Ein herzliches Grüß Gott zur TAKTIKTAFEL vor dem Spiel des SC Verl gegen unseren TSV 1860 München.

Mit fünf Siegen, einem Unentschieden und drei Niederlagen befindet sich der Aufsteiger aus Ostwestfalen trotz zweier coronabedingter Spielausfälle auf einem beachtlichen sechsten Platz in der Tabelle. Der vom Marktwert her billigste Kader der Liga hat mit 26 Profis genauso viele Spieler wie die Sechzger an Bord. Mit zwölf externen Neuzugängen, wurde das Team vor der Saison klug verstärkt. Das zeigt sich auch in den bisherigen Ergebnissen.

Was können wir am heutigen Dienstag von der Mannschaft aus der Ölbachstadt erwarten?

Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Technisch anspruchsvoller Offensivfußball ist die Spielphilosophie des erst 38jährigen Trainers Guerino Capretti. In allen neun bisherigen Spielen brachten die Verler eine 4-3-3-Grundformation auf den Platz und auch in den Partien, die verloren gingen, dominierten sie mit viel Ballbesitz, einem sicheren und schnellen Passspiel und grandiosem Stellungsspiel gegen den Ball. Zwei Tore im Schnitt pro Spiel gegen zum Teil hochkarätige Gegner zeigen zudem, wie gefährlich die Offensive des Sport Clubs sein kann. Weniger als zwei Treffer wurden bisher nur zum Saisonauftakt in Wiesbaden und bei den unglücklichen Niederlagen gegen Ingolstadt und vergangenen Montag gegen Lübeck erzielt. Die Zweitvertretung von der Säbener Straße, der 1.FC Magdeburg und am letzten Freitag der MSV Duisburg mussten gegen Verl den Ball sogar drei bis viermal aus dem eigenen Kasten holen.

Bei Angriffen des SC Verl, die meist über die Flügel vorgetragen werden, rückt immer der Angreifer von der ballfernen Seite mit ins Sturmzentrum ein, während sich die beiden zentralen Mittelfeldspieler hinter die Spitzen schieben und die totale Offensive, die Capretti auf die gegnerische Abwehr loslässt, komplettieren. Gegen den Ball hingegen lassen sich die offensiven Außenspieler des SC Verl ins Mittelfeld fallen, um die Räume für den Gegner dort eng zu machen. So entsteht – wenn Verl gegen den Ball spielt – ein 4-1-4-1, bei dem ein Sechser zwischen den Ketten agiert.

Die bisherigen Durchschnittswerte des SC Verl

Ballbesitz 57%, Passquote 80%, 40% aller Schüsse der Verler gehen aufs Tor, und knapp jede vierte Flanke findet mit einen Abnehmer. Die Spieler des SCV entscheiden offensiv 38% (guter Wert) und defensiv 62% (eher schlecht) aller Zweikämpfe für sich. Absolut überragend ist mit 9,2 die PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) bei den Verlern. Wenn man hier den negativen Ausreißer gegen eine andere Münchner Mannschaft herausrechnet, käme man sogar auf einen Wert von 8,4. Angegriffen wird bei Verl über die Flügel, was bei einem 4-3-3 auch nicht weiter verwundert. 41.5% der Angriffe gehen über rechts, 37,5% über links, somit bleiben für das Zentrum als Angriffszone 21%.

Was kann man aus diesen Informationen für das Spiel heute herauslesen?

Die Abwehr des TSV 1860 darf sich absolut keine Fehler leisten, denn die bestraft der SC Verl gnadenlos. Die treffsicheren Stürmer zeichnen für fünfzehn der achtzehn Verler Treffer verantwortlich. Aygün Yildirim (#18) und Zlatko Jancic (#13) konnten bisher je sechsmal einnetzen, hinzu kommen bei Janjic vier und bei Yildirim zwei Vorlagen. Die im Wechsel eingesetzten Kasim Rabihic (#9) und Berkant Taz (#25) haben zusammen satte acht Scorerpunkte auf dem Konto. Wenn vor allem die Außenverteidiger der Löwen ihre Aufgaben nicht konzentriert und konsequent lösen, wird es gegen die quirligen, technisch versierten Angreifer des SC Verl im Münchner Strafraum des Öfteren lichterloh brennen.

Da der SC Verl – bisher zumindest – keine Anzeichen macht, mit einer tiefstehenden Abwehr zu agieren, dürfte es, im Spiel nach vorne, für die Löwen, sofern sie das Pressing des Sport Club überwinden können, besser ausgehen als zuletzt gegen Uerdingen oder andere Mannschaften, die gegen Sechzig den Bus vor dem Tor geparkt hatten. Generell versuchen die Verler dem spielerischen Aspekt gegenüber dem Kampf immer den Vorzug zu geben und fahren mit dieser Devise bisher erstaunlich gut.

Stärken und Schwächen im System des SC Verl

Stärken: Die Verteilung der Spieler über das komplette Spielfeld sowie die doppelte Besetzung der beiden Flügel und somit leichte Durchführbarkeit von Seitenwechseln sind große Vorteile, die einem dieses System offensiv bietet. In der Variante, die Verl auf den Platz bringt, also mit einem defensiven und zwei halbzentralen Mittelfeldspielern davor, sowie situativ offensiv agierenden Flügelverteigern, entfesselt dieses System geballte Angriffskraft.

Schwächen: Die Spielweise ist für den Gegner meist leicht auszurechnen. Bei Ballverlust kommt es überdies schnell zu einer Unterzahl im Mittelfeld, die passsichere Mannschaften dann ausnützen können. Bei Positionsangriffen fehlen bei einem 4-3-3 aufgrund der sehr offensiven Ausrichtung oft Anspielstationen im Mittelfeld. Verl versucht dieses Manko mit offensiven Flügelverteidigern, die aufrücken, zu kompensieren.

Gegen den Ball wird der heutige Gastgeber, da er defensiv mit einem 4-1-4-1 agiert, keine Schwächen, die nicht individuellen Fehlern entspringen, haben, sofern Mehmet Kurt (#7) im defensiven Mittelfeld seine Aufgaben gut erledigt.

Die Schlüsselspieler des SC Verl

Torhüter Robin Brüseke (#32) ist ein reflexstarker Schlussmann, mit einer Körpergröße von 1,84 m nicht unter den Größten seiner Zunft zu finden, allerdings hat er dennoch das Durchsetzungsvermögen und eine gute Strafraumbeherrschung, um den Gegenspielern auch bei hohen Bällen nicht die Oberhand zu überlassen. In bislang drei Spielen konnte er die Null halten.

Mehmet Kurt (#7): Der gegen den Ball zweikampfstarke defensive Mittelfeldspieler steuert die Richtung der Angriffe im Aufbau. Mit seiner guten Übersicht und seinem genauen Passspiel ist er in der Spieleröffnung die erste Anspielstation aus der Abwehr heraus.

Philipp Sander (#11) agiert als halbzentraler rechter Mittelfeldspieler. 80% erfolgreiche Pässe, ein gutes Auge für entstehende Situationen und geniales Zusammenspiel mit Aygün Yildirim (#18) dem rechten Flügelspieler zeichnen den kreativen Kopf der Verler im Mittelfeld aus. Er drückt sich  außerdem nicht vor defensiven Zweikämpfen. Für einen offensiv ausgerichteten Spieler gewinnt er davon mit knapp 63% überdurchschnittlich viele.

Schon angesprochener Aygün Yildirim (#18) ist der Turbo auf dem rechten Flügel. Dribbelstark wie kaum ein anderer Spieler der Liga und obendrein torgefährlich. 48% seiner Eins-gegen-Eins-Duelle im Dribbling gewinnt er. Sechs Treffer und zwei Vorlagen stehen zu Buche. Philipp Steinhart wird hier alle Hände voll zu tun haben.

Zlatko Janjic (#13) im Sturmzentrum ist sowohl Vorbereiter Nummer eins und zugleich, mit sechs Treffern bisher, ein eiskalter Vollstrecker vor dem Tor. Er ist Verls gefährlichste Waffe im Sturm. Auf seine Erfahrung und große Anzahl an Treffern in der 3. Liga in den letzten Jahren wurde auch in unserem Vorbericht für das heutige Spiel hingewiesen. Außerdem hat Janjic für das Portal liga3-online.de diesen Spieltag getippt. Seine Erwartung – und die einiger anderer – für den heutigen Abend in Paderborn könnt Ihr hier nachlesen.

Fazit

Der geballten Offensivkraft des SC Verl zu widerstehen wird ungemein schwer. Andererseits werden, gerade weil Verl so offensiv spielt, auch Chancen für den TSV 1860 heute Abend keine Mangelware sein. Speziell die Verler Innenverteidiger haben am Boden nicht die besten Zweikampfquoten, und je nachdem, wer neben Kapitän Julian Stöckner (#23) im Abwehrzentrum den Vorzug bekommt, kann es auch sein, dass 1860 über hohe Flanken zu Kopfballchancen kommt.

Gegen den Ball ist – man kann es gar nicht oft genug wiederholen – allerhöchste Konzentration und Vorsicht geboten. Verl hat hohes Spieltempo und technisch brillante Akteure in der Offensive zu bieten. Die Angriffe des SCV müssen – wenn möglich – schon im Ansatz unterbunden werden, damit erst gar keine Gefahr für die Hintermannschaft oder das Tor der Löwen entstehen kann.

Ich hoffe sehr, dass Michael Köllner defensiv das richtige Rezept findet, um Verls Offensive in Zaum zu halten. Bei eigenem Ballbesitz werden wir vor dem gegnerischen Tor gefährlichere Löwen sehen, als in den beiden vorangegangen Spielen.

Alles in allem wäre ich vor diesem Auswärtsspiel durchaus mit einem Punkt zufrieden. Wir werden sehen was die neunzig Minuten für uns bereithalten. Spannend wird es auf jeden Fall gegen den Aufsteiger aus Ostwestfalen.

Datenquelle: http://www.wyscout.com/

Mit voraussichtlich dieser Aufstellung werden die Gastgeber heute Abend in Paderborn auflaufen:

0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments