Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München beim SC Verl.

Die Ostwestfalen sind, wie auch die Löwen dieses Jahr, noch nicht auf dem Level der vergangenen Saison. Bei zwanzig Abgängen, darunter wichtige Schlüsselspieler wie Janjic, Yildirim oder Ritzka, denen siebzehn Neuzugänge beim SC Verl gegenüberstehen, ist das auch nicht besonders verwunderlich.

Trainer Guerino Capretti schickt seine Mannschaft wie auch im vergangenen Jahr immer im 4-3-3 auf den Platz. Gegen den Ball verschiebt sich das 4-3-3 vom System des Gegners abhängig im Mitteldrittel entweder zu einem 4-4-2 oder zu einem 4-2-3-1. Das Credo des SC Verl ist jedoch nach wie vor attraktiver Offensivfußball mit hoch angelegtem Pressing.

Es fällt natürlich auf, dass Spieler wie Ritzka, der letzte Saison 76% seiner Dribblings und 53% der Offensivzweikämpfe insgesamt gewann oder Yildirim, der mit seinen Tempodribblings auf der rechten Seite ein ums andere mal die linke Abwehrseite der Gegner auseinander nahm und auch gegen den Ball eine Zweikampfquote besaß, die für einen Außenstürmer sehr hoch war, dem Team fehlen, um in der Offensive derart schlagkräftig zu sein wie noch vergangene Saison.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz 53%
  • Passgenauigkeit 80%
  • Defensive Zweikampfquote 56%
  • Flankengenauigkeit 28%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 8,62

Das Spiel des SC Verl

Die Verler haben an ihrem grundlegenden Spielstil nichts verändert. Wie auch letzte Saison versucht der Sport Club selbst mit viel Ballbesitz den Gegner in der eigenen Hälfte einzuschnüren. Im Vergleich mit der letzten Saison klappt das jedoch nur bedingt. Dass das so ist, hat vor allem zwei Gründe.

Die Defensive

Auf den ersten Blick spielen die Verler defensiv ähnlich aggressiv wie noch vergangene Saison im Pressing. Der Wert der Pressingintensität (PPDA) hat sich hier nur im Nachkommabereich nach unten verändert. Im Ligavergleich ist Verl aber damit von Platz eins auf Platz zehn gefallen. Deshalb kommt der SCV seltener als noch im vergangen Jahr früh in Ballbesitz. Was wiederum dazu führt, dass das gesamte Spiel der Verler laufintensiver wird.

Vor allem den Außenstürmern, die gegen den Ball viel laufen müssen, wird somit ein wenig der Zahn gezogen. In allen bisherigen Spielen, abgesehen vom Auftaktspiel gegen das Perlacher Projekt, musste früher oder später mindestens ein Außenstürmer das Feld vor dem Schlusspfiff verlassen.

Hinzu kommt, dass sich der SC Verl, letztes Jahr noch zweitbeste Mannschaft bezogen auf die defensive Zweikampfquote, auch bei diesem Wert verschlechtert hat. Mit 56% gewonnenen Defensivzweikämpfen ist man in dieser Wertung momentan Letzter in der dritten Liga. Auch bei den gewonnenen Kopballduellen krebsen die Verler im Tabellenkeller herum. Und das obwohl mit dem 2,02 m großen Innenverteidiger Ezekwem in den meisten Spielen bisher ein Spieler auf dem Feld steht, der fast drei Viertel seiner Luftduelle gewinnt. Verl musste bisher nicht nur die zweitmeisten Gegentore, sondern auch noch die meisten Kopfballgegentore einstecken.

Die Offensive

Wenn die Verler Offensive jedoch ins Rollen kommt und ihr Kombinationsspiel mit den technisch starken Spielern aufziehen kann über die der Sport Club verfügt, sind sie absolut eine Mannschaft, die Tore am Fließband schießen kann. Vierzehn Treffer in neun Partien durch acht verschiedene Spieler mit sieben verschiedenen Vorlagengebern zeigen sehr deutlich, was beim SCV möglich ist, sollte die Arbeit gegen den Ball verbessert werden können. In vier Partien bisher erzielten die Ostwestfalen schon drei Treffer oder mehr.

Wir können also zusammenfassend sagen, dass Verl einerseits durchaus bemüht ist die Spielweise der letzten Saison mit möglichst frühen Ballgewinnen und daraus resultierend anhaltend hohem Druck auf den gegnerischen Strafraum auf den Platz zu bringen. Der Misserfolg bei den Aktionen gegen den Ball macht diesen Plan aber bisher noch zunichte.

Stärken und Schwächen des 4-3-3

Stärken

Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die Verl auf den Platz bringt – mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteigern – entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.

Schwächen

Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnützen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld. Verl versucht dieses Manko mit offensiven, aufrückenden Flügelverteidigern zu kompensieren.

Schlüsselspieler

Der Keeper

Leihtorwart Niclas Thiede (#40) kam in der Sommerpause vom SC Freiburg und hat dem Verler Eigengewächs Robin Brüseke sofort den Rang abgelaufen. Sehr stark bei der Strafraumbeherrschung und auch in Puncto Reflexe bisher kaum Schwächen offenbarend liegt seine schlechte Gegentorquote klar an den Spielern vor ihm. Statistisch gesehen hätte er bisher in jedem zweiten Spiel einen Treffer mehr kassieren müssen. Man könnte daraus schlussfolgern, dass er alle zwei Spiele auch einen sogenannten unhaltbaren Schuss hält.

Die Abwehr

Die Innenverteidigung ist durch den verletzungsbedingten Ausfall von Daniel Mikic (#4) sehr geschwächt. Keines der Duos, die Capretti bisher ausprobiert hat, funktioniert wirklich vollkommen zufriedenstellend. Weder Lasse Jürgensen (#19)Steffen Schäfer (#23) noch Jürgensen – Cotrell Ezekwem (#4) oder auch Schäfer – Ezekwem konnten in den bisherigen Spielen vollends überzeugen. Seit Mikic fehlt, stieg die Gegentorquote von 0,33 Gegentreffern pro Spiel auf 2,2. Somit gibt es wohl keinen Spieler, der hier das Prädikat Schlüsselspieler verdient. Es sei denn die Sechzger arbeiten wieder viel mit hohen Bällen und der Empfänger dieser Flanken hat Ezekwem als Gegenspieler. Nichtsdestotrotz sind hohe Bälle in die Box diesmal um einiges erfolgversprechender als noch in den Spielen gegen Braunschweig, Halle oder Zwickau. Ezekwem kann nur einen Spieler decken und die anderen Innenverteidiger Jürgensen und Schäfer sind trotz Gardemaß von 1,89 m bzw. 1,92 m keine Kopfballungeheuer.

Das Mittelfeld

Sowohl gegen den Ball als auch im Aufbauspiel der Verler ist der defensive Mittelfeldspieler Tom Baack (#5) eine wichtige Stütze. Seine statistischen Werte in den für diese Position entscheidenden Kategorien sind, abgesehen von den gewonnenen Kopfballduellen, alle überdurchschnittlich. Defensive Zweikampfstärke gepaart mit hoher Passgenauigkeit und einer für diese Position eigentlich ungewöhnlichen Dribbelstärke machen Baack zu einem wichtigen Baustein im gesamten Verler Spiel.

Maël Corboz (#27), sowohl Kapitän als auch Dreh und Angelpunkt in der Verler Offensive, fällt nicht nur mit seiner Haarpracht auf. Sein exzellentes Passspiel, die schnelle Auffassungsgabe bei sich entwickelnden Situationen und sein Tempo sind ein absoluter Trumpf im Spiel nach vorn. Wird er ins Dribbling gezwungen, kann er sich jedoch eher selten durchsetzen. Im Spiel gegen den Ball ist er sich nicht zu schade mit nach hinten zu arbeiten. Er nimmt defensive Zweikämpfe und packt dann und wann auch mal die Grätsche aus.

Der Torjäger

Fünf Vorlagen und zwei Treffer hat Kasim Rabihic (#9) bereits zu Buche stehen. Der im Sturm meist auf der Mittelstürmer-Position aufgestellte Rabihic weicht gern auch mal auf den Flügel aus. In Rotation mit den Spielern auf den immer wieder unterschiedlich besetzten Außenpositionen im Sturm wird versucht so Verwirrung bei der Zuordnung in der Innenverteidigung des Gegners zu stiften. Wie seine Ausbeute an Scorerpunkten zeigt, klappt das bisher auch sehr zufriedenstellend.

Fazit

Der TSV 1860 München hat diesmal in Lotte gegen Verl ganz klar die Chance einen Dreier zu holen. Verl ist die Mannschaft, die momentan die meisten Schüsse pro Partie zulässt und gleichzeitig die schlechteste defensive Zweikampfbilanz aufweist.

Wenn auf Seiten der Sechzger konsequent verteidigt wird und die Pressingarbeit – ob im Raum zur Angriffssteuerung oder gegen Mann zur frühen Balleroberung sei mal dahingestellt – funktioniert, kann man auch das Offensivspiel der Ostwestfalen zum Erliegen bringen.

Der Focus für die Löwen muss daher ganz klar auf den eigenen Tugenden liegen. Offensives Spiel auch gegen den Ball, mit hoher Pressinglinie und auch relativ hoher Defensivlinie sollte die Devise sein.

Dass man die Chance hat einen Dreier zu holen ist aber logischerweise nicht gleichbedeutend damit, dass das auch eintritt. Kann man jedoch mit einem Punkt am Lotter Kreuz zufrieden sein? Die Antwort auf diese Frage müssen danach hoffentlich nicht geben. Ich bin zuversichtlich, dass die Spieler des TSV 1860 München gegen den SC Verl wieder alles geben. Mit dem richtigen Matchplan und den richtigen Ideen in der Offensive, sowie ein wenig mehr Glück beim Abschluss als in den letzten drei Spielen, in denen von insgesamt 55 Schüssen, bei zwei Treffern, 19 Schüsse die Torhüter zu Paraden zwangen, weitere zwölf geblockt wurden und somit mit 18 nur 32% tatsächlich das Ziel verfehlten, wird das mit dem Dreier gegen den SC Verl klappen.

Dass die Löwen mit der richtigen Einstellung zu Werke gehen werden steht außer Frage. Ich bin fest davon überzeugt, dass es zum Dreier reichen wird.

So könnte der SC Verl gegen die Löwen beginnen

SC Verl Mögliche Aufstellung Gegen Den TSV 1860 München Im 4 3 3

Datenquelle: Wyscout

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Felix

Sehr interessante und ausführliche Analyse. Steckt sicher eine Menge Arbeit drin. Man könnte meinen, du arbeitest bei Sky mit all diesen Infos. Hoffe auch auf einen Löwensieg in Lotte. Gruß

Steffen Lobmeier

Ich hoffe, das der Trainer es mal mit dem Sturmduo Bär/Linsbichler versucht.