Herzlich willkommen zur Taktiktafelanalyse des Spiels TSV 1860 München – SV Wehen Wiesbaden. Die Löwen bestritten das Auftaktspiel nach der Winterpause wieder im 3-4-1-2, Wiesbaden wurde von Markus Kauczinski 4-2-3-1 ins Rennen geschickt.

Gegen den Ball verschob sich das 3-4-1-2 bei den Löwen zu einem 5-4-1, indem sich die Mittelfeldaußenspieler in die Abwehrreihe zurückfallen ließen. Wehen verschob mit Ball zu einem 4-3-3, bei dem der jeweils ballferne offensive Mittelfeldaußenspieler zu Lankford ins Zentrum einrückte und Prokop, der in der Grundformation auf der Zehn hinter Lankford aufgestellt war, offensiv mit allen Freiheiten ausgestattet agierte.

Die Wichtigsten Statistiken zum Spiel

Ballbesitz: TSV 1860 47% – SVWW 53%

Passgenauigkeit: TSV 1860 80% – SVWW 85%

Defensive Zweikampfquote: TSV 1860 52% – SVWW 56%

Schüsse/aufs Tor: TSV 1860 10/5 – SVWW 10/4

PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): TSV 1860 11,93 – SVWW 7,79

Blick auf die Zahlen

In fast allen statistischen Werten sind die Löwen auf den ersten Blick schlechter, nur bei Schüssen, die tatsächlich aufs Tor gingen, war der TSV 1860 besser als der SV Wehen. Den Zahlen nach würde man also eher Wehen als das bessere Team vermuten und den Sieg möglicherweise als glücklich oder gar unverdient einordnen. Tatsache aber ist, dass sich hier zwei Mannschaften gegenüber standen, die einen taktisch komplett unterschiedlichen Ansatz verfolgten, und daran liegt auch die Diskrepanz bei den statistischen Werten.

Ballbesitz

Während die Gäste eher kontrolliert vornehmlich im Positionsspiel versuchten zum Erfolg zu kommen, wollten die Löwen abwartend und auf Konter lauernd, Nadelstiche setzen. Damit wäre der höhere Ballbesitz des SV Wehen Wiesbaden gegenüber dem TSV 1860  erklärt. Wer abwartet um blitzschnell zuzustechen, braucht nicht viel Ballbesitz. Bei einem anderen Spielverlauf (wenn der TSV 1860 in Führung gegangen wäre), wäre die Diskrepanz beim Ballbesitz vermutlich noch höher gewesen. Ähnlich wie in den beiden Auswärtsspielen vor der kurzen Winterpause.

Passgenauigkeit

Wer im Aufbau kontrolliert agiert, spielt viel hintenrum. Damit steigt auch die Passgenauigkeit, denn bei Quer- und Rückpässen passieren selten Fehler. Im Gegensatz dazu ist das vertikale, direkte Spiel, das die Löwen bei ihren schnellen Vorstößen an den Tag legten, durchaus fehlpassanfällig. Wenn man allerdings trotz riskanterer Spielweise immer noch bei 80% angekommener Pässe liegt, kann man das als durchaus gelungenen Nachmittag in puncto Passgenauigkeit deuten.

Defensive Zweikampfquote

Im defensiven Zweikampf haben sich beide Teams nicht mit Ruhm bekleckert. Werte von unter 60% sind in dieser Statistik eigentlich nicht wünschenswert. Nur 52% gewonnener Zweikämpfe könnte man nun schon fast erbärmlich nennen. Aber der Wert zeigt eins nicht auf: was passierte nach dem verlorenen Zweikampf. Blieb der Ball in Reihen des angreifenden Gegners oder konnte ein Spieler der verteidigenden Mannschaft danach das Leder einfach erobern. Das war bei den Löwen nach mehr als der Hälfte der verlorenen Defensivzweikämpfe der Fall. Der nächste in der Reihe eroberte mit einfachen Mitteln den Ball. Somit haben die geführten defensiven Zweikämpfe zu 77% zu Balleroberungen geführt, auch wenn nur 52% der Zweikämpfe tatsächlich gewonnen wurden.

Schussgenauigkeit

Bei den Schüssen gesamt haben beide Mannschaften gleich viele auf dem Kerbholz. Die Schussgenauigkeit sieht die Löwen vorn, denn sie brachten einen Schuss mehr aufs Gehäuse als der Gegner. Mit weniger Ballbesitz gleich viele Schüsse mit besserer Trefferquote als der Gegner. Das zeigt, der Zug zum Tor und der Wille, es auch treffen zu wollen, ist da.

PPDA

Als letzte Kategorie blicken wir auf die PPDA. Dieser Wert zeigt, wie viele Pässe der Gegner durchschnittlich im pressingrelevanten Bereich des Spielfeldes spielen darf, bevor eine Abwehraktion gesetzt wird. Also gilt: je niedriger die PPDA, desto höher ist die Pressingintensität. Die PPDA sagt allerdings nichts über den Erfolg der ihr zugrundeliegenden Abwehraktionen aus. Dass die Sechzger eine eher hohe PPDA haben, ist der abwartenden, auf Konter lauernden Spielweise über weite Strecken des Spiels geschuldet. Wiesbaden hingegen lief früh an und versuchte die Löwen durch frühe Balleroberungen unter starken Druck zu setzen. Das ist das, was wir aus der PPDA herauslesen können. Was diese Zahl nicht offenlegt ist, ob das wie gewollt funktioniert hat.

Somit schauen die Zahlen – ohne das Spiel gesehen zu haben – schlechter aus als sie sind.

Das Spiel

Die erste Halbzeit

Nach einer kurzen Abtastphase ganz zu Beginn wollte Wehen das Spiel unter Kontrolle bringen und bestimmen. Der auf Konter lauernde TSV 1860 München ließ den SV Wehen Wiesbaden gewähren. Die Taktik ging für die Löwen grundsätzlich auch auf; so erspielten sich die Sechzger in der Anfangsphase mit ihren schnellen überfallartigen Angriffen durchaus gute Möglichkeiten, die Neudecker und Lex leider vergaben.

In der 11. Minute kam dann wie ein kalter Guss aus heiterem Himmel der Führungstreffer für die Gäste nach einer Ecke. Die bis dahin vom Strafraum der Löwen gut ferngehaltenen Wiesbadener konnten sich die Schwäche, die der TSV 1860 diese Saison bei gegnerischen Ecken an den Tag legt, zu nutze machen und wieder einmal schlug das Leder nach einem Eckstoß im Kasten der Löwen ein.

Das beeindruckte die Mannschaft von Trainer Michael Köllner nicht im geringsten. Weiterhin spielte der TSV 1860 München nach dem vorgegebenen Plan. Trotz einiger vielversprechender Vorstöße ergaben sich aber zunächst keine Torgelegenheiten für die Hausherren.

Nur zwölf Minuten später klingelte es nach einem Umschaltmoment, den die Hessen gut ausnutzten, erneut im Kasten der Löwen. Ob dieses Tor regulär war oder nicht, daran scheiden sich die Geister. Letztlich ist es egal, denn es war nicht spielentscheidend.

Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich die Gemengelage im Spiel. Das Spiel trat in seine dritte Phase. Wiesbaden ließ die Löwen kommen und agierte seinerseits abwartend. Das nahmen die Spieler von Michael Köllner dankend an und brachten mit der dem System geschuldeten Überzahl, die aus horizontalen Verschiebungen auf den Positionen immer wieder entstand, mehr und mehr Druck auf den Strafraum der Gäste.

Es war dann eine Standardsituation, die zum Anschlusstreffer für Sechzig durch Semi Belkahia in der 36. Minute führte.

Der TSV 1860 München ließ jetzt nicht locker. Immer wieder drangen die Sechzger tief in die Gegnerische Spielfeldhälfte ein, konnten aber bis zum Pausentee nichts mehr am Spielstand verändern.

Die zweite Halbzeit

Nach dem Wiederanpfiff kamen die Löwen wie von der Tarantel gestochen aus der Kabine. Bis der Ball zum 2:2-Ausgleich durch Salger in der 50. Minute einschlug, schossen die Spieler von Michael Köllner bereits drei mal in nur vier Minuten auf das Tor des Gegners.

Zwischen Wiederanpfiff und dem Führungstreffer durch Richy Neudecker in der 69. Minute spielte nur eine Mannschaft – und das war der TSV 1860 München. Kein einziger Schussversuch gelang dem SVWW bis zur 77. Minute. Der TSV 1860 München kaufte seinem sich redlich bemühten und aufopfernd kämpfenden Kontrahenten ordentlich den Schneid ab.

Mit vertikalem Spiel und langen Bällen versuchten die Wiesbadener in der Schlussphase alles, um noch zum Ausgleichstor zu kommen. Nicht nur aufgrund des vermutlich zu unrecht gegebenen zweiten Tores des SVWW wäre dieses aber durchaus unverdient gewesen. Die Löwen hielten auch dieser Schlussoffensive stand.

Die Art und Weise, wie der TSV 1860 München in der zweiten Halbzeit auftrat, lässt keinen Zweifel daran, dass mit dieser Mannschaft in der Rückrunde noch zu rechnen sein wird. Wäre diese zweite Halbzeit eine Speise in einem etwas besseren Lokal, hieße sie wohl Aufholjagd serviert an Abwehrschlacht mit Standardbeilage.

Die Tore 1860 – SV wehen Wiesbaden

0:1

Nach einer Ecke klärt zunächst Belkahia für Hiller auf der Line einen Kopfball von Gürleyen, doch seinen Abwehrversuch verwandelt Gürleyens Abwehrkollege Carstens nach Zuspiel von Jacobsen zum 1:0 für die Gäste (11.).

0:2

Eine sehr umstrittene Entscheidung, bei diesem Angriff nicht frühzeitig auf Abseits zu entscheiden, seitens des Unparteiischen an der Linie überschattete das 2:0 der Gäste. In einem Umschaltmoment kam ein Pass über die Abwehrreihe der Sechzger in Richtung des mindestens fünf Meter im Abseits stehenden Lankford. Dieser ging zwar zum Ball, berührt ihn jedoch nicht. Er schirmte vielmehr in der Folge Löwenverteidiger Salger von dem zum Ball eilenden Prokop ab. Prokop, der mit der Kugel von links diagonal in die Box der Löwen eindrang, lässt Hiller keine Chance und versenkte die Kugel zum 2:0. Ob die Aktion des Wiesbadener Stürmers Lankford nun als Abseits zu ahnden gewesen wäre oder nicht, ist eigentlich egal, trotzdem erwarte ich mit Spannung die Auflösung der Situation durch Herrn Rafati auf dem Portal liga3-online.de. Ich bin der Meinung, es hätte gepfiffen werden müssen (23.).

1:2

Nach einem Freistoß von der linken Halbposition etwa 35 Meter vor dem Tor der Wiesbadener, getreten durch Stefan Lex, kam Belkahia mit dem Kopf an den Ball und lenkte die Kugel zum 1:2-Anschlusstreffer ins Gehäuse der Hessen (36.).

2:2

Nach einer von rechts getretenen Ecke der Löwen braucht Stefan Salger zwei Schussversuche, um den Ball schließlich im Gehäuse unterzubringen. Lex brachte den Eckstoß an den rechten Rand der kleinen Box, wo Deichmann per Kopf zu Salger verlängerte. Salgers ersten Versuch blockte Belkahia unfreiwillig ab, sein Nachschuss schlug hinter Stritzel zum 2:2 Ausgleichstreffer ein (50.).

3:2

Nach einem Foul an Marcel Bär zentral an der Strafraumgrenze schoss Richy Neudecker den umjubelten Siegtreffer in der 69. Minute per Freistoss durch die Mauer, indem er Lex als Bande nutzte (69.).

Fazit des Spiels TSV 1860  – SV Wehen

So darf es gerne weitergehen. In einem umkämpften, aber dennoch fairen Spiel zwischen dem TSV 1860 und dem SV Wehen Wiesbaden fanden die Sechzger verdient das erfolgreichere Ende. Gegen eine Mannschaft, die man klar zum erweiterten Favoritenkreis der Drittligasaison 21/22 zählen darf, einen 2:0-Rückstand aufzuholen und das Spiel zu drehen, gelang den Löwen zuletzt beim Restart der Saison 19/20 gegen den MSV Duisburg.

Der Anfang zur Aufholjagd, in der die Sechzger das Feld von hinten aufrollen könnten, ist geschafft. Es sind jetzt nur noch vier Punkte, aber sechs Plätze bis zu Platz zwei, auf dem momentan der 1. FC Kaiserslautern mit 36 Punkten und ebenfalls 21 absolvierten Spielen steht.

Nun muss man die Euphorie aus diesem Moralboosterspiel mitnehmen. Mit diesem Schwung im Rücken sollte zunächst unter der Woche das Pokalspiel gegen den Karlsruher SC möglichst erfolgreich gestaltet werden. Am Samstag in der Betonschüssel am Oberwiesenfeld gegen das Perlacher Projekt von Hasan Kivran gehts dann wieder um Punkte in der Liga.

Datenquelle: Wyscout

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Andi

Am Samstag (nicht Sonntag wir im Text erwähnt) ist das Spiel gegen TGM, oder?

Stefan Kranzberg

Korrekt, Andi. Ist geändert. Danke Dir.