Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels unseres TSV 1860 beim SV Waldhof Mannheim. Die verdiente Niederlage der Löwen zeigte all das, was man vor der Winterpause schon kritisieren musste, wieder auf und bestätigt den Trend, der sich vor der Pause schon abgezeichnet hatte. Das Niveau beim TSV 1860 sinkt. Woran das genau liegt, kann man nur vermuten. Fakt ist, um den Worten aus den Giesinger Gedanken meines Kollegen Thomas Enn Nachdruck zu verleihen, dass diese Vorstellung nicht akzeptabel war.

SV Waldhof – TSV 1860, Endergebnis 3:1 – und das war noch gnädig von den Mannheimern, die aufgrund ihrer Chancen gut und gerne auch sechs Tore hätten schießen können. Bei eigenem Ballbesitz spielte Mannheim ein klares 4-4-2 mit Doppelsechs, gegen den Ball verschob sich das – je näher die Löwen dem Mannheimer Strafraum kamen – zunächst auf ein 4-2-3-1 und im eigenen letzten Drittel zu einem 4-4-1-1 mit zwei tiefen Viererketten. Die Sechzger begannen im 4-2-3-1 mit Neuzugang Holzhauser als zurückgezogenem Spielmacher neben Rieder im defensiven Mittelfeld. Das System verschob sich offensiv theoretisch zu einem asymmetrischen 4-3-3 mit einem Außenstürmer auf der ballnahen Seite und zwei Stürmern im Zentrum. Das konnte man allerdings nur in der Anfangsphase der Partie erahnen.

Als erstes nun (wie immer) die wichtigsten statistischen Werte der Partie.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz: TSV 1860 38% – SV Waldhof 62%
  • Passgenauigkeit: TSV 1860 72% – SV Waldhof 83%
  • Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 60% – SV Waldhof 61%
  • Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 6/1 – SV Waldhof 12/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 11,5 – SV Waldhof 4,55

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Dass der Ballbesitz gegen Mannheim nicht über 50 Prozent liegen würde, konnte man schon vor der Partie vermuten. Der Plan in Mannheim kann nur so aussehen, dass man versucht, aus einer stabilen Defensive heraus Kontersituationen und Umschaltmomente konsequent und präzise auszunutzen und ansonsten dem Gastgeber das Feld zu überlassen. Aber hier haben wir schon eine schon die erste Diskrepanz zum Plan. Die Defensive war alles andere als stabil und das schon von Beginn an.

Bereits in der 4. Minute hätte Sohm den Führungstreffer für den Waldhof erzielen müssen, jedoch setzte der Stürmer das Leder links neben den Kasten. Besser wurde das Defensivverhalten während der gesamten Partie nicht mehr. Immer wieder musste Neuzugang Holzhauser in der Viererkette aushelfen, um Löcher zu stopfen. Weniger Ballbesitz als die Gastgeber wäre also kein Thema gewesen, wenn die anderen Parameter gestimmt hätten. Die Gründe für den sehr niedrigen eigenen Ballbesitz und den sehr hohen der Mannheimer finden wir in den nun folgenden Kategorien.

Widmen wir uns als erstes nun der Passgenauigkeit.

Passgenauigkeit

Wie auch schon im Herbst in manchen Spielen zu sehen, war die Passgenauigkeit auf einem niedrigen Niveau. Um höheren Ballbesitz zu generieren, müssen bei vertikalem Spiel die Duelle um den zweiten Ball vorne gewonnen werden. Das ist nicht passiert. Manche der Pässe nach vorn waren allerdings so katastrophal ungenau, dass es gar kein Duell um den zweiten Ball geben konnte, der Adressat also keine Chance hatte, überhaupt an den Ball zu kommen. Die Passgenauigkeit war für mich der alles entscheidende Faktor. Bei Vorwärtspässen finden wir nur sechs Feldspieler aus der Startformation, deren Passgenauigkeit über 50% lag. Vier dieser sechs Spieler waren Defensivspieler. Von den Spielern mit offensiver Ausrichtung waren nur Neuzugang Holzhauser und Kobylanski über dieser Marke, wobei der im Sommer mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Kobylanski diese Hürde nur sehr knapp übersprang.

Mit welcher Vokabel soll man das beschreiben? Für mich wäre “katastrophal” der Terminus, der hier passt.

Kam doch einmal ein Pass beim Mitspieler an, war meist ein Mannheimer sofort zu Stelle, um zu stören.

Womit wir zur nächsten Kategorie, der defensiven Zweikampfquote, kommen.

Defensive Zweikampfquote

60% gewonnene Zweikämpfe gegen den Ball klingt zunächst einmal nicht schlecht, da sind wir uns vermutlich einig. Schauen wir uns aber an, wo auf dem Spielfeld der Großteil der defensiven Zweikämpfe des TSV 1860 München im Spiel gegen den SV Waldhof Mannheim stattfand, muss man hier doch klar sagen: 60% sind zu wenig.

Der Reihe nach: Insgesamt mussten die Sechzger 91 Duelle gegen den Ball führen. 68 dieser Zweikämpfe fanden in der eigenen Spielfeldhälfte statt, 51 gar im letzten Drittel. Gewonnen wurden 44 von 68, verloren hat man 24 (21 im letzten Drittel). Positiv hervorzuheben ist, dass keiner dieser Zweikämpfe im eigenen Strafraum verloren wurde. Negativ an dieser Tatsache ist allerdings, dass man in den entscheidenden Situationen (und nicht nur dann) dort zu weit vom Gegner weg war, um überhaupt eingreifen zu können, also gar kein Zweikampf geführt wurde. Mannheim hatte 27 Ballkontakte in der Box der Löwen. Das sind generell zu viele Ballkontakte dort für die Kurpfälzer gewesen. Bei der Anzahl der dort insgesamt geführten Zweikämpfe am Boden und in der Luft (neun) sogar viel zu viele Ballkontakte für den Gegner im Strafraum.

Es kam in der Box der Löwen insgesamt zu fünf Duellen am Boden und vier in der Luft. Zwei davon im Strafraumzentrum, der Rest auf den Halbpositionen oder außen im Strafraum.

Insgesamt 58% verlorene Kopfballduelle in der eigenen Spielfeldhälfte, die statistisch nicht zu den verlorenen Zweikämpfen defensiver Natur gerechnet werden, sind ebenfalls zu viele verlorene dieser Duelle.

Im gesamten Spiel verlor der TSV 1860 36 Duelle gegen den Ball am Boden und 24 in der Luft. Daraus ergibt sich eine Gesamtbilanz von nur 54% gewonnener Boden- und Luftzweikämpfe in Addition. Das ist zu wenig. Die Situationen, in denen unsere Spieler gar nicht erst in einen Zweikampf um den Ball hineinkamen, weil Mannheim entweder in der Folge zu schnell weitergespielt hatte oder Pässe so weit vom eigenen Mann weg gespielt wurden, dass kein Zweikampf um den Ball möglich war, sind hier logischerweise ebenfalls nicht berücksichtigt.

Schüsse und Schussgenauigkeit

Der Plan war, Kontersituationen und Umschaltmomente auszunutzen. Dass dabei nicht unbedingt viele Schüsse herauskommen würden, war aufgrund dessen, was Mannheim bisher gezeigt hatte, von vorn herein klar. Dass aber dann nur ein Schuss der Löwen überhaupt so auf Tor geht, dass der Torhüter Arbeit bekam, ist unterirdisch.

Zwei der Schüsse wurden geblockt. Beide Male war Seegert der Spieler, der seinen Fuß noch zwischen Ball und Kasten bekam, um einen Einschlag zu verhindern. Seegerts Seite in der Box zu meiden und den Ball dorthin zu bringen, wo sein Counterpart Riedel verteidigt, um dort Chancen zu kreieren, gelang den Löwen nicht.

Dass genau das aber der Plan für das Anspiel auf die Spitzen in die Box hätte sein sollen, hätte man wissen müssen, wenn man sich mit dem Gegner vor dem Spiel eingehend beschäftigt hat. Ich hatte das in der Taktiktafel vor dem Spiel geschrieben und ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas eklatant Auffallendes den Videoanalysten im Trainerstab durch die Lappen geht.

PPDA

Die PPDA war, was wohl der Plan des TSV 1860 gegen den SV Waldhof gewesen war, absolut im Rahmen dessen, was man erwarten durfte. Hier möchte ich wieder daran erinnern, dass die PPDA nur Aktionen an sich berücksichtigt, nicht jedoch deren Erfolg oder Misserfolg.

Die Tore

Herauspicken möchte ich diesmal den ersten Gegentreffer durch Sohm in der 28. Minute.

Hiller spielt einen Fehlpass zu Lebeau auf die rechte Seite der Waldhöfer. Steinhart, der weiter außen steht, läuft hinterher, könnte sicherlich ein taktisches Foul begehen, entscheidet sich aber – wohl weil Lebeau ins Zentrum zieht und auf zwei Innenverteidiger zuläuft – gegen das Risiko, eine Gelbe zu kassieren. In der Folge tunnelt Lebeau Verlaat vor der Box. So kommt der Ball zu Sohm, der halbrechts in den Strafraum einläuft. Sohm tunnelt bei dieser Gelegenheit mit seinem Schuss aufs Tor noch Morgalla, der versucht, rettend einzugreifen. Links im Kasten schlägt der Ball dann zum Ausgleichstreffer für den SVW ein.

Beim Schuss war Hiller chancenlos. Sein unglücklicher Pass leitete den Umschaltmoment für Mannheim zwar ein, allerdings war er sicher nicht der Schuldige am Gegentreffer. Fouls ziehen zwar gewisse Konsequenzen nach sich, möglicherweise eine gelbe Karte und einen Freistoß, aber manchmal muss man das in Kauf nehmen, wenn einem Mitspieler zuvor ein vermeidbarer Fehler passiert, um gefährliche Situationen zu verhindern.

Dass Verlaat den Tunnel kassiert ist Pech, dass Morgalla nicht mehr ausbügeln kann für mich kein Thema. Martinovic, Morgallas Gegenspieler in dieser Situation, wäre für Lebeau ähnlich gut anzuspielen gewesen wie Sohm, deshalb konnte Morgalla sich nicht früher entscheiden, Verlaat zu Hilfe zu kommen.

Kurz vor dem entscheidenden Pass ist Steinhart nahe genug dran, um Lebeau zu foulen, damit der Angriff gestoppt wird. Er ließ ihn aber ohne großartig zu stören den Pass spielen.

Die anderen Treffer und weitere Highlights könnt ihr euch hier noch einmal ansehen.

Fazit zum Spiel SV Waldhof – TSV 1860

19 von 32 in die Box des TSV 1860 gespielte Bälle führten nicht zu einem Ballkontakt des SV Waldhof. Dass Mannheim trotzdem 27 Ballkontakte dort hatte, ist erschreckend. Das heißt im Umkehrschluss: 13 dieser in die Box gebrachen Bälle führten zu einem oder gar mehreren Ballkontakten der Mannheimer. Bei 16 von 27 Ballkontakten kamen die Sechzger also nicht in einen Zweikampf hinein.

Wenn der Gegner im Strafraum so schalten und walten darf, braucht man sich nicht wundern, dass es eine Niederlage setzt.

Auch das Tor und eine Riesenchance in der ersten Viertelstunde konnten nicht vertünchen, dass das Niveau der Löwen bereits zu Beginn der Partie ziemlich schlecht war.

Warum steht ein Kobylanski, der nach wie vor wie ein Fremdkörper wirkt, nach der Halbzeit noch auf dem Platz? Warum foult man in einem Spiel, in dem man 24% weniger Ballbesitz hat, nur zweimal häufiger als der Gegner? Und vor allem: Warum spielt man die Bälle in die Box auf die Seite, wo der starke, fast unüberwindbare Seegert steht? Das alles würde ich gerne wissen. Antworten darauf werden vermutlich nicht kommen. Diese Fragen nach offensichtlichen Missständen zu stellen, traut sich in den Pressekonferenzen und Interviews nach dem Spiel offensichtlich niemand.

Lichtblick

Neuzugang Raphael Holzhauser hat mit seinen Aktionen gezeigt, dass der Transfer richtig war. Er wird über kurz oder lang die Chefrolle in der Mannschaft übernehmen. Ansätze dazu hat man schon gesehen. Wie er seine Mitspieler zunächst dirigiert hat, war schön zu beobachten. Dass das aber in der momentanen Situation irgendwann verpuffte, war abzusehen.

Einer für alle und alle für einen ist momentan offensichtlich leider nicht das Credo der Mannschaft.

Status Quo vor dem letzten Spiel der Hinrunde

18 Spiele sind nun absolviert und nur in zweien erreichte man eine Passgenauigkeit von 80% oder höher. 75%, also die Untergrenze dessen, was für eine in der 3. Liga als spielstark geltende Mannschaft als akzeptabel angesehen werden kann, in weiteren acht Partien. Damit sind wir in rund 46% der Spiele unterhalb dessen geblieben, was man von einem Aufstiegsaspiranten erwarten muss.

Das wäre tatsächlich kein großes Problem, würden wir Zweikämpfe um zweite Bälle führen und gewinnen. Die Mannheimer haben es mit ihrem aggressiven Pressing immer wieder geschafft, die Löwen in der Hintermannschaft so unter Druck zu setzen, dass bei den langen Bällen, welche die logische Folge dessen waren, in den meisten Fällen keine Genauigkeit zu Stande gebracht wurde. Im Gegenteil: Lediglich sieben so genannte deep completions bzw. deep completed crosses, wie die beiden Kategorien der langen Bälle auf unserem Datenportal genannt werden, kamen an.

Woran das nun alles liegt, dass es nicht läuft, darauf soll sich jeder seinen eigenen Reim machen. Ich werde hier nun nicht den Kopf des Trainers fordern, wie es viele in den sozialen Medien tun. Ich stelle aber fest, dass die Mannschaft in nur wenigen Spielen den Plan des Trainerstabs umsetzen konnte oder wollte. Warum sie nicht in der Lage oder willens war, das zu tun, obwohl sie es mit Sicherheit könnte, diese Frage muss man stellen dürfen. Stimmt die Psyche nicht? Gibt es interne Reibereien? Gibt es einen Störfaktor, der die Mannschaft verunsichert? Ist der Druck zu hoch? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch ganz etwas anderes. Mein Job ist es nicht, den Grund dafür herauszufiltern, sondern Euch Fakten zu Spielen darzulegen. Nun könnt ihr selbst entscheiden, wo der Hase im Pfeffer liegt. Schreibt Eure Meinung in die Kommentare.

Datenquelle: Wyscout

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coeurdelion

kann mir einer beantworten, warum wir unser pressing nahezu eingestellt, bzw. so alibi-siert haben, dasses viel mehr schadet als nützt ?? dass war in der letzten Saison so oft der Schlüssel zum Erfolg…..steals und dann schnelle Bälle auf die Spitzen

Holger1860

Selbst WENN es interne Gründe in der Mannschaft gibt – Reibereien, Psych. Belastung – ist auch hier der Trainer als direkte Führungskraft der Spieler verantwortlich. Natürlich in Absprache mit dem Sportchef, aber zunächst ist ER am nächsten an der Mannschaft dran.
Also selbst wenn es so wäre – keine Ausrede für MK.
Er ist für diese miesen Auftritte verantwortlich!!

_Flin_

Danke für die tolle Analyse. Ich bemängelte ja auch seit Ewigkeiten den mangelhaften Spielaufbau. Bereits letzte Saison legten die Statistiken nahe, dass wir vor allem mit dem Ball nach vorne rennen, um dann vielleicht einen aggressiven und riskanten Pass zu spielen und schnellstmöglich zum Torabschluss zu kommen.

Was gar nicht angesprochen wird, ist in meinen Augen, dass Spieler immer wieder falsch eingesetzt werden.

Beispiele:
– Ein Hiller, dessen langes Aufbauspiel keine seiner Stärken ist, wird immer wieder in die Lage gebracht, lang abschlagen zu müssen. Folge ist öfter ein Ballverlust, als dies nicht der Fall ist. Diesmal mit Gegentor.
– ein Lakenmacher wird hoch angespielt, obwohl seine Stärken ziemlich eindeutig in Pässen und Balkbehandung liegen
– ein Skenderovic spielt Flügelspieler

Alles in allem ist verwunderlich, wie die Mannschaft eingestellt wird, und wie wenig in den letzten Monaten die klar erkennbaren Schwächen behoben wurden.

Last edited 1 Jahr zuvor by _Flin_
Dennis M.

Also dass Skenderovic Flügelspieler spielt ist ein absoluter Witz. Entweder stelle ich Boyamba raus (Was hat dieser Junge eigtl verbrochen?)…schlechter als vrenezi und skenderovic Samstag hätte er es auch nicht gemacht. Hat sich nach Einwechslung immerhin bemüht…oder ich spiele mit Doppel 6. Holzhauser auf die 10 und Wörl+Rieder auf die 6. Man da braucht man doch nicht sonderlich viel Ahnung von Fußball haben.. Jeder Coach coacht ihn aus. Wie haben die Nürnberger Spieler gesagt.. Sie seien nicht aufgrund von köllner, sondern trotz köllner aufgestiegen. Da muss was dran sein.

Groeber

Erschreckend dass einem Winninger Sachen auffallen, die dem Trainerstab offensichtlich nicht auffallen. Köllner hat fertig.