Dass die Mitgliederversammlung eines Sportvereins eine Präsenzveranstaltung sein sollte, ist klar. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und wurden auch beim TSV 1860 München in den vergangenen Jahren eindrucksvoll vor Augen geführt. Bestes Beispiel: Die letzte Wahl zum Verwaltungsrat, als das “Team Profifußball” sich auf der MV vorstellen durfte und von den anwesenden Mitgliedern zu ihren Beweggründen, Ideen und Visionen befragt wurde. Noch heute bin ich mir sicher, dass Ex-Profi Bernhard Winkler da locker gewählt worden wäre, hätte er sich auf der Bühne nicht um Kopf und Kragen geredet.

In Zeiten von Corona ist jedoch vieles anders und so stellt sich auch bei den Löwen die Frage, ob die diesjährige MV zwingend im Zenith durchgeführt werden muss oder auch eine Online-Variante möglich wäre. Fakt ist: Dieses Jahr finden keine Wahlen statt, dieser Kelch geht also schon mal an uns vorüber. Inwiefern eine Präsenzveranstaltung, wie sie für den 20.09. geplant ist, überhaupt genehmigt wird und abgehalten werden darf, steht in den Sternen. Rückt die von bestimmten Personen seit Jahren geforderte Online-MV nun in greifbare Nähe? Für 2020 scheint dies zumindest eine realistische Option, für die Zukunft hingegen sollte dies keine Alternative sein, zumal es einer entsprechenden Satzungsänderung bedarf. Anträge auf Online- bzw. Briefwahl wurden in der Vergangenheit wiederholt mit überwältigender Mehrheit abgelehnt, bei der letzten MV wurde ein derartiger Antrag gar nicht erst gestellt.

Warum aber ist es so wichtig, dass die Mitglieder einmal im Jahr persönlich zusammenfinden? Fußball-Abteilungsleiter Roman Beer begründet dies in der Süddeutschen Zeitung schlüssig; er halte es für kritisch, wenn sich die Mitglieder sagen: “Ich höre mir doch keine stundenlangen Debatten an, sondern gebe einfach meine Stimme ab.” Präsident Robert Reisinger steht einer Online-MV prinzipiell offen gegenüber, solange es sich dabei um eine reine Informationsveranstaltung ohne Abstimmungen handle und die Kosten nicht explodieren.

Dass die Gegner des Vereinskurses (Konsolidierung der ausgegliederten KGaA) durch die Online-Variante Morgenluft wittern, ist klar. Ob es die vielzitierte “schweigende Mehrheit” jedoch überhaupt gibt, ist fraglich. Gerade bei den Mitgliedern des Vereins genießt die aktuelle Vereinsführung und ihr Vorgehen breites Vertrauen – wie die Wahlergebnisse auf den vergangenen Mitgliederversammlungen zeigten. 1860 ist halt deutlich mehr als nur Profifußball und ganz ehrlich: Wer alle zwei Wochen zu den Spielen anreisen kann, der sollte auch bereit dazu sein, mal einen Tag in einer Halle zu verbringen, um die Vereinspolitik aktiv mitzugestalten. Aber natürlich ist es viel einfacher, daheim auf der Couch zu sitzen, rumzujammern und sich zu beschweren. Man kennt das ja.

Selbstverständlich darf man bei der Online-Variante auch eventuelle Manipulationsmöglichkeiten nicht komplett außer Acht lassen: So ganz abwegig wäre es ja nicht, dass im Falle einer Änderung des Wahlmodus plötzlich ganz viele Menschen aus aller Welt ihre Liebe zum TSV 1860 entdecken und dann am Wahltag wie gebannt am Computer sitzen und ihre Stimmen abgeben. Bei Facebook und Twitter soll sich ja so manch einer auch schon massenhaft Follower zugelegt haben…

 

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