Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unserer Löwen gegen die Veilchen aus Aue. Die noch ungeschlagenen Gäste kommen als Tabellendritter nach Giesing. Was erwartet die Löwen?

TSV 1860 gegen den FC Erzgebirge Aue heißt das Duell am Samstag um 16:30 Uhr im Sechzgerstadion. Trainer Pavel Dotchev wird sein Team vermutlich im 4-2-3-1 ins Rennen schicken. Aus der Grundordnung verschiebt Aue bei eigenem Ballbesitz über die Außen und den Box-to-Box Spieler in ein ballfern asymmetrisches 4-3-3. Im letzten Drittel des Gegners stehen dann durch den aufrückenden zentralen offensiven Mittelfeldspieler und den Box-to-Box Spieler, der sich hinter der Sturmreihe einordnet, bis zu vier Spieler in der vordersten Reihe.

Gegen den Ball verteidigen die Auer das Positionsspiel des Gegners zunächst systemgetreu. Im eigenen letzten Drittel kippen die beiden Mittelfeldaußen auf die Höhe der defensiven Mittelfeldspieler ab. Es ergibt sich also vor der Auer Box ein 4-4-1-1.

Wenn die Linie hoch gesetzt wird, läuft im Pressing also zunächst nur die Sturmspitze den Aufbau des Gegners an. Dahinter steht die Dreierreihe, wobei die Außenspieler die äußeren Grenzen der Halbräume zustellen und der zentrale offensive Mittelfeldspieler sich versetzt zur Sturmspitze bewegt.

Die Defensivlinie setzt Aue gerne in direkte Relation zur Pressinglinie, wenn hoch gepresst wird. Bei mittlerer bis tiefer Pressinglinie zieht sich die Defensivlinie bis maximal zur vorderen Grenze des eigenen letzten Drittels zurück. Das Mittelfeld hält man für den Gegner so möglichst eng.

Bevor wir das Auer Spiel nun genauer betrachten und darauf schauen wie der TSV 1860 den FC Erzgebirge Aue möglicherweise schlagen kann, gibt es an dieser Stelle wie immer die wichtigsten statistischen Werte des Gegners.

Wichtigste statistische Werte von Aue

  • Ballbesitz 57%
  • Passgenauigkeit 82%
  • defensive Zweikampfquote 60%
  • Flankengenauigkeit 29%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 11,48

Wie spielt Aue?

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz spielt Aue geduldig im Positionsspiel über den Box-to-Box Spieler, der als kreativer Ballverteiler die Richtung der jeweiligen Attacke vorgibt. Aue sucht oft lange den Weg dorthin, wo der Gegner bespielbare Räume offen lässt. Um den Weg in diese Räume zu finden, hat Aue keine Scheu mit Hilfe längerer Passstafetten in der eigenen Defensivabteilung zu warten, bis sich solche Räume öffnen. Bevorzugt spielt Aue dann über die Halbräume diagonal oder vertikal den langen Ball auf einen der drei offensiv aufgestellten Spieler im Mittelfeld.

Aus den Halbräumen geht es dann im Abwehrdrittel des Gegners häufig auf die Außenpositionen. Aue versucht diese über einen vorpreschenden Außenverteidiger doppelt zu besetzen. Den Weg von dort in die Box der Kontrahenten bestreitet Aue zu 75% über Flanken, die hoch ins Zentrum des gegnerischen Strafraums kommen. Wie man aber an der bisherigen Flankengenauigkeit der Schachter sehen kann fehlt es hier – bisher – noch ein wenig an der Genauigkeit.

Im Umschalt- und Konterspiel drückt Aue gern durch das Zentrum. Bisher lösen die Veilchen diese Situationen allerdings eher unpräzise. Im statistischen Schnitt kommt alle zwei Spiele ein Konter bis ins letzte Drittel des Gegners.

Der Box-to-Box Spieler hat beim Aufbau im Positionsspiel der Auer die Aufgabe den Ball zu verteilen und die Angriffsrichtung vorzugeben. Allerdings kommt es bei den oben erwähnten Passstafetten häufig dazu, dass sich die gesuchten Räume just in dem Moment öffnen, in dem ein Verteidiger den Ball hat und somit dieser den langen Ball auf die Offensivspieler schlagen muss. Darunter leidet hin und wieder die Präzision.

Gegen den Ball

Wie weiter oben schon beschrieben presst Aue auf den besagten Linien deutlich im Raum und nicht auf den Ball. Daraus folgt, dass die Verschiebung der Ketten durch Abkippen der Außenspieler ins defensive Mittelfeld schnell vollzogen werden kann und alle Zonen in der Defensive der Auer oft gut zugestellt sind. Die Ketten vor der eigenen Box arbeiten diszipliniert.

Im Gegenpressing nach Ballverlust im Mittelfeld oder der Offensivzone verhält sich Aue in Ballnähe oft aggressiv. Wenn die Raumaufteilung es möglich macht, wird der ballerobernde Spieler doppelt angegangen. Befreit sich dieser aus der Situation durch Passspiel oder eine Einzelaktion, verdichtet Aue auf der ballnahen Seite schnell und geht kontrolliert in den Rückzug.

Wie kann der TSV 1860 Aue knacken?

Für den TSV 1860 München wird es im Spiel gegen den FC Erzgebirge Aue auf die folgenden Punkte ankommen: Schnelles Spiel in die Schnittstellen der Ketten ist das Patentrezept mit dem man die Schachter knacken kann. Dabei ist Geduld für das Eintreten der richtigen Situation gefragt. Das bedeutet nicht, dass man sich mit langen vorbereitenden Ballstafetten aufhalten soll, sondern nach Eindringen ins letzte Drittel der Auer durch aktives Verschieben auf den Offensivpositionen (Aufrücken, Abkippen, Kreuzen, Läufe ohne Ball des Sechsers aus der Tiefe) in der Defensivzone der Auer Räume schaffen muss, in die dann hineingestochen werden kann.

Diese Herangehensweise birgt bei Ballverlust allerdings ein gewisses Risiko für die defensive Kompaktheit gegen den Ball. Ein taktisches Foul von Zeit zu Zeit wird also nötig sein, um bei Ballverlust das Umschaltspiel der Veilchen in Zaum zu halten.

Weiterhin wird es essentiell sein selbst gegen den Ball in jeder Phase konzentriert zu sein. Fisimatenten wie sie sich Vrenezi gegen Sandhausen leistete wird auch Aue bestrafen. Im eigenen letzten Drittel muss die Übergabe der Spieler in den Zonen sicher erfolgen. Das bedeutet man braucht zwingend einen freien Mann in oder knapp vor der eigenen letzten Reihe, der im Zentrum bei horizontalen oder diagonalen Verschiebungen den dann von einem Defensivraum in den anderen wechselnden Gegner kurzzeitig übernehmen kann, bis die restliche Zuordnung wieder korrigiert wurde.

Stärken und Schwächen des 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege um einen Spieler zu doppeln relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich hierdurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Schlüsselspieler der Gäste

Abwehr

Torwart und Kapitän Martin Männel (#1) ist zwar bereits 35 Jahre alt, aber gute Torhüter sind wie ein guter Wein – sie reifen auch im Alter nach. 16 Jahre spielt Männel nun bei Aue und ist somit das Urgestein im Kader. Der immer noch sehr reflexstarke Keeper ist eine Wand im Tor. Er kassiert statistisch gesehen in etwa halb so viele Tore als er sollte. Seinen Strafraum beherrscht er mit seiner Erfahrung bestens und auch im eins gegen eins ist er nahezu unüberwindlich. Abwehrfehler müssen helfen, um Tore für die Löwen zu generieren.

Innenverteidiger Niko Vucancic (#4) ist das, was man landläufig als Eisenfuß bezeichnet. Der schnelle Innenverteidiger verlor in der bisherigen Spielzeit erst vier Defensivduelle. Etwas zu wünschen übrig lässt sein Timing bei Kopfballduellen. Im Stellungsspiel macht der aus Düsseldorf nach Aue gewechselte Abwehrrecke hingegen selten einen Fehler. Im Aufbau teilt er sich die Aufgabe brüderlich mit seinem Nebenmann Anthony Barylla (#23).

Mittelfeld

Der Box-to-Box Spieler Mirnes Pepic (#10) ist die Schaltzentrale im Mittelfeld. Er ist der wichtigste Spieler beim Aufbau im Positionsspiel. Der 27-Jährige bestimmt mit Übersicht und Routine die Richtung der Attacke. Gegen den Ball verhält er sich mannschaftsdienlich und schließt die Lücke nach hinten zügig nach Ballverlusten. Der passsichere, schnelle und dribbelstarke Spieler ist das Gehirn und der Motor in der Offensive der Schachter.

Sturm

Nach drei Startelfeinsätzen für Marcel Bär (#15), der von unserem TSV 1860 nach Aue gewechselt ist, spielte dort vergangenes Wochenende gegen Lübeck zunächst Maximilian Thiel (#30). Das Tor für Aue fiel jedoch erst nach der Einwechslung von Marcel Bär durch einen von ihm clever herausgeschundenen und für mein Dafürhalten unberechtigten Elfmeter für Aue.

Beide Spieler haben sicherlich die Berechtigung zu spielen. Ob sich einer der beiden in Zukunft noch als Schlüsselspieler herauskristallisieren wird, werden wir sehen. Den Leistungen der vergangenen Jahre nach hat Bär in meinen Augen momentan die Nase leicht vorn. Seine Qualitäten und Schwächen dürften allen Lesern bekannt sein. Hohe Schussgenauigkeit, mannschaftsdienliches Spiel in der Spitze und eine gewisse Schlitzohrigkeit in der Box in kniffligen Momenten machen Bär zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr in jedem Spiel. Bisher konnte er sich jedoch noch nicht in die Torschützenliste eintragen.

Fazit: was ist gegen Aue für den TSV 1860 drin?

Es wird ein schweres Stück Arbeit für den TSV 1860 gegen den FC Erzgebirge Aue werden. Gegen die kompakt stehenden und geduldig spielenden Sachsen muss man selbst auch geduldig sein. Das A und O ist, dass man sich vor allem gegen den Ball keine Blöße gibt. Offene Räume, die keine Pressingfallen sind, darf man nicht entstehen lassen.

Ich erwarte ein hart umkämpftes Spiel mit viel Arbeit für die Spieler, die ins Gegenpressing gehen müssen. Es wird vermutlich häufige Ballbesitzwechsel im Mittelfeld geben. Somit werden auf beiden Seiten Umschaltsituationen, die mit Gegenpressing bekämpft werden müssen, entstehen. Wer hier konsequenter und spielt und wacher im Kopf ist, sollte am Ende die Nase vorn haben.

Ich erwarte, dass die Sechzger gegen die Schachter mindestens einen Punkt holen. Die Löwen sollten allerdings nicht wieder die wichtigen Tugenden für den Sport vernachlässigen. Träumen irgendwelche Spieler wieder im falschen Moment von Pfiffen des Unparteiischen, geht es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach hinten los.

So könnte Aue gegen den TSV 1860 beginnen

Datenquelle: Wyscout

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