Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel TSV 1860 – HFC. In der letzten Saison wurde von den Sechzgern gegen die Hallenser die Maximalausbeute von sechs Punkten bei einem Torverhältnis von sage und schreibe 10:2 eingefahren. Das Hinspiel, bei dem der Hallesche FC noch von Florian Schnorrenberg trainiert wurde, endete 1:1.

André Meyer, seit 27.12. vergangenen Jahres auf der Trainerbank des HFC, lässt sein Team im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der das 4-2-3-1 favorisierte, gegen den Ball immer mit 5er-Kette antreten. Die bisherige Ausbeute ist mit sieben Punkten aus fünf Spielen durchschnittlich, aber klar besser als die Bilanz seines Vorgängers in dessen letzten fünf Saisonspielen. Auch gegen den TSV 1860 München rechne ich beim HFC von daher mit diesem System.

Vor allem der Sieg gegen das Projekt aus Perlach, der in den Schlussminuten durch einen Strafstoß für die Hallenser zustande kam, zeigte, zu was der HFC offensiv in der Lage sein kann. Sieben hochkarätige Torgelegenheiten erspielten sich die Saalestädter. Der letzte Gegner – Zwickau – wurde allerdings eher glücklich mit 2:0 besiegt. Speziell Titsch-Rivieros Schuss aus etwa 25 Metern zum 2:0 war nicht unbedingt das, was man im vorhinein als hochkarätige Torgelegenheit bezeichnet.

Mit acht Punkten weniger auf dem Konto als unsere Sechzger steht der Fußballclub aus Sachsen-Anhalt nun auf Platz 14 der Tabelle und versucht weiter, sich von den Abstiegsplätzen zu entfernen.

Die wichtigsten statistischen Werte des Halleschen FC

  • Ballbesitz: 52 %

  • Passgenauigkeit: 80 %

  • Defensive Zweikampfquote: 61%

  • Flankengenauigkeit: 34%

  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,74

Wie spielt der HFC?

Die Null muss stehen! So könnte man die taktische Grundausrichtung der Hallenser seit dem Trainerwechsel einordnen. Mit einer Fünferkette in der Abwehr, die bei eigenem Ballbesitz zur Dreierkette wird, indem die beiden Außenverteidiger ins Mittelfeld vorschieben, macht der HFC die letzte Reihe auf der kompletten Breite zu. So wird es für die Gegner äußerst schwer in die Box zu kommen. Im Spiel nach vorne dominiert einerseits der Ansatz der kontrollierten Offensive, andererseits spielt Halle durchaus mit hohem Tempo im Vergleich zum Rest der Liga.

Defensive

Vor der Abwehrkette wird im Mittelfeld, wenn der Gegner die Pressinglinie überspielen kann, Mann gegen Mann gespielt. Dabei lassen sich auch die Stürmer zur Defensivarbeit teilweise situationsabhängig mit zurückfallen.

Die Zweikampfstärke des Duos im defensiven Mittelfeld, Löhmannsröben (tiefer Sechser) und Titsch Riveiro (Box to Box) lässt für jemand, der das Spiel gegen den Ball in den Vordergrund hebt, nichts zu wünschen übrig. Zusammen haben diese beiden nach der Winterpause eine Zweikampfquote gegen den Ball von 73%.

Flügelverteidigung

In der Statistik sieht man, dass Halle, was die Defensive anbelangt, stark aufgestellt ist. Vor allem das Verteidigen auf den Flügeln klappt sehr gut. Mit Ausnahme des FSV Zwickau, der für sein gutes Flügelspiel bekannt ist, Osnabrück, Saarbrücken und auch dem TSV 1860 im Hinspiel, hatten alle gegnerischen Mannschaften, Probleme damit, von den Außenbahnen aus zu agieren. Das Flügelspiel konnte Halle schon vor dem Trainerwechsel sehr gut unterbinden.

In den vier Spielen nach der Winterpause, vor dem Aufeinandertreffen mit Zwickau in der vergangenen Woche, ließen die Hallenser insgesamt nur 35 Flanken zu. Das sind 8,75 pro Spiel. Und das gegen Mannschaften wie Kaiserslautern, Verl und Braunschweig, die durchaus stark von den Außenbahnen agieren können.

Auch bei defensiven Kopfballduellen sind die Hallenser stark. Dass sie wenige Flanken zulassen, und wenn welche zugelassen werden, diese oft nicht mit der nötigen Schärfe gespielt werden können, ist natürlich ein Grund, der hier mit hineinspielt.

Eine relativ hohe Pressingintensität und eine gute defensive Zweikampfquote sind ein weiterer Faktor, der zeigt, wie stark die Hallenser den Fokus auf eine stabile Defensive legen. Die PPDA von 6,02 seit Meyer übernommen hat, und eine defensive Zweikampfquote von 69% in den letzten drei Spielen zementieren diesen Eindruck.

Offensive

In der Offensive zeigt sich folgendes Bild: Die Passgenauigkeit im Spiel ist bei Halle mit 80% absolut top. Auch spielt Halle die drittmeisten Pässe im Verhältnis zum Ballbesitz pro Minute. Auch im letzten Drittel ist dieses grundsätzlich gute Passspiel im Ligavergleich noch sehr genau und vor allem klug.

Negativ am schwersten wiegend für die eigene offensive Durchschlagskraft dürfte der Abgang von Terrence Boyd zum 1. FC Kaiserslautern in der Winterpause sein. Trotzdem schafft Halle es, sich Torgelegenheiten zu erspielen. Die Schussgenauigkeit sowie die Zonen, wo die Schüsse abgesetzt werden, hat allerdings seither darunter ein wenig gelitten.

Wie kann der TSV 1860 den HFC knacken?

Punkte gegen Halle zu holen wird sicher kein Selbstläufer. Die Mannschaft ist ein eingespieltes Team. Im eins gegen eins offensiv sind nur wenige Teams besser als der HFC. Wenn einer der technisch guten Spieler der Hallenser zum Dribbling ansetzt, ist die Chance, dass es erfolgreich zu Ende gebracht wird, bei über 54%.

Defensiv lässt man seit dem Trainerwechsel fünf Schüsse weniger zu als noch unter Schnorrenberg. Knapp ein Viertel der zugelassenen Schüsse können von der Hallenser Defensive noch dazu geblockt werden, bevor sie überhaupt zur Gefahr fürs eigene Tor würden.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für unsere Löwen? Mit schnellem Kombinationsspiel, Steilpässen durch die Abwehrkette hindurch oder erfolgreichen Einzelaktionen im Mittelfeld, die zu einer Überzahl und somit einem freien Mitspieler im letzten Drittel sorgen, kann man die mittlerweile stabile Defensive der Saalestädter knacken. Neudecker, Biankadi (falls er spielen darf) und Deichmann werden gute Ideen brauchen, um sich durchzusetzen.

Stärken und Schwächen des 3-5-2 (5-3-2)

Stärken

Das System ermöglicht bei Ballbesitz eine gute Staffelung in der Breite und Tiefe; dadurch kann eine für Passkombinationen gute Raumaufteilung entstehen.

Zwei Stürmer in der Spitze bringen starke Präsenz im Zentrum des gegnerischen Abwehrdrittels. Durch ein kompaktes Mittelfeldzentrum lässt man dem Gegner gegen den Ball wenig Raum.

Schwächen

Es ergeben sich bei Ballverlust teilweise weite Abstände, die der Gegner bei schnellem Spiel gut ausnutzen kann.

Die für die Flügelspieler langen Laufwege können, in einem dynamischen Spiel mit viel Ballbesitzwechsel, zu verfrühtem Kraftverlust der Außenspieler und damit zum Erlahmen des Drucks, der über die Flügel aufgebaut werden soll, führen.

Die Flügel sind nur einfach besetzt, deshalb können entweder Defensive oder Offensive dort schwächeln.

Gegen Systeme, in denen mit zwei oder mehr Stürmern agiert wird, ist es in der Defensive ein wenig anfällig. Bei Kontern oder zügigen Positionsangriffen kann es leicht zu einer Unterzahl in der Hintermannschaft kommen.

Die Schlüsselspieler

Defensive

Torwart Tim Schreiber (#18) ist ein guter Keeper in dieser Liga. Das “Bäumchen wechsel”-Spiel bei den Torhütern unter Schnorrenberg war sicherlich für das Selbstvertrauen aller Keeper bei Halle nicht unbedingt das Beste. Seit Meyer das Zepter übernommen hat, ist Schreiber nun klar die Nummer eins und dankt dem Trainer dieses Vertrauen mit guten Leistungen. Seine Stärken liegen klar in der Strafraumbeherrschung; zudem hat er unwahrscheinlich gute Reflexe.

Kapitän Jonas Nietfeld (#33), eigentlich ein defensiver Mittelfeldspieler, ist diese Saison auf die Position den Innenverteidigers nach hinten gerutscht und macht seine Sache dort erwartungsgemäß sehr gut. Dass ein nomineller Mittelfeldspieler eine klasse Spieleröffnung hat ist logisch. Eine 77%-ige Quote bei Pässen nach vorn unterstreicht das. Seine statistischen Werte im Defensivbereich zeigen, dass er auf dieser Position gegen den Ball stärker ist als vergangene Saison im defensiven Mittelfeld.

Mittelfeld

Marcel Titsch Riveiro (#26), der Box to Box Spieler beim HFC, ist sowohl offensiv als auch defensiv eine Bank. Bei defensiven Zweikämpfen, Kopfballduellen, Pässen für Raumgewinn und erfolgreichen Dribblings sind seine Werte im Ligavergleich positionsabhängig überdurchschnittlich gut. Im Zusammenspiel mit Eberwein brilliert er in der Hallenser Offensive. Gegen Den Ball hält er mit Löhmannsröben im Zentrum vor der Kette den Laden dicht.

Michael Eberwein (#10) pendelt zwischen offensivem Mittelfeld und Sturmspitze als Schattenstürmer hin und her. Nach dem Abgang von Boyd ist nun er Topscorer des HFC. Bei nur zwei Vorlagen und acht Treffern sieht man allerdings, dass der Offensivspieler sich als Vollstrecker wohler fühlt als in der Vorbereiterrolle.

Sturm

Nach dem Abgang von Terrence Boyd ist nun nicht ganz klar, wer dieses Erbe antreten kann. Zur Auswahl stehen Julian Guttau (#24), den Michael Köllner in der Pressekonferenz am Freitag gelobt hat, und Elias Huth (#29) zur Auswahl. Ein endgültiges Fazit wer Boyds “Nachfolger” werden wird, kann man nach fünf Partien noch nicht ziehen. Getroffen hat von den Stürmern in der Rückrunde nur Elias Huth. Und zwar einmal vom Elfmeterpunkt, einmal aus dem Spiel heraus. Mit einer Genauigkeit von 58% beim Abschluss ist er, wenn er denn spielen sollte, momentan wohl klar der gefährlichere Mann.

Im Unterschied zu Guttau, der als Außenstürmer auf dem Flügel beheimatet ist, ist Huth gelernter Mittelstürmer. Somit hinkt auch jeder Vergleich dieser beiden Spieler untereinander ein wenig. Mit Eberwein als dominantem Spieler in der Offensive werden beide aber von den Gegnern gern vernachlässigt. Das kann im weiteren Saisonverlauf zu einem Trumpf für Halle werden. Hoffentlich nicht schon heute Abend.

Fazit vor TSV 1860 – HFC

Nach gutem Start in die Saison ist Halle wie gewöhnlich nun wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen und 14. in der Tabelle. Mit einem neuen System, eingeführt vom neuen Trainer André Meyer, stabilisiert sich der HFC aber zusehends. Die Spieler des TSV 1860 München müssen also – wie in jedem Spiel – mit absoluter Konzentration ins Duell gegen den Tabellenvierzehnten gehen.

Ein ideenloses und Рvor allem im letzten Drittel Рlauffaules Offensivspiel der Spieler ohne Ball wird wie vergangenen Mittwoch damit enden, dass man sich vor dem gegnerischen Strafraum im Zentrum verzettelt und keine L̦sungen findet.

Kreativität und schneller Kombinationsfußball ist der Schlüssel zum Erfolg.

Der ein oder andere Spieler, vor allem im Mittelfeld des TSV 1860 München, hat definitiv heute gegen den HFC etwas gut zu machen.

Dass wir siegen können ist klar. Ich erwarte aber auch von allen elf in der Startformation aufgebotenen Spielern, dass sie diesen Willen über 90 Minuten im Spiel auch zeigen.

Hoffen wir auf eine Reaktion der Mannschaft auf das, was am Mittwoch vergangener Woche passiert ist.

Vor allem in der Offensive will ich mehr Laufbereitschaft von dem ein oder anderen als vergangene Woche sehen.

Natürlich ist eine tiefstehende Mannschaft schwer zu bespielen. In einem Heimspiel muss es aber unser Anspruch sein, den Gegner zu besiegen, egal wie sehr die sich hinten einigeln.

Noch ein persönliches Wort von mir: Heute jährt sich der Todestag von Guido Erhard zum zwanzigsten mal. Ein Nachruf von Stefan Kranzberg ist hier zu finden. Mein Apell an das Team: Spielt heute für Guido und zeigt, dass Ihr, wie er es war, hundertprozentige Löwen seid, die es verdienen, das Wappen unseres Vereins auf der Brust zu tragen und schießt Halle aus dem Stadion.

So könnte der HFC beginnen

 

Datenquelle: Wyscout

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Kassenwart

Bernd, erst im Nachgang weiß ein Leser, ob Du richtig lagst.

Bei mir würdest Du einen Job als Videoanalyst bekommen! Deine Beobachtungen und Rückschlüsse sind.Volltreffer.

Weiter so!

Kassenwart

Danke Bernd.

Zwei Mannschaften mit identischem Spielsystem treffen aufeinander. Natürlich kann nach 10 Minuten und zwei schnellen Toren alles Makulatur sein, aber eigentlich müssten wir ein rassiges Spiel insbesondere über die Flügel von beiden Mannschaften sehen.

Wir werden definitiv eine andere Körpersprache zeigen – hoffentlich nicht überpacen. Ist dann auch immer eine Frage des Schiedsrichters.

Bei gleichen Spielsystem ist die Mannschaft mit den technisch beschlageneren Individualisten eigentlich im Vorteil. Heute liegt es womöglich jedoch eher am Kollektiv. Zwei Überraschungen in der Startelf könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber es gewinnen und verlieren immer alle zusammen.

Bin super optimistisch!