Nach dem Absturz auf Platz 15 der Tabelle steht nicht nur Trainer Maurizio Jacobacci im Zentrum der Kritik. Auch die Zusammenstellung des Kaders muss hinterfragt werden, die Verantwortlichkeiten bei der Auswahl der Neuzugänge. War es eventuell doch ein Fehler, auf einen erfahrenen Sportdirektor bzw. Geschäftsführer Sport zu verzichten und stattdessen mit einem “Kompetenzteam Sport” zu agieren?

Das “Kompetenzteam Sport”

In der Sommerpause wurde man seitens des TSV 1860 nicht müde zu betonen, dass man sich für die Zusammenstellung eines konkurrenzfähigen Kaders gewappnet sehe. Nachdem der ehemalige Geschäftsführer Günther Gorenzel bereits die Transfers von David Richter, Julian Guttau, Marlon Frey und Eroll Zejnullahu eingetütet bzw. maßgeblich vorbereitet hatte, lag diese verantwortungsvolle Aufgabe für die restliche Transferphase auf den Schultern mehrerer Personen.

Während der Öffentlichkeit verkauft wurde, dass neben Trainer Maurizio Jacobacci und Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer auch NLZ-Leiter Manfred Paula und Chefscout Jürgen Jung mitwirkten, zog im Hintergrund auch das sogenannte “Kompetenzteam Sport” seine Fäden. Neben Pfeifer und Jacobacci gehören diesem inoffiziellen Gremium drei Führungspersonen aus dem Verein, der KGaA und einem KGaA-nahen Unternehmen an.

HAM lehnte Horst Heldt ab

Von diesen fünf Personen verfügt mit Maurizio Jacobacci also eine über eine tatsächliche sportliche Kompetenz. Wenn man dann jedoch bedenkt, dass der Italo-Schweizer zu diesem Zeitpunkt a) über kaum Erfahrung in der 3. Liga verfügte und b) ohnehin nicht unbedingt dafür bekannt ist, lange bei einem Klub zu bleiben und dementsprechend in erster Linie daran interessiert sein dürfte, kurzfristig Erfolge zu erzielen statt mittel- und langfristig erfolgreiche Strukturen zu implementieren, erscheint das Wirken des “Kompetenzteam Sport” umso fragwürdiger.

Nicht umsonst setzte sich Präsident Robert Reisinger frühzeitig dafür ein, dass ein namhafter Sportdirektor bzw. Geschäftsführer Sport die Kaderplanung übernehmen solle. Der auserkorene Horst Heldt wurde – wie bekannt – seitens der HAM abgelehnt, eine Einsetzung mittels 50+1 wäre zwar rechtlich möglich, aufgrund der Blockadehaltung des Hauptgesellschafters nicht sinnvoll gewesen. Vizepräsident Heinz Schmidt hatte sich diesbezüglich im Wochenanzeiger deutlich geäußert:

“Von einem Vertreter unseres Mitgesellschafters wurde mir persönlich unverblümt erklärt, es wäre völlig unerheblich, welchen Namen der Verein in den Ring wirft. Sobald öffentlich klar sei, es handelt sich um einen Kandidaten des Vereins, würde ihn HAM, unabhängig von dessen Qualifikation, kategorisch ablehnen. Das hat der von uns vorgeschlagene Kandidat dann auch im Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Geschäftsführer zu spüren bekommen. Daraufhin hat er sich zurückgezogen.”

Jacobacci folgte auf Köllner und Gorenzel

Wie aber kam es überhaupt zu dieser für den TSV 1860 so unbefriedigenden Konstellation? Bekanntermaßen wurde Michael Köllner Ende Januar nach der Niederlage gegen Dynamo Dresden entlassen. Schon bald präsentierten Günther Gorenzel und die Vereinsseite vermeintlich geeignete Kandidaten zur Nachfolge des Oberpfälzers, die jedoch allesamt durch die HAM-Vertreter abgelehnt wurden.

Über HAM und die Pacific Group wurde schließlich der Kontakt zu Maurizio Jacobacci hergestellt, der nach der unglücklich verlaufenen interimistischen Trainertätigkeit von Gorenzel als neuer Trainer verpflichtet wurde. Sicher nicht der Wunschkandidat des Vereins, wie auch Robert Reisinger auf Anfrage von sechzger.de rückblickend erläutert:

“Die Kandidatenliste von Gorenzel für die Nachfolge Köllners enthielt durchaus interessante Namen. Ãœber einige wurde in der Presse geschrieben. Als Vereinsvertreter waren wir mit Gorenzels persönlichem Wunschkandidaten einverstanden. Das ließ sich dann aber nicht realisieren. Es gab unterschiedliche Vorstellungen der Gesellschafter. Am Ende wurde es ein anderer. Die Geschäftsführer gerieten in dieser Phase stark unter Druck und gaben, um die schwierige Situation mit unserem Mitgesellschafter zu befrieden, schließlich dem Ansinnen nach. Wobei ich es falsch finde, wenn Jacobacci jetzt zum Sündenbock gemacht würde. Er hat eine Chance für sich gesehen und zugegriffen. Die sportlich unbefriedigende Situation in der wir uns befinden, kann nicht alleine auf seinen Schultern abgeladen werden.”

Dr. Christian Werner als Geschäftsführer Sport?

Wie geht es nun weiter? Sieht das “Kompetenzteam Sport” ein, dass es mit seinem Latein am Ende ist? Macht es nun den Weg frei für die Verpflichtung von Dr. Christian Werner, der zunächst seitens des Vereins als Sportdirektor abgelehnt worden war, nun aber Geschäftsführer Sport werden soll? Präsident Robert Reisinger wünscht sich in erster Linie, dass die Kompetenzen endlich eindeutig geklärt werden:

“Es wurden meiner Ansicht nach im Sommer konzeptionelle Fehler gemacht. Das betrifft hauptsächlich Struktur- und Organisationsfragen. Unsere Entscheidungsprozesse waren nicht optimal. Es haben zu viele Menschen mitgeschnabelt. Für den Geschäftsbereich Sport will ich schnellstmöglich eine fähige Führungspersönlichkeit im Amt sehen, die das Machtvakuum behebt und wieder für geordnete Prozesse im Profifußball bei uns sorgt.”

Wie es auch kommt: Es bleibt spannend bei den Löwen…

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United Sixties

Es bleibt zu hoffen, dass von nun an Fehler der Vergangenheit nicht mehr wiederholt werden und das Präsidium mit einer Geschäftsführung des Vertrauens sowie der Beirat wie AR KGaA zum Wohle der Mitglieder und Fans handeln. Sechzig hat so viel Power und die muss gebündelt werden und mit viel mehr Nachwuchskickern versehen gelingt eine neue Teambildung. Bayerisch, Sechzig, Guad ! Bitte endlich wieder eine sympathische Löwenmannschaft, die unsere Geduld auf dem Platz verdient.

Benjisson

Und wie wurde geschimpft als ich und Co gesagt haben das wird nichts mit diesem Kompetenzteam inkl Trainer. Hetzer war noch am Freundlichsten. Das aktuelle Ergebnis bestätigt unsere Vorahnungen.

_Flin_

Mein Geld ist ja momentan darauf, dass HAM den Dr. Werner jetzt ablehnt, nachdem ihn der Verein jetzt haben will.

Und zwar irgendwann nach Weihnachten, oder auch erst Mitte Januar. Ist ja schon ne Woche her, dass der Verein gesagt hat, er stimmt zu. Der Ball liegt bei HAM. Gute Voraussetzungen, dass mit dem Ball erstmal ganz lange nix passiert.

Tomcat

Ich schlage vor sie nennen sich “KompetenzKompetenzteam Sport”…Die haben ja soviel von der Kompetenz dass es nicht reicht es einmal zu erwähnen…

_Flin_

Ich fände “KompetenzKompetenzteam Profisport Erfolg und Aufstieg” gut.

Baum

Wer war die Person vom e.V. in diesem Kompetenzteam?

Steffen Lobmeier

Wenn man 1 und 1 zusammenzählt, bleibt nur eine Führungskraft des Vereins übrig, die nicht im Artikel zitiert wurde.

Oder ziehe ich da die falschen Schlüsse?

Last edited 4 Monate zuvor by Steffen Lobmeier
black_belt_blues

Es wurden ja immer Paula und Jung benannt. Wenn Paula gelogen war, dann vielleicht auch Jung?
Glauben kann man der ganzen Bagage sowieso nichts. Die HAM und ihre Verbündeten bekriegen den Verein nur um der Macht willen. Und im Krieg ist ihnen jedes Mittel recht. Lügen sind dabei noch das kleinste Kaliber.

Eurasburger1860

Wir haben ein „Kompetenzteam Sport“ was soll da noch schief gehen?
Da kann so ein lumpiger GF Sport niemals mithalten!

Kraiburger

Auf der Mitgliederversammlung der Fußballabteilung am 14. November in der Alm hat sich Manfred Paula ganz klar davon distanziert, je Mitglied eines “Kompetenzteams Profifußball” gewesen zu sein und hat auch deutlich gesagt, nichts mit der Kaderplanung der ersten Mannschaft zu tun gehabt zu haben. Auch wenn die KgaA das gerne anders behauptet hat um sich sauber zu waschen.

Uraltloewe

Wenn auch Manfred Paula nicht dabei war, bleiben ja wirklich nur Experten übrig.
Es ist zum Lachen, wenn’s nicht so traurig wäre.
Schon interessant, dass von den von GG verpflichteten bzw. vorbereitenden Spielern nur einer nicht richtig gegriffen hat.

black_belt_blues

Laut Pfeifers Presseerklärung bleibt jetzt nur noch Jürgen Jung übrig, der für die Kaderplanung verantwortlich zeichnete.
Den MJ hat man entfernt und alle anderen waschen ihre Hände gerade in Unschuld und Sagrotan.