Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel SV Wehen Wiesbaden – TSV 1860 München. Der Tabellenzweite empfängt den Achten. Worauf müssen sich die Löwen einstellen?

Am 32.Spieltag kommt es zur Partie SVWW – TSV 1860 München in der Brita Arena zu Wiesbaden. Es wird sicherlich wie in der Hinrunde ein interessantes Duell mit offenem Ausgang, sofern beide Teams Normalform erreichen sollten.

Markus Kauczinski, Trainer der Wiesbadener, wechselt im Großen und Ganzen zwischen zwei Systemen hin und her. Das wäre zum einen die 3-4-1-2 Variante des 3-5-2 und zum anderen die 3-4-2-1 Variante des 3-4-3.

Für den morgigen Samstag rechne ich mit dem 3-4-2-1. Vor allem deshalb, weil das gegen das System 4-2-3-1, in dem ich den TSV 1860 erwarte, bisher meistens die Variante der Wahl beim SVWW war.

Sowohl beim Pressing als auch im eigenen letzten Drittel geht Wiesbaden nicht allzu forsch zu Werke. Das Spiel der Hessen lebt stark von schnellem Umschaltspiel nach abgefangenen Bällen im Mittelfeld und von der hohen Schussfrequenz sowie Präzision in der gegnerischen Box.

Aus der defensiven Dreierkette wird gegen den Ball meist erst im eigenen letzten Drittel eine Fünferkette. Die ist oft auf der ballfernen Seite asymmetrisch aufgestellt. Der zentrale Innenverteidiger agiert dabei frei im Raum und hat vor allem die Aufgabe Passwege zuzustellen und im Fall des Falles eine Doppelung im Zentrum herzustellen.

Bevor wir genauer auf die Spielweise der Wiesbadener eingehen werfen wir zunächst wie gewohnt einen Blick auf die statistischen Werte des SVWW.

Die wichtigsten statistischen Werte des SVWW vor dem Duell mit dem TSV 1860

  • Ballbesitz 49%
  • Passgenauigkeit 78%
  • Defensive Zweikampfquote 65% (Topwert in Liga 3)
  • Flankengenauigkeit 33%
  • PPDA (Zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 9,55

Wie spielt Wiesbaden?

Gegen den Ball

In der Verteidigung pressen die Wiesbadener mit der offensiven Dreierkette mittel bis hoch und sehr konsequent, wobei sie die Balleroberung oft erst in der zweiten Reihe anstreben. Dadurch entwickelt Wiesbaden im Umschaltspiel eine gefährliche Dynamik, die bei genauem Passspiel für viel Gefahr sorgt.

Die Verteidigung des Positionsspiels bei Wiesbaden fußt auf Laufarbeit und Stellungsspiel. Die gute Staffelung, die Wiesbaden gegen den Ball herstellt, verwickelt die Spieler des SVWW nicht so häufig in defensive Zweikämpfe wie andere Mannschaften. Das Stellungsspiel und die Staffelung der hessischen Landeshauptstädter sorgen für viele Ballgewinne.

Im letzten Drittel verschiebt sich das 3-4-2-1 zu einem 5-4-1. Dabei ist zu beachten, dass bei Angriffen über die Flügel oder die Halbpositionen der ballferne Mittelfeldaußenspieler nicht bis ganz in die letzte Reihe abkippt, sondern asymmetrisch darauf lauert entweder einen Seitenwechsel zu verteidigen oder bei Ballbesitzwechsel als erster anspielbarer Spieler einen schnellen Umschaltmoment einzuleiten.

Der “freie” zentrale Innenverteidiger, der sowohl vor der Kette als auch in ihr agieren kann, ist die interessante taktische Variante im Spiel der Wiesbadener gegen den Ball. Ohne feste Zuordnung beim Positionsspiel des Gegners ist es seine Aufgabe aus der Abwehrkette im letzten Drittel nach vorne zu verteidigen und so durch abgelaufene Pässe in Ballbesitz zu kommen oder einen der beiden anderen Innenverteidiger zu unterstützen bzw. abzusichern. Der Spieler ist in kein taktisches Defensivkorsett eingezwängt sondern entscheidet selbst situationsabhängig welche Aktion gefordert ist.

Mit dieser Spielweise gegen den Ball sind die Wiesbadener das Team, das die wenigsten gegnerischen Schüsse überhaupt zulässt. Der Ligadurchschnitt liegt hier um 21% über dem, was der SVWW den Gegnern gestattet.

Bei Ballbesitz

Wiesbaden ist in der Lage das Spiel über die komplette Breite des Feldes aufzuziehen. Sie finden gute Lösungen sich mit Hilfe des technisch starken und gut besetzten Mittelfeldes über jede Pressinglinie hinweg freizuspielen. Enges Spiel im Mittelfeldzentrum mit viel Rotation in der Zentrale und auf den Halbpositionen oder Flügelläufe über die flinken Außenspieler sind dabei die Mittel der Wahl beim SVWW. Dabei sehen wir Wiesbaden weit häufiger über rechts und das Zentrum aufbauen als über links. Aber diese Seite wird oft im Verlauf eines Angriffs über einen Seitenwechsel gesucht, um einer verzwickten oder verfahrenen Aufbausituation bei generischer Verdichtung einen neuen Impuls zu geben.

Durch die strukturierte Art des Positionsspiels und das durch die defensive Staffelung begünstigte kraftvolle sowie schnelle Umschaltspiel schafft es Wiesbaden Spielzüge zu kreieren, die es erlauben häufiger im gegnerischen Strafraum in Ballbesitz zu kommen und daraus folgend häufiger Schüsse abzufeuern als der Rest der Liga im Durchschnitt.

Wie kann man Wiesbaden knacken?

Die starke Wiesbadener Defensive zu knacken velangt Präzision bei den Pässen und viel Laufarbeit im Mittelfeld. Des Weiteren ist es zwingend notwendig nach einem Ballverlust sofort ins Gegenpressing zu gehen, um den präzisen Angriffen der Wiesbadener das Tempo zu nehmen. Der Kampf um offensive, zweite Bälle und der Erfolg dabei wird vermutlich am Ende ausschlaggebend dafür sein, wer des Spiel dominiert.

Das Wiesbadener Positionsspiel muss mit konsequentem Pressing unterbunden werden. Ob die Aktionen im Pressing dann gegen den Ball gesetzt werden oder ob das Anlaufen dazu dient den Ball in den Presssingfallen aufzugabeln ist zweitrangig. Wichtig ist, dass man nach dem Ballgewinn genügend Raum vor sich hat, um einen Spielzug aufs Feld zu bringen, der im Idealfall mit einem Torabschluss beendet werden kann.

Stärken und Schwächen des 3-4-3 (3-4-2-1)

Stärken

Das 3-4-3 bietet mit seiner exzellenten Tiefenstaffelung im Zusammenspiel mit taktischer Disziplin im Positionsspiel sehr variantenreiche Spielzüge im Aufbau. Gerade für spielstarke Teams ist dieses System daher eine wahnsinnig effektive Waffe. Angriffspressing und Gegenpressing können mit der Überzahl an Offensivspielern gut umgesetzt werden. Diese Überzahl verhilft der Mannschaft im 3-4-3 auch im letzten Drittel zu hoher Variabilität.

Schwächen

Die Dreierabwehrkette muss situativ immer wieder aus dem Mittelfeld heraus verstärkt werden, wenn der Gegner sich aus dem Pressing befreien kann. Das 3-4-3 stellt hohe Anforderungen an die individuelle Stärke der Spieler sowohl mit als auch gegen den Ball. Wenn die Spieler ihre Rollen im taktischen Konzept nicht einhalten, kann das Spiel im 3-4-3 leicht zum Debakel werden. Außerdem ist es sehr konteranfällig.

Schlüsselspieler

Abwehr

Arthur Lyska (#31) ist ein junger, reflexstarker Torhüter, der den an einer Schultereckgelenksprengung laborierenden Stammkeeper Stritzel ersetzen muss. Auch im Hinspiel war er schon wegen dieser Verletzung der eigentlichen Nummer eins im Einsatz. Lyska ist eine kleine Schwachstelle im Spiel der Wiesbadener. Seine statistischen Werte sind in allen relevanten Kategorien unter dem Ligadurchschnitt.

Da Gürleyen gelbgesperrt fehlen wird und Mockenhaupt seit einiger Zeit als Mittelfeldaußen ran darf, erhält das Prädikat Schlüsselspieler in der Abwehr dieses Mal der zentrale Innenverteidiger Florian Carstens (#17). Carstens gewinnt 62% seiner defensiven Zweikämpfe und wird auch im Spielaufbau ein wichtiges Puzzleteil des SVWW gegen den TSV 1860 sein.

Mittelfeld

Bjarke Jacobsen (#19), der robuste Sechser, ist Organisator der Defensive vor der Kette. Wie ein Staubsauger räumt er im defensiven Mittelfeld meistens schon auf, bevor überhaupt Gefahr vor dem eigenen Tor aufkeimen könne.

In der Offensivabteilung ist Johannes Wurtz (#8) der wichtigste Spieler des SVWW. Als Schattenstürmer aus der Tiefe des Raums agierend rückt er hinter die Spitzen und stellt die gegnerische Defensive sowohl mit kreativen Momenten als auch mit Abschlüssen vor Aufgaben, die es zu lösen gilt.

Sturm

Ivan Prtajin (#18) mit elf Toren und sechs Vorlagen und 14 Tore-Mann Benedikt Hollerbach (#21) sind die im Angriff zu nennenden Schlüsselspieler des kommenden Gegners.

Prtajin ist eigentlich ein typischer Knipser, der vor dem Tor nicht lange fackelt und mit seiner Ankunft in Wiesbaden den Sturm des SVWW auf ein besseres Level brachte. Er glänzt nicht nur durch Vollstreckung, sondern auch mit guten Schussvorlagen für seine Neben- oder Hintermänner. Ob Prtajin spielt ist allerdings nicht sicher. Er laboriert an einer leichten Wadenverletzung.

Hollerbach ist gelernter Mittelstürmer. Er hat einen guten Riecher dafür, wo er in welcher Spielsituation am wertvollsten ist. Seine gute Nase für Torgelegenheiten und Abschlusschancen sorgt für viele gefährliche Momente. Beide können die Abwehrkette des TSV 1860 vor große Probleme stellen.

Fazit

Wie schon am vergangenen Wochenende steht uns, wenn beide Mannschaften ihr volles Potential abrufen, ein spannendes Spiel mit ungewissem Ausgang bevor. Ich bin allerdings felsenfest davon überzeugt, dass die Spieler des TSV 1860 München uns in der hessischen Landeshauptstadt gegen den SVWW nicht enttäuschen werden und wir mit Punkten im Gepäck die Heimreise antreten können.

Ob es ein Punkt oder sogar drei werden, hängt vor allem davon ab wie das Defensivkonzept aussieht und ob die Mannschaft es so umsetzten kann wie der Trainer es plant.

Fakt ist, dass man statistisch gesehen mindestens zwei Tore schießen muss, um gegen die Wiesbadener etwas Zählbares zu holen. Dass das gelingen kann, hat Maurizio Jacobaccis Elf in den letzten Spielen bewiesen. Noch etwas mehr Übersicht und Präzision bei den Abschlüssen wäre wünschenswert.

So könnte der SVWW gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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