Herzlich willkommen zur Taktiktafel-Analyse des Spiels TSV 1860 München – Eintracht Braunschweig.

In einem von Eintracht Braunschweig hart geführtem Kampfspiel trennen sich die Kontrahenten schlussendlich mit einem für den TSV 1860 München in meinen Augen bitteren Unentschieden. Die Löwen sind damit fünf Spiele in Folge ungeschlagen, das ist meiner Meinung nach eine tolle Serie.

Michael Schiele schickte den BTSV wie erwartet in einem 4-2-3-1 auf den Platz, dem stellte Löwencoach Michael Köllner das seit Sascha Mölders Abgang sehr erfolgreiche 3-5-2 entgegen.

Die Braunschweiger spielten bei eigenem Ballbesitz mit asymmetrisch verschiebenden Außenspielern. So entstand im letzten Drittel vor dem Tor ein 3-4-3. Braunschweig spielte dieses System durchaus druckvoll, konnte jedoch die schnellen Kontergegenstöße der Münchner Löwen nur schwer verteidigen.

Die Sechzger verschoben gegen den Ball zu einem 5-3-2. Tallig, der als Box-to-Box Spieler agierte, suchte bei eigenem Ballbesitz immer wieder den Weg hinter die Spitzen. Neudecker agierte wie ein Schattenstürmer und tauchte immer wieder als dritter Mann zwischen den beiden Stürmern Bär und Lex auf.

Die wichtigsten Statistiken des Spiels TSV 1860 – Eintracht Braunschweig

  • Ballbesitz TSV 1860 33%, BTSV 67%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 72%, BTSV 82%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 61%, BTSV 48%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860, 14/7 BTSV 15/3
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 10,9, BTSV 6.06

Blick auf die Statistiken

Ballbesitz

34% weniger Ballbesitz für unsere Löwen. Man könnte sagen, ein klares Statement der Braunschweiger in Puncto Dominanz und Spielbestimmung. Das ist einerseits natürlich richtig, mit der Taktik die Michael Köllner im System 3-5-2 (5-3-2 gegen den Ball) den Spielern unseres TSV auferlegt ist das aber genau so gewollt. Lasst den Gegner kommen, macht die Räume eng, holt euch den Ball und dann ab wie die Feuerwehr nach vorne, um abzuschließen.

Diese Taktik hat wie in den vier Spielen zuvor grundsätzlich gut funktioniert. Kraftverlust in der zweiten Halbzeit, der von den Corona-Zwangspausen einiger Spieler herrührt, und Auswechslungen wegen sich anbahnender Verletzungen zerrissen dann eine kompakt stehende Defensive des TSV 1860 München, sodass sich die Braunschweiger in der Spielfeldhälfte des TSV 1860 München festbeißen konnten.

Passgenauigkeit

Eine um 10% schlechtere Passgenauigkeit als der Gegner ist nicht unbedingt das, wonach es aussieht. 12% der Pässe beider Teams waren Rückpässe. Quer wurden bei den Sechzgern knapp 18% der Pässe gespielt, bei Braunschweig liegt der Anteil an Querpässen bei 39%. Damit bleiben für Pässe nach vorn bei Braunschweig 49% übrig. Sechzig hingegen spielte 70% seiner Pässe nach vorn.

Mit dieser schnellen sowie vertikalen Spielweise hat der TSV 1860 München also die eklatante Differenz beim Ballbesitz durchaus kompensiert. Denn bei in den Strafraum gespielten Bällen, Schüssen und Standardsituationen in Tornähe stehen unsere Löwen im Vergleich mit den im Ballbesitz dominanten Gästen ziemlich gut da.

Schüsse

14:15 Schüsse bei einer Schussgenauigkeit von 50%:20% lassen den TSV 1860 München gegenüber Eintracht Braunschweig schon mal sehr gut aussehen. Bei Standards in Strafraumnähe liegen die Sechzger sogar mit 13:8 vorn. Nur eine Ecke weniger, aber dafür sechs Freistöße mehr haben die Sechzger auf dem Konto.

PPDA

Dass die PPDA für den TSV 1860 München im Vergleich mit der Eintracht aus Braunschweig schlechter aussieht ist eine Folge der gewählten Taktik. Somit muss man sagen, dass die Löwen im Bereich der Statistiken in Abhängigkeit von der gewählten defensiven und auf Konterspiel ausgerichteten Taktik super dastehen.

Das Spiel

In der ersten Halbzeit hatte der TSV 1860 München Eintracht Braunschweig gut im Griff. Lediglich fünf Schüsse der Gäste ließ man in der eigenen Box zu. Wirklich gefährlich waren zwei davon. Den setzten jedoch Lauberbach in der zweiten Minute links neben das Tor und Müller in der elften drüber.

Ein weiterer gefährlicher Schuss, bei dem allerdings Torhüter Hiller rettend eingreifen musste, kam von außerhalb der Box, als Behrendt aus relativ zentraler Position etwa 18 m vor dem Tor einen Freistoß an Hillers Fäuste hämmerte (33.).

Ganz im Gegenteil dazu waren die Chancen, die der TSV 1860 München im ersten Durchgang hatte, klare Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für den Braunschweiger Keeper. Vier von sieben Schüssen gingen auf den Kasten der Gäste, zwei davon hinein. Bei den Schüssen von Neudecker und Dressel in der 36. und 38. Minute konnte Fejsic zeigen, warum er einer der besten Torhüter der Liga ist.

Ähnlich wie Hiller am vergangenen Wochenende in Köln hielt der Keeper der Gäste so die Elf aus Niedersachsen im Spiel. Ein drittes Tor der Sechzger hätte – wie wir wissen – wohl den Sack zugemacht. Leider war uns das nicht vergönnt.

Die zweite Halbzeit, in der Braunschweig diese Saison die meisten seiner Tore schießt, brachte dann die glückliche Wende für überharte Braunschweiger. Insgesamt war der Ball während der zweiten 45 Minuten nur knappe dreizehn Minuten im Besitz der Hausherren. Braunschweig nutzte alle legalen und auch viele illegale Mittel, um den Löwen aus München die Kugel möglichst schnell wieder abzuluchsen. Trotzdem kam unser TSV 1860 in der zweiten Halbzeit a) zu mehr Torschüssen und b) zu fast gleich vielen zu Ende gespielten Angriffen wie die Gäste.

Kontertore für den TSV

Das 1:0

Dressel stört an der linken Seitenauslinie Marx bei einem Passversuch so, dass Lex ein paar Meter weiter vorne in Ballbesitz kommt. Postwendend schickt Lex Neudecker mit einem Pass in Richtung Mittellinie auf die Reise. Der hat dann ein wenig Glück, dass Schultz einen Stockfehler begeht, indem er am Ball vorbeiläuft. Neudecker passt, nachdem er an Schultz vorbei ist, den Ball auf die halbrechte Seite zu Bär, der sich das Leder einmal vorlegt und nach eindringen in die Box nicht lange fackelt, um mit einem Schuss aus etwa vierzehn Metern die Kugel mit dem zweiten Kontakt zum 1:0 zentral im Tor zu versenken.

Das 2:0

Belkahia erobert vor dem 2:0 am eigenen Strafraum auf der halbrechten Seite den Ball und treibt das Leder über gut 40 Meter verfolgt von Krauße bis knapp hinter die Mittelline. Von dort passt er kurz diagonal nach vorn zum an der Seitenlinie stehenden Bär. Der Toptorjäger legt zurück in die eigene Spielfeldhälfte zu Deichmann, der mit dem ersten Kontakt Neudecker zentral vor dem gegnerischen Strafraum anspielt. Der Regisseur der Löwen legt die Kugel zurück zu Lex. Lex spielt einen Querpass auf den von links nachrückenden Steinhart. Der linke Verteidiger unserer Löwen marschiert mit Ball ein paar Meter in die Box hinein und zieht dann, wie zuvor Bär, ebenfalls aus etwa vierzehn Metern ab, um die Kugel rechts hinter Fejsic zu versenken.

Warum fielen die Gegentore?

Glückliche Tore für die Eintracht verhindern eine eigentlich verdiente Niederlage der Gäste. Die Treffer von Lauberbach und Marx dürfen beide nicht fallen. Der Pass hinter die Kette zu Henning ist zwar nicht zu verhindern, dass aber Henning mutterseelenallein in die Box eindringen kann und die Vorlage zum Stolpertor von Lauberbach gibt, darf nicht passieren.

Vor dem 2:2 spielt Biankadi einen unglücklichen Ball in die Beine von Nikolaou. Allerdings ist nicht das allein der entscheidende Moment. Wieder ist es Henning, der völlig allein, diesmal in zentraler Position vor dem Strafraum, an den Ball kommt und einen Schuss abfeuern kann. Dieser Schuss konnte zwar noch von Tallig, der von rechts angerannt kommt, geblockt werden. Die Tatsache, dass Henning in dieser Situation so allein dastand, hat jedoch dafür gesorgt, dass Steinhart als linker Verteidiger unserer Löwen weiter innen stehen musste als eigentlich nötig. Somit hatte Marx, der aus dem Hintergrund angerauscht kam, freie Schussbahn zum Ausgleich.

Wer wäre für Henning zuständig gewesen? In dieser Situation denke ich, dass es Talligs Aufgabe gewesen wäre. Der steht zunächst bei Henning, kippt dann jedoch in die Abwehrkette ab. Der weiter rechts stehende Dressel hat nicht die Zeit, um zu Henning nach links zu rücken bevor dieser den Pass annehmen und schießen kann.

Das alles kann man hier noch einmal Revue passieren lassen.

Fazit zur Punkteteilung zwischen dem TSV 1860 und Eintracht Braunschweig

Spielen die Spieler des TSV 1860 München in der zweiten Halbzeit etwas abgeklärter und vor allem aufmerksamer vor der eigenen Box, holt man zuhause verdient drei Punkte. Gleiches gilt für das Spiel vor dem gegnerischen Tor. Auch dort fehlte unseren Sechzgern in zwei Situationen die Abgeklärthei,t um das wichtige dritte Tor zu markieren.

Vor dem Spiel unterschreib ich das sofort, wenn mir jemand sagt wir holen gegen die Braunschweiger einen Punkt. Nach dem Spiel war ich schon ein wenig angefressen. Diese Gefühlslage änderte sich allerdings nach dem ein oder anderen Bier am Grünspitz relativ schnell wieder. Mit Blick auf die kommenden Gegner und aufgrund dessen, wie effektiv der TSV 1860 München vor dem gegnerischen Tor agieren kann, darf man absolut positiv gestimmt auf die kommenden Aufgaben – in Meppen, beim Perlacher Projekt, gegen Halle und in Zwickau – blicken.

Einen Tausendsassa, wie Fejsic einer ist, hat von diesen Mannschaften keiner zwischen den Pfosten.

Mit ihrer Cleverness und klar übertriebener Härte kauften die Gäste aus Niedersachsen dem TSV 1860 München leider in der zweiten Halbzeit den Schneid ab. Nötige Wechsel beim TSV wegen konditionellen Problemen und sich anbahnenden Verletzungen bei unseren Spielern zerstörten ab der 63. Minute ein wenig das Gefüge im Defensivverbund.

Ein wenig mehr Härte gegenüber den Schlüsselspielern der Eintracht hätte meiner Meinung nach auch nicht geschadet. Wenn man z.B. Henning in der Frühphase der Partie einige Male, für ihn schmerzhaft attackiert, hat das für sein Spiel möglicherweise einen gewissen negativen Effekt.

Nichtsdestotrotz bin ich heute, einen Tag nach dem Spiel mit dem Punkt doch recht zufrieden. Der TSV 1860 München ist auf einem guten Weg, um sich in höhere Tabellenregionen vorzuarbeiten. Abgerechnet wird am Schluss.

Datenquelle: Wyscout

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Aschlegel

Ich bin durch Zufall auf die Seite Fußballdaten gekommen und habe mir mal die Statistik von unserem Spiel gegen Braunschweig angeschaut. Was wirklich krass ist: Die kommen auf ganz andere Daten wie Du bzw. Wyscout. Wie kann das sein?

Beispielsweise gibt man dort die Ballbesitzverteilung mit 55:45 % zugunsten der Löwen an, während es bei Dir nur 34 % sind. Bei den Schüssen sehen sie das Verhältnis von 10:9 statt wie bei Dir 14:15.

Nur am Rande: Als ich Deine Zahlen vom Ballbesitz das erste Mal gelesen hatte, war ich wirklich überrascht, dass das nur so wenig gewesen sein soll. Als ich dann aber die Zahlen bei Fußballdaten las, hatte ich aber auch gleich das Gefühl, das kann aber jetzt auch nicht stimmen.

Aber schon interessant, wie unterschiedlich Statistiken ausfallen können. Gerade bei Schüssen, dürfte es doch nicht so eklatante Abweichungen geben.

Hier der Link dazu: https://www.fussballdaten.de/3liga/2022/25/tsv1860-braunschweig/

Bluemuckel

Ich kann leider nicht nachvollziehen woher dieses Protal seine Daten erhebt. Wyscout ist eins der führenden Datenportale in Puncto Fußball. Wie auch Instat oder Opta. Wir haben uns für Wyscout entschieden. Wenn man nach Fußballstatistiken sucht findet man zum selben Spiel auf allen Seiten die nichts kosten ziemlich unterschiedliche Werte. Hier z.B. noch ein Link mit sicherlich falschen Daten: https://www.fussballtransfers.com/spiel/6545095071025154961-1860-muenchen-vs-eintracht-braunschweig#stats
Woher die Diskrepanz kommt kann ich Dir beim besten Willen nicht sagen. Bei den Schüssen kann es z.B. sein, dass geblockte Schüsse bei einem Portal nicht mitgezählt werden bei einem anderen schon usw.

Aschlegel

Ja, schade, dass die nicht so transparent sind wie Ihr. Aber wenn man sich die Graphen anschaut, scheint das doch zumindest eine halbwegs professionelle Quelle zu sein. Trotzdem kann es nie und nimmer sein, dass Sechzig mehr Ballbesitz hatte in dem Spiel.
Ich habe mir dann auch noch den Spielbericht auf der Seite durchgelesen und der ist wirklich grottenschlecht und fehlerhaft. Mit diesem unterirdischen Niveau tut man sich keinen Gefallen.

Aschlegel

Jetzt habe ich mir gerade noch mal Deinen Link angeschaut. Das ist ja schon wieder unfreiwillig komisch: Sechzig mit 67 Prozent Ballbesitz und 2 Pässen während dem gesamten Spiel. Da muss wohl einer mit dem Ball herumgelaufen sein, während die anderen am Anstoßkreis Schafkopf gespielt haben … Gibts doch gar nicht so was … 🙂

Kassenwart

Wie immer super Analyse, danke dafür Bernd. Das 2:0 war schon eine absolut klasse herausgespielte Kombination und so kaum für Braunschweig zu verteidigen.

Beim 2:1 kannst Du das Abspiel nicht zu 100% verhindern. Wenn man als Innenverteidiger (Salger) allerdings auf Höhe des Stürmers gewesen wäre, hätte der Ball Lauberbach nie erreicht. Dann hätten wir jetzt höchstens von einem unglücklichen Eigentor gesprochen. Moll hätte Lauberbach auch doppeln können, doch dieser musste den mangelnden Defensiveinsatz von Dressel ausgleichen und den viel längeren Weg quer durch den Strafraum sprinten, um den direkten Abschluss zu verhindern.

Zum 2:2
“Der weiter rechts stehende Dressel hat nicht die Zeit, um zu Henning nach links zu rücken bevor dieser den Pass annehmen und schießen kann”. Ist die Frage, ob er da so im leeren Raum richtig steht oder nicht eigentlich schon die entscheidenden Schritte vorher machen muss. In meinen Augen war es ein ganz schwaches Spiel von Dressel. Man hatte den Eindruck, Neudecker wäre der 6er (gerackert, gegrätscht und ins Aufbauspiel eingebracht) und Dressel ein 10er (Diva)…

In der 2. Halbzeit war es auch eine mentale Schwäche. Die ganze Woche hatte Köllner Passspiel unter Druck trainiert. Trotzdem versagen dann die Nerven und man bolzt den Ball nur noch aus dem 16er. So kam er postwendend wieder zurück und man stand wieder unter Druck.

Hinsichtlich der Zweikampfhärte stimme ich Dir wieder vollkommen zu. Bei einem anderen Schiedsrichter wären bereits zuvor der ein oder andere Braunschweiger zum Duschen geschickt worden, da mehrfach ja von Hinten in die Beine gegangen wurde.

Fazit: Wenn Du oben stehen willst, brauchst Du in so einer ausgeglichenen 3. Liga neben eigenem Können
a) Auch die nötige Portion Glück und
b) darfst nur selten Pech haben

Außer Magdeburg sind die Mannschaften von Platz 2-10 vom Leistungsniveau so angelegt, dass je nach Tagesform jeder jeden schlagen bzw. jeder gegen jeden verlieren kann – ohne entscheidend schlechter als der Gegner zu sein.

Der Kampf um Platz 3 wird nicht am 25. Spieltag entschieden. Insofern können wir schon mit dem Punkt leben.

Thomas Löwe

Also erstmal: gut und sehr interessant geschrieben. Kompliment!

Aber: ihr kritisiert die angeblich überharte Gangart meiner Eintracht – und fordert diese gleichzeitig gegen Henning. Das passt nicht.

Weiterhin „dürfen die Gegentore so nicht fallen“. Tja, da können wir uns die Hand reichen, das gilt für meine Eintracht genauso.

Auch (aber nicht nur) deswegen bin ich nicht einverstanden damit, dass es drei verdiente Punkte für euch gewesen wären.

Die Punkteteilung passt schon.

Viele Grüße

Thomas