Am Sonntag trifft der TSV 1860 München auswärts auf den VfB Oldenburg. Gespielt wird im Marschwegstadion – aber wie lange ist das aus Sicht der Gastgeber noch der Fall? Auch im hohen Norden ist die Stadiondiskussion momentan eins der ganz großen Themen rund um den Verein. Im Interview mit sechzger.de spricht Linus Horke von der Fanbetreuung des VfB Oldenburg über die aktuellen Planungen, seine Arbeit und die Auswärtsfahrt ins Grünwalder Stadion im August 2022.

Interview mit Linus Horke (Fanbetreuung VfB Oldenburg)

sechzger.de: Servus Linus! Danke, dass wir dir vor dem nahenden Auswärtsspiel der Löwen in Oldenburg ein paar Fragen stellen dürfen. Wie ordnen die Fans des VfB die bisherige Saison sportlich ein?

Linus: Moin! Erst einmal vielen Dank für die Interviewanfrage und die interessanten Fragen.
Insgesamt sind die meisten Fans, die realistisch unseren Kader und unsere Möglichkeiten einschätzen, zufrieden. Wir haben gesehen, dass unser Team in der 3. Liga mithalten kann, nicht wie vor der Saison angekündigt, hoffungslos unterlegen ist und alles andere wäre eine überzogene Erwartungshaltung gewesen. Aktuell stehen wir über dem Strich und da wollen wir natürlich bleiben, damit sich auch die Strukturen im Verein weiter professionalisieren können.

sechzger.de: Hat sich deine Arbeit als Fanbeauftragter durch den Aufstieg grundlegend geändert?

Linus: Ja, das kann ich so bestätigen. Ich und mein Kollege Jan-Eric haben es in der Regionalliga Nord ehrenamtlich übernommen. Dort war es stellenweise überflüssig, aber trotzdem gut, Ansprechpartner zu haben und den Kontakt vorher zu den Gastvereinen zu suchen, da wir auch für die 4. Liga eine recht große Szene hatten.

In der 3. Liga hat es sich erheblich professionalisiert, die Aufgaben haben sich erweitert (Spieltagsberichte, regelmäßige Sicherheitsbesprechungen, Fandialoge, usw.) und es gibt – im Gegensatz zur Regionalliga – regelmäßig und in höherer Anzahl Gästefans, was uns natürlich freut. Dazu kommt, dass durch den Profifußball auch viele neue Fans den Weg zu uns gefunden haben, es gründen sich neue Fanclubs und es gibt viele Anfragen zu allermöglichen Problemen und Themen. Trotzdem möchte ich es überhaupt nicht missen, der Kontakt zu den anderen Kolleg*innen ist stets sehr gut und kommunikativ.

“München war ein Traum!”

sechzger.de: Du sprichst neben den höheren Zahlen bei Gästefans auch neue Fans für den VfB an. Wie sehr macht sich der Aufstieg bei den Zuschauerzahlen bemerkbar? In München wart ihr ja beispielsweise trotz der großen Distanz doch mit einigen hundert Fans vor Ort.

Linus: Hier lohnt sich direkt mal ein Blick auf unseren Zuschauerschnitt, der noch in der Regionalliga bei circa 1900 Personen lag und sich nun verdreifacht(!) hat, auf über 6000 Besucher*innen pro Spiel und das bei den widrigen Umständen des Marschwegstadions. Auch auswärts zeigt die Kurve stark nach oben, waren es noch zu Regionalliga-Zeiten meistens um die 100 Fans, die den VfB begleitet haben, hatten wir nun schon mehrere Fahrten mit über 1000 Leuten (Dortmund und Meppen), sowie auch für Spiele unter der Woche stets gute, dreistellige Zahlen. Insgesamt dürften wir im Schnitt bei über 500 Auswärtsfahrenden liegen, was natürlich am Reiz der 3. Liga, den neuen Stadien und den gegnerischen Fanszenen liegt.

sechzger.de: Oldenburg und München trennen gut 760 Kilometer. Welche Eindrücke habt ihr von der längsten Auswärtsfahrt seit 25 Jahren mitgenommen?

Linus: München war ein Traum! Da es das erste und auch weiteste Auswärtsspiel in der 3. Liga war, konnten wir die Zahl der Mitfahrenden schwer schätzen. Deshalb haben wir von eurem Verein den kleinen Block bekommen, den wir mit 350 Leuten ausverkauften. Es gab schlussendlich aber noch viel mehr Anfragen. Überall aus Deutschland kamen die Leute, die irgendwie mal in Oldenburg gewohnt hatten oder sonst wie Bezug zum VfB hatten. Dazu ein echt gutes Spiel unserer Mannschaft, das Hoffnung für die weitere Saison gemacht hat. Alle VfB-Fans waren sehr euphorisiert, sodass auch noch eine Dreiviertelstunde nach Abpfiff im Block gesungen wurde. Das hat sich schon eingeprägt.

Vorfreude auf Spiel in Osnabrück – 1000 Löwenfans als Ziel

sechzger.de: War das dann auch das Highlight-Auswärtsspiel der Saison oder gab es da noch eine andere Partie, bei der mehr Vorfreude herrschte?

Linus: Für mich persönlich war es ganz klar ein Highlight, der VfB im Grünwalder Stadion, das hatte ich mir lange nicht erträumt. Von den bisherigen Spielen käme da noch Dortmund in Frage, ebenfalls ein Traum: der VfB Oldenburg im Westfalenstadion! Absurd. Dazu dann noch mit 1200 mitgereisten Fans und einem Auswärtssiegtor in vorletzter Minute, viel besser konnte das nicht laufen.

Wenn ich für die Fanszene sprechen würde, denke ich, dass das noch anstehende Auswärtsspiel in Osnabrück ein Spiel ist, auf das viele hinfiebern, da es in den 90ern DAS Derby war und lange Zeit höchstens im Pokal oder gegen die Zweite von Osnabrück stattfand.

sechzger.de: Nun kommt es zum Gegenbesuch des TSV 1860 München im Marschwegstadion. Mit wievielen Gästefans rechnet der VfB am Sonntag?

Linus: Da bin ich natürlich voreingenommen, da ich die Prognose eures Fanbeauftragten kenne. Ich würde mich sehr über 1000 Sechzig-Fans freuen, bin aber auch realistisch, dass es echt eine weite Tour mit bescheidenen Zuganbindungen ist. Aber falls noch wer am Schwanken ist: Oldenburg ist auf jeden Fall einen Besuch wert, wenn man jetzt nicht unbedingt nur das Stadion damit meint!

Marschweg- vs. Nordweststadion

sechzger.de: Apropos: Nicht nur beim TSV 1860 München ist die Stadiondiskussion im vollen Gange. Erkläre doch bitte einmal kurz, warum bei euch Handlungsbedarf besteht.

Linus: Handlungsbedarf besteht in Oldenburg schon lange. 2007 kam die erste Stadion-Neubaudiskussion auf. Auch 2014 schwappte das Thema wieder hoch, diesmal konkreter mit Machbarkeitsstudie und auch der Gründung einer Initiative Nordweststadion, die für einen Stadionneubau argumentiert. 2023 ist der Handlungsbedarf sehr akut, da das Marschwegstadion in Oldenburg einfach nicht 3.Liga-tauglich ist und zahlreichen Auflagen des DFB nicht entspricht. Es fehlen festes Flutlicht, Rasenheizung, eine Pressetribüne, sanitäre Anlagen, ein Stadionumlauf für Rettungskräfte und noch viel mehr. Diese Liste lässt sich noch ausführlich ergänzen, aber ich fasse mich wie gewünscht kurz.

Als ein entscheidender Punkt seien noch die eingeschränkten Anstoßzeiten erwähnt, die keine Spiele nach 18:30 aus Lärmschutzgründen für die Anwohner*innen zulassen, welches natürlich Heimspiele am Montag und Freitag, sowie in den englischen Wochen verhindert. Bislang stehen 2 Spiele fest, an denen wir uns diesem Grund nach Hannover ausweichen müssen.

sechzger.de: Zwei Optionen werden gerade heiß diskutiert: entweder eine Sanierung des Marschwegstadions oder ein Neubau an anderer Stelle. Aktuell deutet alles auf einen Neubau hin. Wie positioniert sich die Fanszene zu den beiden Möglichkeiten?

Linus: Hier muss ich einschränken, leider deutet noch nicht alles auf einen Neubau hin. Die Thematik wird im Oldenburger Stadtrat heiß diskutiert. Die Grünen, die einen hohen Sitzanteil haben, sind dagegen und es gibt somit noch keine Mehrheit für einen Stadionneubau.

Die Fanszene positioniert sich seit 2014 klar für ein neues Stadion. Nun durch die Dringlichkeit natürlich noch vehementer – sicherlich auch sichtbar, wenn ihr am Sonntag zu Gast seid. Am Marschwegstadion hängen nicht viele Emotionen, auch wenn es nun schon knapp 30 Jahre die Heimspielstätte des VfBs ist. Die ursprüngliche Heimat des VfB war das Stadion in Donnerschwee, auch deutschlandweit als „Hölle des Nordens“ bekannt. Durch einen insolvenzbedingten Verkauf des Stadions musste der VfB ins städtische Marschwegstadion umziehen. Durch die Laufbahn und dem fehlenden Dach auf der Gegengerade sprechen auch in Sachen Charme nicht viele Punkte für das MWS.

Mobiles Flutlicht kommt dem VfB Oldenburg teuer zu stehen

sechzger.de: Wie sieht es da bei dir perșnlich aus Рhast du einen Favoriten?

Linus: Ganz klar, Neubau! Gründe könnte ich nun viele aufzählen. Der entscheidendste Punkt ist, dass ohne Stadionneubau zukünftig kein Profifußball in Oldenburg möglich sein wird. Denn auch bei noch so viel Geld, welches in die Sanierung des Marschwegstadions gesteckt wird, können infrastrukturelle Probleme (fehlende Parkplätze, Anwohner*innen, etc.) einfach nicht behoben werden.

sechzger.de: Sicherlich spielen auch die finanziellen Bedingungen dabei eine Rolle. Wie sieht das denn ganz generell beim VfB aus? Musste man sich ordentlich strecken, um alle Bedingungen und Auflagen nach dem Aufstieg zu erfüllen oder war das kein großes Problem?

Linus: Finanziell sind wir mit einem der kleinsten Etats der Liga wirklich nicht überragend aufgestellt. Dies ist aber natürlich auf die 25-jährige Abwesenheit im Profifußball zurückzuführen. Viele Sponsoren haben sich andere Betätigungsfelder (Basketball, Handball) oder nahe höherklassige Teams (Werder) gesucht, um diese zu unterstützen. Die Auflagen gerade wegen des Stadions erfüllen wir nur mit Ausnahmeregelungen und diese Situation reißt ein weiteres Loch in unsere Finanzen. Wir bezahlen knapp 40.000€ pro Spiel für unser mobiles Flutlicht, was uns dann bei der Verpflichtung von neuen Spielern oder anderen Investitionen stark einschränkt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir gut wirtschaften und nicht über Schmerzgrenzen hinausgehen, um die 3. Liga zu halten.

Saison 2022/23 jetzt schon ein Highlight für die Fans des VfB

sechzger.de: Zurück zum Sportlichen: unabhängig davon, ob es zum Klassenerhalt reicht oder nicht – die Saison ist sicherlich eine Erfahrung, die euch allen niemand mehr nehmen kann, oder?

Linus: Das kann ich gar nicht oft genug betonen. Diese Saison ist ein einziges Highlight, gerade für die alteingesessene Fanszene, die ansonsten nur 4. und sogar 5. Liga kennt. Klar hatten diese Ligen für eine kurze Zeit seinen Charme, aber wenn man das 8. Mal beim BSV Rehden spielt, wird es nicht charmanter. Auch das Image des ewig erfolglosen Vereins war witzig und ich kenne meinen VfB seit den 18 Jahren, die ich dabei bin, eher unerfolgreich. Aber wenn man sich nun ansieht, was sich alles verändert hat, ist es der Wahnsinn. Statt auswärts bei Holthausen-Biene und Spelle-Venhaus, fährt man nach München, Duisburg und ins Westfalenstadion. Statt 900 Zuschauenden zuhause gegen Eintracht Norderstedt, steht man mit knapp 9000 Leuten gegen Dynamo Dresden im Stadion. Diese Saison wird sich einbrennen, ob Klassenerhalt oder nicht!

sechzger.de: Wir würden euch den Klassenerhalt im Mai natürlich wünschen, damit es möglichst in Giesing und Oldenburg etwas zu feiern gibt. Sollte das jedoch nicht klappen: inwiefern ergeben sich Auswirkungen auf die Stadionplanungen?

Linus: Vielen Dank, euch wünsche ich im Aufstiegsrennen mit neuem Trainer ebenfalls viel Erfolg!

Die erste wichtige Abstimmung ist Ende Februar, aber die endgültige Entscheidung ob gebaut wird, wurde in den Herbst verlegt. Steigt der VfB ab, bezweifle ich stark, dass es eine Mehrheit für den Stadionneubau gibt – auch wenn die Stadt das Stadion natürlich nicht nur für den VfB bauen sollte, sondern weil Oldenburg einfach ein Profisport-taugliches Stadion braucht!

Choreografie Für Neues Stadion VfB Oldenburg Fanszene

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Pfälzer Löwe

Wenn diese blöde Genderei nicht wäre, ein gutes Interview.

Baum

Gerade das finde ich sehr angenehm. Sollte mittlerweile eigentlich Standard sein. Sympathisches Interview.

Lars

Schönes Interview und kann die Aussagen nur teilen. Als Oldenburger der in München lebt, war natürlich das Spiel im Grünwalder absolutes Highlight! Auf ein gutes Spiel am Sonntag!

Joerg

Gutes Interview, danke, mit einem angenehmen Nordlicht