Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München bei der Sportvereinigung Elversberg. Der Aufsteiger ist neben den Sechzgern die Mannschaft der Stunde und furios in die Runde gestartet. Platz zwei in der momentanen Zwischenabrechnung ist der Lohn dafür. Horst Steffen, Trainer der SVE, setzte dabei in den letzten fünf Spielen auf das 4-4-2 mit Doppelsechs.

SV Elversberg gegen den TSV 1860 München. Im Waldstadion an der Kaiserlinde empfangen die Saarländer als Tabellenzweiter den Spitzenreiter aus Giesing. Was dürfen wir von der Mannschaft aus dem Saarland erwarten?

Das 4-4-2 verschiebt sich bei Ballbesitz der Spielvereinigung über einen asymmetrischen Außenverteidiger zunächst zu einem 3-5-2. Im letzten Drittel vor dem gegnerischen Tor versucht Elversberg dann eine breite, auf den Halbpositionen etwas nach hinten gezogene, vorderste Linie zu etablieren. Diese breite Linie entfaltet vor allem dann, wenn Elversberg in die gegnerische Box eindringen kann, eine starke Wucht. Präzises Spiel auf engem Raum in der Offensive hilft den Saarländern, Stress beim Gegner zu verursachen. Stress führt zu Fehlern. Fehler in der eigenen Box führen zu Toren für den Gegner.

Bevor wie genauer auf die Spielweise der SVE eingehen, wie immer die wichtigsten statistischen Werte.

Die statistischen Werte der SV Elversberg

  • Ballbesitz: 55%
  • Passgenauigkeit: 81% (Platz 3)
  • Defensive Zweikampfquote: 61%
  • Flankengenauigkeit: 37%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,05 (Platz 3)

Wie spielt die SV Elversberg?

Bei Ballbesitz

Aus dem tief gestaffelten 4-4-2 lässt Horst Steffen bei Ballgewinn zunächst über einen Außenverteidiger asymmetrisch ein 3-5-2 herstellen. Meist geschieht das über den rechten Flügel. Der rechte Außenverteidiger orientiert sich sehr offensiv nach vorne und fungiert als Schienenspieler, der die komplette Länge der Außenbahn nutzt.

Mit dem weit vorgeschobenen Außenverteidiger verschiebt sich das System, je weiter der Angriff in gegnerisches Territorium vorangebracht wird, über besagtes 3-5-2 auf ein äußerst offensives 3-4-3.

Nachdem der Ball aus den sogenannten pressingrelevanten Zonen des Gegners in dessen Verteidigungszone gebracht wurde, kippt meistens der defensive Mittelfeldspieler mit in die Restverteidigung ab, während gleichzeitig der zweite Außenverteidiger ins Mittelfeld aufrückt.

Die Mittelfeldaußenspieler rücken beide auf die Halbpositionen hinter der Spitze. Das ergibt in der vordersten Linie dann eine 2-3 Formation, bei der der ballferne Außenspieler in der Offensivreihe dabei von seiner Flügelposition nach innen rückt . Das führt beim Gegner oft zu Zuordnungsschwierigkeiten und in der Folge zu Torchancen für die SV Elversberg, die es immer wieder schafft, auf engstem Raum Lücken für Pässe zum freien Mann in der Box des Gegners zu finden und auszunutzen. Die hohe Schussanzahl (meiste Schüsse im Ligavergleich), die hohe Schussgenauigkeit (2. Platz im Ligavergleich) und die Tatsache, dass die Gegner es bisher kaum schafften, alle gegnerischen Spieler in der eigenen Box zuzustellen, führt zu den vielen Treffern.

Gegen den Ball

Das Pressingverhalten nach Ballverlust ist nicht allzu aggressiv. Es werden zwar durchaus Aktionen gegen den jeweils ballführenden Spieler gesetzt, diese haben allerdings eher störende Funktion, um fehlerhafte Zuspiele zu provozieren, als dass sie auf direkten Ballgewinn ausgelegt wären.

In der Rückwärtsbewegung zieht sich einer der beiden Stürmer zurück in die zentrale offensive Mittelfeldposition zwischen zwei dann noch hoch stehende Mittelfeldspieler, während der andere Stürmer anläuft. Es entwickelt in der Rückwärtsbewegung aus dem 3-4-3 also zunächst ein im Raum verteidigendes 4-2-3-1. Sobald der Gegner die Pressinglinien überspielt hat, etabliert sich dann das tief stehende 4-4-2 mit Doppelsechs.

Gegen den Ball steht die SV Elversberg im eigenen letzten Drittel konsequent mit zwei Viererketten tief.

Wie kann der TSV 1860 die SV Elversberg knacken?

Staffelung und Stellungsspiel gegen den Ball sind bei der SV Elversberg höchst effektiv. Die Statistiken der gewonnenen Zweikämpfe und der abgefangenen Pässe bei Elversberg sind beide auf hohem Niveau. Elversberg taucht hier zwar nicht auf den Spitzenplätzen auf, in Addition beider Werte befindet sich die SVE allerdings auf Platz 1 der defensiv effektivsten Teams.

Diese Erkenntnis sagt uns, dass schnelles Kombinationsspiel über die gesamte Breite des Feldes, um die Formation der SVE auseinanderzuziehen, ein Hebel sein kann, der die Türen zum Tor öffnet.

Die zweite Möglichkeit, wie der TSV 1860 München die SV Elversberg in Bedrängnis bringen könnte, ist präzises vertikales Spiel in Umschaltmomenten. Wenn die stark überladene Offensive, mit der Elversberg agiert, bei einem Ballgewinn der Löwen auf dem falschen Fuß erwischt wird und dem Geschehen hinterherlaufen muss. Bisher vernachlässigt die SVE die Restverteidigung bei eigenem Ballbesitz jenseits der pressingrelevanten Zonen des Gegners.

Da die SV Elversberg über eine relativ kleine Innenverteidigung verfügt, kann man davon ausgehen, dass, wenn die Angriffe bis ins letzte Drittel vorgetragen werden, hohe Flanken ebenfalls eine wichtige Waffe sein werden. Selbst wenn die Abwehr der SV Elversberg diese Flanken verteidigen kann, werden die Spieler diese eher ungenau klären und somit für viele zweite Bälle für den TSV 1860 München sorgen. Damit kann dann der zu Fehlern führende Stress erzeugt werden. Dieser Stress wird dann, wenn der offensive Druck aufrechterhalten werden kann, zu dem ein oder anderen Tor für den TSV 1860 München führen.

Stärken und Schwächen des 4-4-2 Doppelsechs

Stärken

Es wird zunächst eine starke, doppelte Abwehrkette aufgebaut. Dadurch wird es möglich, den Gegner auf den Flügeln zu doppeln und trotzdem im Zentrum kompakt zu stehen. So zwingt man den Gegner oft, Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Passwege können aufgrund der guten Staffelung in Tiefe und Breite leicht zugestellt werden. Das 4-4-2 Doppelsechs deshalb als defensives System zu bezeichnen, wäre zu einfach.

In der Offensive liegen die Stärken klar auf den Außenpositionen. Sowohl die Außenverteidiger, als auch die Mittelfeldaußenspieler können für großen Druck auf den Flügeln sorgen.

Von den beiden defensiven Mittelfeldspielern im Zentrum übernimmt einer den offensiven Part (Box to Box Spieler) und der andere bleibt auf seiner absichernden Position. So kann man die Lücke im Zentrum zu den Stürmern schließen.

Wenn das Zusammenspiel der Mannschaftsteile gegen den Ball so funktioniert, wie es in diesem System gewollt ist, zwingt man den Gegner oft auf die Flügel, sodass dieser mit Flankenläufen und hohen Bällen agieren muss, um den Ball ins Zentrum vors Tor zu bringen.

Schwächen

Die große Schwäche in diesem System ist normalerweise die Lücke zwischen Mittelfeld und Sturm. Sowohl bei eigenem Ballbesitz, aber auch nach einem Ballverlust, ist es wichtig, diesen Raum schnell zu schließen.

Es fehlt ein Kreativspieler im Zentrum. Deshalb ist das zentrale offensive Mittelfeld ein Schwachpunkt. Offensive Kreativität entwickelt sich im 4-4-2 mit Doppelsechs vornehmlich über die Außenpositionen.

Durch das Fehlen des “Zehners” wird dem Box to Box Spieler eine hohe Laufleistung abverlangt, damit sowohl offensiv als auch defensiv die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen schnell geschlossen werden.

Schlüsselspieler der SV Elversberg

Abwehr

Torhüter Nicolas Kristof (#20) wirkt mit seinen 22 Jahren einerseits noch recht unerfahren, andererseits kann der Deutsch-Österreicher bereits auf 118 Ligaspiele im Erwachsenenbereich zurückblicken. Das ist nicht gerade wenig. Seine überragenden Reflexe haben der SVE gegen Mannheim und Dynamo Dresden den Sieg gerettet und gegen Saarbrücken eine noch höhere Niederlage verhindert. Auch bei der Strafraumbeherrschung und im Eins gegen Eins ist Kristof schon weiter als gleichaltrige Kollegen. Wird der ehemalige U16 Nationaltorhüter Österreichs bezwungen, ist bisher der Vorwurf allein seinen Vorderleuten zu machen.

Schlüsselspieler in der Innenverteidigung wäre eigentlich der Ex-Bundesliga-Profi Marcel Correia (#13). Vermutlich wird er aber wegen Rückenproblemen ausfallen. Damit wird Kapitän Kevin Konrad (#4), der die Spielführerrolle auch schon in Chemnitz und Mannheim innehatte, der Spieler sein, dem der Part des Schlüsselspielers zufällt. Er verliert kaum einen Zweikampf gegen den Ball, in der Spieleröffnung auf den kurzen Wegen spielt er sehr präzise Pässe.

Sollte Correia wider Erwarten doch zur Verfügung stehen, ist dieser Spieler nicht nur in der Defensive und der Spieleröffnung ein Schlüssel. Bereits zwei Treffer der SVE gehen auf das Konto des ehemaligen Bundesligaspielers.

Mittelfeld

Thore Jacobsen (#31), der tiefe Sechser, und Semih Sahin (#18) als Box to Box Spieler bilden die Mittelfeldzentrale. Die beiden Mittelfeldspieler agieren gegen den Ball meist auf gleicher Höhe, sobald die vordere Kette etabliert ist und halten das Zentrum sauber. Gegen den Ball ist Jacobsen ein Ballmagnet, der unwahrscheinlich viele Pässe abfängt. Im Spiel nach vorne ist Sahin einer der Unruheherde, die es unter Kontrolle zu halten gilt.

Jacobsen schaltet sich, wenn er eine gute Möglichkeit sieht, gern in die Offensive ein. Nach Konrad ist Jacobsen der Elversberger Spieler mit den meisten Ballkontakten. Der Aufbau nach der Eröffnung läuft hauptsächlich über ihn. Mit seiner guten Antizipationsfähigkeit in puncto sich entwickelnde Situationen ist er das Herzstück des zentralen Mittelfelds.

Wenn Jacobsen den Weg nach vorne antritt, ist er einer der gefährlichsten defensiven Mittelfeldspieler der Liga. Bereits zwei Vorlagen hat er auf dem Kerbholz.

Sturm

Luca Schnellbacher (#24) hat bereits fünf Treffer erzielt. Der “Hitzblitz”, der sich laut eigener Aussage zu oft zu leicht provozieren lässt, ist ein kompletter Stürmer ohne Schwächen. Auch gegen den Ball ist er sich nicht zu schade, mitzuhelfen und geht auch mal weite Wege.

Der 36-jährige Ivorer Kevin Koffi (#30) neben Schnellbacher ist mit seinen drei Treffern nicht minder gefährlich. Gegen den Ball bildet er zusammen mit den beiden Mittelfeldaußen eine Dreierkette, vor der Schnellbacher zunächst meist alleine anläuft.

Fazit vor SV Elversberg – TSV 1860

Der TSV 1860 München wird gegen die SV Elversberg vor eine schwere Aufgabe gestellt werden. Kein anderes Team, das ich bisher in dieser Saison gesehen habe, läuft so viel wie die Spieler der SVE. Dadurch schafft es Elversberg sowohl gegen den Ball als auch bei eigenem Ballbesitz oft Überzahl in Ballnähe herzustellen.

Für mich steht allerdings auch außer Frage, dass der TSV 1860 München absolut das Zeug dazu hat, die SV Elversberg in die Schranken zu weisen. Unterschätzen darf man die Saarländer nicht. Das wird aufgrund der Tabellensituation allerdings wohl auch keiner tun.

Einer oder drei Punkte? Wenn die Löwen ihr volles Potential abrufen und weiterhin wie aus einem Guss spielen, steht für mich einem Dreier nichts im Wege. Dazu muss allerdings das Team konzentriert und mit Leidenschaft auftreten.

Wichtig wird speziell die erste halbe Stunde werden. Die SV Elversberg ist das torhungrigste Team in der ersten halben Stunde und hat (wie der TSV 1860) bisher in dieser Zeitspanne selbst erst einen Gegentreffer kassiert.

Aufgrund des unfassbaren Laufs der SVE wäre ich mit einem Auswärtspunkt absolut zufrieden. Wie auch immer das Spiel ausgehen wird: Solange Einsatz und Kampf stimmen, geht bei keinem aller möglichen Ausgänge der Partie – egal ob Sieg, Unentschieden oder Niederlage – die Welt unter. Vermutlich werden die Löwen auch vor dem Spiel gegen Aue von der Tabellenspitze grüßen. Das könnte nur eine Niederlage mit mehr als einem Tor Unterschied verhindern.

So könnte Elversberg beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Impact

Ich finde das Format Taktiktafel super, habe mir auch heute schon das YouTube Vid angeschaut, toller Service, dass man so viele Informationen bekommt.

Für mich ist Elversberg definitiv, die Ãœberraschung der bisherigen Saison, wenngleich, man aber dieses “Aufsteigerphänomen” schon aus der Vergangheit kennt, mit der Euphorie und dem eingespielt sein. Ich bin gespannt wie lang diese “Welle” geht und wo die dann am Saisonende landen.

Ich denke, uns wird auf alle Fälle zu Gute kommen, das Elversberg sich nicht hinten reinstellt, sondern “spielen” möchte. Meiner Meinung nach, wirds wieder auf ein hohes und frühes Pressing sowie hohe Laufleistung ankommen, um dem Gegener frühst möglich, den Schneid abzukaufen. Das wir Elversberg unterschätzen, kann ich mir nicht vorstellen, ich denke, Herr Köllner wird die Mannschaft akribisch darauf vorbereitet haben.
Ich freue mich auf das Match und bin positiv gestimmt, dass wir mindestens, mit einem Punkt, die Heimreise antreten werden.

Siggi

: “Bereits zwei Vorlagen hat er auf dem Kerbholz.” Diese Redewendung hast Du in der Vergangenheit schon öfters in diesem Zusammenhang benutzt. So richtig passen will das aber meines Erachtens hier nicht. “Etwas auf dem Kerbholz haben” bedeutet, dass man sich etwas hat zu Schulden kommen lassen. (Siehe auch: https://www.geo.de/geolino/redewendungen/7530-rtkl-redewendung-auf-dem-kerbholz-haben)
Eventuell meinst Du eigentlich: “Bereits zwei Vorlagen hat er auf dem Konto”?

Stefan Kranzberg

Aus Sicht des jeweiligen Gegners hat er die Vorlagen auf dem Kerbholz. 🙂

Nein, ernsthaft: Da hast schon recht.

Sehr lachen musste ich neulich bei einem Artikel der tz zur Thematik Power, in dem wortwörtlich stand:

Dieses Tischtuch ist zerschnitten. Anthony Power, Geschäftsführer der Merchandising GmbH des TSV 1860 München, und Teile der blauen Anhänger kommen wohl auf keinen grünen Nenner mehr.

Qualitätsjournalismus!

Siggi

“Wie auch immer das Spiel ausgehen wird: Solange Einsatz und Kampf stimmen, geht bei keinem aller möglichen Ausgänge der Partie – egal ob Sieg, Unentschieden oder Niederlage – die Welt unter.”
Richtig! Die Welt geht deswegen nicht unter, aber es wäre schon verdammt ärgerlich, wenn sich die Sechzger aufgrund der gefestigten Kaderzusammenstellung und der Entwicklung in den letzten drei Jahren von einem Neuling die Tabellenspitze wegnehmen ließen. Gerade in solchen Spielen sollte erst gar nicht mehr die Frage aufkommen, wer hier Favorit ist!
Die Buchmacher favorisieren jedoch leicht die SV Elversberg. Denen muss ganz klar gezeigt werden, wo der Barthel den Most holt.

Siggi

Zu blöd! Ich hatte ganz vergessen, dass München eine Bier-Stadt ist. Der “Barthel” hat ja bei den Elversbergern gespielt. Eine blamable Niederlage!