Die Geschichte dieses Spiels beginnt vergangenen Mittwoch, als der Whatsapp-Kanal von Racing Ferrol vermeldet, dass ab Donnerstag 10:00h die Tickets für das Spiel gegen Granada verkauft werden. Dummerweise sollten wir zu dieser Zeit im Flugzeug gen Spanien sitzen..

Anruf aus Ferrol

Da in Spanien aktuell komischerweise keine Tickets an den Kassen vor den Spielen verkauft werden, obwohl die Stadien nicht ausverkauft sind, waren wir also auf den Vorverkauf angewiesen. Kurzerhand griff ich zum Handy und rief bei Racing Ferrol an, um vielleicht anderweitig zwei Karten reservieren zu können. Der junge Mann am anderen Ende der Leitung meinte, er freue sich zwar, dass Gäste aus Deutschland kommen wollen, aber er könne da auch nichts machen. Fünf Minuten nach dem Telefonat klingelte mein Handy mit einem Anruf einer spanischen Mobilnummer. Es war der junge Mann von Racing, der mich von seiner Privatnummer anrief. Er sagte, er dürfe mir das offiziell nicht raten, aber ich solle doch meine persönlichen Daten an einen Freund geben, der die Tickets für mich buchen sollte. Das sei zwar verboten, aber irgendwie in unserem Fall schon OK. Zu diesem Zeitpunkt war Redaktionskollege Stefan Kranzberg aber bereits seit drei Minuten instruiert und mit den relevanten Daten versorgt. Am nächsten Morgen hatte unser Flugzeug dann Verspätung und ich konnte die Tickets selbst angenehm in der Schlange beim Boarding kaufen…

Kein Blick aufs Meer in der Hafenstadt

Am Samstag Mittag ging es gen Ferrol, das die Geburtsstadt des ehemaligen Diktators Francisco Franco ist. Die Stadt entsprach der Beschreibung im Reiseführer ziemlich genau: “Wer das über einer kleinen Halbinsel ausgebreitete Ferrol auslässt, verpasst nicht allzu viel”. Dennoch machten wir eine schöne Runde durchs Zentrum, gesellten uns in Bars und nahmen ersten Kontakt mit den Racing-Fans auf. Sehr interessant ist, dass man in der Hafenstadt Ferrol kaum das Meer sehen kann, weil alles durch Hafenanlagen verbaut ist und man konsequent Mauern und Hafenkräne, aber kein Wasser sieht. Vor dem Spiel hatte mein Sohn Lust auf Kuchen und wir nahmen unserer Mittagessen in einer Pasteleria ein. Das ist so eine urspanische Bar, die über eine Konditorei-Ecke verfügt und es mannigfaltige Kuchen und anderes Süßgebäck zur Auswahl gibt. So gestärkt machten wir uns auf den Weg ins Stadion. Vom Zentrum kommend erreicht man das Stadion auf der Rückseite, die einem einen doch eher traurigen Eindruck vermittelt.

Die eher schmucklose Rückseite der Malata

Kaffee und Kuchen statt Punkrock

Umrundet man das Stadion, gelangt man zu einer ziemlich einzigartigen Frontseite. Dort ist ein Teich mit zwei Kanupolo Spielfeldern direkt vor dem Stadion (siehe Titelbild) und im Stadion scheint noch ein Schwimmbad untergebracht zu sein. Das Stadion selbst ist pragmatisch, aber sehr bequem für ein Team der mittleren Segunda Division. Der Gästeblock ist wie überall in Spanien lächerlich klein. Aufmerksamkeit erregen zwei Dinge, die ich so noch nie gesehen habe. Zum Einen holt sich Racing Ferrol den Aufstieg permanent mittels einer Kletterwand auf der Haupttribüne ins Haus. Vielleicht eine nachahmenswerte Idee für das Sechzgerstadion…

Auch noch nie gesehen: eine Kletterwand auf der Haupttribüne

Zum Anderen befindet sich hinter unserem Block wohl der zugewachsenste Nebenplatz eines oberklassigen Stadions in Europa.

Hier wurde schon lang nicht mehr gekickt

Vor dem Spiel wurde solide Rockmusik aus den 80ern gespielt, zum Beispiel “We’re not gonna take it” von Twisted Sister und “Don’t stop believin'” von Journey. Zwei Songs, die gut zur aktuellen Gefühlslage der Löwenfans passen dürften. Erlebten wir am Vorabend in Vigo noch eine Art Punkrockparty, glich die Atmosphäre in der Malata eher einem Sonntagsnachmittagskaffee bei Tante Karin. Er herrschte meistens ziemliche Ruhe und man saß brav auf seinem Platz. Es gibt zwar einen Ultra-Block, allerdings unterscheiden sich die Ultras von den Normalos dadurch, dass sie einfach im Stehen schweigen. Bis auf 15 Minuten über das ganze Spiel verteilt, in denen kurze Gesänge angestimmt werden. Ansonsten kommen vom ganzen Stadion “Racing, Racing” – Rufe nach guten Aktionen der Gastgeber. Die etwa 50 mitgereisten Granada-Fans waren tatsächlicher etwas lauter (das mag daran gelegen haben, dass wir recht nah am Gästeblock platziert waren). Das Heimpublikum reagiert auf die Anfeuerung der Gäste mit gellenden Pfeiffkonzerten. Man fühlt sich wie bei einem Eishockeyspiel in Augsburg oder Schwennningen.

Racing Ferrol – Granada FC 0:1

Das Spiel selbst ist ziemlich unterhaltsam, auch wenn keine Tore fallen wollen. Ich bin immer wieder überrascht, wie technisch versiert in der zweiten spanischen Liga gespielt wird. Die Ballbehandlung der meisten Spieler ist wirklich sehenswert. Lange agieren beide Teams auf Augenhöhe und versemmeln reihenweise gute Chancen. Ab der 70. Minute ist zu erkennen, dass bei den Gastgebern die Kräfte nachlassen und Granada als Absteiger aus La Liga langsam Oberwasser gewinnt. In der 82. Minute ist es dann soweit: Erst lässt Saenz noch eine hundertprozentige Chance liegen, agiert dann aber gedankenschnell und bereitet das 0:1 für Ricard sehenswert vor. Die 50 Gästefans flippen nach andalusischer Art vollkommen aus und feiern den Treffer, als ob der Wiederaufstieg gelungen sei.

Heißblütiger Torjubel der mitgereisten Granada-Fans

Racing kann trotz langer Nachspielzeit nur noch eine Halbchance erarbeiten und verliert am Ende vielleicht etwas unglücklich. Wir freuen uns für die Auswärtsfans, die nach der weiten Anreise aus Andalusien soliden Support geliefert haben.

Faire Heimfans nach dem Spiel

Nach dem Spiel gehen wir wieder Richtung Zentrum, um etwas zu essen und Barcelona-Athletic Bilbao in einer Bar zu schauen. Dabei ist bemerkenswert, dass es keinerlei Absperrungen oder Polizisten gibt. Die Granada-Fans feiern ausgelassen den Auswärtssieg. Viele der vorbeigehenden Heimfans zeigen den angehobenen Daumen in Richtung der Granada-Fans, manche umarmen die Granadistas und gratulieren zum Auswärtssieg. Das habe ich auch selten gesehen! Ansonsten kann ich mich dem Reiseführer nur anschließen. “Wer das Stadion Malata in Ferrol auslässt, verpasst nicht allzu viel”. Außer man hat noch kein Stadion mit Kanu-Polo Spielfeldern, Kletterwand und komplett zugewachsenem Nebenplatz gesehen.

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Kraiburger

Zum Anderen befindet sich hinter unserem Block wohl der zugewachsenste Nebenplatz eines oberklassigen Stadions in Europa.

Da wäre ich an deiner Stelle mal nicht so vorlaut. Denn was ich da teilweise in Osteuropa oder dem Balkan schon gesehen habe, da gleicht dein Acker einem 5-Sterne-Tempel!

Eurasburger1860

Zwei wirklich sehenswerte Stadien in Andalusien sind Malaga (herrscht derzeit eine riesige Euphorie, mit über 24.000 verkauften Dauerkarten, man ist immerhin aus Liga3 wieder in die 2 aufgestiegen) vor allem, weil es bald umgebaut wird wegen der WM in Marokko und Spanien.

Cool finde ich auch Cadiz, Stadion fast direkt am Atlantik mit Surfshop, gibts auch nicht überall. Leider kein LaLiga mehr sondern 2.

Wenn man es verbindet, kann man auf dem Weg dahin in Gibraltar noch einen weiteren Länderpunkt mitnehmen. Alternativ dazu gäbe es in La Linea und auch Algeciras noch zwei Drittligisten mit durchaus interessanten Stadien. (sogar nah beinander)

Sevilla muss man nichts drüber schreiben, ist ja bekannt. Granada fehlt mir tatsächlich selbst noch…

Mit Ryanair ab Memmingen supergut an einem Wochenende zu machen.

Stefan Kranzberg

Das Rosaleda in Málaga ist in der Tat eine sehenswerte Schüssel. Hab da im November 2010 ein 1:0 gegen Levante gesehen.