Kann sich jemand an einen glücklicheren Punktgewinn für den TSV 1860 München erinnern? Ich nicht! Ich kann mich an überhaupt kein Spiel erinnern, in dem der Gegner 5 Mal Aluminium traf und die Löwen noch dazu ein Mal den Ball von der Linie kratzten. Ich denke, jeder wird zustimmen, dass das gestern ein sehr glücklicher Punktgewinn war.

Anfangsphase zum Vergessen

Es begann schon nicht gut. Tim Rieder hatte die Riesenchance nach einer perfekten Hereingabe von Sararer, setzte den Ball vor dem leeren Kasten an den rechten Innenpfosten und der Ball kullerte parallel zur Torline nach links. Das erste Riesenglück für die Löwen. Türkgücü und das Aluminium – das sollte die Geschichte dieses Nachmittags werden. Nach einem weiteren Pfostentreffer und einem Fast-Slapstick Gegentor als Hiller nach einem Rückpass einen Türkgücü-Spieler anschoss und der Abpraller fast im Tor gelandet wäre, berappelten sich die Löwen etwas. Hiller konnte zu diesem Zeitpunkt froh sein, überhaupt noch auf dem Platz zu stehen. Er hätte in der 6. Minute eigentlich rot sehen müssen, als er sich beim Herauslaufen verschätzte und 2 Meter außerhalb seinens Strafraums den Ball in die Arme nahm.

Gelb-Rot für Deichmann

Gerade als die Löwen das Spiel gegen die wirklich stark aufspielenden Perlacher etwas ausgeglichener gestalten konnten, kam der nächste Nackenschlag. Deichmann, der einen sehr schweren Stand gegen Sararer auf der rechten Abwehrseite hatte musste nach einer gelb-roten Karte vom Platz. Köllner brachte umgehend Goden für Moll, um die rechte Abwehrseite zu stabilisieren. Bis Zur Halbzeit passierte dann nichts mehr.

Türkgücü geht mehr als verdient in Führung

Nach der Pause gelang den Löwen zunächst einige Minuten, das Spiel trotz Unterzahl offen zu gestalten. Aber die Perlacher kamen mit zunehmender Spieldauer wieder besser ins Spiel und begannen nun ihre Überzahl gekonnt auszuspielen. Ausgerechnet in der 60. Minute brachte der stark aufspielende Vrenezi ein perfektes Zuspiel auf den aus dem Rückraum in den Strafraum eilenden Sararer. Der ließ diese Chance nicht nehmen und haute den Ball unhaltbar ins Tor. Das war die zu diesem Zeitpunkt mehr als verdiente Führung der Gäste. Die vom aufopferungsvollen Support vollkommen nassgeschwitzten Löwenfans konnten ihre Schals beim traditionellen Absingen von “mit Leib und Seele” schnell wieder einpacken.

Wenn Du sie vorne nicht machst…

…kriegst Du sie hinten, lautet eine alte Fußballweisheit. Diese galt zum Glück gestern auch für Türkgücü. Nachdem die Perlacher zwei weitere Male das Aluminium trafen und die Löwen-Defensive mit kollektiver Anstrengung noch einen Ball von der Linie kratzte, kam es wie obige Fußballweisheit besagt. Die Löwen gaben alles und versuchten, der Unterzahl, der spielerischen Unterlegenheit und der Hitze zu trotzen. Dabei tat sich vor allem Neuzugang Marcel Bär hervor, der ein unglaubliches Laufpensum absolvierte und immer wieder die Angriffe der Löwen nach vorne trieb. In der 80. Minute kam Dennis Dressel aus ca. 20 Metern zu einer guten Schussmöglichkeit. Sein Schuss erreichte Sascha Mölders, der den Ball in seiner unnachahmlichen Art zum Ausgleich ins Tor lenkte.

Sehr glücklicher Punktgewinn

In der hitzigen Schlussphase passierte dann nicht mehr viel. Damit brachten die Löwen das 1:1 nach Hause und nahmen den mehr als glücklichen Punkt mit nach Hause. Positiv zu vermerken ist, dass die Löwen nie aufgegeben haben. Außerdem zeigte Marcel Bär eine wirklich tolle Leistung! Was der bei der Hitze gelaufen ist, wie der sich reingehauen hat und sich auch durch so manche Schiedsrichterentscheidung gegen ihn nicht aus dem Konzept hat bringen lassen, verdient höchsten Respekt.

Wenig Positives bei den Löwen

Ansonsten gibt es wenig Positives bei den Löwen zu vermelden an diesem Nachmittag. Das Aluminium war der beste Löwe auf dem Platz, da muss man sich nichts vormachen. Wenn der TSV 1860 mit einer 4:0-Klatsche vom Platz gegangen wäre, hätte sich niemand beschweren brauchen.

Es fällt auf, dass die Mannschaft mit Systemumstellung von 4-1-4-1 auf 4-1-3-2 bei Ballbesitz weit von der sehr guten Abstimmung der vergangenen Rückrunde entfernt ist. Mir fällt auf, dass der “fehlende” Mittelfeldspieler als Anspielstation im Spielaufbau fehlt. Da besteht gerade, wenn der Gegner früh presst, akuter Mangel an Anspielstationen und die Löwen bringen sich durch Quer- und Rückpässe besonders nach Abstößen oft selbst in Bedrängnis. Andererseits ist mit Marcel Bär nun ein wirklich starker zweiter Stürmer im Kader und ihn (oder Mölders) auf die Bank zu setzen, ist wahrscheinlich auch keine Option für Michi Köllner. Bär könnte vielleicht so wie in Halbzeit zwei über den Flügel kommen. Verwundert waren auch Viele, dass Michi Köllner trotz Unterzahl, Rückstand und Gluthitze nur drei Mal wechselte. Und das (bis auf Goden natürlich) relativ spät und dass Richy Neudecker überhaupt nicht zum Einsatz kam.

Weiterer Optimierungsbedarf

Mir fällt auch auf, dass diese kurzen Abstöße (Hiller tippt an und Salger eröffnet das Spiel auf der 5m-Linie) ein gefundenes Fressen für den Gegner sind. In Wiesbaden war das schon sehr porblematisch. Gestern stand Türkgücü mit drei Pressing-Spielern an der Strafraumlinie, die sich wie die Habichte auf die drei Spielaufbauspieler der Löwen stürzten und so einige Gefahr heraufbeschworen. Meines Erachtens dauerte es viel zu lang, bis das umgestellt wurde. Die erste Pressinglinie des Gegners zu überspielen gelang weder in Wiesbaden noch gestern.

Außerdem erschien es mir sehr optimistisch Deichmann alleine gegen Sararer zu stellen. Und der arme Kerl, der ja als “Notlösung” rechter Verteidiger spielen muss, hatte es wirklich schwer gegen Sararer. Hier verstehe ich nicht, warum Biankadi nicht mehr nach hinten aushalf oder einer der defensiven Mittelfeldspieler (Dressel, Moll zu Beginn) mehr auf dem rechten Flügel aushalf. Wie werden sehen, wie unser Experte Bernd Winninger das Alles in der TAKTIKTAFEL beurteilen wird.

Gedämpfte Stimmung nach dem Spiel

Die vollkommen durchgeschwitzten und vom Support ausgelaugten Löwenfans begaben sich dann auf ein dringend benötigtes Kaltgetränk in die schattigen Schankstätten rund um das Grünwalder Stadion. Einerseits herrschte gedämpfte Freude über den glücklichen Punktgewinn. Da hat man auch schon enthusiastischere Jubelfeiern nach glücklich erkämpften Punkten erlebt. Es überwog die Einschätzung, dass die Löwen noch weit vom Level der vergangen Rückrunde entfernt sind.

Anderserseits: Wer aus so einem Spiel einen Punkt holt, kann weit kommen.

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