Einarbeitung in das Leistungsvermögen der vielen neu bei Dortmund hinzugekommenen Jungprofis leider nicht zu. Sorry dafür. Mit Patrick Göbel, der neben Eberwein einer der Ü23 Spieler im Kader der Dortmunder ist, spielt der erfahrenste Abwehrspieler von Borussia Dortmund II auf der rechten Außenverteidigerposition; allerdings stand Göbel bisher lediglich einmal in der Startelf. Lassen wir uns also überraschen, wer sich über die Zeit bei den Borussen als Schlüsselspieler in der Defensive herauskristallisiert.

Mittelfeld/Sturm

Im Mittelfeld bzw. im Sturm haben die Borussen mit dem ehemaligen Junior aus der Seitenstraße, Michael Eberwein (#14), einen erfahrenen Leader. Außer im ersten Spiel gegen den Verein mit dem Bob im Wappen und bei der Auswärtsniederlage diese Woche gegen Essen, spielte der Routinier in jeder Partie von Anfang an. Eberwein ist ein technisch guter, schneller, passsicherer Mittelfeldmotor oder auch Stürmer, der die Position hinter den Spitzen eher konservativ interpretiert und weniger das direkte Duell sucht, um progressiv agieren zu können und als Mittelstürmer mannschaftsdienlich und im Abschluss mit hoher Präzision agiert. Er wird von Trainer Zimmermann bisher in beiden Mannschaftsteilen eingesetzt.

Natürlich ist im Mittelfeld mit Toptalent Wätjen (MW 2,00 Mio. €) sowie im Sturm auch bei anderen Spielern mehr Talent vorhanden. Ob die aber zu Schlüsselspielern in der im Vergleich zu vergangener Saison stark veränderten Borussenmannschaft werden können, muss sich herauskristallisieren.

Fazit

Die Mannschaft des TSV 1860 München muss gegen Borussia Dortmund II genau dort weitermachen, wo sie am Mittwoch aufgehört hat. Kampf, Leidenschaft, mutiges Offensivspiel, Einsatz und keine Angst vor Fehlern. Das muss die Herangehensweise der Löwen sein. Klappt das, ist viel möglich.

Am Ende der englischen Woche bin ich überzeugt, dass es zu mindestens einem Zähler in der Roten Erde Kampfbahn reichen kann, wenn die Sechzger es schaffen, ihre Leistung aus den beiden Spielen vor allem defensiv zu konservieren.

Treten die Löwen als geschlossene Einheit auf, ist viel möglich.

So könnte Dortmund II beginnen

Datenquelle: Wyscout

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