Herzlich Willkommen zur TAKTIKTAFEL-Analyse des Spiels vom TSV 1860 München gegen Türkgücü.

Dem Tüchtigen, dem lacht das Glück. So könnte man die Punkteteilung nach großem Kampf in Unterzahl über 57 Minuten bewerten. Mit vier Alutreffern, die Türkgücü gegen die Sechzger hatte und – abgesehen vom Tor in der 60. Minute – weiteren zwei 100%igen Chancen muss man der Glücksgöttin Fortuna zumindest bis zum nächsten Spiel sehr dankbar sein, dass der TSV 1860 München diesen Punktgewinn erzielen konnte.

Michael Köllner ließ die Löwen offensiv im 4-1-3-2 mit bei eigenem Ballbesitz weit vorgeschobenen Außenverteidigern spielen. Die Löwen versuchten so vor dem Platzverweis permanent Überzahl im Mittelfeld herzustellen. Gegen den Ball war ein klares 4-4-2 erkennbar.

Dem stellte Petr Ruman ein 3-4-3 entgegen, bei dem die Position der Mittelfeldaußenspieler durch Außenverteidiger besetzt waren. Somit war es rein vom Personal her eher ein 5-3-2, dass sich bei Ballbesitz zum 3-4-3 verschob. Diese Formation begünstigte das Pressing im Angriff und im Mittelfeld beim Gast sehr. Auf den Indikator der Pressingintensität (PPDA) werden wir heute ein besonderes Augenmerk legen.

Die wichtigsten Statistischen Werte

TSV 1860 Türkgücü
Ballbesitz 44% 56%
Passgenauigkeit 74% 84%
Defensive Zweikampfquote 57% 55%
Schüsse 12 12 *
davon aufs Tor 4 4
PPDA* 12,83 9,77
*(zugelassene Pässe pro Defensivaktion)

* Alutreffer zählen nicht zu den aufs Tor gegangenen Schüssen

Die erste Halbzeit

Die Pressingintensität (PPDA ist hier der Indikator, und je niedriger der Wert ist, desto höher ist die Intensität), welche die Perlacher mit ihrem System herstellen konnten sorgte dafür, dass die Überzahl der Löwen im Mittelfeld oft durch die Aggressivität im Anlaufen die der Gast an den Tag legte, verpuffte. Ungenaues Passspiel in der Offensive war die Folge dieser Pressingintensität. So kam Türkgücü an diesem Samstag immer wieder gut ins Spiel und der TSV 1860 lief dem Geschehen in den Anfangsminuten etwas hinterher und lud den Gast zu hochkarätigen Torchancen ein.

Nach ca. 10 – 15 Minuten bekamen die Löwen das Spiel besser in den Griff und wurden sicherer. Die Pressingintensität des Gegners (vor allem im Mittelfeld) sorgte aber immer noch für aus der Not geborene hastige Abspiele, die oft nicht dort ankamen, wo sie hin sollten. Je länger die erste Halbzeit andauerte desto schneller waren die Gäste dabei ihre Aktionen gegen den Ball zu setzen. Zu wenig Druck hinter einem Pass, sodass ein Gegner den Ball abfangen konnte oder eine gewisse Ungenauigkeit, die dann zu einem Fehlpass oder auch Einwürfen/Abstößen für die Gäste führte, war die logische Folge. Rumans Mannschaft war bis zum Platzverweis von Deichmann die klar aggressivere Mannschaft im Spiel gegen den Ball.

Frühe Unterzahl nach gelb-roter Karte

In der Offensive war in Halbzeit eins jedoch nach etwa der ersten Viertelstunde bei den Perlachern der Dampf vom Kessel. Die fulminant mit zwei Pfostenschüssen in die Partie gestartete Mannschaft verlor im Spiel nach vorn dann etwas den Faden. Defensiv aber stand das Projekt vom Sportpark Perlach Nord sehr stabil. Von sechs Schüssen, welche der TSV 1860 nach der Anfangsviertelstunde abfeuerte, konnte Türkgücü vier blocken. Nur einmal musste Vollath eingreifen, hatte aber bei Bärs Versuch in der 45. Minute keine Probleme, diesen zu entschärfen.

Auch sonst verliefen die Angriffsversuche der Giesinger wegen ungenauer Anspiele, die meist dem hohen Pressingdruck der Spieler des Kivranschen Projekts geschuldet waren, im Sande. Der Gast kommt in dieser Phase auf auf eine PPDA von exzellenten 7,83.

Die gelb-rote Karte für Yannick Deichmann in der 38. Minute war einerseits, nachdem sein einziges Vergehen zuvor ein Handspiel war, eine sehr harte Entscheidung des Mannes in Schwarz. Andererseits war es durchaus in der Situation und Position eine vertretbare Entscheidung, da die gelbe Karte zu zeigen und Deichmann somit mit gelb-rot vom Platz zu stellen.

Dieser Platzverweis war aber in meinen Augen nicht der einzige entscheidende Moment des Spiels.

Nach Deichmanns Platzverweis musste Moll für Goden weichen, um das auf der rechten Abwehrseite entstandene Loch zu stopfen.

Die 2. Halbzeit zwischen dem TSV 1860 und Türkgücü

In der ersten Viertelstunde nach dem Seitenwechsel hatten die Kicker von der Heinrich-Wieland-Straße dann Oberwasser. Die neu eingekaufte individuelle Klasse in der Mannschaft von Petr Ruman merkte man gegen einen Mann weniger nun in allen Punkten. Die PPDA hatten die Gäste in dieser Zeit auf eine Wert von 7,67 herunterschrauben können. Die Löwen ließen mit einem Wert von über 14 fast doppelt so viele Pässe ohne Gegenwehr in den für Pressingverhalten entscheidenden Zonen zu.

In dem Maße, wie die Werte z.B. bei der Ballbesitzverteilung und bei der Passgenauigkeit beim Perlacher Projekt nach oben gingen, schnellten die gleichen Werte bei den Sechzgern nach unten. Abgesehen von den defensiven Zweikampfwerten, bei denen die Löwen über das komplette Spiel dominierten, hatte der Gast sich die Heimelf nun zurechtgelegt und war definitiv am Drücker.

Das 1:0

Direkt nach der Einwechslung von drei frischen Spielern kam der Angriff, der zum Führungstreffer für die Elf aus Perlach führte. Irving hatte auf der linken Seite auf Höhe der Mittellinie keine Option, um den gerade aus der eigenen Spielfeldhälfte heraus initiierten Angriff fortzusetzen und sah sich aufgrunddessen dazu genötigt zurückzuspielen um einen Neuaufbau einzuleiten.

Über vier Stationen auf einer Linie kam der Ball dann zum eingewechselten Türpitz auf der rechten Seite. Einige Meter hinter der Mittelline in der Spielfeldhälfte des TSV 1860 München spielt Türpitz einen langen Steilpass auf Vrenezi, der rechts knapp außerhalb des Strafraums der Löwen Tempo aufnimmt und das Leder parallel zur Stafraumbegrenzung in Richtung Grundlinie treibt. Er spielt eine punktgenaue Flanke quer durch den Strafraum der Sechzger auf Sararer, der links in halbzentraler Position vor dem Tor, völlig frei, aus elf Metern abzieht. Rechts unten im Kasten von Marco Hiller schlägt die Kugel zum 1:0 für Türkgücü ein.

In der Folge hatten die Perlacher noch weitere Möglichkeiten den Sack zu zu machen. Weiterhin liefen die dezimierten Löwen dem Geschehen auf dem Platz hinterher. Die statistischen Werte pendelten sich auf niedrigem Niveau ein, allerdings ließ Türkgücü den Sechzgern jetzt mehr Zeit, die Bälle zu verarbeiten. So konnten sich die Löwen mit ihrem Kampfeswillen ab etwa der siebzigsten Minute wieder besser in die Partie hineinbeißen. Und nun sieht man genau was das Pressing ein Spiel zu Gunsten oder zu ungunsten einer Mannschaft beeinflussen kann. Der PPDA Wert bei Türkgücü schnellte mit der Führung im Rücken und den Temperaturen geschuldet allerdinggs auf über 40! Das bedeutet die Gäste ließen im Schnitt bevor eine eigene Aktion gegen den Ball in den Pressingrelevanten Zonen des Spielfeldes gesetzt werden konnte mehr als 40 Pässe der Löwen zu.

Die Pässe bei denSechzgern kamen genauer, und auch der offensive Plan war klar erkennbar. So kam es, wie es im Fußball meistens kommt, wenn eine Mannschaft zu fahrlässig mit ihren Chancen umgeht. Der TSV 1860 München erzielte den Ausgleich.

Das 1:1 für 1860 gegen Türkgücü

Lang erkämpft sich den Ball auf der rechten Seite nahe der Mittellinie in der gegnerischen Hälfte und spielt sofort einen Pass die Linie entlang zu Goden. Der wiederum leitet das Leder schnell zu Biankadi weiter, der vor ihm ein wenig weiter innen steht. Biankadi geht einige Meter mit dem Ball in Richtung Seitenauslinie und zieht dabei zwei Gegenspieler auf sich. Im Rücken von Biankadi und den beiden Verteidigern kreuzt der schnelle Goden dessen Laufweg und bekommt das Spielgerät postwendend wieder.

Nun, da Biankadi gedoppelt war, hat Goden viel Raum vor sich und weiß diesen auch zu nutzen. Bis zur Grundlinie geht er mit dem Leder am Fuß und bringt dann eine Flanke in die Box. Staude kommt nicht direkt an den Ball, da ein Perlacher noch den Kopf dranbringt. Der Ball fliegt also über Staude hinweg. Dieser dreht sich, nimmt den Ball in Besitz und sieht wie Dressel zentral vor dem Sechzehner lauert und spielt ihn postwendend an. Dressel schießt direkt, Mölders bringt seinen Fuß noch an den Ball und fälscht die vom 22-jährigen Mittelfeldallrounder aus 18 m abgefeuerte Kugel entscheidend zum 1:1 ins rechte untere Toreck ab.

Die Schlußphase

Die verbleibende Zeit konnte man keinerlei numerische Überlegenheit seitens der Gäste mehr feststellen. Aber sie versuchten wieder früher in Ballbesitz zu gelangen. für die letzten Minuten nach dem Ausgleichstreffer ging der PPDA Wert mit 6,77 wieder auf sehr gutes Niveau herunter. Zweimal kamen die Hausherren noch gefährlich in den Strafraum der Perlacher. Bei einer Aktion in der Nachspielzeit gegen Bär hätte man für mein Dafürhalten durchaus auch über einen Strafstoßpfiff nachdenken können.

Fazit

In einem Spiel, das maßgeblich durch seltsame Entscheidungen des Schiedsrichters in beide Richtungen beeinflusst worden war, trennen sich die Löwen und das Projekt aus der Satellitenstadt am Hachinger Bach mit einem 1:1-Unentschieden. Vier Pfostentreffer für Türkgücü, drei nicht gegebene Elfmeter für den TSV 1860. Irgendwie gleicht sich alles aus. Die Moral der Truppe von Michael Köllner ist jedenfalls intakt. Andere Mannschaften brechen nach Gegentreffern in Unterzahl auseinander. Unsere Sechzger stemmten sich gegen die Niederlage und retteten einen Punkt. War der Punkt verdient? Dem Spielverlauf nach sicherlich nicht. Aber der Kampfgeist und der Wille, den diese Elf immer wieder zeigt, wenn es Spitz auf Knopf steht und man zu zehnt gefühlt gegen mehr als elf Mann zu kämpfen hat, macht aus dem glücklichen Punktgewinn einen verdienten.

Irgendwann musste Türkgücü auch dem ständigen Pressing im Mittelfeld bei diesen Temperaturen Tribut zollen und eine Pause einlegen, das war just der Moment in dem der TSV 1860 München dann zuschlug.

Es macht immer Spaß einer Mannschaft zuzusehen, die so herzerfrischend um jeden Meter Boden fightet. Da darf auch mal ein glücklicher erkämpfter Punkt dabei sein.

In keinem Kader der 3.Liga findet sich so viel höherklassige Erfahrung wie bei dem Perlacher Projekt. Dagegen in Unterzahl einen Punkt abzugreifen ist kein schlechtes Ergebnis.

Löwen wir sind stolz auf Euch. Aber eines muss auch klar sein: die Rädchen müssen in den nächsten Spielen schon früher ineinander greifen. Zehn Minuten Aufwachphase zu Beginn eines Spiels können wir uns in dieser Liga nicht in jedem Spiel leisten und schon gar nicht zu Hause. Aber gerade nach solch hart erkämpften Punkten ist man trotz allen Ärgers über gewisse Momente im Spiel stolz auf diese hungrige Truppe und wie sie sich zurückgekämpft hat, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen.

Datenquelle: wyscout

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Dennis M.

Ich hoffe in den nächsten Spielen wirklich auf eine Leistungssteigerung! Das Verpennen von Halbzeit 1, die Ungefährlichkeit vorne und das schludrige hinten nerven… wie richtig angemerkt wurde würde ich den Ball rausschlagen beim Abstoss, dafür aber mal mit einem richtigen 10er Bälle in die Spitze spielen lassen und einen gepflegten Spielaufbau kreieren. Auch bei Standards muss einfach mal mehr gehen… gibt noch viel zu tun im Laufe der nächsten Wochen

Reinhard Erler

Einen weiteren Riesendusel hatten die Löwen in Min. 6, als Hiller außerhalb des Strafraums ein Handspiel begeht und dafür doch eigentlich die Rote Karte hätte erhalten können.

Silver Surfer

Nicht zwingend – nur, wenn dadurch eine klare Torchance vereitelt worden wäre….dumm war die Aktion trotzdem