Nachdem wir gestern die Verteidigung der Löwen durchleuchtet haben, nehmen wir uns heute des Mittelfelds an und stellen ein paar interessante Möglichkeiten vor.

Gerade einmal vier Mittelfeldspieler blieben dem TSV 1860 nach dem Saisonende mit laufendem Vertrag erhalten. Ganz schön dünn, wenn man bedenkt, dass gerade dieser Mannschaftsteil eine sehr zentrale Rolle einnehmen muss, in Sachen Laufarbeit führend ist und auch noch für offensive Kreativität sorgen soll. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch entscheidende Fragen: Welches System favorisiert der Trainer hier? Was für Spieler braucht der TSV?

Das System war vergangene Saison sehr flexibel und gegnerabhängig und nirgends veränderte Michael Köllner die taktische Ausrichtung häufiger als im Mittelfeld – gefühlt übrigens der größte Unterschied zu seinem Vorgänger. Daran wird sich vermutlich auch kommende Saison nichts ändern, was durchaus als Stärke der Löwen angesehen werden kann, weil man so unberechenbar bleibt. Allerdings bedarf diese Ausrichtung auch einer dicken Personaldecke, um entsprechend rotieren zu können.

So, meine Herrschaften, jetzt wirds ein wenig taktisch-theoretisch, also warm anziehen!

Wenn ein 4-3-3 System (zu dem meist bei Rückstand während des laufenden Spiels – sozusagen „on the fly“ – geswitched wurde) gespielt wurde,  gab es das mal mit Doppelsechs und einem Ballverteiler davor, mal mit einem Sechser, einem Achter und einem Zehner. Taktisch sehr interessant und anspruchsvoll, da dabei der Achter bei Ballbesitz des Gegners des Öfteren als defensiver Mittelfeldspieler (sprich: Sechser) agieren sollte. Bei diesem System ließ Köllner mit hängenden Außenstürmern und offensiven Außenverteidigern ohne Flügel im Mittelfeld agieren. Geballte Offensivkraft also, aber defensiv durchaus anfällig, vor allem über außen.

Bei der Standardformation 4-4-2 spielte man gern mit Sechser und Zehner, wobei die Flügelspieler gegner- und spielsituationsabhängig mal vorgeschoben, mal zurückhängend agierten. Auch wurden die eigentlichen Offensiv-Flügelspieler bisweilen als zusätzliche Absicherung genutzt, wenn die Außenverteidiger überlaufen hatten und sich aktiv ins Angriffsspiel einschalteten. Dies war bei Willsch, Paul, Steinhart und Klassen regelmäßig der Fall – mal mehr, mal weniger effektiv, aber für den Gegner allemal schwer zu antizipieren. Leider konnte man dabei auch des Öfteren beobachten, dass gerade auf der linken Seite große Lücken für konternde Gegner entstanden, wenn Steinhart seinen Mitspieler auf der linken Seite überlief – dies aber nur am Rande mit großer Hoffnung auf Besserung zur neuen Saison.

Eine Viererkette im Mittelfeld , in der alle Löwen auf nahezu gleicher Höhe agieren, und bei Ballbesitz des Gegners ab dem Mittelkreis das Zentrum dann doppelt abkippt, war Usus. In der Offensivbewegung hingegen kippte nur einer der zentralen Mittelfeldspieler ab, während der andere zur Raute vorschob.

Besonders im Mittelfeld hat Michael Köllner tatsächlich fast den kompletten Umfang des taktisch Möglichen ausgeschöpft und gerade offensiv war eine deutliche Weiterentwicklung im Vergleich zum Saisonstart zu erkennen. Gerade wie in Ballbesitz die taktischen Verschiebungen von Mittelfeldspielern in den Sturm auf den Außenpositionen umgesetzt wurden, war schön anzusehen.

So wurde bei eigenem Ballbesitz aus einem 4-4-2 oft schnell ein 4-2-2-2 Flügelspiel, ein 4-2-4 lang, ein 4-2-3-1 Mittelfeld eng, ein 4-2-1-3 mit vorgeschobenen Flügeln und hängender Spitze, und auch ein 4-1-2-1-2 Rautensystem. Gegen den Ball ließ Köllner meist  4-4-1-1 Pressing spielen, wobei in der Nähe des eigenen Strafraums das Mittelfeld als zweite Viererkette versuchte dem Gegner die Räume eng zu machen.

Einmal wurde auch ein 5-3-2 System von Beginn an gezeigt. Dieser Ansatz gegen Rostock zuhause ging allerdings derbe in die Hose, weshalb ich davon ausgehe, dass wir das unter die Rubrik „Experiment“ abheften und nicht weiter drüber nachdenken müssen.

Nun aber genug mit Taktiktheorie Рkommen wir zum Substantiellen: Welche Spieler bleiben den L̦wen?

Mit Moll und Wein haben die Sechzger zwei, die als Sechser auflaufen können. Moll kann zusätzlich auch die 8er Position einnehmen. Dressel kann problemlos als Achter und Zehner agieren, im Bedarfsfall aber auch auf einer Außenposition aushelfen. Greilinger ist in erster Linie auf dem Flügel zuhause, kann jedoch auch im Sturm aufgeboten werden und punktet besonders durch seine Schnelligkeit.

Es fehlt also auf jeder Mittelfeldposition (mindestens) ein Spieler für die kommende Saison. Ein Sechser, ein Achter/Zehner, und einer auf jedem Flügel, wobei das Flügelproblem links allerdings durch Steinhart (oder Klassen?) gelöst werden könnte. Durch gute Abwehrarbeit hat er leider zu selten geglänzt, seine Vorstöße auf der Außenbahn sorgten hingegen oft für Gefahr im gegnerischen Strafraum.

Welche Spieler, die ins System Köllner passen würden, kämen als Neuzugänge in Frage?

Im defensiven Mittelfeld gibt der Markt momentan eher wenig her, dort ist aber auch noch ein wenig Substanz im Kader enthalten. Sascha Hingerl aus der eigenen U21 wäre nur als Ergänzungsspieler eine Möglichkeit. Zur wirklichen Verstärkung des momentanen Kaders wäre eine Weiterbeschäftigung von Tim Rieder das, worauf wohl jeder hofft. Er kennt das Team und hat sich als Führungsspieler innerhalb des Kaders bewährt.

Im zentralen bzw. offensiven Mittelfeld darf man wohl nicht auf Zugänge aus dem eigenen Nachwuchs hoffen; noch mehr Jugend auf diesen Positionen kann man vermutlich nicht verkraften. Interessant von den auf dem Markt befindlichen Spielern sind Rico Preißinger (23/Magdeburg), Patrick Schönfeld (31/Wehen), Maurice Litka (24/Münster), Thomas Mayer (24/Austria Lustenau), Sebastiano Nappo (24/Augsburg II), Turgay Gemicibasi (24/BW Linz) und Lukas Schleimer (20/Nürnberg II).

Für die Außenpositionen im Mittelfeld haben wir momentan außer Greilinger keinen Spieler unter Vertrag, es herrscht also akuter Handlungsbedarf.

Auf links sehr interessant wäre beispielsweise der 25-jährige Österreicher Patrick Möschl, der erst in der Winterpause von Dynamo Dresden zum FC Magdeburg wechselte und nun vertragslos ist oder auch Maximilian Dittgen (25/Wehen).

Rechts wären u.a. Patrick Göbel (27/Halle), Janik Mäder (23/Zwickau) und vor allem der junge Nicklas Shipnoski (22/Wehen) vielversprechende Kandidaten. Letzterer hat es in der Aufstiegssaison des SVWW 18/19 in der entscheidenden Schlussphase der Spielzeit geschafft, dort Stammspieler zu werden. Und dass er im Grünwalder Stadion treffen kann, hat er damals mit einem Doppelpack beim 2:1-Sieg der Hessen in Giesing eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch Raphael Obermair kennt sich bestens in hiesigen Gefilden aus, durchlief er doch die Jugend und Amateure der Unaussprechlichen aus der Parallelstraße. Über den Umweg Sturm Graz landete er in Jena, wo er den Abstieg des FC Carl Zeiss jedoch nicht verhindern konnte. Ursprünglich als offensiver Flügelspieler ausgebildet, kam er dort zuletzt meist als rechter Verteidiger zum Einsatz, könnte so jedoch eventuell mit Willsch ein schlagkräftiges Duo auf rechts bilden.

Na, sind da Kandidaten dabei, die Euch auch zusagen? Oder habt Ihr ganz andere Geheimtipps? Wir sind gespannt auf Eure Vorschläge!

Und natürlich folgt in den kommenden Tagen auch noch die Analyse des Löwen-Sturms.

Verfasser: Bernhard L.

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