Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels SV Wehen Wiesbaden – TSV 1860 München. Engagierte, aber glücklose Löwen verloren verdient bei kompakten und konsequenten Wehenern mit 2:0.

SVWW – TSV 1860 München hieß es am Samstag in der Brita Arena. Wiesbaden zeigte wie erwartet gegen den Ball eine kompakte und schwer zu bespielende Defensivleistung gegen eine Mannschaft des TSV 1860, die vor allem im gegnerischen letzten Drittel große Probleme hatte den Ball zu behaupten und somit nur wenige Torchancen kreieren konnte.

Meine Einschätzung, dass man mindestens zwei Tore brauchen würde, um in Wiesbaden etwas zu holen, wurde leider bestätigt.

Markus Kauzcinski schickte die Mannschaft des SVWW gegen die im 4-2-3-1 auflaufenden Sechzger wie erwartet im 4-3-2-1 auf den Platz. Sowohl die Pressinglinie als auch die Defensivlinie waren von den Wiesbadenern auf tiefem Niveau angelegt.

Die Sechzger versuchten ihrerseits das Positionsspiel des SVWW hoch anzulaufen. Der Erfolg dabei war leider überschaubar.

Tief stehende Wiesbadener schafften es immer wieder mit Ballgewinnen im Mittelfeld Umschaltsituationen zu kreieren, sodass die Sechzger mehr mit Gegenpressing als mit Pressing beschäftigt waren. In diesen Gegenpressingsituationen gelang es den Löwen allerdings zu selten die Bälle zurückzuerobern. So konnte der TSV 1860 selten so Druck aufbauen, dass die Defensive des SVWW ins Schwimmen gekommen wäre.

Die wenigen Chancen, die sich die Löwen erarbeiteten, konnten leider nicht genutzt werden.

Die wichtigsten statistischen Werte der Partie

  • Ballbesitz TSV 1860 56% – SVWW 44%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 85% – SVWW 82%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 61% – SVWW 61%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 9/3 – SVWW 14/5
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 9,7 – SVWW 13,41

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Deutlich mehr Ballbesitz und doch verloren. Wieder ein Beweis, dass Ballbesitz allein kein Indikator dafür ist, wer die spielbestimmende Mannschaft war. Für die Stammleser dieser Rubrik wird es nun auch keine Überraschung sein, wenn ich schreibe, dass der TSV 1860 von Wiesbaden durch deren gutes Stellungsspiel und ihre defensive Kompaktheit dazu gezwungen war unverhältnismäßig viele Querpässe in der eigenen Defensive zu spielen und so die hohe Ballbesitzquote zustande kam.

Wiesbaden konnte durch den Plan tief zu stehen und das Mittelfeld dadurch eng zu machen jeden Schwung aus dem Spiel der Sechzger herausnehmen. Für den TSV 1860 München war es bei jedem Positionsangriff Schwerstarbeit den Ball ins letzte Drittel des SVWW zu bringen. Dass das dennoch relativ häufig gelang ist allerdings durchaus positiv zu werten. Leider waren aber weder die Strafraumpenetration der Löwen noch die Abschlüsse bzw. Abschlussversuche am Samstag so, dass man Wiesbaden vor Probleme hätte stellen können.

Was aber unbedingt erwähnt werden muss ist, dass die Mannschaft von Maurizio Jacobacci, obwohl die Räume im Mittelfeld meisten zugestellt waren, nur selten versuchte mit dem “langen Ball” ins letzte Drittel des Gegners zu kommen. Die Sechzger probierten sich durch die engmaschige Staffelung der Hessen durchzukombinieren. Bis kurz vor der gegnerischen Box funktionierte das auch meist ganz ordentlich. Der letzte Pass oder die letzte Flanke waren leider oft Mangelhaft und landeten beim Gegner anstatt beim Mitspieler.

Passgenauigkeit

Wie beim Ballbesitz so haben auch bei der Passgenauigkeit die Querpässe in der Defensive einen hohen Anteil an diesem guten Wert. Allerdings ist es bei weitem nicht so, dass der gute Wert allein auf dieser Tatsache fußt.

Ganz im Gegenteil: Nehmen wir die überflüssigen Rück- und Querpässe innerhalb der Defensivabteilung aus der Rechnung heraus, liegt die Passgenauigkeit des TSV 1860 München noch immer bei akzeptablen 78%. Speziell die gute Quote bei den progressiven Pässen und den Pässen ins letzte Drittel stimmt zuversichtlich.

Wiesbaden konnte allerdings trotz weniger Ballbesitz und mit Hilfe von genauem, schnellem sowie druckvollem Spiel aus Umschalt- oder Gegenpressingsituationen heraus mehr Kapital aus der eigenen guten Passgenauigkeit schlagen. Das spiegelt sich vor allem in der Anzahl der Ballkontakte im Strafraum beider Teams wieder. Wiesbaden hat hier ein deutliches Übergewicht von 64% im Vergleich zum TSV 1860 und das bei weniger in die Box gespielten Bällen insgesamt. Die Sechzger konnten nur knapp jeden zweiten in den Strafraum gespielten Ball in der ein oder anderen Weise verwerten. Wiesbaden schaffte das in 92% der Fälle.

Defensive Zweikampfquote

Die Quote liegt für beide Teams im grünen Bereich. Beide Mannschaften waren mit Leidenschaft und Kampfgeist gegen den Ball auf dem Platz. Hier habe ich keine Kritik anzumerken. Von beiden Teams war das gezeigte eine solide Leistung gegen den Ball.

Kritik muss man allerdings üben, wenn es um Kopfballduelle geht. Weniger als ein Drittel der Luftduelle im Spiel konnten die Löwen für sich entscheiden.

Schüsse/aufs Tor

Nur neun Schüsse konnten die Löwen abfeuern. Kein einziger davon aus einer Standardsituation heraus, obwohl man sich fünf Ecken erspielt hatte. Von den drei Schüssen, die dem Wiesbadener Keeper Arbeit verschafften, wurde lediglich einer innerhalb des Strafraums abgefeuert.

Das Kreieren klarer Torchancen und diese dann auch auszunutzen war das große Problem für den TSV 1860 München am Samstag beim SVWW. Im Gegensatz zu den Spielen zuvor gegen Ingolstadt und Osnabrück fanden die Spieler der Löwen nicht die Mittel, um torgefährlich zu werden. Wenn man dann die Chancen, die sich einem bieten mit Kabinettstückchen versucht zu machen anstatt den Ball kompromisslos aufs Tor zu bringen, passiert es gerne, dass man ein Spiel verliert.

PPDA

Die Pressingintensitäten der beiden Teams im Spiel zeigen genau das, was man vor dem Spiel erwarten durfte. Abwartende Wiesbadener, die ihre Offensive über Umschaltspiel definieren, setzten nicht auf Pressing gegen das Positionsspiel. Wiesbaden ließ den Sechzgern bis zum Mittelkreis jede Menge Platz und stand ab dort kompakt. Die Sechzger hatten ihre Pressinglinie relativ hoch aufgestellt, pressten allerdings wie schon im Spiel gegen Osnabrück eher im Raum. Ballgewinne zugunsten des TSV 1860 führten wegen des hohen Gegenpressingdrucks des SVWW nach Ballbesitzwechsel oft zu nichts, da die Bälle meist schnell wieder in den Reihen der Wiesbadener landeten.

Der Plan Wiesbadens gegen den Ball Umschaltsituationen über Gegenpressing herzustellen ging auf. Die Sechzger müssen eroberte Bälle in Zukunft besser behaupten, um Zählbares gegen Mannschaften zu holen, die im Gegenpressing so aggressiv agieren.

Die Tore

Die Tore könnt ihr hier noch einmal ansehen.

Das erste Tor des Gegners aus Wiesbaden fiel nach einem Eckball. Steinhart kommt zunächst nicht ins Kopfballduell mit Jacobsen hinein. Dessen Kopfball ins Zentrum landet bei Fechner, der per Kopf vollenden kann.
Einen Standard kann man sich immer fangen. Wenn es allerdings so ist, dass genau diese Situationen (Ball auf den langen Pfosten und von dort zurück ins Zentrum) Teil der Mannschaftsbesprechung waren und auf das Verteidigen dieser Situationen spezielles Augenmerk gelegt wurde, wie Maurizio Jacobacci in den Interviews verlauten ließ, muss man sich schon fragen, wo in dem Fall die Konzentration der jeweiligen Gegenspieler der Wiesbadener war. Vermutlich nicht auf dem Platz. Allerdings ist ein Spieler wie Steinhart gegen den um einen halben Kopf größeren Jacobsen beim Kopfball auch etwas benachteiligt. Ob die Zuordnung da hundertprozentig gestimmt hat ist fraglich.

Schlimmer als dieses Tor war jedoch die Entstehung des zweiten Treffers der Wiesbadener. Vrenezi verlor den Ball in der Spielfeldhälfte der Wiesbadener gegen Mrowca, der nach kurzem Lauf mit Ball Prtajin steil anspielt. Prtajin wird von Verlaat begleitet und darf aus halbrechter Position unbedrängt schießen. Hiller ist hier ohne Chance.

Dass Vrenezi den Ball im Zweikampf verliert kann passieren. Dass aber kein defensiver Mittelfeldspieler den Raum hinter Vrenezi gesichert hatte und somit Mrowca a) freie Bahn hatte und b) sich auch noch aussuchen konnte, wem er die Kugel zuspielt, das darf nicht passieren.

In dem Moment, als Vrenezi im Zentrum den Ball verliert, traben beide Sechser auf gleicher Höhe mit Vrenezi links und rechts von ihm über den Platz. Einer der beiden ist da zu weit vorne.

Das fiel auf

Das Kombinationsspiel auf engem Raum wird besser und wir sehen von Spiel zu Spiel weniger lange Bälle.

Leider konnten die Sechzger trotz relativ vieler Bälle, die in die gegnerische Box gespielt wurden, dort kaum gute Aktionen setzen.

Vrenezi war offensiv zwar sehr bemüht aber sein Drang sich immer wieder auf direkte Duelle einzulassen endet in zu vielen Ballverlusten. Lediglich zwei seiner direkten Duelle mit Gegenspielern konnte er für sich entscheiden.

Fazit

Ein Spiel, dass man nicht unbedingt hätte verlieren müssen, geht dennoch verdient verloren, weil die Mannschaft des TSV 1860 München es nicht geschafft hat Chancen im Strafraum des SVWW zu kreieren.

Zwischen den beiden Strafräumen sah man qualitativ nicht wirklich einen Unterschied zwischen dem Tabellenzweiten und dem Achten.

Das Kreieren von Torchancen gegen tief stehende Gegner verfolgt uns nun schon sehr lange. Da muss endlich ein Lösungsansatz gefunden werden. Vielleicht sollte doch eher Masse und Größe auf der Mittelstürmerposition den Vorzug vor technischer Finesse erhalten.

Datenquelle: Wyscout

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Bernie

Gute Analyse wie immer! 👍

Ich hab in der PK nicht verstanden, warum Jacobacci den Pass von Holzhauser auf Vrenezi vor dem 0:2 in der PK so kritisiert hat…