Mitte August erscheint die überaus lesenswerte Fußballfibel „In 90 Minuten um die Welt“ von Michael Stoffl im Culturcon-Verlag (12,99 €) und kann jetzt schon beim Buchhändler des Vertrauens vorbestellt werden. Es muss ja nicht unbedingt Bezos‘ Online-Butze sein… Wir haben den Löwenfan zum Interview getroffen.

In 90 Minuten um die Welt mit Michael Stoffl

sechzger.de: Servus Michi und erstmal danke, dass Du Dir Zeit für dieses Interview nimmst. Wo bist Du denn aktuell? Zuhause in Berlin oder auf Achse?

Michael Stoffl: Gerade wieder in Berlin. Viel herumgekommen bin ich heuer noch nicht, aber das vergangene Wochenende habe ich bei Kali Werra Tiefenort in Thüringen verbracht. Ein sehr sympathischer Verein, der mit dem Kaffeetälchen eines der schönsten Stadien des Landes sein Zuhause nennt. In Kooperation mit dem Zeitspiel-Magazin haben wir dort einen Fußballkulturabend veranstaltet: Es gab u.a. bislang unveröffentlichtes Filmmaterial aus der Geschichte des Vereins zu sehen und auch einige Kostproben aus den neuesten Werken unserer Autoren zu hören. Und obendrein die Weltpremiere von „In 90 Minuten um die Welt“ aus der Fußballfibel-Reihe. Es war ein wunderbarer Abend.

Michael Stoffl in Gabun
Michael Stoffl, Autor von “In 90 Minuten um die Welt” auf einer seiner Reisen

sechzger.de: Du bist ja Löwenfan und eigentlich aus dem Münchner Umland. Was hat Dich denn nach Berlin verschlagen?

Michael Stoffl: Das war 2003, als ich ein gutes Jobangebot angenommen habe. Diese Stelle habe ich zwar mittlerweile nicht mehr, aber ich bin trotzdem irgendwie hier hängengeblieben. Die Stadt bietet auch eine sehr breit aufgestellte Fußballlandschaft jenseits der Profiligen und Kunstrasenplätze – oft mit sehr idyllischem oder besonderem Ambiente. Noch ursprünglicher geht es im Brandenburger Umland zu.

sechzger.de: Als Reisender in Sachen Fußball bezeichnest Dich aber selber nicht als „Groundhopper“, oder?

Michael Stoffl: Nein, nicht unbedingt. Ich bin keiner, der Statistiken führt, Ligen komplettiert oder sich gar mit anderen misst und im Wettbewerb steht. Da soll jeder machen, wie er es für richtig hält. Und trotzdem besuche ich immer wieder gerne neue Sportplätze und Stadien und das rund um die Welt. Was für mich zählt, ist das Rundum-Erlebnis – von der Architektur der Tribünen über die Geschichte des Vereins bis hin zur Geselligkeit im Vereinsheim. Und natürlich die Reiseerlebnisse an sich. Das kann dann mal ein Kreispokalspiel in der deutschen Provinz sein oder ein Ligaspiel mit 50.000 Fanatikern in Surabaya, Indonesien. Obendrein noch ein unterhaltsames Spiel, was will man mehr?

sechzger.de: Wie viele Länder hast Du inzwischen bereist? Und in wie vielen hast Du tatsächlich auch Fußball gesehen?

Michael Stoffl: Ich habe über hundert unabhängige Staaten besucht und dabei 88 Länderpunkte gesammelt (inkl. DDR). Wieviele Spiele oder verschiedene Stadien das jetzt insgesamt waren, könnte ich nicht annähernd schätzen. Ich gehe seit 1980 zum Fußball und für die ersten zwanzig Jahre fehlt mir einfach der Überblick.

sechzger.de: Was waren denn die „exotischsten“ Ziele, die Du bislang bereist hast? Welche Anekdoten sind Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Michael Stoffl: Wie man z.B. ins ausverkaufte Pokalfinale in Kolumbien kommt, oder wie der Abend mit dem Betreuerstab von Guinea-Bissau vor einem wichtigen Afrika-Cup-Spiel abläuft. Was hat es mit dem Bonanza-Cup auf sich, dessen Finale am Weihnachtstag ausgespielt wird, und wie fühlt sich ein Spielbesuch in Nordkorea an? Wie verhält man sich klugerweise, wenn man ins Visier des Mossad gerät, und wie reist es sich in einem iranischen Nachtzug? Das alles – und noch mehr – gibt es bald nachzulesen.

Fußball auf Madagaskar
Madagaskar: Spieltag Im Stade Ampasambazaha in Fianarantsoa

sechzger.de: Am 23.08. erscheint Dein Buch „In 90 Minuten um die Welt“, in dem Du von einigen Deiner Reisen berichtest. Wie kam es dazu? War das Deine eigene Idee oder wurde Dir einfach zu oft gesagt, dass man da doch mal ein Buch draus machen sollte?

Michael Stoffl: Dass ich das alles mal aufschreiben sollte, habe ich schon öfters gehört. Mir fehlte aber die Motivation, mit einem Manuskript – womöglich erfolglos – hausieren zu gehen. Als dann aber der Verlag auf mich zukam und an meinen Geschichten Interesse zeigte, war klar, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt wäre.

sechzger.de: Nach welchen Kriterien hast Du ausgewählt, was ins Buch kommt und was erstmal nicht berücksichtigt werden kann?

Michael Stoffl: Ich ließ mir erstmal die besten, lustigsten, bizarrsten und gefährlichsten Anekdoten und Erinnerungen durch den Kopf gehen, die ich beisteuern könnte. Dabei konnte ich aber nicht alles verwenden, weil manchmal einfach der Aufhänger Fußball fehlte. An manchen Zielen fehlte es auch an diesen besonderen Geschichten, wenn alles einfach nur reibungslos ablief. Außerdem war mir wichtig, lieber ein paar längere Kapitel zu schreiben und ins Detail zu gehen als typische Groundhopper-Berichte aneinanderzureihen.

sechzger.de: Gibt’s auch schon konkrete Pläne für eine Fortsetzung? An Stories dürfte es ja keinesfalls mangeln…

Michael Stoffl: Noch nicht. Was wir aber tatsächlich in Erwägung ziehen, ist eine englische Fassung. Weil hierfür das Budget fehlt, bin ich gerade dabei, eine Gruppe qualifizierter Freiwilliger zusammenzustellen, die mich dabei unterstützen. Ich hoffe, das wird was.

sechzger.de: Da ja nun auch wieder Veranstaltungen mit Publikum möglich sind: Wird es eine Lesereise geben? Steht München auf dem Programm?

Michael Stoffl: Ab etwa Mitte September wird es deutschlandweit einige Lesungen geben. Das ist gerade alles erst in Planung, aber die ersten Termine stehen sogar schon. Ich hoffe doch sehr, dass sich auch in München die Gelegenheit ergibt – vom Fanprojekt bis hin zu Fußballkneipen.

sechzger.de: Apropos München: Wie oft siehst Du denn die Löwen noch live im Stadion?

Michael Stoffl: In den letzten Jahren vor der Pandemie war ich höchstens ein, zwei mal pro Saison bei Heimspielen. Auswärts hingegen wesentlich häufiger.

sechzger.de: Bei all den Ländern und Spielen, die Du besucht hast, fällt es sicher schwer, ein Lieblingsstadion zu benennen, oder? Magst Du trotzdem mal versuchen, uns Deine Top 5-Grounds aufzulisten?

Michael Stoffl: Unser Sechzgerstadion steht natürlich ganz oben. Und das Stadion im Kaffeetälchen hatte ich ja eingangs schon erwähnt. Alleine die Top 5 für Buenos Aires zu benennen, würde mich schon vor unüberwindbare Hürden stellen. Huracán wäre aber sicherlich dabei.

CA Huracán, Argentinien
Im Stadion von CA Huracán in Buenos Aires

sechzger.de: In Deinem Buch berichtest Du ja auch über die Reise mit den Amateuren des TSV 1860 zu einem Turnier nach Indien. Wie kam es denn dazu, dass Du den Löwen da nachgereist bist?

Michael Stoffl: Ich bedaure bis heute zutiefst, dass ich damals in Parma, Leeds, Smederevo, Baryssau, etc. nicht dabei war. Abgesehen von Testkicks im Trainingslager und dem Freundschaftsspiel bei Cracovia liegen internationale Auftritte der Löwen ja weit zurück. Als dann im Löwenforum plötzlich das Thema Indien auftauchte, war klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen wollte. Es war ja bis zuletzt ein ziemliches Hin und Her, ob unsere Amas tatsächlich teilnehmen, und ob und wann das Turnier auch tatsächlich stattfindet. Glücklicherweise war ich durch meinen Job so flexibel, dass ich mich nicht frühzeitig um Urlaub bemühen musste und spontan sein konnte. Es war ein irrer Trip, dem ich im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet habe.

sechzger.de: Was sind Deine nächsten Reisepläne?

Michael Stoffl: Abgesehen von der Lesereise quer durch die Republik ab Herbst, habe ich noch keine konkreten Pläne. Warten wir’s ab.

sechzger.de: Du schreibst ja auch für das großartige Zeitspiel-Magazin, das sich größtenteils mit dem Fußball abseits des Mainstreams und der großen Arenen beschäftigt. Lässt sich daraus ableiten, dass Du dem Kommerzfußball auch eher kritisch gegenüberstehst?

Michael Stoffl: Unbedingt. Für die 1. und 2. Bundesliga würde ich mich erst wieder interessieren, wenn wir da selber wieder mitspielen. Während dem Amateurfußball monatelang jede Betätigung untersagt wurde, mussten in der Bundesliga und der Champions League weiterhin Fernsehgelder eingespielt werden. Beim Dorfverein durften keine zwanzig Leute am Spielfeldrand stehen, während die EM mit all ihren fragwürdigen Begleiterscheinungen durchgeboxt wurde. Es ist eine traurige Entwicklung und das geldbringende Geschäft entkoppelt sich immer mehr von dem Sport, den wir lieben.

sechzger.de: Vielen Dank für das nette und informative Gespräch. Bis bald bei den Löwen und alles Gute!

Michael Stoffl: Sehr gerne und danke für das Interesse. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.

Michael Stoffl: In 90 Minuten um die Welt
“In 90 Minuten um die Welt” von Michael Stoffl

Bilder: Michael Stoffl (privat)

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