Nein, heute geht es bei dem Thema Sicherheit auf Kosten der Freiheit mal nicht um die Corona-Maßnahmen, die meine Kollegen sehr gerne thematisieren, um die weitere Öffnung der Stadien zu fordern – heute wollen wir uns zwei anderen heißen Eisen widmen.

Erstens, der nun bereits letzte Woche verabschiedeten Änderung der schon in 2018 vielkritisierten Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) des Landes Bayern sowie zweitens, der Änderung der Stadionverordnung durch den Kreisverwaltungsausschuss der Stadt München, der ja das Thema bei der heutigen Ausschusssitzung wieder auf der Tagesordnung hat.

Die erneute Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes

Widmen wir uns erst dem PAG 2.0, wie das Bündnis gegen das Polizeiaufgabengesetz Bayern es bezeichnete und dessen Aufruf zur Demonstration ca. 2.500 Menschen gefolgt sind. Auch die aktive Fanszene sowie die Löwenfans gegen Rechts und einige unorganisierte Löwenfans beteiligten sich an der Demonstration auf der Theresienwiese. Auch aufgrund der Kürze der Zeit von Bekanntmachung der geplanten Änderung durch CSU und Freie Wähler bis zur Verabschiedung am vergangenen Dienstag konnte leider nicht mehr das Mobilisierungspotential ausgeschöpft werden, das 2018 noch über 40.000 Menschen auf die Straße gebracht hat.

Teilnehmer der "Schlimmer geht immer - Nein zum PAG 2.0" Demo auf der Theresienwiese
Teilnehmer der “Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0” Demo auf der Theresienwiese © nopagby Bündnis

Zuverlässigkeitsprüfung für Veranstaltungen

Mit der nun verabschiedeten Änderung wird die Polizei künftig befugt, „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ eine sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung durchzuführen und somit personenbezogene Daten von Einzelnen „bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erheben“ zu können. Diese „Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ sollen für jede Art von Veranstaltung gelten. Dass das nun Fußballfans als erste treffen wird – davon kann mit Fug und Recht ausgegangen werden. Die Novelle des PAGs wurde am 22. Juni 2021 von CSU und Freien Wählern in den Landtag eingebracht, am selben Abend im Innenausschuss beschlossen und wurde nun im Schnellverfahren und ohne die normal übliche Expert*innen-Anhörung am 20. Juli 2021 im Landtags-Plenum abschließend beschlossen.

Eilverfahren eine Farce für die bayerische Demokratie

Das NoPAG Bündnis findet, dass ein solch gravierender Beschluss – noch dazu in Zeiten der Corona-Pandemie, wenn Proteste erschwert und die öffentliche Aufmerksamkeit anderweitig gebündelt ist – im Eilverfahren durch den Landtag gepeitscht werden soll, ist eine Farce für das bayerische Parlament und die bayerische Demokratie.

Dass sich die Freien Wähler, die wie deren Chef Aiwanger sonst häufig lediglich mit Stammtischparolen und einer “Man wird ja wohl noch sagen dürfen” Attitüde

“Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wäre sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte und wir würden die Schwerkriminellen einsperren”
Hubert Aiwanger, stellv. bayerischer Ministerpräsident bei der Jagdmesse auf Schloß Grünau

auffallen und auf Wählerstimmenfang gehen (und damit erschreckend viel Erfolg haben), dem NoPAG Bündnis anschließen wollten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie der Dinge. Zwei Tage später stimmte die FW-Fraktion geschlossen für die Novelle.

Novelle bleibt sogar hinter den Empfehlungen der PAG-Kommission zurück

Man kann es auch nur als blanken Hohn bezeichnen, wenn Innenminister Joachim Herrmann erklärt, dass die Novelle für mehr Bürgerrechte und Transparenz stünde.

“Unsere PAG-Novelle steht mit noch klarer definierten Eingriffsbefugnissen und Rechtschutzmöglichkeiten für mehr Bürgerrechte und Transparenz”
Innenminister Joachim Herrmann

Die nun verabschiedete Novelle bleibt sogar noch hinter den völlig unzureichenden Empfehlungen der medienwirksam eingesetzten PAG-Kommission zurück. Gravierende Eingriffe in das Grund- und Freiheitsrechte aller Bürger werden weiterhin durch (bewusst?) schwammige Formulierungen sowie die Ausstattung der bayerischen Polizei mit geheimdienstlichen und militärischen Mitteln in verfassungswidriger Weise verletzt. Experten sehen hier die Einführung des Gläsernen Bürgers sowie ein Einfallstor für Social Crediting, wie es in China bereits eingeführt wurde. Der zur Debatte stehende Passus der Novelle lautet:

“Bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind, kann die Polizei personenbezogene Daten einer Person mit deren schriftlicher oder elektronischer Zustimmung bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen erheben, übermitteln und anderweitig verarbeiten, soweit dies im Hinblick auf den Anlass und die Tätigkeit der betroffenen Person erforderlich und angemessen ist.”

Zweifellos ist für das Einholen der Informationen durch die Polizei zwar die Zustimmung der betroffenen Person notwendig, allerdings bedeutet das nicht, dass bei der Verweigerung der Zustimmung die Person die Veranstaltung trotzdem besucht werden darf. Man kann davon ausgehen, dass in einem solchen Fall der Zugang zur Veranstaltung/Fußballspiel verwehrt werden wird. Auch die Aussage von Innenminister Herrmann, dass die vorgenannte Änderung nur Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen beträfe, die im Umfeld einer gefährdeten Veranstaltung tätig sind, beispielsweise in Sicherheitsbereichen, ist nicht richtig. Hierzu hätten die Personen- und Berufsgruppen, auf die das Gesetz anwendbar ist, spezifiziert werden müssen, so, wie dies in anderen Bundesländern, die ähnliche Regelungen umgesetzt haben, auch vorgenommen wurde.

Es sieht so aus, als wolle die bayerische Staatsregierung alle Kritik einfach aussitzen und warten, bis sich die Gerichte, bei denen bereits einige Klagen zu den Änderungen von 2017 und 2018 anhängig sind, äußern, nur, um dann wieder herumzulavieren und gerade das Nötigste zurückzudrehen. Erste Klagen gegen die Novellierung von letzter Woche sind auch bereits angekündigt. Bis in diesen Angelegenheiten Urteile ergehen, werden allerdings noch einige Jahre in’s Land ziehen. Wir erinnern uns auch daran, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welches die bayerische Staatsregierung eigentlich dazu verpflichtet, eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzuführen, seit annähernd vier Jahren ignoriert wird. Keine guten Vorzeichen für die Zukunft.

Die Verschärfung der Stadionverordnung

Als Zweites wollen wir uns nun dem Thema Stadionverordnung annehmen, welches auch bei uns bereits thematisiert wurde. Wie sich zwischenzeitlich gezeigt hat, war der Jubel verfrüht – trotz großspuriger Ankündigung der SPD und Grünen Fraktionen wurde der Entwurf überraschenderweise nicht ablehnt, sondern nur vertagt. Spötter wären wahrscheinlich nicht verwundert, dass ausgerechnet die SPD mal wieder umgefallen ist. Eigentlich war nach der Verschiebung mitgeteilt worden, dass man keine Eile mit dem Antrag habe, schließlich wären volle Stadien erst wieder ab der Saison 2022/23 realistisch und somit noch Zeit, ein “tragfähiges Konzept” zusammen mit Fanverbänden zu entwickeln. Bisher wurde jedoch keine der Initiativen, die die Beschwerden an die Parteien gerichtet haben, nochmals kontaktiert. Stattdessen wurden Fanprojekt Blau (FP), Freunde des Sechz’ger Stadions (FdS) und Löwenfans gegen Rechts (LFGR) davon überrascht, dass die Vorlage nun doch wieder so schnell auf die Agenda kommt.

Heute soll nun also erneut darüber abgestimmt werden – auch, wenn sich bisher in dieser Sache nicht viel getan hat. Ein Änderungsantrag der Fraktion die LINKE im Stadtrat auf Initiative von Marie Burneleit, der sechzger.de vorliegt, ist der Sache leider überhaupt nicht dienlich und wird am Ende lediglich dafür sorgen, dass eine Ablehnung der Vorlage noch schwieriger werden wird.

Die LINKE schlägt in dem Antrag betreffend das Sechzgerstadion lediglich vor, alkoholische Getränke nur zu verbieten, wenn aufgrund der Einstufung eines Spiels als Hochrisikospiel ein Alkoholverbot im Stadion besteht – wenn man Bier kaufen dürfe, solle man es auch Trinken dürfen. Man weiß nicht, ob man bei solchen Argumentationen lachen oder weinen soll und fragt sich, ob den Stadträten der Ernst der Lage bewusst ist.

SPD und Grüne diskutieren Änderungen an der Vorlage

Gerüchteweise gab es am gestrigen Dienstag auch noch eine Einigung zwischen den Grünen und der SPD, die zusammen mehrere Änderungsanträge einbringen wollen. Die SPD versucht hier scheinbar noch auf dem letzten Meter, die Grünen mit ins Boot zu holen, um nicht als alleiniger Buhmann dazustehen, wenn sie mal wieder “SPD things” macht und mit der CSU zusammen die Vorlage verabschiedet. Scheint also auch so, als würden sich die Grünen ziemlich hart anstrengen, den von der SPD hart (aber verdient) erarbeiteten Ruf als Verräterpartei streitig zu machen.

Wenn man sich die Gespräche mit den beiden Fraktionen ins Gedächtnis ruf, kann man nur noch Mark-Uwe Kling zitieren: “Ãœbrig sind nur hohle Phrasen und literweise Rot“. Nur, dass nun scheinbar auch noch literweise Grün dazu kommt. Wer sich mit Farben auskennt, wird wissen, dass die Mischung von Grün und Rot Gelb ergibt. Welch Ironie, dass die Gelben, deren Chef Christian Lindner keine Gelegenheit auslässt, sich mit AfD-mäßigen Parolen an die CDU anzubiedern, immerhin gegen die Verschärfung des PAG waren.

Bezirksausschuss 17 Obergiesing-Fasangarten lehnt Verordnung teilweise ab

Ein Schreiben der Vorsitzenden des Bezirksausschusses 17 Obergiesing-Fasangarten, Carmen Dullinger-Oßwald, fand anscheinend Beachtung, die darauf hinwies, dass der BA 17 die Ausweitung der Risikoverordnung auf jedes Spiel ablehnt und bat, zumindest den Grünspitz sowie den Candidplatz aus dem geplanten Stadionumgriff herauszunehmen. Eben diese Herausnahme des Grünspitz’ sowie den Candidplatzes scheint nun Inhalt der Abstimmungen zwischen SPD und Grünen gewesen zu sein – allerdings lediglich aus der Befürchtung heraus, dass sich die bewährten Treffpunkte dann woandershin verlagern könnten, z.B. an den Hans-Mielich-Platz und man sich um die Anwohner sorgte.

Die Anlage 4 zur Ergänzungsvorlage zeigt den Geltungsbereich der Stadionverordnung wie folgt:

Geltungsbereich der Grünwalder Stadionverordnung von Wettersteinplatz über Candidplatz bis Silberhornstraße.
Anlage 4 der Ergänzungsvorlage – Geltungsbereich der Grünwalder Stadionverordnung von Wettersteinplatz über Candidplatz bis Silberhornstraße. © Landeshauptstadt München 2021, Flurstücke und Gebäude: © Bayerische Vermessungsverwaltung 2021

Wer also den Grünspitz verlassen möchte, um sich in einer der umliegenden Kneipen oder der Tankstelle ein neues Kaltgetränk oder etwas zu Essen zu holen, muss also direkt in den Bereich der Stadionverordnung hinein und hat keine Möglichkeit, diesen zu verlassen, ohne den Geltungsbereich zumindest queren zu müssen.

Ablehnung des Entwurfs einzige Lösung

Scharf verurteilt hatte der BA 17 jedoch, dass Löwenfans am 17. April den Mannschaftsbus “mit massivem, illegalem Feuerwerk” auf der Abfahrt zum Spiel gegen TürkGücü München feierten.

Dennoch – genauso, wie das 2017 und 2018 verabschiedete PAG ist die Änderung der Stadionverordnung jedoch nicht reformierbar – die einzig akzeptable Lösung ist und bleibt die Ablehnung, wie von FP, FdS und LFGR gefordert.

Wie viel Sicherheit auf Kosten der Freiheit braucht der Mensch?

Alles in allem lässt sich damit nur erschrocken feststellen, dass wir uns wie der bekannte Frosch im Wasser immer mehr an die immer weitere Einschränkung unserer Freiheits-, Persönlichkeits- und Grundrechte gewöhnen. Es ist Sicherheit auf Kosten der Freiheit, wenn auch nur sogenannte Sicherheit, da sich nie alle Eventualitäten ausschließen lassen – auch damit muss eine Gesellschaft klar kommen. Der gemeine Bürger scheint nicht zu realisieren, dass alles, was verabschiedet wurde, schwer bis unmöglich wieder zurückzudrehen ist. Der Aufschrei aus der Mitte der Gesellschaft fehlt.

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Candidos

Die Stadträtin Marie Burneleit ist Teil der Fraktionsgemeinschaft Die Linke/Die Partei und sitzt für die genannte Satirepartei im Stadtreit. Es verwundert nicht, wenn ihrem Änderungsantrag der nötige Ernst fehlt. Wer Gaudi*macherinnen ins Parlament wählt, erhält was er gewählt hat. Man kann eben nicht jedes Problem mit zynischer Satire bekämpfen.