Auf der Durchreise Richtung Feuerland, um das Schiff für meinen Antarktis-Trip zu besteigen, hatte ich anno 2012 einen Tag Aufenthalt in Buenos Aires. Es war Januar, also Hochsommer auf der Südhalbkugel und die argentiniischen Ligen kamen gerade aus der Weihnachts-/Sommerpause. An diesem Wochenende ging sich terminlich für mich nur ein Spiel aus: CA Huracan – CA Atalanta.

Hindernisse vor dem Start

Mein allererster Tag in Südamerika hatte nur einen Programmpunkt: Das Spiel CA Huracan – CA Atalanta. Es gab diverse Subprogrammpunkte, wie ein argentinisches Steak essen, ein Bier vor dem Spiel trinken und überhaupt erstmal zum Stadion kommen. Denn Buenos Aires ist eine Stadt mit etwa 12 Mio. Einwohnern im Einzugsbereich und einem geradezu winzigen U-Bahnnetz für diese Größe. Diverse Groudhopper-Foren empfehlen deshalb einen mehrere hundert Seiten dicken “Bus-Atlas”. In der Theorie im winterlichen Europa eine super Idee, in der Praxis im höllisch heißen südamerikanischen Sommer nicht umsetzbar. Es ging schon damit los, dass mir die Besitzerin meiner Frühstückspension verbieten will, ein Fußballspiel in Argentinien zu besuchen. Es sei einfach zu gefährlich als Europäer ein Spiel in Argentinien zu besuchen. Ihr fußballverrückter Mann wirkte auf sie ein und am Ende “kriege ich die Erlaubnis” doch fahren zu dürfen, wenn ich möglichst wenig als Ausländer auffalle. Zum Anderen ist der Bus-Atlas, den ich für viel Geld vorab bei ebay ersteigert habe, über zwei Jahre alt und nach Meinung meiner Gastgeber vollkommen unbrauchbar. Er wird von den Gastgebern an der Rezeption kurzerhand mit Karacho in den Müll geschmissen, ohne dass ich ihn auch nur eine Sekunde benutzt hätte…

Nicht als Ausländer auffallen in Buenos Aires

Der Pensionsbesitzer (leider habe ich seinen Namen vergessen) erklärte mir erstmal, wie man in Argentinien ein Stadion besucht, ohne aufzufallen. Die Sache ist ganz einfach. Man soll nichts sagen, auf nichts antworten, nichts Wertvolles bei sich tagen und muss eine kurze Hose des argentinischen Nationalteams anhaben. Und zwar die schwarze, die hellblaue ist verpönt. Also schickt mich der Mann in eins dieser Souvenirgeschäfte, wo ich mir eine Argentinienhose kaufen soll. Ich fand die Idee nicht mal schlecht, weil Argentinien eigentlich immer meine Lieblingsnationalmannschaft war. Leider war meine Größe nicht vorrätig und ich beschloss auszubüchsen und mich in meiner normalen Hose – wohlwissend um die Gefahr – in Richtung Stadion aufzumachen. Immer im Kopf die Parole “bloß nicht als Ausländer auffallen”.

Mein erstes Argentinisches Steak

Auf dem Weg zur “Subte”, wie man in Buenos Aires die U-Bahn nennt, kehrte ich im erstbesten “Parilla” ein. So nennt man die Grillläden, die im Innenraum über einen Holzkohlegrill verfügen und Lonely Planet zur Folge für kleines Geld große Portionen anbieten. Der Lonely Planet lügt nicht. Ich bestelle die mittelgroße Variante und bekomme kurz drauf ein Baguette, das innen doppelt mit Steak belegt ist. Dazu ein großes kühles Bier, das extra in einem Bierkühler kredenzt wird. Ein Auftakt nach Maß!

Unterwegs zum Stadion

Ich nehme die Subte bis zur Station, die dem Stadion am nächsten liegt. Ohne Bus-Atlas bin ich dazu verdammt, zu Fuß zu gehen. Allerdings wurde mir eingebläut, niemanden nach dem Weg zu fragen und bloß keinen Stadtplan (den ich eh nicht habe) rauszuziehen. Google Maps gab es 2012 noch nicht in zufriedenstellender Form… Ich vertraue einfach auf mein Glück und dass von der U-Bahn schon erkennbare Fußballfans Richtung Stadion unterwegs sein werden. Pustekuchen! Dass heute ein Fußballspiel stattfinden soll, ist nicht zu erahnen. Menschenleer zeigt sich der Süden von Buenos Aires in der spätnachmittäglichen Hitze. Ich entdecke eine Art Getränkemarkt in einer Garage, kaufe ein Bier und wage es, nach dem Weg zu fragen. Freundlich wird mir geantwortet und entgegen der Ausführungen der Gastgeber werde ich nicht überfallen. Im Zickzack immer Richtung Westen durch den verwinkelten Stadtteil, bis ich zu einer Straße mit Huracan-Wappen bemalten Mauern komme und die dann bergab Richtung Stadion folgen.

Bemalte Wände mit Motiven der lokalen Fußballclubs sind in Buenos Aires an der Tagesordnung

Klingt einfach, ist es aber nicht. Ich finde einfach den Westen nicht. Denn die im Norden stehende Sonne verunmöglicht mir jede Form der Orientierung nach Himmelsrichtungen. Grauenhaft! Ich habe das Gefühl grob vor und zurück zu laufen, weil ich ein Mal bei der Suche nach Westen dran denke, dass die Sonne im Norden steht und ein Mal nicht. Das erste Mal in meinem Leben, erscheint es möglich, ein Stadion nicht zu finden.

Drei Auswärtsbusse weisen mir den Weg

Irgendwie gelange ich auf große Straße, die eine Hauptverkehrachse zu sein scheint. Sie geht sogar bergab, könnte Sie zum Stadion führen? In diesem Moment werde ich von lautem Gesang aus meinen Gedanken gerissen. Es handelt sich eindeutig um Fußballlieder. Aber wo kommen die her? Dann überholen mich drei zum Bersten gefüllte Busse, die vollkommen in blau und gelb geschmückt sind, aus denen die typischen argentinischen Arme quellen in der dieser einzigartigen argentinischen Supportbewegung. Wir haben sie alle bei der WM gesehen. Die Busse brausen an mir vorbei und der Gesang verstummt. Ich folge der großen Straße und entdecke dann endlich die Flutlichmasten des Stadions. Was für eine Anreise!

Spektakuläres Stadion

Das Tomas Adolfo Duco ist eines der einzigartigsten Stadien, das ich jemals gesehen habe. Die Sitzschalen sind aus Beton gegossen und unfassbar unbequem. Und die Gegentribüne wird von einer Rakete aus Beton überragt, deren Bedeutung mir leider niemand erklären konnte. Beide spielen damals in der zweiten Liga und das Stadion ist mäßig besucht. Dennoch machen beide Fankurven ziemlich gute Stimmung.

Die Fankurve von Huracan mit der typischen argentinischen “Beschmückung”
Die Auswärtskurve von CA Atalanta

 

Es ist unglaublich heiß und zur Abkühlung spritzt die Feuerwehr in der Halbzeit Wasser in die Fanblöcke, was dort mit großem Jubel aufgenommen wird.

Die Feuerwehr sorgt mit Schlauch für Abkühlung im Fanblock

CA Huracan – CA Atalanta 2:2

Das Spiel war wenig spektakulär. Die Spieler sind trotz zweiter Liga technisch alle extrem versiert, aber irgendwie spielen sie wenig effektiv. Immerhin fallen vier Tore, die es mir ermöglichen, vier Mal den tatsächlich frenetischen argentinischen Torjubel zu genießen.

Die Huracan-Fans bejubeln den 2:1-Führungstreffer

Huracan geht zwei Mal in Führung, Atalanta kann zwei Mal ausgleichen. Und so sind es am Ende die Auswärtsfans, die ihre Mannschaft, die damals tief im Abstiegskampf steckte, frenetisch bejubeln und die meterhohen Zäune in beeindruckender Art und Weise heraufklettern, um ihre Mannschaft zu feiern.

Beeindruckende Blockfahne für ein Auswärtsspiel nach dem 2:2-Ausgleich

Für den Rückweg nehme ich mir übrigens ein Taxi. Zu Hause angekommen falle ich Jetlag-bedingt sofort in tiefen zufriedenen Schlaf. Endlich ein Spiel in Argentinien gesehen!

 

 

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Kraiburger

Sehr schöner Bericht. Vielen Dank! Argentinien und speziell Buenos Aires ist einfach der inbegriff von Fußballkultur. Freue mich darauf wieder hin zu fahren und will da zwei Wochen lang jeden Tag ein Spiel sehen. Es gibt dort so viel zu entdecken!